𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 7

𝕱ast hätte ich das Handy fallen gelassen.
Ich schloss kurz die Augen und atmete durch. Das hier musste aufhören. Ich musste endlich damit abschließen.
Ich öffnete meine Augen wieder, das Bild war immer noch geöffnet.
Darauf zu sehen waren Mum und Oz. Es war noch nicht einmal so lange her. Damals hatten wir eine Wanderung in einem nahegelegenen Wald gemacht und ich hatte die Beiden fotografiert.
Die Sonne hatte sich durchs Blätterdach gekämpft und warf große Schatten. Mum sah genauso aus, wie sie mir in Erinnerung geblieben war. Ihre naturblonden Haare fielen in Locken über ihre Schultern und ihre klaren blauen Augen blitzten vergnügt. Sie sah so unfassbar glücklich aus.
Sie trug den kleinen Oz auf den Schultern der gerade ein Lied aus dem Kinderchor vorgesungen hatte. Hätte sie damals nur geahnt, was noch auf sie zukommen würde...
Wieder überkam mich eine Welle von tiefer Trauer.
Ich hätte es verhindern können. Doch das hatte ich nicht. Das alles hier war allein meine Schuld. Diese Erkenntnis war schrecklich.
Ich hatte nicht gemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen, ich bemerkte es erst, als Oz mir stumm ein Taschentuch reichte. Schnell wischte ich mir die Tränen weg. Das war ja lächerlich, dass ich wegen einem Bild anfing zu heulen.
Ich schaltete mein Smartphone aus und schob es zurück in meine Hosentasche. Anscheinend brauchte ich noch ein bisschen Zeit.
Ich warf einen Blick auf die Uhr und zögerte. Es war 19:34, wenn wir wirklich morgen noch vor Anbruch des Tages ungesehen die Stadt verlassen wollten, hatten wir noch circa 10 Stunden.
Ich musterte das flauschige Sofa unter meiner Haut und den glattes Holztisch daneben. In 10 Stunden würde ich dieses Haus mit meinem Bruder für immer verlassen und konnte nicht - wie Oz hoffte - in zwei Jahren, wenn ich volljährig war, zurückkommen.
Immer wieder stellte ich mir die Frage, wie mein Bruder es akzeptieren konnte, sein ganzes Leben aufzugeben, nur um nicht ins Waisenhaus zu kommen. Aus seiner Sicht, sollte das wirklich fraglich sein, denn ein Waisenhaus bot alles was ein Junge in seinem Alter benötigte.
Freunde in seinem Alter, ein gemütliches Bett, eine mütterliche Pflege, ein eigenes Zimmer, Schule, ein normales Leben.
Und doch hatte er widerstandslos eingesehen, das wir gehen mussten.
Denn ich konnte unter keiner Bedingung in irgendein Kinderheim eingesperrt werden.
Die Last, die meine Aufgabe mit sich trug, war schwer.
Es würde an mir liegen, wenn die nächsten Generationen nicht mehr so sicher leben konnten wie jetzt. Zumindest zum Teil an mir.
Dann hätte ich nicht nur ein Menschenleben auf dem Gewissen.
Mit einem neugierigen Blick in den Augen drehte ich mich zu Oz.
Mehrmals hatte ich überlegt ihn hier zu lassen, doch das hätte keiner von uns überlebt.
Wir brauchten einander und das wusste ich. Unter keinen Umständen würde ich ihn enttäuschen.
Der Junge musterte mich mit seinem weitem, wachsamen Blick und ich lächelte. In diesem Moment war ich einfach nur glücklich, dass ich ihn hatte, denn ich wusste nicht, wo ich jetzt wäre, wenn ich ihn nicht hätte.

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