Kapitel 5
Meine Mutter hat mir früher immer gesagt, wenn dieser eine Moment kommt, der, der alles auf den Kopf stellt, dann lächle.
Damals schien mir das einfach, fast schon offensichtlich.
Ich habe auf ihn gewartet, geduldig, freute mich darauf.
Doch ich hätte nie gedacht, dass ich es nicht schaffen würde.
Dass ich aufspringen würde, rausrennen und dann tränenzurückhaltend vor meiner Haustür stehen würde.
Und doch war es so.
Meine Mutter öffnete lächelnd die Tür, doch bei meinem Gesichtsausdruck verblasste ihrer und verwandelte sich in einen leicht erschrockenen.
Sie ließ mich direkt rein und ich folgte ihr ins Wohnzimmer.
Jetzt sitze ich zwischen meinen Eltern auf dem Sofa und hole tief Luft.
„Ich weiß es.", sage ich.
„Was meinst du?", fragt mein Vater ahnungslos.
„Alles. Wieso habt ihr mir nie etwas erzählt?"
„Lia, Schätzchen, ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du-"
„Wieso habt ihr mir nie gesagt, dass ich adoptiert bin?!", komme ich zum Punkt.
Meine Eltern werden bleich.
„Hör zu, wir...Wir wollten noch warten, es gab für uns keinen Grund, es dir jetzt schon zu erzählen.
Es tut mir wirklich leid Lia, aber wir glauben, dass deine richtigen Eltern tot sind.", erklärt mein Vater.
Ich hätte mir denken müssen, dass sie nichts von meinen wahren Eltern wissen.
Sie kennen die echte Geschichte nicht.
„Warum glaubt ihr das?", frage ich leise.
Meine Mutter seufzt und reibt mir tröstend über den Rücken.
„Als wir damals erfahren haben, dass ich keine Kinder bekommen kann, war das für uns wie ein Schlag ins Gesicht.
Wir wollten unbedingt eins haben, und dann hatte dein Vater die Idee, einem Waisenkind eine Freude zu machen und es zu adoptieren.
Es war dein erster Tag im Heim, und eigentlich hatten wir vor, irgendein Kind auszuwählen, dass sich schon viel länger dort rumschlagen musste, doch ich konnte nicht anders.
Deine roten Haare und dieser interessierte Ausdruck auf deinem Gesicht...Ich musste dich auswählen."
Ich schlucke.
„Aber eine Sache hast du noch von deinen Eltern.
Deine Kette."
Automatisch fasse ich mir um meinen Hals und fahre die Buchstaben mit den Fingern nach. "Amelia" bilden die Buchstaben.
„Habt ihr mich deshalb so genannt?"
Meine Mutter nickt.
„Wir wollten, dass du den selben Namen hast, den du wahrscheinlich bei deiner Geburt bekommen hast."
Ich könnte niemals wirklich sauer auf meine Eltern sein.
Dafür sind sie zu nett.
Mir fällt ein, was Mr. Henterson heute zu mir gesagt hat.
„Es ist noch recht früh, meinst du, du könntest heute Nachmittag deine nötigsten Sachen einpacken?"
Das ist jetzt ungefähr eine Stunde her gewesen.
Mittlerweile ist es 15 Uhr und ich weiß immer noch nicht, was ich machen soll.
Meine Sachen packen, nach dem Abgang?
Mich verstecken und hoffen, dass ich Mr. Henterson nie wieder über den Weg laufe?
Meinen Eltern alles erzählen?
„Ich brauche Zeit für mich.", erkläre ich meinen Eltern.
Schnell stehe ich auf, ziehe mir Turnschuhe an, schnappe mir mein Handy und meine Kopfhörer und hechte aus der Haustür.
Ich stelle die Musik absichtlich lauter, um die tausend Gedanken in meinem Kopf zu übertönen.
Leider schleichen sich immer wieder einzelne in den Vordergrund und erinnern mich daran, was heute passiert ist.
Dabei möchte ich gar nicht erinnert werden.
Ich will das alles vergessen, aufwachen und merken, dass es nur ein langer Albtraum war.
Ich stelle meine Musik noch ein wenig lauter, was mir einige genervte Blicke von an mir vorbeigehenden Leuten einbringt.
Ich stolpere fast, und für einen kurzen Moment möchte ich mich einfach hinsetzen und weinen.
Ich merke, dass die Maske, die ich angefangen habe mir zu erstellen, für diesen einen Moment verwackelt, und das darf nicht passieren.
Meine Musik läuft weiter, und ich passe meine schnellen Schritte an den dröhnenden Bass an.
Am Ende des Weges erblicke ich ein paar Leute aus meiner Stufe, doch Zoe ist zum Glück nicht dabei.
Sie schauen mich zweifelnd an, und automatisch hebe ich spöttisch meine Augenbrauen, lächele selbstsicher und schiebe meine Schultern nach hinten.
Was ist nur aus dem netten, schüchternen Mädchen geworden, das ich vor dem ganzen Geschehen war?
Aber wenn ich möchte dass sie mir glauben, ich hätte mich vorher zurückgehalten um dann groß rauszukommen, muss ich so sein.
Keiner würde mir glauben, weswegen ich wirklich schlauer geworden bin.
Niemand glaubt das einem netten, schüchternen Mädchen.
Sobald ich wieder zuhause bin, wünsche ich mir, ich wäre länger weg geblieben.
„Lia, geht es dir gut?", fragt mein Vater mich direkt.
Ich nicke und dränge mich an ihm vorbei, doch im Wohnzimmer bleibe ich erschrocken stehen.
„Was machen Sie denn hier?", frage ich Mr. Henterson, der entspannt mit einer Tasse Tee auf unserem Sofa sitzt.
„Lia, endlich! Sag mal, wieso hast du uns denn nichts erzählt?", fragt meine Mutter.
„Was meinst du?"
„Los, pack schnell deine Sachen!"
„Was zum-"
„Deine Spontanität ist bemerkenswert."
Ich verstehe überhaupt nichts mehr.
Wovon redet sie?
„Du hättest uns sagen müssen, dass du ein Praktikum bei Mr. Henterson machst."
Ich stutze. Bitte was?
„Beeil dich lieber, Lia, unser Zug geht bald.", wirft Mr. Henterson mit einem verschmitztem Lächeln ein.
Er scheint gar nicht verunsichert zu sein, im Gegensatz zu mir.
Ich kann ihm kaum in die Augen schauen.
„Ein ganzes Jahr willst du weg! Ich bin so stolz auf dich mein Schatz."
Meine Mutter wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Auch mein Vater lächelt mich ermunternd an.
„Na los, bei deiner Schule haben wir schon angerufen.
Das ist deine Chance, Lia!
Du wirst bestimmt eine tolle Autorin. Kein Wunder, dass du in Physik immer so schlecht warst.
Ich hätte es merken müssen, du warst von Anfang an für die Literatur bestimmt.", meint er.
Hat Mr. Henterson ernsthaft.... Ich fasse es nicht.
Ein ganzes Jahr! Will er mich auf den Arm nehmen?
„Komm in die Gänge, so wird das doch nie was!", drängt meine Mutter mich lächelnd und schiebt mich die Treppe hoch.
„Am besten nimmst du den großen Koffer, wenn du so lange weg bleibst. Keine Sorge, wir werden dich besuchen kommen, und du uns auch, oder etwa nicht?"
Ich nicke. Mein Kopf dreht sich.
Meine Mutter wirft irgendwelche Sachen in meinen riesigen roten Koffer, bis Mr. Henterson durch die Tür kommt.
„Bei allem Respekt Mrs. Andersson, ich bezweifle, dass Lia so viele Klamotten brauchen wird.
In Frankreich sind einige wunderbare Geschäfte."
„Sie haben vollkommen recht, Mr. Henterson. Lia, holst du bitte die kleine blaue Tasche aus dem Keller? Danke."
Ich gehorche ohne ein Wort.
Alle meine Gedanken kreisen kreuz und quer durch meinen Kopf und verursachen mir dadurch dröhnende Kopfschmerzen.
Wenn meine Eltern nur wüssten, wen sie da gerade eben in ihr Haus gelassen haben... Wem sie ihre adoptierte Tochter anvertrauen...
Wahrscheinlich ist es so am besten.
Ich werde kein ganzes Jahr weg bleiben, das kann nicht sein. Ich werde schnell zu meiner echten Mutter gehen, sie überzeugen, sich gegen James zu stellen, und dann so schnell wie nur möglich wiederkommen.
Ich werde Hazel wiedersehen und ihr die Wahrheit erzählen.
Die arme, sie wird sich schreckliche Sorgen machen.
Ich überlege kurz, ihr schnell eine Sprachnachricht zu schicken oder sie schnell anzurufen, um ihr das mindeste zu erklären, doch das würde erstens zu lange dauern und zweitens habe ich keine Ahnung, wo ich mein Handy hingelegt habe.
Seufzend gehe ich in den Keller und schnappe mir meine blaue
Tasche.
Sobald ich wieder oben bin, fängt meine Mutter an, mir Sachen einzupacken, auf Mr. Hentersons Ratschlag hin sowohl dünne als auch dicke.
„Und es ist wirklich für alles gesorgt worden? Wohnort, Versorgung-"
„Ihre Tochter wird in besten Händen sein.", unterbricht Mr. Henterson sie.
„Alles klar...Lia, hilfst du mir mal bitte? Das ist ja alles so aufregend!"
Ich nicke und versuche mich auf die Tasche vor mir zu konzentrieren.
Ob das alles richtig ist?... So eine riesige Lüge.
Wir werde ich das machen, wenn meine Eltern mich besuchen wollen?
Ich habe noch nicht mal eine Ahnung, wo genau wir überhaupt hinfahren. Mr. Henterson hatte von einer anderen Welt geredet, ich erinnere mich an den Namen Selia.
„Wann fährt der Zug?", höre ich meine Mutter fragen.
„Um 16 Uhr 30. Ich werde unten warten.", sagt Mr. Henterson.
Genau als er aus meinem Zimmer tritt, erklimme ich die letzte Treppenstufe, weshalb ein Aufeinandertreffen nicht zu vermeiden ist.
„Du brauchst keine Angst zu haben, Lia. Ich bin einer der guten, warum sollte ich mir sonst das alles hier antun nur um dich nach Selia zu bringen?", flüstert Mr. Henterson.
„Ich weiß es nicht.", flüstere ich zurück.
„Hör zu, es tut mir aufrichtig leid, dass du deine Eltern anlügen musst, aber glaub mir, lieber das, als ihr Tod, meinst du nicht auch?"
Ich runzele meine Stirn.
„Ich komme mit, und ich werde meinen Eltern nicht die Wahrheit sagen, wenn sie das von mir verlangen. Aber vergessen Sie nicht, sollte einem von ihnen etwas passieren, dann können sie die Welt ohne mich retten."
„Einverstanden. Beeil dich."
Dann geht er die Treppe runter und ich laufe in mein Zimmer, wo meine Mutter schon ungeduldig wartet.
Die Tasche ist recht klein, weshalb wir zusammen schnell fertig sind und der Abschied näher rückt.
Und dann ist er auch schon da.
Meine nötigsten Sachen sind eingepackt, meine Eltern glauben diese unfassbar große Lüge, alles scheint perfekt.
Und doch steigt dieses brennende Gefühl in meinem Bauch und der Kloß in meinem Hals wird größer.
„Mach's gut, Lia, pass auf dich auf. Ich bin so stolz auf dich.", meint mein Vater und zieht mich in eine feste Umarmung.
Mr. Henterson wartet in seinem Auto auf mich, doch ich zwinge mich, meine Augen zu schließen und mir diesen kostbaren Moment
Einzuprägen.
Ich kann die Tränen nicht verhindern, wie auch.
Meine Mutter weint auch und schließt mich fest in ihre Arme.
Eigentlich habe ich das alles nicht verdient.
Ich habe nie etwas schlechtes getan, wieso muss ausgerechnet ich so eine Vergangenheit haben?
Das Problem ist, dass ich sie niemand anderem wünschen kann, nicht einmal Zoe.
Dafür ist das alles zu schrecklich.
Die letzten Momente mit meinen Eltern gehen zu schnell vorbei, und auch die Fahrt zum Bahnhof geht komplett an mir vorbei.
Mr. Henterson versucht gar nicht erst, mich zum reden zu bringen, er lässt mich in Ruhe.
Ich weiß, dass ihm das alles leid tut, und ich weiß auch, dass das alles hier ernst ist.
Aber irgendwie kann ich mich nicht darauf konzentrieren.
Ich hasse ihn nicht, das tue ich wirklich nicht.
Doch momentan kämpfen in meinem Inneren diese zwei Stimmen miteinander, ob er die Schuld trägt oder ich.
Tief in mir weiß ich, dass niemand etwas dafür kann.
Dinge geschehen.
Doch diese Autofahrt raubt mir meine letzten Tränen und meine letzten Nerven.
Ich bekomme nicht viel mit, der nächste Moment den ich aufnehme, ist das Pfeifen des Schaffners, als der Zug genau um 16 Uhr 30 losfährt.
Ich trinke einen großen Schluck Wasser aus der Flasche, die meine Mutter mir in meine zusätzliche Tasche gepackt hat.
Jetzt wäre meine letzte Chance, Hazel zu schreiben, doch ich lasse es.
„Mr. Henterson?", frage ich nach fünf Minuten Stille.
„Ja?"
„Wie soll ich Sie nennen?"
Er lacht leise.
„Wie du möchtest. In Selia wird mich keiner als Mr. Henterson kennen, also ist es vielleicht besser wenn du anfängst, mich Atrius zu nennen, doch wenn du das nicht willst, ist es auch in Ordnung."
Ich nicke.
„Wie lange fahren wir?"
„Nicht lange, eine Stunde vielleicht.
Wir steigen an einem Wald aus, eine unbekannte Ecke von London.
Aber wir werden um die zwei Stunden laufen müssen."
„Wieso das denn?"
„Der Eingang nach Selia liegt recht versteckt in dem Wald, um nicht zu riskieren, dass normale Menschen ihn finden."
„Wie sieht er aus?"
„Es ist ein Portal. Du wirst schon sehen."
Ich nicke.
„Und wann brechen wir dann auf, um die Ringträger umzustimmen?"
„Du wirst Training brauchen. Außerdem muss noch entschieden werden, wer die Kinder auf die Reise begleitet. Nicht zu viele, sonst wird James aufmerksam.
Vielleicht in einer Woche.
Sei froh, je mehr Zeit dir noch bleibt bis zum Aufbruch, desto mehr Zeit bleibt dir, bis zum Treffen mit Meandra."
„Ist sie so schlimm?", frage ich.
„Es kommt drauf an welche Meandra du meinst. Bevor sie die Ringe stahl war sie ein Engel.
Weißt du, dein Vater, ein sehr guter Freund von mir, ein sehr guter von ihm, und ich, wir waren damals unzertrennlich.
Ich bin schon früh von zu Hause weggelaufen, da war ich neun.
Dieser sehr gute Freund von mir, namens Etalon, nahm mich bei sich auf.
Dein Vater, Miron, war zu dem Zeitpunkt schon mit Meandra zusammen, doch das änderte nichts daran, dass sie sehr begehrt war. Schon damals war es verboten, ein Kind zu zeugen, wenn die Eltern zwei verschiedene Augenfarben hatten.
Doch Meandra und Miron störte das nicht, sie liebten sich zu sehr und meinten dann, sie würden einfach kein Kind zusammen bekommen.
Aber zurück zu ihr.
Es lag nicht nur an ihrem unheimlich guten Aussehen, auch ihr Charakter spielte eine wichtige Rolle.
Sie war nett, hilfsbereit, und schon damals unglaublich schlau.
Auch ihre Geschwister waren sehr beliebt.
Der Ring hat sie leider alle komplett verändert."
„Mochtest du meine Eltern?"
„Alle mochten sie. Wie gesagt, alle Jungs liefen deiner Mutter hinterher, selbst ich war ihr für eine kurze Zeit verfallen."
„Du warst in meine Mutter verliebt?!"
„Jeder war das irgendwann. Doch bei mir war es schnell vorbei, dafür mochte ich Miron zu sehr. Dein Vater war wirklich ein toller Mann, Lia."
Ich schlucke.
Den Rest der Zugfahrt verbringen wir in angenehmer Stille, mein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Eltern und Hazel verschwindet langsam.
Nach einer weiteren halben Stunde steht Atrius auf, und auch ich hebe meine Tasche hoch.
Er bietet mir an, sie zu tragen, doch ich schüttele meinen Kopf.
Die Haltestelle an der wir aussteigen ist tatsächlich direkt an einem Wald, und niemand anders steigt mit uns aus.
Wieso auch.
Ich folge Atrius in den Wald, versuche so nah wie möglich bei ihm zu bleiben.
Nie im Leben würde ich alleine von hier zurückfinden.
„Warst du eigentlich beim Arzt, Lia?", fragt er mich nach einer Weile.
„Ja, direkt an meinem Geburtstag."
„Und was hat er gesagt?"
„Er meinte, er hätte nichts gefunden."
„Das ist ungewöhnlich. Er muss garantiert gesehen haben, dass in deinem Inneren etwas ganz und gar nicht stimmt. Wie heißt er?"
„Dr. Smith."
Atrius bleibt stehen.
„Kennst du seinen Vornamen?"
„Nein. Wieso, was ist los?"
„Ich glaube ich kenne ihn. Wir müssen uns wirklich beeilen, du hast Glück gehabt."
„Wovon redest du?"
„Ich glaube er weiß was du bist. Er hat einmal versucht mich anzugreifen, doch danach habe ich ihn nicht mehr getroffen.
Vermutlich hat er dich in seiner Praxis nicht angegriffen, weil ich dann aufmerksam geworden wäre. Hat er dich komisch angeschaut?"
„Ja! Es war komisch, er schien so ungläubig, überrascht."
„Das ist ziemlich schlecht, Lia. Das bedeutet, James weiß von dir. Entweder Meandra hat es ihm gesagt oder irgendjemand in Selia hat es ihm verraten.
Vermutlich hat er Verfolger auf dich gesetzt, deshalb hat er dich komisch angeschaut. Du siehst Meandra wirklich sehr ähnlich.
Ich hatte Glück, dass ich dich zuerst gefunden habe."
Ich runzele die Stirn.
„Wieso solltest überhaupt du mich finden?"
„Das war eine ziemlich wichtige Aufgabe. Du bist ein Einzelkind, das einzige unter den Ringträgerkindern.
Dadurch auch unsere einzige Chance, Meandra umzustimmen.
Als ich mit neun weggelaufen bin, hat James noch hier in London gewohnt. Wir wissen nicht wirklich wo er jetzt ist. In der anderen Welt gibt es vier Städte, nicht nur Selia.
Es gibt noch Rivera, Forestia und Terrestra. Er könnte überall sein.
Jedenfalls hatte ich in Selia einen ziemlich wichtigen Posten.
Als Sohn von James hat man einige Kräfte, die recht praktisch sind.
Die Menschen hatten Respekt vor mir, deshalb habe ich auch die wichtigste Rolle bekommen. Ich hätte dich am besten beschützen können, wäre es nötig gewesen."
„Aber könnten wir nicht rein theoretisch einfach die Ringträger umbringen und neue wählen? Wozu das ganze Theater?"
„Das geht leider nicht. Jeder Ringträger hat sozusagen eine Beschützerstadt. Die Ringe wurden jeweils mit einer Stadt verbunden, und sollte der Ringträger sterben, versinkt die Stadt und die Bewohner mit ihr. Auch für James ergibt das keinen Sinn, der König muss am Leben sein, sonst kann er ihn nicht umbringen und dadurch dann einen Eingang bauen. Dabei ist das ja sein Ziel. Erinnerst du dich?"
Ich nicke.
„Und den Ring mit Gewalt abzuziehen ist auch nicht möglich.
Sobald er am Finger steckt, bindet er sich mit Magie daran und kann nur abgenommen werden, wenn der Ringträger stirbt, was, wie du gerade erfahren hast keine Möglichkeit ist, oder ihn freiwillig abzieht.
So wollte die Organisation verhindern, dass die Ringe verloren gehen."
„ Wie kommen wir überhaupt zu den Ringträgern?"
„Es gibt vier Prophezeiungen, durch die man zu Fuß den Weg finden kann."
„Okay. Muss ich noch irgendetwas wissen?"
Atrius überlegt.
Langsam wird es dunkel, wir sind auch schon bestimmt eine Stunde gelaufen. Ich werde müde, es müsste jetzt zwar erst ungefähr halb sieben sein, doch nach so einem Tag und so vielen Informationen kann ich nicht anders.
„Eine Sache müsstest du noch wissen. Wenn du Meandra sehen wirst, wird sie vermutlich recht jung aussehen.
Sie hat dich mit ungefähr dreißig Jahren bekommen, da hatte sie den Feuerring schon 17 Jahre lang.
Vier Jahre später begannen die Ringe ihre Träger zu verändern, aber das weißt du ja bereits.
Eigentlich müsste sie jetzt um die sechsundvierzig Jahre alt sein, doch sie wird viel jünger aussehen.
Das liegt daran, dass alle vier Geschwister sich eine der legendären fünf Perlen gestohlen haben.
Sie wirken ab einem bestimmten Alter, bei Meandra war es glaube ich 35. Ab da altert die Person, die die Perle trägt, nicht mehr.
Sie wurden in Frankreich von einem äußerst mächtigen Zauberer hergestellt. Er hatte nur Zeit fünf herzustellen und wollte sie eigentlich für unfassbar viel Geld verkaufen, doch kurz nach dem Überfall starb er an einer selbst für Zauberer tödlichen Krankheit."
„Wer hat die fünfte Perle?", frage ich.
„James. Meine Mutter, Penelope, hatte von Geburt an die Fähigkeit, nicht zu altern. Also wollte auch er nicht altern und klaute die fünfte Perle. Hinzu kommt, dass Mitrius und ich Penelopes Fähigkeit geerbt haben."
„Du kannst also auch nicht altern?"
„So ist es. Bei mir hat es bei 28 Jahren gestoppt. Bei Mitrius ebenfalls."
„Das ist echt krass.", meine ich.
Atrius nickt.
„Eine Sache solltest du vielleicht noch wissen.", sagt er.
„In Selia wird beinahe niemand wissen wen du meinst, wenn du James sagst. Alle kennen ihn nur unter "die Maske". Ich persönlich bevorzuge seinen richtigen Namen, doch du solltest dir vielleicht seinen anderen merken."
„Wieso nennt er sich denn so?"
„Ich weiß es nicht, aber er trägt immer eine im Gesicht."
Ich nicke.
„Wie lange brauchen wir noch?", frage ich.
„Zehn Minuten."
Nach genau dieser Zeit treten wir auf eine helle Lichtung, die von dem langsam immer deutlicher werdenden Mond stark beleuchtet wird.
Es sind zwar noch keine Sterne zu sehen, doch langsam wird es frischer.
„Ich sehe kein Portal.", sage ich.
„Ich weiß."
Nach seiner knappen Antwort läuft Atrius in die Mitte und kniet sich hin.
Ich trete langsam näher um ihm besser zuschauen zu können.
Er schließt seine Augen, eine lange braune Strähne seiner Haare fällt ihm in die Stirn, als er anfängt, irgendwelche Wörter zu murmeln.
Seine Hand malt immer wieder dasselbe Muster auf den Boden, es sieht aus wie eine Art Sonne.
Nach zwei Minuten hört er auf, doch es ist immer noch nichts passiert.
„Und du bist sicher, dass-"
Genau in dem Moment muss ich mir die Hand vor die Augen halten, weil mich ein viel zu helles Licht blendet.
„Was ist das?!", rufe ich.
„Ein Lichtportal.", antwortet Atrius ruhig, doch ich kann das Lächeln in seiner Stimme hören, ich merke, dass er genauso aufgeregt ist wie ich.
Gerade als ich hinlaufen und durchtreten möchte, ertönt eine Stimme aus dem Nichts.
„Passwort."
Ich kann niemanden sehen, doch die tiefe Tonlage deutet auf einen Mann hin.
Atrius flucht.
„Sie müssen neue Regeln eingeführt haben.", erklärt er.
„Hier ist Atrius, ich bringe Meandras Kind.", versucht er es.
Leises Murmeln ist zu hören, dann öffnet sich aus dem beißenden Licht eine kleine Luke, und ein braunes Auge tastet die Lichtung ab.
„Tatsächlich. Er ist es wirklich.", ertönt wieder die Stimme.
„Lass mich mal gucken.", sagt jemand anderes und ein blaues Auge erscheint.
„Ich fasse es nicht. Aber was machen wir, wenn es eine...Kopie ist oder so?"
Das Auge zieht sich zurück.
Atrius rollt mit den Augen.
„Schaut euch doch mal das Mädchen an. Ich bitte euch."
„In Ordnung. Aber wehe das ist irgendeine Falle!", warnt uns der zweite.
Die Luke verschwindet und das Licht wird noch heller als davor.
„Geh durch.", ermuntert Atrius mich.
Ich hole tief Luft und setze meinen Fuß mitten in das helle Licht.
Sooo das war das fünfte Kapitel.
Auch hier bitte an Votes und Rückmeldung denken!
Bis dann :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top