Kapitel 10
Zur selben Zeit an einem anderen Ort.
„Entschuldigt die Störung, Meister, ich habe etwas mitzuteilen."
„Ich hoffe für dich, dass es wichtig ist, Lucy.
Ich versuche gerade Kontakt zu einer bestimmten Person aufzubauen."
„Das ist es, Meister. Ich habe Informationen über die Leute ihres Sohns Atrius und die Ringträgerkinder."
„Sprich."
„Ich habe eine wichtige Prophezeiung gefunden.
Anscheinend sollen die Reisenden am 22 November aufbrechen."
„Das ist nicht gut.
Wir müssen es bis dahin geschafft haben, Meandras Tochter umzubringen. Sie ist das einzige Einzelkind, wenn es sie nicht mehr gibt, wird niemand mehr Meandra überreden können, und der Plan der Reisenden wird untergehen.
Wo bleibt Elias? Ich möchte wissen, weshalb er versagt hat."
„Sie hatte Hilfe, Meister.
Doch auch sie ist mächtiger, als wir es erwartet hatten."
„Wir brauchen einen neuen Plan, bevor sie aufbrechen.
Schon einen einzigen Ringträger auf seine Seite zu ziehen kann sehr hilfreich sein."
„Ich werde überlegen, Meister."
„Das hoffe ich für dich, Lucy.
Solltest auch du versagen, kann ich dir nicht versprechen, dass du noch ein weiteres Jahr leben wirst."
„Verstanden, Meister."
Selia
„Zum Geburtstag viel Glück!", singen wir die letzte Strophe vom Lied.
Alle Ringträgerkinder stehen vor Mays Bett, inklusive Maddison, Amy und Edmon.
Shane küsst sie, weshalb ich davon ausgehe, dass sie sich ausgesprochen haben.
„Danke Leute. Echt.", sagt May und wird rot.
„Es gibt bestimmt Kuchen!", ruft Hailey glücklich.
Ich lache und scheuche kurz alle raus, damit May sich umziehen kann.
Heute gibt es tatsächlich Kuchen, wahrscheinlich hat Rina den Köchen bescheid gegeben, dass ihre Tochter Geburtstag hat.
Sobald alle sitzen steht Atrius auf und bittet um Stille.
„Wir alle wünschen dir alles Gute zum Geburtstag, May.
Doch eigentlich wollte ich über etwas anderes reden.
Wie sicher die meisten mitbekommen haben, ist Jane gestern hier angekommen.
Sie hat die Prophezeiung gefunden, die uns das Datum des Aufbruchs verraten sollte.
Nächsten Donnerstag ist es soweit, und ich werde noch entscheiden müssen, wer die Ringträgerkinder begleiten wird.
Aber jetzt genießt erst einmal den Kuchen.
Nochmal alles Gute, May.", beendet er seine kurze Rede.
Alle klatschen, doch ich tue es nur für May.
Ich freue mich nicht auf die Reise, ganz sicher nicht.
Wenn ich an das denke, was die anderen erzählt haben, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.
Nie im Leben würde ich mitkommen, wenn ich nicht die einzige Chance wäre, Meandra zu überreden, sich ihren Geschwistern anzuschließen.
Doch ich will diese ganze Geschichte endlich beenden, meine Eltern in Sicherheit bringen.
James darf es nicht schaffen, die anderen Eingänge auch noch zu öffnen.
Mays Feier dauert nicht wirklich lange, und bald schon sind die meisten zurück in ihre Zimmer gegangen.
Ich sehe Hailey und May an einem Tisch stehen und gehe auf die beiden zu.
„Wieso hast du mir nicht selbst gesagt, dass du heute Geburtstag hast?", frage ich May anklagend.
„Ich weiß nicht, irgendwie habe ich es selbst vergessen.", antwortet sie.
Ich lache und will gerade nach einem Teller greifen, da stoße ich gegen ein Glas und werfe es auf den Boden.
Es zerbricht, als es auf dem harten Boden aufkommt, und ich bücke mich, um die Scherben aufzuheben.
Unabsichtlich schneide ich mich an einer und suche fluchend nach einem Taschentuch.
„Zeig mal her.", bittet May und greift nach meiner Hand.
In genau der Sekunde schließt sich die winzige Wunde von selbst.
Keine von uns dreien sagt etwas, obwohl wir wohl alle etwas Ähnliches denken.
Hailey und ich starren May an, und May meinen nun nicht mehr verletzten rechten Zeigefinger.
„Alles klar?", fragt May leise.
„Keine Ahnung, sollte nicht lieber ich dich das fragen?"
„Kann sein."
Ich schlucke und suche ihren Blick, doch ihre Augen sind immer noch auf meinen Finger gerichtet.
„Kommt.", fordert Hailey uns auf und läuft Richtung Ausgang.
Auf dem Weg läuft Shane uns entgegen und küsst May, doch diese schenk ihm kaum Beachtung.
Ich spüre seinen fragenden Blick hinter uns, doch ich folge zielstrebig Hailey.
„Wo gehen wir hin?", fragt May verwirrt.
„Ist das nicht offensichtlich? Ich glaube, wir alle haben direkt an eine bestimmte Person gedacht, und diese werden wir jetzt aufsuchen und um Rat bitten.", antwortet Hailey.
Natürlich habe auch ich direkt an Megan gedacht, doch die Idee, dass May eine Heilerin sein könnte, ist so absurd, dass ich nicht darüber nachdenken möchte.
Wer weiß, vielleicht soll sie im Endeffekt deshalb mit auf die Reise, was ich überhaupt nicht gut fände, weil sie dann durch dieselben Gefahren muss wie ich.
Ich weiß sie lieber in Sicherheit, dasselbe gilt für Hailey, Eric, Tyler, Shane, Edmon, sogar Maddison und Amy.
Niemand, und schon gar kein Kind, sollte sich in so einer Situation befinden wie ich es nächsten Donnerstag sein werde.
Wir klopfen an dieselbe Tür wie gestern, als wir für meinen Arm da waren.
Megan macht uns auf und schaut uns erstaunt an, doch lässt uns ohne ein Wort rein.
Erst als wir alle drei sitzen, räuspert sie sich.
„Was ist los?", fragt sie.
Keine von uns sagt etwas, bis Hailey sich schließlich räuspert.
„Es könnte sein, dass May auch eine Heilerin ist.", erklärt sie.
Megan lacht leise auf, doch als sie merkt, dass keine von uns mitlacht, verstummt sie.
„Ich hoffe euch ist klar, dass dazu mehr gehört als jemanden gut verarzten zu können.", sagt sie.
„Sie hat eine kleine Wunde an meinem Finger geheilt, nur indem sie mich angefasst hat!", schalte ich mich ein.
„Seid ihr sicher?", fragt Megan stirnrunzelnd.
Sowohl Hailey, May, als auch ich nicken energisch.
Megan seufzt.
„Ich werde es testen müssen.", meint sie und läuft zu ihrem Schreibtisch.
Sie kramt in einer Schublade herum, greift etwas raus und kommt dann zurück.
Sobald sie sitzt, holt sie den Gegenstand hinter ihrem Rücken hervor.
„Wer von euch beiden will?", fragt sie und blickt dabei zu Hailey und mir, während sie das blitzende Messer in ihren Händen dreht.
„Nie im Leben.", beschwert May sich, „Das mache ich nicht."
„Wir brauchen nur eine kleine Wunde , mehr nicht.", versucht Megan uns zu beruhigen.
Ich schlucke, doch bevor ich einwilligen kann, hat Hailey schon zugestimmt.
„Ich mach's.", sagt sie,
„Aber jemand anders muss mich verletzen, ich kann das nicht bei mir selbst."
„Kein Problem.", sagt Megan schulterzuckend.
„Hailey, lass das. Können wir nicht eine Nadel nehmen oder so? Ich will nicht, dass sich jemand wegen mir den Arm aufschlitzt.", meint May verunsichert.
„Keine Sorge, sie wird fast nichts merken."
Und mit diesen Worten greift Megan Haileys Hand und schneidet ihr ohne zu zögern in den Finger.
Hailey kann noch nicht einmal einen Laut von sich geben, so schnell ist es schon vorbei, und so klein der Schnitt.
„Alles klar?", fragt May besorgt und greift unbewusst nach der Hand.
Sofort verschwindet der Schnitt.
„Ich habe nichts gemerkt, beruhig dich. Außerdem hast du es schon wieder geschafft."
May schluckt, und auch Megan scheint nachdenklich zu sein.
„Ist das erst seit heute so?", fragt sie.
May zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung, ich habe es davor nicht ausprobiert.", antwortet sie.
„Es kann aber gut sein. Das wäre uns ja wohl aufgefallen, du hast Lia ja auch berührt, als ihr Arm verletzt war, und trotzdem ist die Wunde geblieben.", meint Hailey.
„Sie hatten doch auch gesagt, wenn niemand anders in der Familie ein Heiler ist, dann kann es gut sein, dass die Person erst später die Fähigkeiten bekommt.", füge ich hinzu.
Megan nickt.
„Du weißt was das bedeutet, nicht, May?", fragt sie.
„Was meinen Sie?"
May blickt fragend zu Hailey und mir, doch wir zucken beide mit den Schultern.
„Du wirst mit auf die Reise kommen müssen. Wir werden jeden Heiler brauchen, den wir finden können, um die Ringträgerkinder zu beschützen."
May wird blass, nickt aber.
„Ich bin bereit", sagt sie.
Ich nicht, denke ich.
Aber was habe ich schon für eine andere Wahl?
Die Zeit vergeht schneller als ich es mir wünsche, und mit jedem Tag werde ich nervöser.
Heute ist Sonntag, nach diesem Tag wird es nur noch vier weitere geben, bis ich aufbrechen muss.
Edmon hat mir beigebracht, einen Teil meiner Konzentration meiner Umgebung zu widmen.
Was das angeht bin ich bereit.
Doch innerlich bin ich viel zu unsicher, habe viel zu viel Angst.
Selbst Maddison und Amy scheinen abwesend zu sein.
Die gute Stimmung ist verflogen.
Auf dem Weg zu Edmons Scheune halte ich nochmal kurz an der Telefonzelle an, um meine Eltern zu beruhigen und Hazel auf den neusten Stand zu bringen.
Sobald ich das getan habe, laufe ich weiter.
Schon von weitem kann ich die Flammen sehen, die Edmon mit dem Rücken zu mir aufruft.
Lächelnd komme ich auf ihn zu, er bemerkt mich nicht.
„Wow!", rufe ich, als Edmon eine besonders große Flamme erschafft.
Ruckartig dreht er sich um und hebt schon seine Hände, doch als er mich erblickt, seufzt er und schaut mich vorwurfsvoll an.
„Du hast mich erschreckt.", sagt er.
Ich lache.
„Das habe ich gemerkt."
„Was machst du hier ?", fragt er.
„Ich war in der Nähe und dachte mir, ich kann dich ja einfach mal besuchen kommen.
Ist das ein Problem?"
Edmon schüttelt schnell den Kopf.
„Überhaupt nicht, nur darfst du dich nächstes mal nicht mehr so anschleichen.", bittet er grinsend.
„Mal sehen.", meine ich und folge ihm in die Scheune.
„Ist dir eigentlich nicht kalt hier? Die Scheune ist doch überhaupt nicht isoliert."
„Ich habe ja mein Feuer.", antwortet er.
Ich nicke zustimmend.
„Wo wir schon bei dem Thema sind, wieso kannst du eigentlich so gut damit umgehen? Warum solltest ausgerechnet du mir beibringen, wie ich meine Magie anwende?"
Edmon zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung ehrlich gesagt. Vielleicht sollten wir mal Atrius fragen."
„Gute Idee. Ich habe jetzt sowieso nichts zutun, also wenn du willst...."
Edmon nickt.
„Ich habe mir auch schon länger diese Frage gestellt.", sagt er und zieht sich seine Lederjacke an.
Sobald wir draußen stehen, fällt mir ein, dass er mich noch gar nicht auf den neusten Stand gebracht an.
„Wie lief eigentlich dein Gespräch mit Shane? Und das mit Atrius?"
„Mit Shane ist alles wieder gut. Er hat sich selbst die ganze Zeit Vorwürfe gemacht, dass es ihm nicht aufgefallen ist.
Und mit Atrius lief es auch gut.
Ich musste ihm einfach alle Informationen liefern, die ich über Will und die Waisenkinder habe."
„Darfst du noch in das Mauerlabyrinth?"
„Ich will es nicht mehr. Vielleicht später, wenn alles vorbei ist.", meint er.
Den Rest des Weges reden wir über andere Sachen, lachen, versuchen kurz, alles andere zu vergessen.
Als wir am Hotel ankommen, bin ich sogar ein bisschen traurig.
„Etalon!", rufe ich, als ich ihn im Gang sehe.
„Lia, was machst du denn hier? Macht ihr heute Training im Hotel, oder was?", fragt er belustigt.
„Wir suchen Atrius.", sage ich grinsend.
„Ist etwas passiert?"
„Keine Sorge, wir haben nur ein paar Fragen."
„Er müsste in seinem Zimmer sein, aber ganz sicher bin ich mir nicht.", meint Etalon.
„Vielen Dank. Bis später!"
„Bis dann. Schön, dich mal wieder zu sehen, Edmon.", fügt Etalon hinzu und geht.
Ich blicke Edmon fragend an.
„Was?", fragt er,„Wieso guckst du mich so an?"
„Du hast nichts gesagt! Magst du ihn nicht?"
„Ich fühle mich einfach unwohl, ich kenne ihn zu schlecht.", antwortet Edmon.
Ich nicke und laufe mit ihm die Treppe hoch.
Atrius macht uns direkt die Tür auf, als wir klopfen, und bittet uns hinein.
„Es ist schön, euch beide zusammen hier sitzen zu sehen.
Ich muss zugeben, am Anfang hatte ich Angst, ihr würdet euch vielleicht nicht verstehen.", gibt er zu.
Ich lächele Edmon an und stelle mit Freude fest, dass er ein wenig errötet ist.
So ist er normalerweise nie.
„Wir haben ein paar Fragen.", versucht Edmon abzulenken.
„Selbstverständlich.", meint Atrius, „Worum geht es?"
„Mich.", antwortet Edmon.
„Ich habe mich schon lange gefragt, wieso gerade ich allen das Zaubern beibringen soll. Nicht das es mir etwas ausmacht, aber es würde mich schon interessieren."
Atrius schluckt.
„Um ehrlich zu sein hatte ich gehofft, du würdest nie diese Frage stellen. Doch ich will dich nicht anlügen, du verdienst es, die Wahrheit zu wissen.
Aber du musst mir versprechen, dass sich nichts ändern wird. Bitte."
Edmon blickt fragend zu mir, als würde er meinen Ratschlag wollen.
Kaum merklich nicke ich ihm zu, fordere ihn somit dazu auf, Atrius zu vertrauen.
„Ich möchte nichts versprechen, dass ich vielleicht nicht halten kann.
Doch ich werde bis zum Ende zuhören.", entscheidet Edmon.
Atrius nickt.
„Vielleicht hätte ich dir das alles schon früher erzählen sollen, doch ich hoffe du wirst verstehen, wieso ich es nicht getan habe.", sagt er.
Ich höre gespannt zu, bin neugierig, etwas über Edmon zu erfahren, das selbst er nicht weiß.
„Du weißt fast nichts über deine richtige Familie, das ist mir klar.
Auch ich weiß nicht, ob dir überhaupt etwas davon übrig bleibt.
Ich kann dir nur erklären, weshalb Morton dich damals adoptiert hat.
Es war nicht, weil er so ein gutherziger Mensch war, leider nicht.
Hast du dich jemals gefragt, wieso du so gut mit Feuer umgehen kannst, obwohl es dir nie wirklich beigebracht wurde? Ich habe dir die Grundlagen erklärt, ja, doch den Rest hast du dir selbst zu verdanken.
Als ich mich noch gut mit Morton verstanden habe, da hat er immer von den Gründerfamilien geredet.", erklärt Atrius.
„Was für Gründerfamilien?", frage ich.
„Die erste Generation, die es nach den Urmagiern gegeben hat.
Die mächtigste Familie von damals mit blauen Augen wurde zur Gründerfamilie von der Wassermagie ernannt, die mit braunen Augen zu der mit Erdmagie, und so weiter.
Sie waren die erste Generation, die angefangen hat, zu bauen.
Niemand weiß, ob die Urmagier da noch am Leben waren, niemand weiß, ob sie vielleicht jetzt noch leben.
Jedenfalls gab es dann auch eine Gründerfamilie für die Feuermagie.
Die Gründerfamilien waren sehr mächtig.
Man erzählte sich, sie würden von den mächtigsten Urmagiern abstammen.", erzählt Atrius.
Ich runzele die Stirn.
„Was hat das mit Edmon zu tun?", frage ich.
„Ich glaube, ich kann's mir denken.", meint dieser.
„Ich glaube auch.", sagt Atrius.
Ich verstehe nicht, was sie meinen.
„Kann mich jemand aufklären?", bitte ich.
Edmon seufzt.
„Atrius meint, dass ich von der Gründerfamilie der Feuermagie abstamme, und weil Morton sich sehr dafür interessiert hat, es bemerkt, und mich deshalb adoptiert hat.
Nicht wahr?", fragt er Atrius.
„Das ist es, ja. Ich weiß es von einer Prophezeiung.
Ich wollte dir keine Hoffnungen machen, dass noch jemand aus deiner Familie lebt, Edmon.
Ich dachte, wenn ich dir das alles erzähle, dann würdest du vielleicht wissen wollen, ob deine Eltern noch leben, dich wieder für sie interessieren. Es tut mir leid.", sagt Atrius.
„Ist schon in Ordnung.
Ich würde nur gerne wissen, wieso sie mich zu Adoption frei gegeben haben, und wie Morton ohne die Prophezeiung gemerkt hat, dass ich von einer Gründerfamilie abstamme."
„Vielleicht kannte er die Prophezeiung. Sie hat ihm möglicherweise deine Zukunft vorausgesagt. Die Frage ist, wie er an sie drangekommen ist.
Vielleicht hat er das damalige Orakel gekannt, denn Jane kann es nicht gewesen sein, sie war es damals noch nicht.", vermutet Atrius.
Kurz schweigen wir alle, bis mir einfällt, dass er noch nichts von May weiß.
Sollte ich es ihm sagen?
Vielleicht besser nicht, dann ist die Chance höher, dass sie nicht mitkommen muss.
„Wer kommt eigentlich mit auf die Reise?", frage ich unschuldig.
„Wie kommst du denn jetzt darauf?", fragt Atrius stirnrunzelnd.
Ich zucke mit den Schultern.
„Nur so."
Auch Edmon wartet interessiert auf eine Antwort.
„Alle Ringträgerkinder, Etalon, Megan, und vermutlich Felis.", zählt Atrius auf.
„Du nicht?", fragen Edmon und ich gleichzeitig.
„Etalon geht sozusagen für mich.
Ich werde hier bleiben, falls etwas passieren sollte.", antwortet Atrius, während er die Tür öffnet.
Ich will schon erleichtert aufatmen, dass May nicht mitkommen muss, da fügt er noch hinzu:„Ach ja, und May auch, jetzt wo sie erfahren hat, dass sie eine Heilerin ist, möchte sie unbedingt mitkommen, und sie könnte wirklich nützlich sein.
Man weiß ja nie, was passieren könnte."
Ich seufze.
Vermutlich hat sie es Atrius selbst erzählt.
Edmon und ich verabschieden uns von ihm und laufen dann nochmal alle Treppen hoch, um ein weiteres Mal die Aussicht zu genießen.
„Hast du Angst?", fragt Edmon mich nach ein paar Minuten Stille.
„Ja.", gebe ich zu.
„Du weißt, dass du mächtig bist.", versucht er mich aufzumuntern.
„Ja.", sage ich wieder.
Ich erwarte es überhaupt nicht, als Edmon auf mich zukommt und mich in den Arm nimmt.
Nicht nur die Wärme, die mich direkt umhüllt, nicht nur die plötzliche Nähe, sondern auch die Sicherheit, die er mir gerade vermittelt, lassen mein Herz schneller schlagen.
Als wir uns voneinander lösen, leuchten seine Augen förmlich, und ich finde, so schön haben sie noch nie ausgesehen.
Der Moment wird zerstört, als eine aufgebrachte Jane die Tür aufstößt.
„Endlich, Lia!", ruft sie panisch.
„Was zur-"
„Schnell!", unterbricht sie mich,„Ihr müsst eure Sachen packen, die Reise geht morgen früh schon los!"
„Jane, beruhige dich, heute ist Sonntag.", sagt Edmon und kommt langsam auf sie zu.
„Wir haben eine Warnung bekommen, Gerüchte sind im Umlauf, dass die Maske wohl einen Angriff auf Selia plant, um dich umzubringen, Lia.
Du musst hier weg!", ruft Jane.
Mittlerweile ist es Abend, doch so einen Stress muss sie uns nun wirklich nicht machen, wenn es morgen erst losgeht.
Es ist natürlich immer noch viel zu früh, doch Jane reagiert über.
Sie ist unfassbar blass und stößt einen Schmerzensschrei aus.
„Ist alles in Ordnung? Hast du-"
„Lucy.", unterbricht Jane mich mit tiefer Stimme.
„Du warst es, nicht wahr? Verräterin."
„Ich bin nicht-"
„Ich bin das Orakel, nicht du. Wie hast du das geschafft? Du kleines, verräterisches-"
„Jane! Da bist du ja!", ruft Etalon erleichtert, als er die Tür aufstößt.
„Alles ist gut, beruhige dich.", meint er und streicht ihr über den Rücken.
Jane zittert, und ich bezweifle, dass das an der Kälte liegt.
„Was ist denn hier los?", fragt Felis, der als nächster durch die Tür tritt.
Es ist ein einziges Chaos.
Edmon steht schützend vor mir.
„Jane hat eine Panikattacke bekommen, als sie von dem Angriff gehört hat, aber das ist normal, weil sie das Orakel ist.
So etwas passiert öfter.", klärt Etalon uns auf.
„Lucy! Wag es nicht, jetzt zu gehen!", schreit Jane mich an.
Etalon hält sie fest, als sie versucht, auf mich zuzurennen.
„Es stimmt, dass ihr jetzt besser packen gehen solltet, aber bleibt ruhig, alles wird gut.", meint Felis und schiebt Edmon und mich durch die Tür, um uns von Jane wegzubringen.
Etalon murmelt weiter beruhigend auf Jane ein, dessen Augen mittlerweile komisch verdreht sind.
Es macht irgendwie Angst, sie so zu sehen, vollkommen eingenommen von ihrer Macht als Orakel.
„Komm, wir gehen.", flüstert Edmon mir zu und nimmt meine Hand.
Ich blicke ein letztes mal zu Jane, der es wirklich nicht gut zu gehen scheint, und lasse mich dann von Edmon fortziehen.
Überall herrscht Chaos, Leute laufen hin und her, ohne wirklich zu wissen, wieso.
Ich sehe einige panische Gesichtsausdrücke, obwohl diese Leute noch nicht einmal mit auf die Reise kommen.
Auch ich bin überfordert und sehr dankbar, dass Edmon mich in mein Zimmer bringt, die Tür schließt, und ich so eine kleine Pause von dem Lärm habe.
Ich merke erst, dass ich angefangen habe zu weinen, als Edmon mir eine Träne von der Wange wischt.
In meinem Zimmer steht schon ein Rucksack, eine große Wasserflasche und Essen.
Edmon fängt schon mal an, diese, und ein paar so klein wie möglich gefaltete Klamotten reinzulegen.
„Danke.", murmele ich.
„Dafür sind Freunde da.", meint Edmon lächelnd.
„Ja.", stimme ich zu.
„Du brauchst keine Angst zu haben, Lia. Ich werde auf dich aufpassen, wir alle werden das. Du bist wichtig.
Glaub mir, wenn ich eine Person aus der Gruppe retten könnte, du wärst es."
„Sag so etwas nicht."
„Es ist die Wahrheit."
„Erst einmal wirst du dich selbst in Sicherheit bringen, dann darfst du mir meinetwegen helfen.", sage ich grinsend und wische mir eine weitere Träne weg.
„Wir werden sehen.", sagt Edmon.
Jetzt ist es elf Uhr.
Nur noch ein paar Stunden, dann geht es los.
Bin ich bereit?
Nein.
Ist das wichtig?
Nicht wirklich.
Habe ich Angst?
Eindeutig ja.
Hier bin ich wieder :)
Was haltet ihr von Mays Heilkräften?
Und von Atrius' Theorie, dass Edmon von der Gründerfamilie des Feuers abstammen könnte?
Wer ist wohl Lucy, und wovon hat Jane geredet?
Voten und Rückmeldung nicht vergessen!
Ich wünsche euch noch einen schönen Tag :)
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