erster Teil

Es war das erste Mal in dieser Woche, dass ich mich dazu entschied, die Zeitung, die bereits den gestrigen Tag auf meinem Tisch lag, anzufassen. Ich beschrieb mich gerne als einen Mann, der sich zum Nachteil vieler Frauen mit einem Buch im Bett eben mal stundenlang aufhalten konnte. Das jedoch ging nicht mit einer Zeitung, schon gar nicht mit einer der Billigen. In solch aufgesetzten Presseberichten wurde hauptsächlich nur über Unsinn und Lügen diskutiert, was meiner Wissbegierde wahrscheinlich keinen Vorteil verschaffte. Aber ich war mir ziemlich sicher, mindestens einen dieser Artikel zu kennen, ohne ihn zuvor gelesen zu haben. Deshalb musste ich zweimal überlegen, sie zu öffnen. Zu meinem Glück war es schon die Titelseite, die in mir ein elendiges Gefühlschaos erweckte. Jedoch nahm ich das Bündel vorsichtig in meine Hand, um mich zu vergewissern, was meine Augen durch die Brille gelesen hatten. "Krankenschwester erstochen", war die Überschrift des Artikels, der sich am Rand, beinahe übersehbar, befand. Eigentlich wollte ich mich auf direkten Weg ins Bad begeben und meinen Kopf in die Toilettenschüssel stecken, doch gegen die Schnelligkeit meiner Magensäure kam ich nicht an, weswegen sich der Weg zum Mülleimer als kürzeren erwies. Noch nie war mir die Realität so bewusst wie in diesem Moment. Erst jetzt wurde mir klar, dass mein Leben kein Albtraum war, sondern purer Ernst. Nichtsdestotrotz hätte ich schwören können, dass ich keineswegs so früh von Lilis Tod hören würde, geschweige denn jemals. Doch anscheinend hatte ich mich geirrt, gegenüber der Ernsthaftigkeit der Situation und ihrem Vertrauen. So wie ich mich in allen Frauen bisher irrte, mit denen ich etwas zu tun hatte. Mein Sinn für Verständnis distanzierte sich immer weiter von mir, weshalb mir keine andere Wahl blieb, als dasselbe mit meinen Beziehungen zu tun. Ich zerbrach nach jedem Atemzug, den sie während der nutzlosen Diskussionen mit mir teilten, nur um mich mit dem zu konfrontieren, wovon ich bereits wusste. All das, was ich in die minderwertigen Beziehungen investierte, zeigte meinem Verstand umso mehr, was es bedeutete, zu verlieren für was man kämpfte. Im Höhepunkt all dieser Erkenntnis überkam mich das vertraute Gefühl, als entzöge sich meine bereits zerschmetterte Seele nun endgültig aus meinem makellosen Körper. Es war jedes Mal ein Feuerwerk gezündet vom Schmerz mit ein wenig Unterstützung von Clozapin und Codein. Jedoch war meine Liebe zu Lili viel stärker als alles andere, was man je hätte beschreiben können. Doch die Gewissheit war wie ein Schuss zwischen meine Augen, der sich in mein Gehirn bohrte und für noch mehr Schaden führte, sodass ich allmählich die Kontrolle verlor. Ich war nicht blind vor Liebe, ich glaubte an sie. Deshalb viel es mir umso leichter sie auf diese Weise gehen zu lassen. Es war nicht nur für sie, sondern auch für mich besser. Ich konnte nicht mein restliches Leben mit dem Gedanken und den Schmerzen, von ihr mit einem Psychologen hintergangen zu werden, verbringen. Wie hieß es doch so schön; die meisten Verbrechen geschahen aus Liebe.

Der grauenvolle Film, der sich vor meinem Auge abspielte und sich immerwieder wiederholte, schien mal wieder kein Ende anzunehmen, also griff ich mit zusammengepresstem Kiefer nach einem Taschentuch und trocknete meinen feuchten Mund ab. Allmählich verschwand der widerliche Gestank, der sich zum Glück nur kurzfristig in meiner Nasenschleimhaut abgesetzt hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top