Erstes Kapitel
Das alles nur weil sie plötzlich anders gewesen war. Sie hatte mehr gesehen. Mehr als andere. Sie konnte plötzlich alles in Farben erkennen. Die Menschen hatten Auren. Mehrere. Sie hatte nicht viel Ahnung davon. Wie auch? Immerhin hatte es ihr niemand erklären können. Sie war aufgewacht als ihre Mutter sie, wie auch an jedem anderen Tag, weckte. Allerdings war eine Sache anders gewesen. Sie hatte geleuchtet. Nicht Äußerlich, sondern von innen heraus. Ein leichter Schimmer der sie einhüllte. An manchen Stellen konnte man hindurchsehen, an anderen verdeckte er sie wie ein Schleier. Die Aura war Grün gewesen. An manchen stellen Rosa. Als das Mädchen sie darauf angesprochen hatte war das nicht länger so. Dann nämlich wandelte sich die Aura in ein tiefes Blau. Wortlos war ihre Mutter aufgestanden und gegangen. Sie hatte den Raum verlassen. Einfach so. Zutiefst verwirrt blieb das Geburtstagskind in ihrem Bett, falls man mit einem dünnen Laken aus Leinen überdecktes Stroh so bezeichnen konnte, zurück. Erst Minuten später stand sie auf um sich hinter dem Haus, an der kleinen Tonne die das Regenwasser auffing, zu waschen. Als sie sich fertig gemacht hatte und zu ihrer Mutter in die kleine Wohnstube getreten war die Aura weder Grün, noch Rosa, noch Blau gewesen. Stattdessen war sie nun Lila. An manchen Stellen erkannte man Rot und Blau, aber größtenteils Lila. Kurz darauf hatte ihre Mutter sie wortlos vor die Tür geschoben. Sie hatte Tränen in den Augen gehabt. „Geh. Geh zu denen die im Untergrund wohnen. Sie werden dir helfen. Kehr nicht zurück." Dann hatte sie die Tür geschlossen. Kurz danach war die Tür wieder geöffnet worden. Sie hatte ihrer Tochter ein kleines Päckchen gegeben. „Immerhin ist dein Geburtstag", hatte sie gesagt. Dann hate sie die Tür erneut geschlossen und den Riegel vorgeschoben.
Seitdem war die Braunhaarige alleine. Da ihre Mutter sie in aller Frühe geweckt hatte, konnte sie aus dem Dorf hinauslaufen und die Mauern hinter sich lassen ehe der erste Hahn gekräht hatte. Sie war an den Getreide Feldern vorbeigelaufen. Immer weiter in Richtung Norden, dort wo angeblich die Städte im Untergrund waren. Dort wohin die Verjagten, die Bösen, vor langer Zeit hin geflohen waren. Sie lief mehrere Stunden durch Wiesen, an Feldern vorbei und schlussendlich in einen kleinen Mischwald. Es war Herbst, also war der Boden schlammig. Sie rutschte an manchen Stellen einfach ab oder blieb mit ihren dünnen Schuhen im Schlamm stecken. Angenehm war das nicht aber sie kämpfte sich jedes Mal frei, immer darauf bedacht die Schuhe wieder zu bekommen. Manchmal zog das einen Minutenlangen Kampf mit sich. So war es kein Wunder das der Hunger schon bald an ihr zerrte, sie sehnte sich nach etwas zu essen, auch wenn es nur eine Scheibe Brot wäre. Und da das Leben es nicht gut mit ihr meinte, keine Mühlen oder Getreidespeicher waren in der Nähe, musste sie wohl oder übel ein Tier töten.
Eine Waffe hatte sie. Vor Jahren hatte einer der Jäger im Dorf ihr, sehr zum Missfallen ihrer Mutter, einen Dolch geschenkt. Getötet hatte sie damit nie etwas. Sie hatte die, aus Eisen gefertigte Waffe, nur zum schnitzen benutzt. Viele Nachmittage hatte sie im Wald verbracht. Sie hatte Äste von Bäumen geschnitten, sich damit an den Bach gesetzt, sie gereinigt und die Rinde entfernt und dann für die Schmiede im Dorf zu Griffen für ihre Waffen und Werkzeuge verarbeitet. Sie hatte das ganze immer freiwillig gemacht. Nie hatte sie ein Goldstück bekommen. Gefehlt hatte es ihnen trotzdem an nichts, denn das Dorf hielt zusammen und teilte alles, so gut es eben ging, miteinander. So hatten sich alle gegenseitig geholfen. Sommer wie Winter waren sie alle füreinander da gewesen. Daran zu denken verursachte ein schmerzhaftes ziehen ihres Herzens. Der Schmerz wurde noch verstärkt als sie das kleine Geschenk ihrer Mutter in der Tasche spürte. Sie beschloss es zu öffnen sobald sie Zeit fand und, was wichtiger war, eine Bleibe gefunden hatte.
Sie kauerte hinter einem Busch, den Dolch in der Hand, immer darauf bedacht kein Geräusch zu machen. Wartete und wartete. Dieses sollte sich belohnt machen als ein Kaninchen vor ihr entlang hoppelte. Die Waffe in der Hand, die Atmung flach, bewegte sie sich langsam nach links. Sie richtete sich etwas auf. Das Kaninchen bemerkte sie nach wie vor nicht. Es war zu beschäftigt an einem saftigen grünen Grashalm zu knabbern. Dann auf einmal wendete es den Kopf sah mit den großen schwarzen Augen direkt in ihre. In der Sekunde in der es sich umdrehte um zu verschwinden war die brünette sich sicher eine sehr leichte blaue Aura gesehen zu haben. Doch genauso schnell wie diese kam verschwand sie auch wieder. Das Kaninchen und somit auch ihre einzige Nahrungsquelle, war soeben verschwunden. Leise seufzte das Mädchen wieder auf. Sie stand auf, klopfte sich den Staub von der Hose, steckte den Dolch zurück an den Gürtel und bahnte sich ihren Weg weiter durchs Dickicht.
So wäre das wahrscheinlich noch länger gegangen, aber das wurde durch ein lautes knacken verhindert. Das Mädchen war auf einen Ast getreten. An sich nichts Schlimmes, vorausgesetzt es wäre nur einer gewesen, dieser hier aber, war mit weiteren verbunden und mit Blättern verdeckt. Eine Falle. Kaum bahnte sich dieser Gedanke den Weg in den Kopf des Mädchens, gaben die restlichen Äste unter ihrem Gewicht nach.
Sie erwartete zu Fallen. Doch unter der ersten Schicht Äste befand sich eine zweite. Erleichtert wollte sie Ausatmen und schleunigst aus der Falle steigen, als sie ein weiteres Knacken hörte. Scheinbar waren hier nur die leichten Tiere sicher. Vielleicht wäre das Kaninchen, welches sie beinahe getötet hätte lebend davongekommen. Sie aber war kein Kaninchen oder anderes Nagetier. Es war nur eine Frage der Zeit bis auch diese Äste zerbrechen würden und sie in den Tod stürzen würde. Und als hätten die Äste nur auf diese Gedanken gewartet, knackte es noch einmal. Auf dieses Knacken folgten zwei weitere. Dem Mädchen war klar das sie bald stürzen würde, also versuchte sie auch nicht sich aufzurichten oder gar aus der Falle zu entkommen. Kurz darauf brach diese, zweite Gestell aus Ästen, zusammen und das Mädchen stürzte erneut in die Tiefe. Diesmal allerdings weiter als nur den knappen Fuß, der ersten Schicht.
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