Kapitel 12
Joels Sicht
Und auch, wenn Vito und ich uns Valentins Plan nur zu gerne angeschlossen hätten, hatte Vincent uns direkt einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Nachdem wir uns also dann vom Anwalt höchstpersönlich anhören mussten, dass Gewalt keine Lösung war und wir genau überlegen mussten wie wir vorgehen sollten, um Talia da ohne Schäden rauszuholen, war Valentin nur schmollend mit den Worten er müsse seine angestaute Wut jetzt an Lilous Boxsack rauslassen abgehauen.
Vito war ihm direkt gefolgt und so durfte ich meiner Schwester schließlich kurzfassend erzählen, dass ihr Freund einen Moment für sich brauchte, um sich abzureagieren.
Vitus war mit zu Vincent gegangen, um sich von seinen Neffen und seiner Nichte ablenken zu lassen und auch, wenn mittlerweile ein paar Stunden vergangen waren konnte ich einfach nicht verstehen wie die anderen so ruhig bleiben konnten.
Vielleicht hätte ich mich Valentin und Vito anschließen sollen und auch einen kurzen Abstecher am Boxsack einlegen sollen, doch konnte ich jetzt schlecht noch bei Valentin auftauchen.
Und so lag ich jetzt seit einer gefühlten Ewigkeit in meinem Bett rum und versuchte mich irgendwie abzulenken, was nicht gerade gut funktionierte.
Gerade als ich schon dachte mein Kopf würde anfingen zu rauchen ertönte das Vibrieren meines Handy. Schnell schnappte ich mir dieses und während ich es entsperrte und auf meine Whatsappchats ging hoffte ich einfach nur, dass er mir geschrieben hatte.
Und wie als hätte jemand meine Gebete erhört, blinkte Lions Chat auf. Schnell tippte ich auf seinen Chat und las dann seine Nachricht.
<<Hey Joel. Ich wollte mal fragen, ob alles gut bei Vitus und dir ist?>>
Er dachte an mich.
Na gut auch an Vitus, aber er dachte an mich.
Er vergaß mich nicht trotz, dass wir die letzten Tage eher weniger gemacht hatten.
Und wie als hätte mich ein Blitz getroffen setzte ich mich auf und beschloss meinem Gefühl nach zu gehen.
Vielleicht hatte mein Bauchgefühl recht und Lion würde es schaffen mich abzulenken.
Schnell warf ich mir einen Pulli über und verschwand dann leise aus meinem Zimmer. Auf den Zehnspitzen schlich ich mich schließlich zur Eingangstür und hoffte einfach nur weder Vito noch Saphira wach zu machen.
Zu meinem Glück gelang mir das hervorragend, sodass ich wenige Sekunden später die Haustür hinter mir schloss und mich mit einem ungewohnten Gefühl in meinem Bauch auf den Weg zu Lion machte.
Vor dem Haus seiner Gastfamilie blieb ich schließlich stehen und zog dann mein Handy aus meiner Hosentasche, um Lion anzurufen, der auch nach dem dritten Mal Tuten abnahm.
„Joel? Alles ok? Wieso rufst du an?" erklang auch gleich seine aufgeweckte Stimme und ließ mich unterdrückt grinsen.
„Stör ich?" fragte ich dann vorsichtshalber nach und ließ ihn direkt antworten.
„Nein überhaupt nicht. Ich hab mich nur über deinen Anruf gewundert" erklärte er dann weiter und wie von alleine schlich sich das unterdrückte Grinsen langsam an die Oberfläche.
„Guck mal aus dem Fenster" erwiderte ich dann noch und sah dann zu dem Fenster, von dem ich wusste, dass es zu Lions Zimmer gehörte.
„Wieso?" hörte ich ihn misstrauisch nachfragen, doch ohne ihm etwas zu erklären wiederholte ich meine letzten Worte und so wurde kurze Zeit später der Vorhang vom Fenster weggezogen und Lion sah überrascht zu mir nach unten.
„Mir ist noch ein Ort eingefallen, den ich dir unglaublich gerne zeigen würde. Lust auf eine kleine späte Abendtour?" Lion blieb nach meinen Worten still und bevor ich noch etwas erwidern konnte legte er einfach auf und verschwand vom Fenster.
Ok Joel, nicht durchdrehen.
Das muss noch nichts bedeuten. Er wird dich nicht abservieren, nicht auf diese Weise.
Also hoffe ich, weil wenn schon dann könnte ich mich gleich neben meinem besten Freund im Bett verkriechen und mich von Maria bemitleiden lassen.
Es vergingen einige Minuten, schrecklich langsame Minuten um genau zu sein und gerade als ich schon schweren Herzens wieder umdrehen wollte und dabei war mich für meine dumme Idee zu verfluchen öffnete sich die Haustür.
„Tut mir leid, dass es solange gedauert hat, aber ich musste mir erst noch was anderes anziehen und meinem Gastvater versprechen spätestens um ein Uhr wieder Zuhause zu sein"
Lion blieb direkt vor mir stehen und während er mich vergnügt angrinste sah ich ihn wahrscheinlich wie das siebte Weltwunder an.
Er war tatsächlich gekommen. Er hatte nicht aufgelegt, um mich abzuservieren, sondern nur um sich auf den Weg zu mir nach draußen zu machen.
Ein Hoch auf mein Herz, dass jetzt vor Aufregung schneller in meiner Brust schlug und so langsam die Panik in mir abklingen ließ.
„Also wo geht's hin?" Lions Frage beantwortete ich nur mit einem „Lass dich überraschen" ehe ich den Weg zum See ansteuerte.
Diesen erreichten wir auch etwa zehn Minuten später, doch anstatt stehen zu bleiben steuerte ich einen bestimmten Ort an.
So blieben wir wenige Minuten später auf der Klippe stehen, die ich mit Vitus vor Jahren entdeckt hatte und zu der wir seitdem immer wieder gegangen waren, um unsere Ruhe zu haben.
„Ich hoffe, du hast keine Höhenangst. Ich will nicht wieder daran schuld sein, dass dir schlecht wird" fragte ich dann vorsichtshalber nach während ich mich selbst darauf konzentrierte nicht nach unten zu blicken.
Ein Hoch auf meine eigene Höhenangst. Ich konnte mich hier zwar aufhalten, doch im Gegensatz zu Vitus würde ich mich niemals trauen mich an den Rand zu stellen und zu springen.
Ich hatte es einmal getan, an dem Tag wo Vitus und ich uns zum ersten Mal hier her verlaufen hatten, doch dieses eine Mal hatte mir dann die Erfahrung gebracht, dass Höhe eindeutig nicht mein Ding war.
Und das war jetzt ganze fünf Jahre her und seitdem mied ich eigentlich jeglichen Ort, den ich mit Höhe verband.
So auch eigentlich Flugzeuge, in die mich die Collister bei jedem Urlaub zwingen mussten und die ich meistens damit verbrachte neben Maria zu sitzen und mich von ihr voll zu quatschen.
„Gott sei dank nicht. Dazu hat Spanien selbst zu viele Klippen, von denen man perfekt springen kann" Lion lief begeistert zum Rand der Klippe und schien wirklich keinerlei Angst zu haben während ich aus etwas Entfernung nur über den See sah und den Ausblick auch von hier genoss.
„Ich hab diesen Ort vor Jahren mal mit Vitus entdeckt und seitdem gehen wir beide eigentlich immer her um den Kopf frei zu kriegen" fing ich schließlich an zu erklären und ließ Lion direkt zu mir blicken.
„Hat es sich mit Talia immer noch nicht geklärt?"
Leider nicht, doch immerhin wussten wir jetzt was Sache war.
„Ich hab die Jungs vorhin getroffen und die Sache ist eigentlich nur noch komplizierter geworden, weil Talia wirklich in der Scheiße steckt"
Und mit der Scheiße meinte ich ganz klar ihre verkorksten Eltern, die wirklich einen Dachschaden hatten.
Und das ich das gut einschätzen konnte war bestimmt verständlich, ich selbst hatte schließlich wahrscheinlich die besten Vorzeigeeltern, wenn es darum ging, was Eltern eigentlich alles falsch machen konnte, um ihre Kinder durch die Hölle gehen zu lassen.
„Aber immerhin wisst ihr ja jetzt was los ist und ich zweifel keineswegs daran, dass die beiden das nicht schaffen werden. Ich meine, ich hab die beiden die letzten Tage auch beobachtet und diese Blicke, die sie austauschen, verraten einfach, dass die beiden mehr für einander empfinden" Lion trat langsam zu mir und ließ mich mit verdächtig aufgeregtem Herzen ihn anblicken.
„Ich wünschte nur ich könnte irgendetwas tun. Ich will meinen besten Freund nicht mehr so sehen. In den ganzen Jahren, die ich Vitus jetzt schon kenne, hab ich ihn noch nie so fertig erlebt. Und ich hab das Gefühl egal was ich sage oder mache, ich helfe ihm nicht"
Ich hatte es damals schon kaum ausgehalten nichts für meine eigene Schwester tun zu können, schließlich lag es nicht an mir sondern an ihr zu kämpfen und trotzdem kam ich mir so hilflos vor.
Ich wusste auch jetzt, dass ich Vitus nicht aus meinem Liebeskummer holen konnte, das könnte nur Talia, doch war diese in der aktuellen Lage quasi unerreichbar, schließlich wurde Vitus von Tom und Theo erpresst.
Und ich konnte ihn verstehen, ich würde an seiner Stelle auch nicht riskieren wollen, dass meinetwegen Nacktfotos von Talia im Netz erscheinen oder ihrer kleinen Schwester etwas passiert.
„Du bist für ihn da, Joel und ich glaube mehr braucht er nicht. Er weiß, dass er sich auf dich verlassen kann. Er weiß, dass du ihm helfen wirst wo du kannst und manchmal reicht dieses Gefühl schon aus, um einen Menschen kämpfen zu lassen"
Seine Worte ließen mich sofort an meine Schwester denken, die alleine nur durch den Gedanken an Vito diese Hölle überstanden hatte und so klammerte ich mich an den Gedanken, dass Lion recht hatte und alles gut werden würde.
Doch wenige Minuten später wurde mir dann klar, dass vielleicht nicht Vitus die Person war, die dringend jemanden an seiner Seite brauchte, um am leben zu bleiben und nicht den Kampf aufzugeben.
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Hallöchen:)
Ich hoffe ihr seid gut in die Woche gestartet:)
Ich schreibe in einer Woche jetzt meine erste Klausur, deswegen wird denk ich vorher nicht noch ein Kapitel kommen. Ich werde dann aber versuchen nach meiner Klausur direkt ein Kapitel online zu stellen:)
Seid ihr schon gespannt das Kapitel vom See aus Vitus Geschichte jetzt aus Joels Sicht lesen zu können?
Habt ihr Höhenangst?
Was ist eure größte Angst?
Mögt ihr Überraschungen?
Würdet ihr euch vielleicht auch mal ein Kapitel aus Lions Sicht wünschen?
Seid ihr eigentlich schon von Anfang an dabei? Also habt ihr quasi Aayana und Vincents Geschichte gelesen als ich sie geschrieben habe oder seid ihr erst später dazu gekommen?
Würde mich mal echt interessieren:)
Schreibt ihr eigentlich auch selbst oder lest ihr nur?
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ihr freut euch aufs nächste:)
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