Part 3: Die Reise
Kapitel 11
Die einzigen Dinge, die ich wahrnehme, sind die Silhouetten der Personen vor mir und der Lärm der Menschenmasse um uns herum.
Mein Blickfeld ist eingeschränkt und in meinen Ohren piepst es unangenehm.
Ich kann den Leuten um uns rum nicht winken, nicht vorspielen, dass bei mir alles gut ist.
Etalon scheint das zu merken und dreht sich zu mir um, doch sein aufmunternder Blick hilft mir nicht.
Wir werden zu Fuß gehen, weil alles andere anscheinend zu auffällig wäre.
Deshalb sind auch so wenige dabei, es soll vermieden werden, dass die Maske uns entdeckt.
Nach zehn Minuten ist es vollkommen ruhig.
Wir sind weit genug vom Hotel entfernt, der Lärm der Leute ist nicht mehr zu hören.
Nach und nach fangen Gespräche an, doch auch diese werden leise gehalten.
„Du bist blass, Lia. Hast du überhaupt geschlafen?", fragt Eric mich.
Ich schüttele den Kopf und laufe schweigend weiter neben ihm her.
„Du wirst Energie brauchen. Diese Reise könnte ziemlich anstrengend
werden. Versuch, das alles hier irgendwie zu vergessen.", meint er.
„Ernsthaft? Wie könnte ich das denn vergessen?", antworte ich.
„Wir alle werden das müssen."
„Ich weiß."
„Was wirst du am meisten vermissen?", fragt er.
Ich zucke mit den Schultern.
„Die Atmosphäre, schätze ich.
Die Stadt, die Leute die da geblieben sind. Du?"
„Kann ich nicht sagen. Ich bin einfach froh, dass Tyler dabei ist.
Ohne ihn wäre ich vermutlich gar nicht erst mitgekommen."
„Wieso nicht?"
„Hast du einen Menschen, bei dem du dich einfach nur sicher fühlst? Ich kann es nicht erklären, er ist mir einfach sehr wichtig.
Wie könnte er es nicht sein, er ist schließlich mein Bruder."
„Naja, schau dir Maddison und Amy an. Nicht jede Geschwisterbeziehung ist so gut wie eure.", sage ich.
„Das sieht nur so aus. Sie würden füreinander sterben, glaub mir.
Egal wie schrecklich Maddison sich manchmal gegenüber Amy verhält."
„Wahrscheinlich hast du recht."
„Du solltest einmal mit Maddison reden. Ich weiß, sie hat sich dir gegenüber nicht wirklich toll benommen, doch sie ist kein schlechter Mensch.
Sie ist wirklich nur eifersüchtig."
„Sie hat noch nicht einmal einen Grund dafür."
„Das denkst du.", meint Eric,„Sie ist da ziemlich sicher anderer Meinung."
Ich runzele die Stirn.
Was könnte es sein?
„Wie dem auch sei, sie ist mir eine Erklärung schuldig.", sage ich.
Meine Gedanken wandern zu meinen Eltern.
Ich habe sie heute Morgen noch angerufen und erzählt, dass wir jetzt eine Tour durch Frankreich machen, um Ideen zu sammeln, und ich kein Netz haben werde, um sie anzurufen.
Sie haben es geglaubt.
Hazel habe ich die Wahrheit erzählt.
Wir laufen in einen Wald, wo es wegen des Schattens noch kälter ist, als sowieso schon.
Ich ziehe meinen Schal fester und senke den Kopf, um den Wind nicht ins ganze Gesicht zu bekommen.
„Was ist eigentlich deine Geschichte?", frage ich Eric.
Er schaut mich fragend an.
„Wie bist du ins Hotel gekommen? Und wie war das für dich?"
„Ich erinnere mich kaum noch daran, ich war noch ganz klein.
Bei dir sollte es genauso ablaufen wie bei mir, aber du weißt ja selbst, wieso es nicht geklappt hat.
Wie auch immer, bei Tyler, Edmon und mir war es Etalon, der gekommen ist.
Edmon sollte anfangs gar nicht mitkommen, doch Etalon hat es sich anders überlegt.", erzählt Eric.
„Hat Morton sich gewehrt?", frage ich.
„Er hat es nicht mitbekommen. Er war mit meiner Mutter, Zenella, beschäftigt."
„Und was ist mit Edmon?
Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem er adoptiert wurde?"
„Kaum. Ich war nicht dabei, keine Ahnung, wie Morton ihn gefunden hat. Frag Tyler, er könnte es wissen.
An einem Tag hat Morton ihn einfach mitgebracht."
Ich nicke.
Diese ganze Geschichte ist irgendwie komisch.
„Und wie war es für dich, als du mit so jungen Jahren ins Hotel gezogen bist?", frage ich.
„Ich habe Morton und Zenella schnell vergessen.
Ich hatte schon bald eine neue Familie, und außerdem war ich viel zu jung um zu verstehen, was los war."
„Wurde es denn dann nicht irgendwann langweilig?"
„Nicht wirklich, es war immer jemand da, mit dem man reden konnte.
Selia ist eine schöne Stadt und das Hotel ist recht groß.
Irgendetwas gab es immer zu tun.", sagt Eric schulterzuckend.
Kurz schweigen wir und beobachten unsere Umgebung.
Wir sind ungefähr um zehn Uhr losgelaufen, also müsste es jetzt um die elf Uhr sein.
Ich bin müde, wie könnte es auch anders sein.
Wir sind ans Ende des Waldes gekommen und laufen nun einen schmalen Pfad entlang.
Hier liegen recht viele Steine, doch Höhlen sind nirgends zu sehen.
Etalon bleibt stehen.
„Was ist los?", fragt Felis.
„"Die Höhlen von Morton unter Steinen begraben, dort wo das Licht sich spiegelt, in mehreren Farben".", zittiert Etalon.
„Das ist der letzte Satz der Prophezeiung. Wir sind genau den Weg gegangen, der beschrieben wurde, hier irgendwo muss der Eingang sein."
Alle gehen auseinander und tasten den Boden ab.
Es dauert fünfzehn Minuten, bis Amy schließlich etwas findet.
„Hier sind drei Edelsteine.", ruft sie. „Saphir, Smaragd und Rubin. Durch die Sonne werfen sie einen Schatten in ihrer jeweiligen Farbe auf das hier.", beschreibt Felis und zeigt auf den Boden, in den nur schwer erkennbar etwas Eingeritztes steht.
Alle versammeln sich um Amy, doch ich bin zu klein, um etwas erkennen zu können.
May hat noch größere Probleme als ich, im Gegensatz zu Hailey, welche dank ihrer langen Beinen alles gut im Blick hat.
„Was steht da?", fragt Shane.
Etalon runzelt die Stirn und fegt mit seiner Hand den Staub weg.
„Das ist irgendeine Geheimsprache und ein Pfeil nach rechts.
Wir werden lösen müssen, was dort steht, um in die Höhlen zu kommen und somit die richtige Reise anzufangen.
Das soll wohl vermeiden, dass die Höhlen durch Zufall entdeckt werden."
„Gibt es denn keinen anderen Weg?", frage ich.
„Nein. Es wird schon nicht so schwer sein, jeder sucht jetzt nach weiteren Hinweisen.", entscheidet Etalon.
Amy steht stolz neben den Edelsteinen, während Maddison etwas enttäuscht aussieht, vermutlich, weil sie noch nichts gefunden hat.
Alle gehen wieder auf Suche, nur Shane bleibt stirnrunzelnd neben den Steinen stehen.
„Was ist los?", frage ich ihn.
„Die Edelsteine müssen irgendetwas bringen. Wieso sollten sie sonst da liegen?"
„In der Prophezeiung wurde doch gesagt, dass die Sonne sich an einem gewissen Punkt in mehreren Farben spiegelt. Deshalb sind sie da.", erkläre ich.
„Ich glaube das nicht. Für irgendetwas anderes müssen sie auch noch gut sein."
Er hebt einen Stein nach dem anderen hoch, und beim Smaragd hält er inne.
„Was ist?", frage ich und beuge mich zu ihm runter.
Wie Etalon vorhin wischt er über den Boden, und gibt somit den Blick auf eine kleine Zeichnung frei.
„Habt ihr etwas gefunden?", fragt Felis.
„Nicht sicher.", antwortet Shane knapp und studiert weiter die Zeichnung.
Drei Menschen sind darauf abgebildet, die Sonne genau über ihnen. Sie halten etwas längliches, kleines, in den Händen.
Eine Person steht auf einem roten Fleck, eine andere auf einem grünen, und die letzte auf einem blauen.
„Ich glaube, ich hab's", meint Shane plötzlich.
„Können alle mal kurz herhören!", ruft er,„Sucht bitte nach einer blauen, einer roten und einer grünen Markierung!"
Alle schauen ihn fragend an, doch suchen schweigend weiter.
Es geht schnell.
Megan findet das rote Kreuz, Hailey das blaue, und Edmon schließlich das grüne.
Mittlerweile ist es zwölf Uhr, und die Sonne steht genau über uns.
„Nimmt einen Stein und stellt euch auf die Markierungen.", befiehlt Shane.
Die drei machen, was er sagt, doch nichts passiert.
„Das ist doch Blödsinn. Die Steine sind bestimmt nicht der Schlüssel.", meint Maddison genervt.
„Nein, aber ein Schritt, um ihn zu finden.", sagt Shane und konzentriert sich.
„Es sollte mittlerweile eigentlich etwas passiert sein.", meint er schließlich.
Megan will schon von ihrer Position weg, da habe ich eine Idee.
„Wie wäre es, wenn ihr den Stein in der Hand haltet, der die selbe Farbe hat wie das Kreuz, auf dem ihr steht?", schlage ich vor.
„Ein Versuch ist es wert.", meint Etalon.
Edmon, Hailey und Megan tauschen die Steine und stellen sich wieder auf die Markierungen.
Sobald sich alle drei an der richtigen Position befinden, erscheinen drei Strahlen und ein beißendes Licht, dort, wie sie sich schneiden.
Felis hält sich die Hände vors Gesicht und läuft in die Mitte.
Er tastet herum und hebt schließlich einen Stein hoch.
Ohne ihn sich anzuschauen bringt er ihn zu uns.
Edmon, Megan und Hailey lassen die Edelsteine fallen und kommen zu uns.
Auf der Rückseite des Steins steht tatsächlich etwas.
„Ich glaube, wir haben es geschafft.", meint Etalon.
Die Zeichen des Steins stimmen mit denen vom Anfang überein, nur sind sie auf dem Stein erklärt.
Drei Nummern, drei Pfeile.
Etalon stellt sich in die Richtung des Pfeils, der auf dem Boden steht und befolgt dann die Richtungs und Schrittangaben.
Er bleibt ungefähr zehn Meter von uns entfernt stehen, weshalb wir alle dorthin gehen.
„Gut gemacht. Alle.", lobt er uns und tastet nun den Boden ab.
Er muss ein paar Pflanzen rausreißen, die dann den Blick auf eine Steinplatte freigeben, die er daraufhin zur Seite schiebt.
„Ich gehe zuerst.", entscheidet er.
„Wenn ihr nichts von mir hört, dann sucht ihr nach weiteren Hinweisen.
Verstanden?"
Wir nicken.
Meine Hände sind schwitzig, als Etalon hinabgleitet.
Erst ist es still, doch dann ruft er nach uns.
Wir alle atmen erleichtert auf.
„Ich gehe als nächstes.", sage ich und setze mich wie Etalon gerade hin.
Einen letzten Atemzug an der frischen Luft gönne ich mir, dann lasse ich mich ins Dunkle fallen.
„Sind alle da?", fragt Etalon.
„Ja, ich war der letzte.", antwortet Felis.
„Achtet auf eure Schritte, nicht dass jemand ausrutscht.
Es wird immer dunkler, je weiter wir uns von der Steinplatte entfernen.
Etalon reicht Taschenlampen nach hinten, doch viel ist immer noch nicht zu erkennen.
Manchmal müssen wir uns bücken, doch sonst ist der Weg zum Glück recht gehbar.
An der Seite ist viel Platz, und es sieht nicht so aus, als würde es irgendwo steil runtergehen.
Es ist still, niemand traut sich, irgendetwas zu sagen.
Ab und zu fallen kleine Steine von oben auf uns, doch sie tun nicht weh.
Die Höhle geht immer nur in eine Richtung, und irgendwie macht sie Angst.
Überall ist es dunkel, und ich habe das Gefühl, nie wieder hier wegzukommen.
Wir laufen bestimmt schon seit einer Stunde, wenn nicht sogar länger.
Plötzlich fällt ein größerer Stein runter, weshalb wir alle erschrocken nach Luft schnappen.
„Wir müssen uns beeilen.", sagt Etalon, als ein weiterer runterfällt.
Immer öfter ertönen Knälle, und bei jedem einzelnen zucke ich zusammen.
Wir rennen schon fast, doch noch immer ist kein Ende in Sicht.
„Hört ihr das?", fragt Megan,„Klingt wie Hufe."
Ich horche hin und stimme zu.
Etalon flucht.
„Jemand über den Höhlen sorgt wohl dafür, dass die Steine runterfallen.
Wir müssen schnell hier raus!", ruft er.
Jetzt rennen wir wirklich.
Die Steine werden größer, und als einer Edmon streift, stößt er einen Schmerzensschrei aus.
Sofort halten wir alle an.
„Alles in Ordnung?", frage ich besorgt und schiebe seinen Ärmel hoch.
Sein ganzer Arm ist voller Blut, ich kann noch nicht einmal die Wunde sehen.
Megan drängelt sich vor und heilt eilig seine Wunde, sodass wir schnell weiterkönnen.
Genau in dem Moment fällt ein weiterer Stein hinunter, da, wo vor fünf Sekunden noch Etalon gestanden hat.
Er versperrt uns zwar den Weg, doch zum Glück ist Etalon noch am Leben.
Ich zittere überall, mein Herz schlägt unendlich schnell.
Langsam bekomme ich wirklich Todesangst.
Hier könnte etwas Schlimmes passieren.
„Wir müssen so schnell wie möglich hier raus.", sagt Etalon und klettert über den Stein.
Ich weiß nicht wie alt er ist, doch er ist auf jeden Fall besser in Form, als er aussieht.
Ich rutsche fast aus, als ich den Stein hochklettere, doch Edmon kann mich rechtzeitig auffangen und hochschieben.
Mittlerweile höre ich auch Stimmen, doch ich kann nicht verstehen, was sie sagen.
Ich konzentriere mich nur darauf, Etalon nicht aus den Augen zu verlieren, was bei dem ganzen Staub, den die fallenden Steine aufwirbeln, gar nicht so leicht ist.
Wieder müssen wir klettern, doch in der Ferne kann ich einen kleinen Fleck Licht sehen.
„Wir sind bald da!", ruft Etalon erleichtert und rennt weiter.
Ein riesiger Knall ist zu hören, und ein darauffolgender Schrei, doch ich kann ihn niemandem zuordnen.
Auf jeden Fall ein Mädchen.
Ich will hinlaufen, doch Edmon schiebt mich weiter.
„Wir müssen hier raus, sonst passiert uns gleich auch was!", schreit er mir zu.
Also renne ich weiter, doch der Gedanke, dass wir vielleicht gerade jemanden verloren haben, geht mir nicht aus dem Kopf.
Der Lichtfleck wird größer, und ich renne noch schneller, obwohl ich vollkommen aus der Puste bin.
Hinter uns schreien Stimmen durcheinander, doch ich konzentriere mich nur darauf, lebend hier rauszukommen.
Und das schaffe ich auch.
Sobald die frische Luft mich umhüllt, schluchze ich auf.
Mein Puls rast, meine Gedanken kreisen wild umher.
Das war viel zu gefährlich, so schlimm habe ich mir diese Reise nicht vorgestellt.
Am Liebsten würde ich direkt wieder umdrehen, doch sonst wäre das alles hier umsonst gewesen.
Ich weiß nicht, wieso ich so geschockt bin, schließlich habe ich sowieso etwas schreckliches erwartet.
Aber so schlimm?
Schnell blicke ich zum Höhlenausgang.
Edmon kommt raus, Megan,Hailey, dann May, Shane, Maddison und Felis.
Ich atme bei jedem Gesicht erleichtert auf.
Doch sobald Maddison sich von einem Hustenanfall erholt hat, fängt sie an hysterisch zu schreien.
Felis scheint zu wissen, was los ist, denn eine Träne fließt ihm aus dem Augenwinkel.
„Sind alle da?", fragt Etalon panisch.
Felis schüttelt den Kopf, und Maddison schreit noch lauter.
Auch mit fällt jetzt auf, wer fehlt.
Amy ist nicht mehr da, und jeder von uns weiß, was wohl passiert ist.
Doch bevor ich überhaupt die Chance habe, es wirklich zu realisieren, kommt schon der nächste Schock.
Vor uns baut sich eine Gruppe von Soldaten auf, allesamt in schwarz, auf Pferden, teilweise mit Waffen, aber auch mit ausgestreckten Händen.
Amy ist tot, und wir werden angegriffen.
Schlimmer könnte es momentan kaum sein.
Sooo das war das erste Kapitel vom dritten Part :)
Glaubt ihr, es wird noch schlimmer?
Wer greift sie wohl gerade an?
Habt ihr euch die Reise so vorgestellt?
Rückmeldung und Voten bitte nicht vergessen!
Einfach auf das kleine Sternchen drücken, das macht mich total glücklich und dauert ungefähr eine Sekunde :)
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend!
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