𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 9
𝕸ein Bruder konnte nicht einschlafen, also erzählte ich ihm, auf seinen Wunsch hin, noch ein paar Kindheitserinnerungen.
Es dauerte nicht lange, da war sein Atem wieder ruhig und gleichmäßig und seine Gesichtszüge entspannten sich.
Liebevoll betrachtete ich ihn und strich ihm ein Haar aus der Stirn.
In dieser wolkigen eiskalten Nacht bekam ich kein Auge zu.
Nachdem ich nocheinmal alles gecheckt und einen Brief an Mila und Jimmy, bzw. ihre Eltern verfasst hatte, legte ich Titanic ins DVD-Laufwerk ein und ließ es über mich ergehen.
Im Normalfall hätte mich dieser Film berührt oder salzigen Tränen würden mir bei Jacks Tod über die Wangen laufen, aber heute verschwammen die Bilder vor meinen Augen und der Inhalt kam mir so weit weg vor.
Die Wärme unter der Decke kam nicht bei mir an und der wolkenbehangene schwarze Himmel spiegelte meine Gefühle.
Trostlosigkeit strömte durch meinen Körper, während ich auf den Bildschirm starrte und kein Wort verstand, das aus dem Lautsprecher zu mir drang.
Schließlich nahm ich die Fernbedienung in die Hand und schaltete den Film aus. So hatte das keinen Sinn. Unschlüssig saß ich jetzt auf dem Sofa. In wenigen Stunden würden wir schon am Flughafen sein. Doch ich hatte Zweifel, ob alles wirklich gut gehen würde.
Ich stand auf und lief in die Küche. Die Uhr zeigte 02:38. Ich seufzte und öffnete die Kühlschranktür. Er war leer, natürlich, wir hatten alles essbare eingepackt. Verzweifelt und ohne jegliche Hoffnung in dieser Nacht nochmal einzuschlafen ließ ich mich auf den Stuhl beim Esstisch fallen und stützte meinen Kopf auf meine Hände.
Die Sekunden verstrichen in Zeitlupe.
Nach einigen Minuten der Untätigkeit hob ich den Kopf und stand auf.
Langsam ging ich zum großen Bücherregal.
Es war aus Eichenholz, grob gezimmert und ragte bis zur Decke.
Ich sank in die Knie und wanderte mit meinem Blick über die Buchtitel. Einige hatten wir eingepackt, aber es war immernoch mehr als genug da.
Vorsichtig ließ ich meine Hand über die Buchrücken gleiten und zog ein kleines, quadratisches Heft heraus.
Taumelnd ließ ich mich wieder auf den weichen Stuhl sinken und starrte nur auf Cover.
Das Fotobuch zitternde in meiner wackelnden Hand.
Auf dem großen Cover war ein rechteckiges Bild zu sehen.
Im Hintergrund rauschte das türkisblaue Meer auf den Sand zu und die Gischt spritze.
Wir lagen auf dem warmen Sand, Mum rechts mit einem langen sonnengelben Sommerkleid, Oz daneben.
Er war vielleicht gerade ein Jahr alt, wenn überhaupt.
Seine Größe betrug ungefähr die einer Puppe und sein rundes Gesicht strahlte, während ihm die kleinen Engelslocken in alle Richtung standen.
Neben ihm lag ich, das braune Haar zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden, überglücklich.
Auch ich trug ein Sommerkleid mit wilden bunten Blumen, die meine gute Laune unterstrichen.
Und neben mir, da lag Dad, mit einem so liebevollen Blick in den braunen Augen, das mir nun doch noch ein wenig warm wurde.
Sein wuscheliges braunes Haar, das ich geerbt hatte, wurde ihm vom Wind in die Stirn geblasen und ich kuschelte mich an sein himmelblaues Hemd.
Eine perfekte, glückliche Familie.
Ja, das waren wir einmal gewesen...
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