8. Kapitel - Leo

Rina starrte mich ungläubig an, als ich mich zu ihr auf den Weg machte. Aber wie unhöflich wäre es gewesen, wenn ich so getan hätte, als hätte ich sie nicht gesehen? Es war mal wieder einer dieser unglaublichen Zufälle, dass ich sie ausgerechnet in diesem Café traf, wo ich doch seit Tagen an sie denken musste. Also war es wohl an der Zeit meinen Mut zusammenzunehmen und endlich einen guten Eindruck zu hinterlassen. Falls das überhaupt noch möglich war. Doch ich musste es zumindest versuchen.

Rina schaute mich immer noch überrascht an, doch der Unglaube darüber, dass ich zufällig auch diesen Ort aufgesucht hatte, schien einer gewissen Neugierde gewichen zu sein. „Hi, du auch hier?", begann ich das Gespräch. Sehr einfallsreich, ich weiß. Aber hey, ihre Aufmerksamkeit hatte ich. „Vielleicht sollten wir noch einmal von vorne anfangen", schlug ich vor und hoffte, dass sie dieses Mal darauf eingehen würde. „Was meinst du?", lächelte ich, setzte meinen herzerweichenden Hundeblick auf und legte den Kopf schief. Meine Geste schien ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Auch wenn Rina laut einatmete und sichtlich mit sich ringen musste, hielt sie mir zur Versöhnung die Hand hin. „Ich bin Flo!", sagte sie schließlich und zwang sich zu einem Lächeln.

„Schön dich kennenzulernen, Rina", erwiderte ich die Begrüßung und erntete ein Augenrollen. Ich ergriff ihre Hand und drückte sie vorsichtig. „Ich bin Hard." „Ich auch", hauchte der Mann von hinter der Theke plötzlich und erst jetzt bemerkte ich, dass mich die beiden Besitzer des Cafés anstarrten.

„Ähm...", stotterte ich verwirrt und ließ meinen Blick zwischen Rina und dem Barkeeper hin und her wandern. Der zwinkerte mir unverhohlen zu und fing sich einen Klaps auf den Hinterkopf von dem anderen Mann ein, der vermutlich sein Partner war. Rina kicherte amüsiert. Was auch immer es war, dass ihr dieses süße Lachen entlockt hatte, ich war froh, sie endlich einmal fröhlich zu sehen. Auch meine Mundwinkel gingen sofort nach oben.

„Es tut mir leid, dass unsere ersten Begegnungen so... missverständlich verlaufen sind", versuchte ich zu erklären. „Ich denke, mein Humor ist eben nicht für jeden. Oh, das reimt sich, das muss ich kurz aufschreiben", fiel mir auf und ich zog einen kleinen Notizblock mit einem Kugelschreiber aus meiner Jackentasche.

„Hast du immer was zum Schreiben dabei?" Aus Rinas Worten meinte ich so etwas wie Sympathie herauszuhören. Glücklich ging ich auf die willkommene Frage ein. „Tatsächlich habe ich immer einen Stift und Block dabei, falls ich mal eine Aussage aufnehmen muss."

„Aww", hörte ich die Bedienung von der Seite raunen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie uns ebenfalls zuhörte. Die Besitzer hatten sich nach dem anfänglichen Interesse zumindest augenscheinlich etwas zurückgezogen. Doch auch hier vermutete ich gespitzte Ohren. „Bist du Polizist?" Rina stellte die Frage so, dass ich leider nicht heraushören konnte, ob sie über diesen Zustand glücklich oder enttäuscht war. Ihre Augen verrieten mir nicht, was sie dachte, doch vielleicht war das ein Grund, warum ich sie so interessant fand.

„Na komm", grinste ich sie an, um sie aus der Reserve zu locken. „Du hast doch bestimmt einen Spruch dazu auf Lager." Wie erwartet zupfte ein freches Grinsen an Rinas Mundwinkel. „Es gibt 5 Millionen Terroristen auf der Welt und ich muss an einen geraten, der kleinere Füße hat als meine Schwester!"*
Mein Gesicht hellte sich auf. Ihre Gehirnwindungen schienen doch ganz ähnlich zu funktionieren wie meine. „Du magst den Film?"

Rina rollte theatralisch mit den Augen, lächelte mich dabei aber an. „Das ist mein absoluter Lieblingsweihnachtsfilm. Den schaue ich mir jedes Jahr an. Ist so eine Art Tradition." Als sie erzählte, merkte ich, wie sie sich sichtlich entspannte. Filme schienen ihr Spaß zu machen, also blieb ich beim Thema. „Welchen Film hast du zuletzt gesehen?" Entspannt die Antwort abwartend, nippte ich an meiner Schorle. Doch Rina musste nicht lange überlegen.

„Den Beatles Film. ‚A Hard Days Night'", grinste sie vergnügt. „Außerdem schaue ich gerne Serien, wie ‚Hard aber Fair', oder den Werner Film ‚Bein Hard'." Sie zählte diese Filme so trocken auf, dass ich laut losprustete und meine Spucke dabei über ihrer Bluse verteilte. Kurz bekam ich Panik, dass sie mich gleich anschreien oder schlagen würde, doch sie schaute mich nur kurz schockiert an und lachte dann laut los. Ihre blonden Locken fielen ihr dabei ins Gesicht und ihre blauen Augen funkelten schelmisch. Voller Erleichterung lachte ich ebenfalls und der Barkeeper brachte uns ein paar Servietten.

„Hast du Hunger?", fragte Rina plötzlich und deutete auf ihre Armbanduhr. Tatsächlich knurrte mein Magen schon etwas. „Wenn du mich damit nicht loswerden möchtest und wir zusammen etwas essen, dann gerne", grinste ich und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als sie nickte und die gebrauchten Servietten auf dem Tresen ablegte. „Ich kenne ein nettes Lokal mit weniger Zuhörern", sagte sie deutlich und ich sah die Besitzer und die Bedienung wissend grinsen.

„Wo gehen wir hin?", fragte ich, als wir unsere Jacken überzogen. Doch Rina gab sich geheimnisvoll. „Das wirst du noch früh genug erfahren, John", zwinkerte sie. „Für dich immer noch Mr McClane", tadelte ich sie, bevor ich ihr gut gelaunt nach draußen folgte.

* Berühmtes Zitat aus „Die Hard" (Stirb langsam 1) Bruce Willis spielt dort den Polizisten John McClane

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