Kapitel 7


Die ganze Woche lang übe ich, und habe mich dazu entschlossen, zusammen mit Hailey jeden Morgen eine Runde joggen zu gehen, um meine Ausdauer aufzubessern.
Wer weiß, wie bald ich diese schon brauchen werde.
Auch an diesem Tag jogge ich meine übliche Runde, jedoch ohne Hailey, weil sie sich krank fühlt und für die Reise unbedingt wieder fit sein muss.
Ich traue mich nicht, alleine mit Edmon zu reden, aber auch nicht, unser erstes Treffen irgendwem zu erzählen.
Also meide ich einfach weiterhin das Mauerlabyrinth, um bloß nichts falsch zu machen.
Als ich am Hotel ankomme, befindet sich davor eine riesige Masse an Soldaten, und immer mehr Menschen versammeln sich.
Ich zwänge mich durch, versuche einen Blick auf die Ursache zu werfen.
In einer Ecke stehen Tyler und Eric, weshalb ich dort hin laufe.
„Was ist hier los?", frage ich die beiden direkt.
„Anscheinend treffen gleich die Könige und Königinnen von Rivera, Terrestra und Forestia ein.
Ich habe auch nicht viel verstanden.", erklärt Eric mir und zuckt mit den Schultern.
Ich runzele meine Stirn.
Ich kann niemand anderen Bekannten sehen, weshalb ich einfach bei meinen zwei Cousins bleibe.
Schon als ich etwas weiter entfernt die erste Kutsche erkennen kann, spüre ich dieses komische Gefühl in mir drin.
„Irgendetwas läuft hier falsch.", teile ich meine Meinung Tyler und Eric mit.
Verschwinde.
Als auch noch diese fremde Stimme in mir ertönt, werde ich nervös.
„Wir müssen hier weg!", rufe ich.
Plötzlich entfährt mir ein spitzer Schrei.
Es fühlt sich an, als hätte jemand mir mit einem Messer den ganzen Arm aufgeschnitten.
„Lia? Was ist los?!", fragt Tyler panisch.
Ich bin nicht fähig zu antworten, es schmerzt zu stark.
Mittlerweile fließen unglaubliche Massen an Blut aus meinem Arm und bilden am Boden, auf dem ich knie, langsam eine Pfütze.
Die Menschen werden auf mich aufmerksam, fangen an, aufgeregt und verstört herum zu rufen.
Die Kutsche kommt immer näher, und ich weiß, dass sie das nicht sollte.
„Haltet sie auf!", rufe ich, doch keiner reagiert, Tyler und Eric sind damit beschäftigt, die Blutung an meinem Arm zu stoppen und die Menschen um mich stehen nur rum.
Ich versuche mich an mein Training zu erinnern, rufe mir nochmal Edmons Worte in Gedanken ab.
Ich blende die Leute um mich herum aus, blicke nur auf die Kutsche, die meiner Meinung nach viel zu schnell kommt, obwohl das Tempo normal ist.
Sie scheint langsam zu bremsen, doch ich weiß, ich spüre, dass ich sie jetzt stoppen muss.
Ich schließe meine Augen, versuche mir vorzustellen, wie sich eine riesige Wasserwand vor der Kutsche aufbaut.
Die überraschten Schreie der Menschen könnten darauf hindeuten, dass ich es geschafft habe, aber auch, dass ich zu spät war, und irgendetwas anderes passiert ist.
Als ich meine Augen öffne, erwartet mich ein unfassbares Bild.
Meine Kräfte scheinen sich zu bekämpfen.
Es ist keine Wasserwand entstanden, wie ich es vorgesehen hatte.
Zur Hälfte besteht sie aus Feuer, und diese Hälfte versucht, mein Wasser zu überragen, was irgendwie zu klappen scheint.
Gleichzeitig löscht mein Wasser aber immer wieder einen Teil des Feuers.
Doch die Kutsche hat angehalten, was mein Ziel war, weshalb ich erleichtert aufatme.
Einige versuchen, mit der passenden Kraft meine Magie niederzuringen, doch die zwei Kräfte scheinen praktisch zu leben, und lassen sich davon nicht aufhalten.
Die Masse spaltet sich, rennt davon, und ich merke, dass meine Wand sich immer weiter ausbreitet.
Ich hoffe, dass ich niemanden verletzt habe.
Schnell mache ich die selbe Handbewegung wie vorher, nur andersrum, und schaffe es somit direkt, die Wand verschwinden zu lassen.
Es wird still, immer mehr Leute starren mich an.
Langsam geht auch mein vorhin aufgetretener Adrenalinschub zu ende und der pochende Schmerz an meinem Arm tritt wieder ein.
Die Soldaten, die die Kutsche umrundet haben, schlagen sich zu mir durch und wollen mich gerade fesseln, als zum Glück Atrius auftaucht und sie davon abhält.
„Lia, was zur Hölle sollte das?!", ruft er entgeistert.
Ich schlucke.
„Irgendetwas war los, ich kann es nicht erklären.", sage ich verzweifelt und höre dabei selbst, wie dumm es klingt.
„Du musst. Das gerade war unfassbar gefährlich."
„Ich-"
„Da!", unterbricht mich irgendeine Person aus der Menge.
Es ist ein kleiner Junge, vielleicht zehn Jahre alt, der auf etwas am Boden zeigt, ungefähr zwei Meter von der Kutsche entfernt.
Atrius drängt sich nach vorne und schlägt sich erschrocken die Hände vor den Mund.
Alles was ich sehe ist eine fast durchsichtige Flüssigkeit am Boden, doch ich kann mir kaum vorstellen, dass diese der Grund für das panische Flüstern um mich herum ist.
„Was ist?", frage ich und verzerre mein Gesicht wegen einer auffallend heftigen Schmerzwelle.
„Ich glaube, du hast gerade dem König und der Königin von Rivera das Leben gerettet.", sagt Atrius geschockt.
Ich erstarre.
Aber nicht wegen Atrius, sondern weil genau eben genannte aus der blauen Kutsche treten und sich komplett verwirrt umblicken.
Jetzt bricht der Gedanke über mich ein, dass ich gerade fast zwei Menschen aus einer königlichen Familie umgebracht hätte.
Dass ich überhaupt irgendwen gerade fast umgebracht hätte.
Aber anscheinend habe ich sie ja gerettet.
„Was ist hier los?", fragt der Mann leicht panisch.
Atrius streicht vorsichtig über die Kutsche und nickt schließlich.
„Die Kutsche ist wie die drei anderen mit Lavendelextrakt eingeschmiert, damit keine Magie von außen eindringen kann.
Anscheinend hat jemand versucht, mit Tritogen eine Explosion auszulösen.", erklärt er, doch ich blicke ihn nur verständnislos an.
Er seufzt.
„Tritogen ist der Extrakt einer unglaublich seltenen Blume namens Tritogenia.
Sie ist ganz weiß, nur in der Mitte befindet sich ein schwarzer Punkt, und in diesem befindet sich das Tritogen.
Es ist sehr reaktionsfreudig, und kommt es mit Lavendel in Kontakt, löst es direkt eine heftige Explosion aus.
Aber normalerweise wird die Tritogenia unter schwierigen Umständen gepflanzt, ich habe noch nie einen Ort gesehen, wo so viele Blumen waren, dass man ihnen diese Menge an Extrakt hätte entnehmen können.
Auch Lavendel gibt es hier kaum.
Jedenfalls wäre die Explosion unglaublich stark gewesen.
Woher wusstest du das , Lia?"
Wortwörtlich alle starren mich an.
Ich schlucke.
„Keine Ahnung. Es war ein Instinkt.", murmele ich schulterzuckend.
Er runzelt die Stirn, scheint mir überhaupt nicht zu glauben.
Doch langsam fangen die Menschen um mich herum an zu klatschen, eröffnet vom kleinen Jungen, der vorhin auf die Flüssigkeit am Boden gezeigt hat.
Ich fühle mich unglaublich unwohl, vor allem, als auch noch die königliche Familie aus Rivera in den Applaus mit einstimmt.
Etwas weiter hinten kann ich Etalon erkennen, neben ihm Maddison und Amy, die sogar mitklatschen, ein wenig gezwungen, aber immerhin.
Am liebsten würde ich im Erdboden versinken.
„Wieso kommt genau heute die königliche Familie von Rivera?", versuche ich das Thema zu wechseln.
„Es wurde spontan entschieden.
Ich weiß nicht, wie jemand so schnell und unauffällig das Tritogen an genau die richtige Stelle gegeben hat.", sagt Atrius.
Plötzlich kommt Etalon aus der Menge und stellt sich neben mich.
„Für mich ist das offensichtlich.", meint er mit ernstem Gesichtsausdruck.
„Wie meinst du das?", fragt Atrius ahnungslos.
„Wir haben einen Verräter in unseren Reihen."

„Konzentrier dich!", ruft Edmon mir zu.
„Sowas wie gestern darf nie wieder passieren, klar?"
„Du warst da?", frage ich und versuche dabei, mein Wasser von meinem Feuer fernzuhalten.
„Halt die Klappe und konzentrier dich!"
Ich verdrehe meine Augen.
Mittlerweile habe ich mich an seinen befehlerischen Ton gewöhnt.
„Ich kann es nicht kontrollieren!", bringe ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Wunde an meinem Arm ist komischerweise noch am selben Tag fast ganz verheilt.
Erschöpft senke ich meine Arme und lasse somit beide Kräfte verschwinden.
„Konzentrier dich nur auf eine Kraft! So schwer kann das doch nicht sein!", ruft er und langsam werde ich sauer.
„Nicht so schwer? Du hast doch keine Ahnung!", rufe ich.
Edmon seufzt.
„Hör mal, ich-"
„Nein, jetzt lass mich ausreden!
Du hast absolut keine Ahnung, wie das hier alles für mich ist, okay?
Ich habe kein Problem mit Kritik, aber übertreib nicht, sonst bin ich gleich weg.", unterbreche ich ihn.
Edmon kneift seine Augen zusammen.
„Ich will ja nichts sagen, aber ich muss diesen ganzen Kram nicht lernen. Das ist dein Problem, nicht meins.", meint er.
„Du kannst mich mal.", fauche ich, nehme mir meine Jacke und laufe wütend aus der Scheune.
Ich gehe nicht weg, ich setze mich draußen hin und versuche, mich zu beruhigen. Gedankenverloren streiche ich mir über den Verband an meinem Arm, welchen ich noch heute morgen gewechselt habe.
Nach fünf Minuten höre ich die Scheunentür knarzend aufgehen.
„Wie fühlt man sich eigentlich so als Heldin?", fragt Edmon spöttisch.
„Was meinst du damit?"
Ich drehe mich erschöpft zu ihm um.
„Alle reden von dir. Dass du alle gerettet hättest. Ich hoffe dir ist klar, dass es unglaublich gefährlich war, deine zwei Mächte solange gegeneinander antreten zu lassen."
„Wieso?"
„Stell dir vor, sie wären aus deiner Kontrolle geraten. Du hättest Selia entweder abgefackelt oder ertränkt.", meint er mit seinem für ihn typischen spöttischen Unterton.
Ich seufze.
„Trotzdem war es das Richtigste, was ich in dem Moment hätte versuchen können.", verteidige ich mich.
„Und woher wusstest du das?", fragt Edmon.
Ich zucke mit den Schultern.
„Wie gesagt, es war ein Reflex."
„Du weißt, dass ich dir das nicht glaube."
„Dann hoffe ich dass du weißt, dass ich auch nicht glaube, dass du so unschuldig bist wie alle meinen.
Der einsame Junge, der nichts von sich preisgibt."
Ich verdrehe meine Augen.
„Du verbirgst etwas vor den anderen, ich weiß das. Hören wir doch auf so zu tun, als hätten wir uns an diesem einen Abend nicht gesehen.", sage ich.
Edmons Blick wird drohend.
„Was das angeht....Ich hoffe dir ist klar, dass du das lieber niemandem erzählen solltest."
„Sonst was?"
Ich ziehe herausfordernd meine Augenbrauen hoch.
„Du kannst mich nicht bedrohen, Edmon.
Du weißt genauso gut wie ich, dass ich wichtig bin. Sollte mir etwas wegen dir zustoßen, hast du größere Probleme als ich."
Edmon lächelt kalt.
„Wer sagt denn, dass ich dich bedrohe? Soweit ich weiß, ist deine kleine Freundin May nicht so von Bedeutung wie du es bist.
Verstanden?"
Ich schlucke.
„Zieh da niemand anderen mit rein. Weder May noch Hailey oder irgendwer anders hat dir jemals etwas getan. Lass sie da raus."
„Wieso sollte ich? Deine Freunde machen dich schwach. Das ist dumm von dir, ein Fehler."
„Bist du deswegen so emotionslos? Ernsthaft? Weil du Angst hast, dass dir jemand so wichtig wird, dass man dir damit schaden könnte?"
Ich weiß dass ich recht habe, obwohl er es nicht sagt.
Sein sonst so unleserliche Blick verrät mir direkt die Wahrheit.
Diesmal bin ich diejenige, die triumphierend lächelt.
„Das ist traurig, Edmon.
Wie kannst du nur das Schlechte in Freundschaften sehen?
Es ist heldenhaft von dir, dass du niemand anderes in deine Probleme verwickeln willst, aber das ist die komplett falsche Sichtweise.
Du solltest mit jemandem über die Leute hinter den Mauern reden.
Ich kenne dich nicht, ich habe keine Ahnung, wieso du manchmal dort bist, aber-"
„Genau das ist das Problem!", unterbricht Edmon mich wütend.
„Du hast überhaupt keine Ahnung!
Also versuche nicht meine verdammte Psychologin zu spielen, das alles geht dich überhaupt nichts an! Halt dich aus meinem Leben raus, und ich lasse deine Freunde in Ruhe.
Ich bin mächtig, Lia.
Die wenigsten wissen das.
Ich habe nicht zwei Augenfarben, und trotzdem bin ich mächtig.
Ich habe mir das alles erarbeitet, nicht so wie du mit deinem ungerechten Vorteil.
Also tu nicht so als würdest du irgendetwas verstehen."
Nach diesen Worten geht er zurück in die Scheune und schließt laut die Tür.
Ich weiß, dass ich jetzt lieber nicht mehr dort reingehen sollte.
Ich werde auf keinen Fall riskieren, dass May, Hailey oder jemand anderes wegen mir in Gefahr kommt, aber ich werde mich auch nicht eine Ewigkeit von Edmon terrorisieren lassen.
Ich werde versuchen ihm zu helfen, egal ob er es zulässt oder nicht.
Das habe ich mir vorgenommen.
Irgendetwas verbirgt er vor mir, vor allen, doch ich bezweifle, dass er der Verräter ist.
Atrius hat ihn dazu gebracht, mich zu trainieren, und das muss einen Grund gehabt haben.
Ich vertraue ihm, und Edmon werde ich wohl auch vertrauen müssen.
Anscheinend ist er der einzige, der mir beibringen kann, mich zu verteidigen, wieso auch immer, also darf ich ihn mir nicht zum Feind machen.
Ich laufe zurück, lasse Edmon in Ruhe, obwohl ich weiß, dass wir uns jetzt in einem Streit befinden, und ich das wohl besser vermieden hätte.
Im Hotel angekommen nicken mir direkt die Wachen vor der riesigen Tür zu. Am Anfang war es komisch, auf einmal so respektiert und berühmt zu werden, doch langsam gewöhne ich mich daran.
Dieses Gefühl, wenn die erwachsenen, mit Messern und Magie bewaffneten Männer den Weg für mich freimachen, lässt jedoch trotzdem noch jedes Mal ein aufgeregtes Kribbeln in meinem Bauch entstehen.
Sie stehen gerade, den Blick konzentriert nach vorne gerichtet, während ich mit hochgezogenen Schultern, unordentlichen Haaren und zerrissener Hose an ihnen vorbeilaufe.
Sobald ich drinnen bin, laufe ich fast in Etalon rein, der mich direkt aufhält.
„Was machst du denn schon hier, hast du nicht Training?", fragt er verwundert.
Ich schlucke.
Er wird mir nicht glauben, dafür lüge ich zu schlecht, und er sieht zu gut.
„Ich konnte mich nicht mehr konzentrieren, vielleicht bin ich zu müde.", sage ich möglichst ernst.
Er kneift die Augen zusammen, sagt jedoch nichts.
„Alles in Ordnung hier?", versuche ich abzulenken.
Etalon nickt.
„Die Könige und Königinnen wollen dich kennenlernen. Meinst du das bekommst du hin, oder bist du zu müde?", fragt er, wobei mir nicht der spöttische Unterton entgeht.
Bei ihm klingt er anders als bei Edmon, netter.
Ich beiße mir auf die Lippe, um nicht zu grinsen, und nicke.
Etalon lächelt mich vielsagend an.
Er hält bei einem Wachen an und beauftragt ihm, allem Königen und Königinnen Bescheid zu geben, ich sei jetzt wieder zurück und bereit für ein Treffen.
„Komm mit.", sagt er und ich folge ihm in den Essbereich.
Mittlerweile müsste es um die vier Uhr nachmittags sein, weshalb ich wieder etwas Hunger habe.
Ich nehme mir etwas vom Büffet und folge Etalon zu einem freien Tisch. Schnell ziehe ich meine Jacke und meinen Schal aus und verschlinge mein Essen.
„Du wirst gleich alle treffen, okay?
Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, solltest du sie lieber jetzt stellen. Und vergiss nicht, James "die Maske" zu nennen, solltest das Thema angesprochen werden. Und-"
Bevor Etalon weiter sprechen kann, wird die Tür aufgestoßen.
Acht Erwachsene, davon aber nur vier mir unbekannt.
Es war klar, dass auch Harkan und Rina als König und Königin von Selia jetzt hier sein würden, doch es gibt mir trotzdem ein unerwartetes Gefühl von Vertrauen, lockert meine angespannten Schultern.
Auch die Gesichter zweier anderen sind mir bekannt, jedoch verfiel unser erstes Treffen nicht ganz so wie erwartet. Sowohl für sie als auch für mich.
Ich glaube, es waren der König und die Königin von Rivera, die ich gestern gerettet habe.
Ich fühle mich unwohl, alle Blicke sind auf mich gerichtet.
Als erstes begrüßen mich Rina und Harkan mit einem freundlichen Lächeln. Ich wische mir schnell unauffällig meine leicht schwitzigen Handflächen an meiner Hose ab, dann reiche ich beiden nacheinander die Hand.
„Schön dich zu sehen, Lia.", sagt Rina freundlich.
Ich nicke ihr lächelnd zu.
„Das Königspaar aus Rivera, Kiara und Lyel.", stellt Etalon mir das nächste Paar vor.
Es sind die zwei, die ich gerettet habe.
Die Frau hat pechschwarze Haare, die sie in einen strengen Knoten zusammengefasst hat, und ein auffällig schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen.
Ihr Mann ist recht dick und seine
Haare strähnig, seine Augen genauso hellblau wie die seiner Frau.
Beide schütteln mir die Hand, doch keiner von beiden bedankt sich bei mir oder sagt überhaupt irgendetwas.
Rina und Harkan sind mir tausend mal sympathischer.
„König und Königin aus Forestia, Maltus und Siana.", erklärt Etalon mir.
Das dritte Paar besteht aus einer Frau mit strahlendem Lächeln und großen blonden Locken, die sie offen trägt, und einem missmutig schauenden Mann mit sandfarbenden Haaren.
„Es freut mich so sehr dich kennenzulernen, Lia.", sagt die Frau und strahlt mich an, während sie mir voller Elan die Hand schüttelt.
Der Mann nickt nur und drückt nur ganz leicht, kaum merklich meine Hand. Beide haben graue Augen.
„Aus Terrestra, Megan und Felis.",sagt Etalon.
Als letztes schweift mein Blick zu einer kleinen Frau, die ihre langen, hellbraunen, definierten Locken offen trägt und mich mit großen braunen Augen anschaut. Auf ihrer rechten Wange befindet sich ein riesiges Muttermal.
Sie sieht nett aus, etwas verträumt, aber auf jeden fall netter als die Königin aus Rivera.
Auch ihr Mann scheint mir sympathisch, seine schwarzen Haare verdecken ihm fast seine Augen, doch ich kann sehen, wir er mich interessiert mustert.
Beide schütteln mir schweigend die Hände, doch der Mann lächelt mich an, als würden wir uns schon lange kennen.
Ich fühle mich immer unwohler, keiner weiß so wirklich, was er sagen soll.
Ich habe mir die königlichen Familien irgendwie anders vorgestellt, und sie sich mich wahrscheinlich auch.
Etalon scheint zu merken, dass jeder sich hier fehl am Platz fühlt und räuspert sich.
„Nun ja...Das ist Lia, jetzt habt ihr sie kennengelernt.", sagt er, doch die einzige die wirklich begeistert scheint, ist die Königin aus Forestia, auch wenn der König aus Terrestra mich immer noch anstarrt.
„Ich...Kann ich gehen?", frage ich Etalon flüsternd.
Er seufzt, doch dann nickt er mir zu.
Ich lächele noch einmal flüchtig in die Runde, schnappe mir meine Jacke und meinen Schal, dann drehe ich mich schnell um und beeile mich, aus dem Saal zu kommen.
Ich bin erfreut zu sehen, dass es draußen regnet, und stoße direkt die große Tür auf.
Ich habe eine Kapuze, doch ich ziehe sie nicht auf.
Stattdessen halte ich mein Gesicht, das von der Aufmerksamkeit vorhin noch immer glüht, in den angenehm kühlenden Regen.
Auf einmal durchflutet eine Erinnerung meinen Kopf.

„Wieso regnet es in diesem Land immer?", stöhnte Hazel, als wir aus dem Schulgebäude traten.
Ich lachte.
„Du hast mal gesagt, du magst Regen.", erinnerte ich sie.
Hazel seufzte.
„Wie auch immer, jetzt nervt es mich. Ich kann gar nichts mehr sehen!", beschwerte sie sich.
„Stell dich nicht so an. Meinst du nicht, es gibt schlimmere Dinge?"
„Jaja, ist ja gut. Wenigstens werden wir gerade zusammen durchnässt.", sagte Hazel.
„Ja.Wenigstens zusammen.", stimmte ich ihr zu.
„Versprich mir, dass das immer so sein wird!", bat Hazel und lächelte mir trotz des immer stärker fallenden Regens zu.
„Klar! Für immer.", versprach ich.
Hazel nickte.
„Für immer."

Eine einzelne Träne rollt aus meinem linken Augenwinkel.
Ich muss jetzt unbedingt mit Hazel reden.
Die arme ist bestimmt krank vor Sorge.
Schnell renne ich durch den Regen zur Telefonzelle, wo ich auch letztes Mal war.
Ich finde sie relativ schnell und wähle die mir bekannte Nummer.
„Hallo?"
Sobald ich ihre Stimme höre, fange ich an zu weinen.
Selbst am Telefon klingt sie einsam.
„Wer ist da?", fragt sie verständnislos
„Haz-"
„Lia?! Oh Gott, bist du das wirklich?!"
„Ich-"
„Geht es dir gut?! Ich habe dir tausend Nachrichten hinterlassen, wieso rufst du erst jetzt an? Geht es-"
„Hazel!", unterbreche ich sie,
„Beruhige dich."
„Es tut mir leid. Ich habe mir nur solche Sorgen gemacht."
Ich kann hören, dass auch ihr gerade Tränen über die Wangen laufen.
„Mir tut es leid. Ich erzähle dir gleich alles, ja? Du musst dich nur beruhigen."
„In Ordnung."
„Okay. Sei bitte nicht sauer."
Und dann lege ich los.
Ich erzähle ihr alles was sie verpasst hat, von meiner Ankunft, meinem Treffen mit meinen Cousinen und Cousins, dem Tritogen, Edmon, den königlichen Familien, bis zu meiner Erinnerung im Regen, als wir zwölf waren und an dem Tag das erste Mal zu spät zu Sport gekommen sind.
Hazel schweigt, wie immer, wenn ich ihr etwas erzähle, eine Eigenschaft, die ich unglaublich sehr an ihr schätze.
Nur ab und zu unterbricht sie mich, wenn sie etwas akustisch oder wegen einer fehlenden Information nicht verstanden hat.
Es tut unfassbar gut, jemandem einfach alles zu erzählen.
Als ich fertig bin, schweigen wir erst einmal beide.
„Wow, Lia, was für eine Geschichte.", sagt Hazel schließlich überrumpelt.
„Das kannst du laut sagen."
„Hast du denn jetzt alle deine Antworten?"
„Ich schätze schon."
„Was ist denn jetzt mit dieser Stimme in deinem Kopf?"
Ich werde bleich.
Jetzt fällt mir wieder alles ein, was in der Schule passiert ist.
Ich habe vollkommen vergessen, Atrius danach zu fragen.
„Keine Ahnung.", antworte ich.
„Wie, keine Ahnung?
Du hast Mr. Henterson noch nicht danach gefragt?!"
Ich verziehe mein Gesicht.
„Hör auf, ihn so zu nennen! Und nein, habe ich nicht."
„Dann mach das gleich direkt, okay?"
„Ja, okay."
„Von wo rufst du überhaupt an?"
„Eine Telefonzelle mitten in der Stadt. Funktioniert ganz gut."
„Und dein Handy?"
„Hier ist kein Netz, ich glaube die Telefonzelle funktioniert auch nur mit Magie. Frag mich nicht, ich kenne mich da nicht aus."
„In Ordnung. Wie auch immer, melde dich mal wieder, ja?"
„Klar! Wir sehen uns bestimmt bald wieder."
Hoffe ich.
„Ja...Mach's gut, Lia.", verabschiedet Hazel sich.
„Bis bald."
Und dann lege ich auf.

Da bin ich wieder!
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen :)
Was haltet ihr von den Königen und Königinnen?
Und was haltet ihr von Edmon?
Wer ist wohl der Verräter?
Voten und Kommentieren bitte nicht vergessen!
Bis dann :)

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