2. Kapitel - Leo

Ich stand mitten in meinem Büro, starrte hinaus auf den Parkplatz und sinnierte darüber nach, was sich vor zwei Tagen ereignet hatte. 

In diesem Moment schlug hinter mir die Tür auf und eine wohlbekannte Blondine mit erzürntem Gesicht rauschte an meinem Kollegen vorbei, der sich fast bekleckert hätte und nun glotzte wie ein Frosch, dem man auf den Schwanz getreten war, während ich das Gefühl nicht losbekam, dass es die vernünftigste Idee war, einfach aus dem Fenster des fünften Stockwerks zu springen, um dieser geballten Wucht eines menschlichen Vulkans zu entgehen, der kurz vor der Eruption stand. Natürlich direkt durch die Fensterscheibe, wie es sich gehörte. 

Leider hatte dieses röchelnde Teufelsweib in viel zu enger Bluse meine Lieblingsflasche in der Hand. Daher unterdrückte ich den Drang einfach einen auf Actionidiot zu machen - was mir natürlich total stehen würde - und blieb wie angewurzelt stehen.

Im nächsten Moment schlug sie meinen armen Liebling auf den Tisch. 

»Was soll das?«, herrschte sie mich an. Für einen Moment schienen meine Trommelfelle so stark zu vibrieren, dass ich meinte, ein Gewitter donnerte durch mein Hirn. Dann war es ruhig und ich sah ungerührt auf meine Flasche. Und mein Blick wanderte in den übertrieben weiten Ausschnitt, in den ich regelrecht reinzufallen drohte. 

»Was?«, fragte ich keck, grinste aber nicht. Wer weiß. Vielleicht speit sie sonst noch Feuer.

»Was?«, entgegnete sie mir, minder wütend als zuvor. Meinen Blick hatte sie entweder ignoriert oder nicht mitbekommen. Oder lag das an der Tasse in meiner Hand, die schützend vor meinem Mund gewesen war? Das Ding hatte ich wegen den Dingern ganz vergessen. 

»Das Ding stand bei uns unten und jeder hat es gesehen!« 

Wow! Kann die Gedanken lesen. Stopp! Sofort hielt sie mir meine Flasche entgegen. 

»Und ich weiß ganz genau, dass dieses Teil dir gehört! Wer sonst würde da riesengroß SEX schreiben?« 

Da haben wir's, meinte ich zu mir. 

»Hey«, fing ich an, dieses Mal grinste ich keck und zog meine Augenbraue hoch, »das steht für Saft Extrem.« 

»Willst du mich verarschen? Das steht SEX!« 

Nun schob sich Benjamin auch noch so weit zu uns rüber, um einen Blick zu erhaschen, dass ich nur noch mehr Grinsen musste bei diesem Anblick, wie er sich so weit schräg rüber lehnte, dass er kurz vor einem Direktflug zum Boden unterwegs war. Und bevor Jennifer noch etwas sagen konnte, meinte er nur locker: 

»Da steht echt Sex drauf.« 

»Sag ich doch!!!«, wurde es vor mir wieder laut.

»Was ist das andere?«, wollte Benjamin wissen und seine Augen wurden ganz schmal. 

»Von hier kann ich das nicht erkennen. Du hast aber auch eine bescheuerte Handschrift.« 

»Saft Extrem«, erklärte ich. 

»Der ganze Schriftzug hätte nicht draufgepasst. Da dachte ich, ich schreibe nur den Anfang groß.« 

»Tolle Idee«, meinte Benjamin leicht sarkastisch und zog beide Augenbrauen hoch. Woraufhin Jennifer natürlich brummte. 

»Super Saft hättest du schreiben können«, bemerkte er schnell und tat so, als müsste er eine der Akten durchgehen und zog sich hinter seinem Schreibtisch zurück. 

»Dann hätte da aber SS gestanden. Das geht doch gar nicht«, erklärte ich beiden und versuchte dabei meine Flasche wiederzubekommen. Falsch gedacht. Das Ding wurde einfach weggerissen. 

»Das könnte dir so passen!«, warnte Jennifer. 

»Solange das da draufsteht ... so lange bleibt das bei mir.« 

Sofort darauf riss sie meine Flasche an sich, der Schriftzug dicht an ihren beiden Dingern gepresst, und eilte zur Tür. 

»Wird aber der einzige Sex sein, den du die nächste Zeit von mir bekommst«, rief ich ihr nach und zuckte zusammen, als sie die Tür zuknallte. 

»Aber Knallen kann sie gut«, lachte Benjamin auf.

Daraufhin lachte ich ebenfalls und überlegte, was meine Oma wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass eine junge Frau eines von ihren Stofftaschentüchern bei sich hatte, von denen sie meinte, dass meine zukünftige Frau einmal nur deswegen zu mir kommen würde. Sie musste einfach recht haben. Oma hatte immer recht. Sie hatte recht damit, dass ich einmal bei der Polizei sein würde. Genauso wie sie damit recht hatte, dass ich sehr früh weit aufsteigen würde. Tja. Wegen ihr war ich nun hier und war auf der Suche nach Kriminellen - in meiner ersten eigenen Einheit. Die ironischerweise nur aus drei Leuten bestand. 

Und an was dachte ich? An Flo! Mann! Wenigstens war ich so schlau meine Handynummer auf das Taschentuch zu scheiben. Wenn sie nicht ganz dumm war, dann würde sie mich bald anrufen. Sie musste. Immerhin war das Taschentuch nur geliehen. Wer würde das nicht tun?

Und genau in diesem Moment bimmelte mein Handy los. Ein Zeichen? Das Display zeigte mir eine unbekannte Nummer. 

»Hallo. Dachte schon, du rufst gar nicht mehr an Flo.« 

»Flo?«, Benjamin horchte auf. Und ich? Ich wurde heimgesucht: Die donnernde Stimme meiner Vorgesetzten ließ mein Herz wild gegen die Brust hämmern, während ich versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Jeder Satz war wie ein Peitschenhieb, der saß. Es gab kein Entkommen und Benjamin fühlte mit mir mit. Seine Tasse zitterte in seiner Hand.

Als das Gespräch endete, ich zuletzt auflegte, war es, als würde ich inmitten eines Sturms stehen. Alles war ruhig. 

Und dann bimmelte es wieder los. Ich zuckte zusammen. Wieder war eine unbekannte Nummer zu sehen, dieselbe Vorwahl und die letzten Zahlen war dieselben. Den Rest nahm ich nur verschwommen wahr. Ich ging ran. 

Während sie sprach, versuchte ich noch zu schlichten und unterbrach sie aus lauter Panik heraus: »Hey, das tut mir echt leid. Wie wäre es, wenn wir uns privat treffen.« Idiot, idiot, idiot, schallte es durch meinen Kopf. 

»Ich mache auch alles, was du sagst. Hauptsache du bist nett zu mir.« Mist! Was sagst du da nur?, sprach ich innerlich zu mir. 

»Okay«, antwortete sie ruhig am anderen Ende. Und nun begriff ich erst, dass sie es nicht war, sondern sie. Also nicht Chefin, sondern ... Flooooo!!! 

Ich glaube, in diesem Moment, war ich auf die Größe einer Ameise geschrumpft. Mein Atem setzte aus und setzte mich wie in Zeitlupe langsam auf meinen Stuhl, während sie sprach, und ich versuchte mich zu sammeln. 

Als alles überstanden war, versuchte ich mich daran zu erinnern, was sie gesagt hatte, öffnete eine App, die alle meine Anrufe aufzeichnete und hörte mir kurz darauf selbst dabei zu, wie ich Dinge sagte, an die ich mich nur langsam wieder erinnerte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top