Szene - aufgetaucht

Er ist nicht aufgetaucht! Ich kann ihn nirgendwo entdecken.

Ein Gewirr, aus markerschütternden Schreien, hallt in meinen Ohren wider. Hell und durchdringend. Ich bin mitten drin, im Geschrei. Angst zieht durch die Luft und klammert sich an mir fest. Um mich herum nehme ich hektische Bewegungen wahr. Staub wirbelt in der Luft umher und Schüsse ertönen, die mein Herz schneller schlagen lassen. Wo ist er? Geht es mir durch den Kopf, er müsste schon längst aufgetaucht sein.

Der Fluss, der den Marktplatz in zwei Hälften trennt, tritt rot gefärbt über die Ufer. Menschen fallen, bleiben reglos liegen. Tränen kullern über rußige Wangen. Das hilflose Schluchzen, der Menschenmasse, lässt mich zittern. Maskierte Männer tauchen auf und bilden einen großen Kreis, um den Platz ... es ist nicht möglich zu fliehen. Wo ist er? Wieso taucht er nicht auf? Ich verdränge den Gedanken, dass er es nicht geschafft hat. Eine kalte Schweißperle läuft über meine Schläfe und hinterlässt eine feuchte Spur.

Die Hitze, der in Flammen stehenden Häuser brennt auf meiner Haut. Ich horche nach dem Pochen meines Herzens, da ich fürchte, es könnte jeden Moment aufhören. Tauch auf! Schreit eine panische Stimme in mir. Komm und halte meine Hand, flüstere mir beruhigende Worte ins Ohr - bitte. Meine Augen suchen nach ihm, nach seinem vertrauten Gesicht. Ich stehe verloren da, mitten auf dem Marktplatz. Die Männer ziehen den undurchdringbaren Kreis enger zusammen. Um mich herum drängen sich immer mehr Menschen in die Mitte des Platzes. Sie haben eingesehen, fliehen ist sinnlos. Ich schließe meine Augen, um mich zu beruhigen.
Wasser sammelt sich unter meinen Lidern. Ich habe das Gefühl, dass mein Herz bei jedem Schlag zittert. Tränen rinnen kühlend über meine glühenden Wangenknochen. Es ist grausam. Meine Knie geben nach und ich sinke auf den aufgewühlten Boden. Ich stütze meinen Kopf in beide Hände und wiege meinen Körper langsam vor und zurück, vor und zurück.

Er würde mich jetzt hochziehen und sagen, ich soll nicht aufgeben, aber er ist nicht da und ich bleibe sitzen. Der Schrei einer Eule kreischt über den Platz. Gigantische Kampfflugzeuge verdunkeln den Himmel. Ein kleines Mädchen steht schluchzend neben ihrem brennenden Kuscheltier. Erneut ertönt der Schrei einer Eule. Er beruhigt mich, denn er erinnert mich an ihn. Wir sind in kühlen Sommernächten häufig spazieren gegangen. Er hat den Ruf einer Eule nachgemacht und die Eulen haben ihm geantwortet. Die ganze Gegend wurde dann von dem Klang, der bezaubernden Vögel erfüllt. Der Eulenschrei ertönt erneut. Das kleine Mädchen schaut hoch, in den dunklen Himmel. In ihren Augen spiegelt sich Angst wider. Ich wünsche mir, dass die Eule erneut schreit, doch es passiert nicht. Wie auch? – geht es mir durch den Kopf. Eulen sind nachtaktiv. Ich springe auf.

War der Schrei nicht von einer Eule? Nein, bestimmt nicht ...

Ich blicke mich um. Kann es sein, dass der Ruf von ihm kommt? Das ist unmöglich, dann müsste er hier sein! Ich wirble umher, doch kann ihn nicht entdecken. Das ausgebrannte Kuscheltier wird von dem kleinen Mädchen behutsam ins Wasser gelegt. Plötzlich sehe ich im Fluss, hinter einer Gruppe vertrockneter Schilfhalme jemanden liegen. Er lächelt mir zu und stößt erneut einen schrillen Eulenruf aus. Er ist endlich aufgetaucht. Er ist da, bei mir.

Ich zwänge mich zwischen den Leuten hindurch, gleich habe ich es geschafft. Gleich bin ich bei ihm. Meine Füße berühren das kalte Wasser. Ich renne los, zu ihm und falle in seine Arme. Erleichtert schließe ich meine Augen und atme tief ein. Er riecht nach dem Fluss, schlammig und blutig, doch das macht mir nichts aus. Der Luftzug eines Kampfflugzeuges wirbelt meine Haare um meinen Kopf. Er nimmt meine Hand und wir tauchen gemeinsam unter, in das braunrote Wasser. Vorsichtig öffne ich meine Augen, doch ich kann nicht viel erkennen. Ich drücke seine Hand. Langsam stoße ich kleine Luftblasen aus, damit mir kein Wasser in die Nase läuft. Wir tauchen nebeneinander her. Ich hoffe, dass sie uns nicht sehen und bewege meine Beine noch schneller auf und ab.

Meine Augen brennen unerträglich, sodass ich gezwungen bin sie zu schließen. Ich drücke seine Hand noch fester. Auf und ab, auf und ab bewege ich meine Beine, immer schneller und schneller. Meine Lunge brennt und mein ganzer Körper schreit nach Sauerstoff. Ich habe keine Ahnung, wie weit wir uns schon von der Mitte des Marktplatzes entfernt haben. Hoffentlich weit genug, denn mein Kopf pocht vom Sauerstoffmangel. Ich ziehe an seinem Arm, als Zeichen, dass ich nicht mehr länger die Luft anhalten kann. Gemeinsam tauchen wir auf, hinter dem Kreis aus schwarz gekleideten Männern. Wir waten durch das Wasser zum Ufer und laufen in den Wald. Ich blicke mich um und sehe, dass andere Menschen auch auftauchen, unter anderem das kleine Mädchen.

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