Kapitel 28 ~ Lang lebe der Princeps

20. September 37

Reglos wie eine Statue wartete er im Schutz der Dunkelheit. Jahrelange Übung hatte seinen Verstand geschärft und die Rastlosigkeit seines Körper bezwungen. Ohne seine Disziplin, die nur von seinem Ehrgeiz noch übertroffen wurde, hätte Macro es wohl nie zum Präfekten der Prätorianer gebracht. Nun wurde seine Macht von diesem jungen, schwächlichen Emporkömmling Clemens und seiner widerwertig echten Freundschaft zu Caligula gefährdet und Macro musste diese Bedrohung jetzt ausschalten. Sonst würde er alles verlieren, wofür er so hart gearbeitet hatte.
Natürlich kam dieser dumme Junge weder pünktlich noch unauffällig. Endlich kam er die dunkle Gasse entlang auf ihren vereinbarten Treffpunkt zu getorkelt. Geduldig wartete Macro im Schatten und kam erst aus seiner Deckung, als der Junge direkt vor ihm stand. Überrascht wankte der Junge einen Schritt zurück und Macro konnte nur mit Mühe seine missbilligende Miene gegen eine freundlichere eintauschen. Seiner Fahne nach zu urteilen war es ein Wunder, dass der dumme Junge überhaupt laufen konnte.
„Habt Ihr das Gift?", lallte der Junge. Vorsichtig sah Macro sich in der dunklen Gasse um, dann griff er in seine Manteltasche und holte eine kleine Phiole hervor. Gierig grabschte der Junge danach, während auf seinem hübschen Gesicht ein grausames Lächeln erschien.
„Dieser eingebildete Pfau hat mich adoptiert!", brüskierte sich Gemellus. „Ich werde ihm zeigen, dass ich kein kleines Kind mehr bin, dem er beliebig Befehle erteilen kann. Er wird nicht einmal die Zeit haben zu bereuen, dass er mir die Mitregentschaft verweigert hat"
„Um die Hure habt Ihr Euch gekümmert?", fragte Macro leise. Gemellus kicherte. Aus dem Schatten löste sich die zierliche Gestalt eines hübschen Mädchens.
„Nicht nur das. Mir ist es gelungen Drusilla zu überzeugen ihren Bruder morgen während des Festes an eine meiner guten Freundinnen zu vermitteln, damit er endlich seinen Frust abbauen kann", prahlte Gemellus. „Wenn er auf jemanden hört, dann auf Drusilla. Er vertraut ihr blind und sie hat nur das Wohl ihres geliebten Bruders im Sinn"
Gemellus unterbrach sein Selbstlob, um sich zu übergeben und Macro verdrehte die Augen. Jetzt war er froh, dass er die Kapuze bei Gemellus' Ankunft nicht zurückgeschlagen hatte und sein Gesicht durch die Falte seines Umhangs im Schatten verborgen war.
„Sobald der Princeps vollkommen verausgabt in den Schlaf gleitet, werde ich ihm das Gift verabreichen", fuhr die Hure ungerührt fort und nahm Gemellus die Phiole ab, bevor sie ihm aus der Hand fallen konnte. „Den ersten Teil meiner Bezahlung habe ich bereits erhalten, der Rest erfolgt nach dem Ableben unseres geliebten Princeps"
„Nun wenn alles bereit ist: Lang lebe der Princeps", pries Macro feierlich, verbeugte sich leicht vor seinem dummen Jungen und machte auf dem Absatz kehrt, während sich Gemellus erneut geräuschvoll übergab und die Hure liebevoll über seine Locken strich. Was für ein erbärmlicher Wicht. Fast bedauerte Macro seine Entscheidung den weitaus fähigeren und würdigeren Caligula aus dem Weg zu räumen. Aber das war die eleganteste und einfachste Lösung für Macros kleines Clemens-Problem. So musste er sich nicht mühevoll Caligulas Vertrauen erarbeiten, sondern konnte ihn einfach durch einen Princeps einsetzen, den er durch den Mord des Vorherigen immer fest in der Hand haben würde. Wenn Caligula fiel, würde ihn niemand mehr hindern diese verdammten Flavier einen nach den anderen zu demütigen und auszulöschen. Stück für Stück würde er den beiden Brüdern alles nehmen, was ihnen etwas bedeutete angefangen mit dem kleinen Goldmädchen. Mit ihr würde er sehr viel Spaß haben und Vespasian würde er zwingen jede einzelne Sekunde mitanzusehen, bis Macro mit ihr fertig war und ihr vor den Augen ihres ambitionierten Vetter die Kehle durchschnitt. Was kümmerte es Macro, was aus Rom werden würde? Er würde einen fähigen Princeps durch seine Marionette eintauschen, weil er nur so in dieser Stadt an der Macht bleiben konnte und wenn er Gemellus nicht mehr kontrollieren konnte, würde er einfach selbst nach dem Purpur greifen. Nichts auf der Welt war ihm so wichtig wie seine Macht, außer vielleicht seine Rache an Titus Flavius Vespasianus.

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