𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 4
𝕯ie Stunden vergingen wie im Flug, wenn man wusste, dass sie gezählt waren.
Die Sonne stand schon wieder schräg am Himmel, sodass sie meinen ganzen Schreibtisch leuchten ließ.
Die weißen Papiere blendeten im hellen Licht jetzt beinahe.
Ich wusste, dass es besser wäre eine Pause zu machen, seit heute Mittag arbeitete ich. Doch dafür war keine Zeit. Stirnrunzelnd betrachtete ich die PDF-Datei auf dem Computer und zwang mich dazu, mich noch einmal zu konzentrieren.
Das hier musste perfekt werden.
Immer wieder verglich ich die hergestellte Datei auf dem Computer mit den original Ausweisen.
So weit sah alles gut aus. Doch würde man den Ausweis genauer untersuchen, würde man auf jeden Fall merken, dass er gefälscht war.
Mit etwas Glück konnte ich zwar für achtzehn durchgehen, doch ich musste mir hundert prozentig sicher sein, dass es klappen würde.
Plötzlich hatte ich eine ganz andere Idee. Ich sprang auf und rannte die Treppe runter ins Wohnzimmer. Dort angekommen, öffnete ich die mittlere Schublade der braunen Holzkommode. Ich wühlte darin (wobei ich auch ein paar andere Sachen fand, die ich schon lange gesucht hatte...) und holte kurze Zeit später einen in Leder eingewickelten Ausweis hervor. Ich öffnete ihn und da stand er. Der Name. Der Name den ich probierte zu vergessen, es mir aber einfach nicht gelang. Alicia Hartley.
Der Name, der mir mein Herz gebrochen hatte.
Meine Mutter. Vorsichtig wischte ich mit meinem T-Shirt den Staub ab und musterte das alte Bild. Das war natürlich nicht Mums aktueller Ausweis gewesen, darauf wäre sie doch etwas zu alt. Dieses Stück staubte schon mit ein paar anderen Dingen seit Jahrzehnten ein.
Meine Mutter war gerade so achtzehn und ich musste zugeben, dass meine Großeltern gar nicht so falsch lagen.
Sie meinten immer, wir sähen uns total ähnlich, was ich direkt abstritt.
Es war nicht gerade verlockend, mit seiner Mutter verglichen zu werden.
Damals hatte ich mir noch Gedanken darüber gemacht, was gleichaltrige wie Klassenkameraden von mir dachten.
Ich musste beinahe schmunzeln, als ich daran dachte.
Doch diese Zeiten kamen mir vor, wie in einem anderen Leben. Alles war anders gewesen. Alles war so einfach gewesen. Ich wünschte mir sehnlichst dieses Leben zurück. Doch ich musste aufwachen.
Mum war tot. Es würde niemals wieder so sein, wie es einmal gewesen war. Das war das erste Mal, dass ich diesen Gedanken einfach so zu Ende gedacht hatte. Doch ich musste. Ich musste nach vorne blicken und die Vergangenheit ruhen lassen.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und holte mich zurück in die Gegenwart.
Schnell lief ich wieder nach oben, den Ausweis fest umklammert.
Würde ich damit durchkommen?
Auf dem Ausweis stand doch sicher auch das Datum und die ganzen Wasserzeichen... Das alles war so riskant. Wenn man ihn auch nur etwas genauer unter die Lupe nehmen würde, wäre alles vorbei.
Aber was gäbe es für eine andere Möglichkeit, als es zu versuchen?
Mir fiel zumindest keine ein.
Aber der Ausweis war auch nur ein kleiner Teil, von Dingen, die wir berücksichtigen mussten. Es gab noch so viel zu planen. So viel in so kurzer Zeit. Wir durften keine Zeit mehr verlieren.
Ich übte noch einmal Mums Unterschrift zu fälschen und ich konnte mir ein stolzes Lächeln einfach nicht verkneifen, als ich sie mit der echten verglich. Es war perfekt.
Ich unterzeichnete noch ein paar Papiere, bis mein Schreibtisch rosa strahlte. Ich hob den Blick. Der Himmel funkelte wunderschön in allen Farben.
Oz kam ins Zimmer gerannt: "Hey, Sky!
Hast du schon den Himmel...?" Er brach ab, als er meinen verträumten Blick nach draußen bemerkte. "...gesehen?", beendete ich seinen Satz, „ja“, ich lächelte, wandte mich ab und musterte gerührt die großen blauen Augen, in denen sich der Sonnenuntergang spiegelte und noch schöner aussah.
"Und was hast du alles geschafft in den letzten 4 Stunden?", fragte ich neugierig. Ich erwartete nicht viel, er hätte gar nichts machen müssen, aber sowas ließ er sich natürlich nicht gefallen und so hatte ich ihm ein paar leichtere Ideen vorgeschlagen.
Der siebenjährige Junge begann zu strahlen und aufzuzählen: "die Essensvorräte sortiert, den Speiseplan geschrieben, das Geld was wir bar hier haben gezählt, die Post gelesen, ein paar wichtige Sachen für die Reise eingekauft, begonnen zu überlegen, von was ich mich für …", er zögerte, "…Die nächsten Jahre trennen kann und begonnen zu packen."
Ich starrte ihn perplex an. "Was?"
Das war unmöglich, da kam ich mir beinahe schlecht vor, obwohl ich viel geschafft hatte.
In der Zeit hätte ich niemals mehr geschafft, als das.
Das war unrealistisch.
Er war sieben!
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