Kapitel 25
Als wir die Richtung des Hotels einschlagen, beruhige ich mich ein wenig.
Ich will einfach nur noch weg von diesem Schloss.
Und von meinen Eltern.
„Was ist unser Plan?", frage ich Etalon.
„Wir haben doch einen, oder nicht?"
Etalon seufzt.
„Natürlich haben wir einen, die Frage ist nur, ob er aufgeht. Alle drei Ringträger werden am Maskenball anwesend sein.
Wir werden den Deal nicht einhalten, und stattdessen versuchen, die Maske umzubringen.
Sie war noch nie bei einer Veranstaltung, wo jeder sie sehen kann.
Das Problem ist Meandra. Wir müssen sie ausschalten, falls sie sich uns in den Weg stellt."
„Ich dachte, wenn sie stirbt, geht Selia unter?"
„Wir wollen sie ja auch nicht umbringen. Hoffen wir einfach, dass drei Ringträger und einige gute Zauberer genug sind, um einen Ringträger und die Maske zu besiegen."
„Wieso hast du das mit "Selia retten" überhaupt erzählt?"
„Hätte ich sagen soll, wir wollen verhindern, dass die Maske die Eingänge öffnet?
Je weniger das wissen, desto besser. Irgendeinen Grund habe ich eben gebraucht."
Ich nicke.
Als wir am Abend eine Pause einlegen, halten wir alle gemeinsam Wache.
Es ist, wenn alles gut läuft, der letzte Abend dieser Reise, und alle möchten darauf achten, dass keinem mehr etwas passiert.
Es wird über Tyler und Felis geredet, von Amy und Eric ist auch ab und zu die Rede.
Wir erschaffen unsere eigene kleine Trauerfeier.
Es tut gut.
Am nächsten Tag ist die Vorfreude auf das Hotel riesig.
Je näher wir kommen, desto ausgelassener werden die Gespräche, desto echter die Lächeln.
Und dann kommen wir an.
Sobald der erste Wache uns erblickt, ertönt lautes Geschrei.
Menschen werden auf uns aufmerksam, die Gesichtsausdrücke sind geschockt.
Wir sehen bestimmt alle schrecklich aus.
Ich höre Janes Stimme, sie bahnt sich vermutlich gerade ihren Weg durch die Menge.
Etwas weiter hinten sehe ich Atrius Haare.
Und dann wird jeder umarmt.
Tränen fließen, vor Freude und vor Trauer.
Jane drückt mich an sich, als sei ich ihre eigene Tochter.
Die nächsten Momente bekomme ich vor Müdigkeit kaum noch mit.
Uns wird etwas zu essen gemacht.
Das beste Essen, das ich je gegessen habe.
Wir können duschen gehen.
Die beste Dusche, die ich je genommen habe.
Um 9 Uhr klopft jemand an meine Tür.
Es ist Edmon.
Ich lächele ihn an.
„Ich wollte mit dir reden.", fängt er an.
Ich lasse ihn rein.
Er holt tief Luft.
„Du sollst wissen, dass, was auch immer morgen passiert, ich für dich da bin, okay?"
„Wie meinst du das?"
„Keiner von uns weiß, was passieren wird. Vielleicht endet alles gut. Vielleicht auch nicht."
Ich schlucke.
Edmon nimmt meine Hände in seine.
„Ich liebe dich, Lia.", gesteht er.
„Das musst du wissen."
Ich nicke energisch und er wischt mir eine Träne von der Wange.
„Ich liebe dich auch, Edmon."
Er bleibt die Nacht über.
Diese Nacht werde ich nie vergessen.
Ein Lichtblick in dieser ewig langen, dunklen Phase.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, fühle ich mich ausgeruht.
Es ist wahrscheinlich schon später Nachmittag, weil ich einiges an Schlaf nachzuholen hatte.
Meine Sachen liegen zerstreut auf dem Boden, genau wie Edmons, der noch schlafend im Bett liegt.
Ich werfe einen Pulli über und tapse ins Badezimmer.
Sehe ich anders aus?
Ich habe vier Tode erlebt.
Ich habe die beste Nacht meines Lebens erlebt.
Ich glaube schon.
Ich nähere meinen Kopf dem Spiegel.
Der Blaustich in meinem linken Auge ist immer noch da, aber wieso sollte er auch weg sein?
Er gehört nun mal zu mir.
Wenn man jemanden vermisst, dann ist es manchmal zu ergreifend, die Stimme zu hören.
Wenn man verletzt ist, dann ist der Moment, in dem einem klar wird, dass alles irgendwann wieder so funktionieren wird wie früher, in manchen Fällen zu erleichternd.
In beiden Situationen kann es vorkommen, dass man vor Freude weint.
Es ist ein gutes Weinen.
Dann gibt es noch Momente, in denen die Tränen wehtun, in denen sie nicht dazu beitragen, ein Lächeln aufs Gesichts zu zaubern.
Von denen gibt es zu viele.
Aber Augenblicke, in welchen man seiner besten Freundin gleichzeitig klar macht, dass man bald sterben, oder aber vielleicht die Menschheit retten könnte, die bringen eine noch andere Art von Tränen.
Wütend, traurig, hoffnungsvoll.
Vielleicht ein bisschen befreiend.
Während ich das Telefon in der Hand halte, vermischen diese sich.
Ich lege auf, bevor Hazel etwas sagen kann.
Meine Eltern glauben immer noch, dass ich durch Frankreich toure.
„Hey.", ertönt es von hinten.
Ich drehe mich um und erblicke Jane.
„Alles in Ordnung?", fragt sie besorgt.
Mit verheulten Augen nicke ich.
„Bald hast du's geschafft.", versichert sie mir.
„Ist das so?"
„Ich hoffe ja.", antwortet sie.
Ich glaube, ich habe noch nie so viel Ehrlichkeit in einem Blick gesehen.
„Es gibt keinen bedeutenden Grund, weshalb unser Plan am Maskenball scheitern sollte.", beruhigt sie mich.
„Was ist, wenn ich es versaue?"
„Ich habe es dir schon damals gesagt. Du bist ihre Tochter, Lia, an dir wird es, wenn überhaupt, nicht scheitern.
Du solltest mehr an dich glauben, weißt du."
Ich seufze.
„Vielleicht hast du recht."
Mein Blick fällt auf ihre Hände.
An ihrem linken Zeigefinger steckt ein schwarzer Ring mit zwei goldenen, eingravierten Buchstaben.
M und W.
„Was ist das für ein Ring?", frage ich.
Sie versteckt schnell ihre Hand in der weiten Tasche ihres Mantels.
„Nichts von Bedeutung.", meint sie lächelnd.
„Er ist schön, nicht wahr?"
Ich nicke.
Mein Blick ist wie gebannt auf ihre versteckte Hand gerichtet.
„Wie auch immer, ich wollte dich noch etwas fragen.", wechselt Jane das Thema.
Ich werfe ihr einen fragenden Blick zu.
„Hattest du in London irgendwelche Personen, die sir besonders am Herzen lagen? Freunde von dir oder Verwandte der Familie, bei der du gewohnt hast, zum Beispiel?"
Janes Blick ist neugierig, aber irgendetwas ist da noch, was ich nicht deuten kann.
Antworte nicht.
Ich schnappe erschrocken nach Luft.
Diese Stimme treibt mich noch in den Wahnsinn.
Jane hebt eine Augenbraue.
„Alles klar?", fragt sie.
Ich räuspere mich und nicke.
„Ähm...Nicht unbedingt, nein.", weiche ich aus.
Wieso vertraue ich dieser Stimme in meinem Kopf immer wieder?
Werde ich langsam aber sicher verrückt?
„Wirklich niemand?", drängt Jane.
Ich nehme eine Bewegung rechts von mir aus dem Augenwinkel wahr, doch als ich meinen Blick dorthin richte, ist nichts zu sehen.
„Wieso fragst du überhaupt?", lenke ich ab.
„Ich würde einfach gerne mehr über dein damaliges Leben erfahren, verstehst du?"
„Da gibt es nicht so viel zu erfahren."
„Erzähl mal, was hast du gerne gemacht?"
„Turnen.", antworte ich wie aus der Pistole geschossen.
„Wieso das?"
„Keine Ahnung"
Ich runzele meine Stirn
„Ich schätze, das ist einfach eine Möglichkeit, abzuschalten. Für einen Moment woanders zu sein."
„Bist du in einer Gruppe?"
Ich nicke.
Janes Augen wirken noch blauer als sonst.
„Sind irgendwelche Freundinnen aus deiner Schule dabei?"
„Ja, eine, ihr Name ist-"
Ich stocke, weil mir wieder einfällt, was die Stimme in meinem Kopf gesagt hat.
„Veronica.", beende ich meinen Satz.
Jane senkt ihren Blick.
„Verstehst du dich gut mit ihr?"
Ich zucke gespielt unbeteiligt mit den Schultern.
„Ja."
Wieso stellt sie diese ganzen Fragen?
Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich gelogen habe.
„Was ist mit dir?", wechsele ich das Thema.
Jane schaut mich fragend an.
„Ich weiß fast nichts über dich, und du scheinst so interessiert in mich zu sein."
„Sei einfach froh, nicht das Orakel zu sein."
„So schlimm?"
Jane lächelt mich warm an.
„Kommt drauf an."
„Auf was?"
„Was du daraus machst. Manchmal wünsche ich mir von ganzem Herzen, Lucy wäre älter als ich, an anderen Tagen wache ich mit einem Lächeln im Gesicht auf."
„Wer ist Lucy?"
Jane schaut mich geschockt an.
„Meine Schwester. Wusstest du das etwa nicht?"
Ich schüttele ratlos den Kopf.
„Du würdest sie nicht kennenlernen wollen, glaub mir."
„Wieso das?"
„Sie hat...Falsche Wege gewählt."
„Und würde sie gerne die ältere von euch beiden sein?"
„Vielleicht ein bisschen zu sehr."
„Was könntest du den als Orakel anrichten?"
„Prophezeiungen zerstören.", antwortet Jane prompt.
Ich reiße die Augen auf.
„Und sie somit unerfüllbar machen?"
Jane nickt.
„Bist du deshalb manchmal nicht gerne das Orakel?"
„Nicht nur. Manchmal habe ich Visionen, dann habe ich keine Kontrolle mehr über meinen eigenen Körper.
Und ich muss mir immer noch überlegen, welchen Namen ich auf die Liste der Orakel schreibe."
„Was für eine Liste?"
Jane seufzt.
„Eine magische Liste. Nur das Orakel kann den Namen vom nächsten Orakel notieren, und dieser verschwindet auch nicht mehr.
Wenn also einmal die Wahl gefallen ist, kann sie nicht mehr zurückgenommen werden."
„Also wurde dein Name notiert?"
„Nein, mein Vater war das letzte Orakel. Wenn es Kinder gibt und der Stammbaum weitergeführt wird, ist die Liste nicht unbedingt notwendig, es sei denn, das Kind stirbt.
In meinem Fall jedoch wird sie nötig sein, weil ich ja keine Kinder habe."
„Willst du denn irgendwann welche?", frage ich.
Jane lächelt.
„Meine Frau Elena hätte gerne welche gehabt, ja. Ich nicht unbedingt."
Es dauert drei Sekunden, bis ich verstehe, was sie mir sagen will.
Das hätte ich nicht erwartet, aber ein Lächeln kann ich nicht verhindern.
„Wie dem auch sei, genug von mir.
Ich bin eigentlich nur gekommen, um zu schauen, wie es dir geht."
Ich lege meinen Kopf schräg.
„Wegen des Maskenballs, meine ich.", ergänzt Jane.
Ich nicke.
„Danke,", sage ich,„ich komme damit klar.
Als Jane aufmunternd lächelt, sieht es nicht echt aus, als würde sie an etwas anderes denken.
Dann lässt sie mich alleine.
Sooo das war Kapitel 25 :)
Das nächste wird das letzte sein!
Wieso stellt Jane all doese Fragen?
Wie stellt ihr euch den Maskenball vor?
Was wird passieren?
Wie wird die Geschichte wohl enden?
Rückmeldung und Votes bitte nicht vergessen, einfach auf das kleine Sternchen drücken oder in die Kommentare schreiben, was ihr von dem Kapitel oder der Geschichte generell haltet :)
Ich wünsche euch noch einen schönen Abend :)
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