Mit Herzklopfen trat ich in die Commercial Bank von Ney York City. Es war ein gigantisches Gebäude von außen und von innen mindestens genauso faszinierend.
Es sah kaum noch aus, wie die anderen typischen Banken. Viel Glas und Marmor, alles war modern und schlicht gehalten und trotzdem konnte man überall kleine Highlights und das gewisse Etwas entdecken.
Natürlich war im Dezember der riesige Tannenbaum im Foyer nicht zu verkennen. Viele kleine Lichter schimmerten in einem angenehmen Gelbton und rote und goldene Kugeln schmückten die grüne Tanne.
Ein weihnachtlicher Duft umhüllte mich und sofort sah ich auch den Grund dafür:
Eine große Schale voller Lebkuchen und Spekulatius standen auf dem Tresen.
Zufällig musste ich auch genau an diesen Tresen, um mich bei Marlow anzukündigen. Ich beäugte die Schale und automatisch lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte eine Schwäche für Weihnachtsgebäck und konnte an Spekulatius einfach nicht vorbeigehen.
Doch ich blieb standhaft, denn wenn ich in jede Schale mit Spekulatius gegriffen hätte, hätte ich auch dementsprechend ausgesehen.
„Nehmen Sie sich ruhig etwas davon", hörte ich eine freundliche warme Stimme, die sich mir gerade näherte. Sie gehörte einer jungen Frau mit langen dunklen Haaren, die nahezu perfekt aussah. Sie war groß, hatte eine tolle Figur und sie trug etwas richtig schickes und figurbetontes, sodass man gleich ahnen konnte, dass sie in einer Bank arbeitete. Sie hätte mit diesem Outfit sogar an der Wallstreet anfangen können.
„Hallo ... Ähm, also ... Ich wollte zu ... Mister ...", stotterte ich nervös, denn mir fiel auf, dass ich keinen blassen Dunst hatte, wie Marlow mit Nachnamen hieß.
„Mister ... Marlow?", fragte ich verlegen, woraufhin sie leise kicherte und mir freundlich entgegen nickte.
„Mister Davis."
Marlow Davis - ein schöner Name.
„Ich bin nicht sicher, ob er so heißt. Ich wollte meinen Hund abholen. Ein Mischling, schwarz weiß."
Ihr Gesichtsausdruck zeigte mir, dass sie Bescheid wusste. Sie ging vor und als sie mir den Rücken zugewandt hatte, griff ich schnell in die Schale und stibitzte mir einen Spekulatius.
Genussvoll biss ich hinein und während ich alles auf dem schwarzen sauberen Boden vollkrümelte und mich innerlich ohrfeigte, dass ich dieses Krümelgebäck nun doch aß, drehte sie sich grinsend zu mir um.
Verdammt! Sie hatte mich erwischt. Nun wusste sie, wer hier das Krümelmonster war.
Ich legte mein schönstes Lächeln auf, zumindest so gut es ging, denn mein Mund war voll mit dem weihnachtlichen Gebäck, welches ich schnell versuchte aufzukauen.
Doch wie das immer so war, zumindest in solchen Situationen, wurde der Mund eher trockener und das Ding wollte einfach nicht runtergehen.
Als wir vor einer Tür stehen blieben, klopfte sie an und streckte direkt ihren Kopf durch die Tür, bevor sie hinein ging und die Tür von innen anlehnte. Nervös kaute ich schnell zu Ende, mein Blick wich zum Türschild und ich bekam sofort große Augen.
Marlow Davis - Vorstandsvorsitzender
War das sein verdammter Ernst?
Er war hier der Vorstandsvorsitzende?
Okay, alles klar. Der war ne Nummer zu hoch für mich.
Während es mir schon fast unangenehm war, dass ein Vorstandsvorsitzender einer Bank auf meinen Hund aufpasste, entnahm ich ein leises Gemurmel aus dem Büro und kurze Zeit später öffnete sich auch schon wieder die Tür. Die Dame lächelte mich an und bat mich höflich herein.
„Sie dürfen..."
Sie sah lächelnd auf den Boden, was mir höchst unangenehm war. Doch meine Scham wurde direkt zunichte gemacht, als Bailey mir sofort entgegen kam. Freudig beugte ich mich zu ihm herunter, streichelte ihn und flüsterte ihm zu.
„Hey Kleiner, na... wie geht's dir?"
Während ich über sein Fell wuschelte und er sich genüsslich auf dem Boden räkelte, sah ich hoch zu Marlow und stellte fest, dass er Besuch hatte. Ein Mann, ungefähr in seinem Alter, saß auf der Couch und grinste mich an. Er hatte dunkles Haar und genauso wie bei Marlow, war es etwas länger und fiel locker in sein Gesicht. Mit dem Unterschied, dass er nicht diese süßen Löckchen hatte.
„Hallo. Und entschuldige, ich bin sofort wieder weg." Der besagte Mann hob seine Hand zur Begrüßung und nahm seinen Blick nicht von mir. „Wyatt. Freut mich, dich kennenzulernen."
Ich nickte ihm freundlich entgegen und schenkte dann Marlow wieder meine volle Aufmerksamkeit.
„Danke nochmal. Was bekommst du denn dafür? Du hast ja auch Futter und so gekauft."
Während ich schon nach meinem Portemonnaie in meiner Tasche kramte, schüttelte Marlow bereits seinen Kopf und lachte total süß.
„Nichts, lass stecken. Ich bekomme gar nichts dafür."
Okay, also vor einem Fremden, der eventuell ein Kunde sein könnte, wollte ich jetzt nicht diskutieren, weshalb ich schleunigst die Biege machen wollte.
„War er denn brav?", wollte ich mich wenigstens nochmal versichern und riss meine Augen schockiert auf, als er sein Gesicht verzog.
„Jein. Aber bevor du mit ihm schimpfst ... Es war meine Schuld. Ich habe wohl vergessen, mit ihm rauszugehen. Als ich aus einer Besprechung kam, war die Pfütze schon da."
Ich sah zu Bailey, der mit diesem süßen Hundeblick auf dem Boden lag und sich beide Pfoten über seinen Kopf hielt. Immerhin schien es ihm leid zu tun.
„Oh Gott, das tut mir furchtbar leid. Eigentlich ist er stubenrein."
„Schon gut. Ich war zu lange weg. Ihn trifft keine Schuld, Millie", erklärte er lächelnd und schob mit seinem Fuß einen Ball in Richtung Bailey.
„Okay, dann wollen wir mal wieder. Bevor wir noch mehr Unordnung hier reinbringen, ne?!"
Und damit meinte ich nicht nur die Pfütze, sondern auch die Krümel, die auf dem hübschen Boden verteilt lagen und für die alleine ich verantwortlich war.
Doch gerade als ich mich zu Bailey drehte, erhob sich der Mann von der Couch.
„Wir wollten gerade etwas essen gehen."
„Oh, dann guten Appetit", sagte ich freundlich und legte Bailey die Leine um.
„Wir könnten doch zusammen etwas essen gehen, oder Millie?"
Verdutzt sah ich den Mann von der Couch an. Wenn er meinen Namen kannte und mich duzte, dann hieß es, dass er Marlow privat kennen musste. Er hatte mit ihm über mich geredet, so viel stand fest.
Und das gefiel mir irgendwie ...
„Ich weiß nicht."
Sah Marlow etwa enttäuscht aus?
Als hätte es eine höhere Macht auf mich abgesehen, knurrte in dem Moment mein Magen.
Verdammt. Mein blöder verräterischer Körper hatte etwas gegen mich!
„Ich glaube, jetzt hast du fast keine Ausrede mehr. Zumindest keine, die wir gelten lassen würden", mischte Marlow sich mit diesem charmanten Grinsen ein, welches ich so gerne an ihm sah.
„Scheint wohl so."
Ich hatte offensichtlich keine Wahl.
Warum ich mich so dagegen gesträubt hatte? Hallo? Vorhin war er noch Marlow. Ein ganz normaler Mann, der in einer Bank arbeitete und den Hund sittete.
Jetzt war er Marlow Davis - Vorstandsvorsitzender einer Bank.
Noch Fragen?
„Gut, dann los. Hot-Dog, Pizza, Burger. Mir völlig egal. Hauptsache Essen, denn so wie dein Magen knurrt, fühle ich mich", lachte Wyatt und sammelte mit seinem Witz direkt ein paar Sympathiepunkte.
Wir zogen los, holten uns bei einem Schnellimbiss in unmittelbarer Nähe etwas leckeres zu Essen und liefen mit Bailey in Richtung des Central Parks, als Wyatt plötzlich aufschrak.
„Oh fuck, meine Pause ist längst vorbei und ich habe einen wichtigen Termin."
Marlow warf ihm misstrauische Blicke zu, die ich absolut nachvollziehen konnte.
Es war dieser typische Blick, der sagte:
Tu nicht so. Ich weiß ganz genau, dass du nicht wirklich los musst.
Wyatt verstand ihn scheinbar und rechtfertigte sich auf der Stelle.
„Ich muss wirklich los. Ob du es glaubst oder nicht. War schön dich kennengelernt zu haben, Millie. Man sieht sich bestimmt. Vielleicht passt Marlow ja noch öfter auf den Kleinen auf, das tut ihm sicher gut."
Was meinte er denn damit, dass es Marlow sicher gut tun würde? Hatte er viel Arbeit und musste sich ablenken? Oder war er ein Stubenhocker und kam mit Bailey öfter raus?
Wobei ich mir Letzteres nicht vorstellen konnte, so oft wie ich ihn in letzter Zeit auf offener Straße getroffen hatte.
Wyatt zwinkerte uns noch zu, bevor er uns dann alleine ließ.
Na wunderbar. Jetzt waren wir alleine. Ich ... mit einem Vorstandsvorsitzenden einer Bank.
„Tja, das war also mein Bruder und er hat wieder einen fabelhaften Abgang hingelegt."
Sein Bruder also.
„Einen sehr netten Bruder hast du. Nochmal danke für deine Hilfe. Ohne dich hätte sich Bailey sicherlich gelangweilt."
Ich warf ihm ein schüchternes Lächeln zu, bevor wir ein Stück weiter durch die Kälte gingen. Leise rieselten die Flocken um uns herum und der Schnee unter unseren Füßen knirschte.
„Es hat auch Spaß gemacht. Möchtest du vielleicht noch eine gemeinsame Runde mit ihm gehen? Hier ... im Park?"
Wer könnte da nein sagen?
Wir gingen ein Stück und Bailey blühte mal wieder richtig auf. Er tobte, tollte über die schneeweiße Wiese, spielte mit den Flocken und rannte, was das Zeug hielt.
„Dir gehört also die Bank? Das erklärt, wieso du einfach einen Hund mitbringen kannst."
Ich musste es einfach ansprechen. Es war wie ein schwerer Brocken, der mir auf der Seele lag. Für mich war es eine große Nummer. Er war es. Zu groß für jemanden wie mich.
„Stimmt. Bei dir hätte das nicht so gut funktioniert."
„Muffins mit Hundehaaren. Klingt doch köstlich, oder?"
Ein wunderbares Thema, welches ich da angeschnitten hatte. Große Klasse ... Doch er lachte und irgendwie musste ich dann auch mit ihm lachen. Sein Lachen war ansteckend und ich konnte mir nicht erklären wieso, aber in seiner Nähe fühlte ich mich einfach immer pudelwohl.
„Also, was deine Nachricht angeht ..."
Oh oh - ich ahnte Fieses. Ob ich das hören wollte? Er musste mir nichts erklären. Ich war Cafémitarbeiterin und bald wieder Studentin und ihm gehörte eine Bank.
Das waren unterschiedliche Ligen, das wusste ich. Mir graute es nur davor, es von ihm zu hören, daher wollte ich dieses Thema schnellstmöglich beenden.
„Schon gut, du musst nicht ... Also, es ist okay, Marlow. Wirklich."
„Ich habe sie nicht lesen können und dann habe ich, wie du ja weißt, mein Handy verloren. Aber momentan liegt es zum Trocknen auf der Heizung. In der Hoffnung, dass es dann wieder funktioniert."
Moment! Es war tatsächlich so, wie ich gehofft hatte? Er kannte meine Nachricht gar nicht?
Das änderte alles, sodass ich augenblicklich lächeln musste und versuchte, es irgendwie zu unterdrücken. Er sollte ja keinesfalls sehen, wie sehr es mich freute, dass er mir keinen Korb gegeben hatte.
„Ich habe geschrieben, dass wir gerne einen Kaffee zusammen trinken gehen können, aber das haben wir ja jetzt schon gemacht", grinste ich mir einen zurecht und ohrfeigte mich heute innerlich zum zweiten Mal.
Wie blöd war ich denn? Wo war mein Selbstwertgefühl, wenn ich es mal brauchte?
Hazel würde mich womöglich durch den Schnee schleudern und mich fragen, warum ich ihm wieder die Chance gab, nein zu einem Treffen zu sagen. Zurecht.
„Also um ehrlich zu sein, hatte ich keinen Kaffee. Du etwa?"
„Nein", lachte ich, weil ich seinem Grinsen einfach nicht widerstehen konnte. Er hatte recht. Wir hatten etwas zusammen gegessen und keinen Kaffee getrunken.
Hieß im Umkehrschluss, das Date stand noch aus.
„Also gibt es ein weiteres Treffen, wo ich dich auf einen Kaffee einlade. Wenn du noch möchtest."
„Gerne."
Meine innerlichen Freudenschreie wollten heraus, doch sie mussten sich noch ein wenig zurückhalten.
„Und wenn du nochmal jemanden für Bailey brauchst, melde dich einfach. Meine Nummer hast du ja, sofern mein Handy nachher wieder funktioniert."
Wow, er wollte nochmal auf Bailey aufpassen?
„Echt? Also du würdest nochmal aufpassen? Auch wenn er gepinkelt hat und ständig bespaßt werden muss?"
„Ja klar, bring ihn ruhig vorbei. Wenn ich Termine habe, spielt meine Assistentin auch gerne mit ihn."
Gerade in dem Moment kam Bailey angerannt und da wir gleich über die Straße mussten, legte ich ihm seine Leine wieder an.
„Also dann, vielleicht bis morgen, Marlow."
Die Freude auf den morgigen Tag wuchs stetig in mir und ihm ging es scheinbar nicht anders. Er lächelte und seine Augen strahlten, während er sich dabei den Hinterkopf kratzte.
„Bis morgen."
Doch in dem Augenblick, als ich mich bewegen wollte, spürte ich, wie ich automatisch an Marlow gepresst wurde und ihm immer näher kam. Sein betörender Duft stieg mir in die Nase und berauschte augenblicklich alle meine Sinne. Er roch göttlich.
Verdammt. Wie konnte ein Mann, der den ganzen Tag einen sabbernden Hund bei sich hatte, so unfassbar gut duften?
Ich zwang mich, von diesem Aroma abzusehen, schaute nach unten und bemerkte, dass Bailey uns in seine Leine eingewickelt hatte. Gerade in dem Moment wollte er einem anderen Hund hinterherrennen und sorgte dafür, dass ich ins Straucheln geriet.
Marlow reagierte sofort. Er hielt mich an meiner Hand und an meiner Hüfte fest. Entschuldigend und peinlich berührt, dass der Hund, für den ich momentan verantwortlich war, so etwas machte, sah ich ihm in seine wunderschönen stahlblauen Augen, die ich das erste Mal so richtig wahrnahm. Sie waren wunderschön. Hellblau, fast türkis, wie glasklares Meer.
„Tut mir leid." Meine Stimme zitterte und mehr Worte brachte ich in seiner Nähe gerade einfach nicht über die Lippen. Ganz vorsichtig legte er seine Hand an meine Wange und strich eine Strähne hinter mein Ohr. Mein Körper explodierte fast vor Verlangen. So sehr genoss ich diese unschuldige Berührung.
Überall auf meiner Haut bildete sich Gänsehaut, mein Bauch kribbelte wie verrückt und mein Herz sprang mir fast aus meiner Brust.
Einen Moment lang verloren wir uns in diesem Augenblick.
Es war einfach perfekt.
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