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Mit einem leisen Surren schloss sich die Schiebetür hinter mir. Daraufhin leuchtete der Rahmen in einem sanften Rotton. Das Zeichen dafür, dass sich aktuell keiner in dem Zimmer befand.
Was jetzt nicht so schwer war. Immerhin war ich die einzige, die darin wohnte. Ich war auf dem Weg in das Büro von unserer Direktorin. Direktorin klingt jetzt ziemlich nach Schule, aber es ist einfach nur die höchste Position unseres Geheimdienstes. Helen Grest war die Person, die wir alle unterstellt sind. Zumindest wir Mädels. Bei den Jungs drüben war es wieder jemand anders. Helen war eine kleine aktive Person, deren Haare im Grunde schon ganz grau waren. Direktorin zu sein bedeutet die Meiste Zeit hinter dem Schreibtisch zu sitzen, bei Besprechungen anwesend sein und darauf schauen, dass alles nach Rechten Dingen lief. Und unserer letzter Einsatz gehörte definitiv nicht dazu.
Wir waren direkt in eine Falle gelaufen. Es gab überhaupt keine Kinder zu retten. Nur zehn Muskelprotze. Ganz ehrlich, wenn wir uns nicht aufgeteilt hätten, hätte ich keine Ahnung, ob wir sie so einfach ausgeschaltet hätten. Die Muskelprotze wussten anscheinend nicht, dass wir uns aufgeteilt hatten. Das war unser Vorteil. Während wir mit ihnen beschäftigt waren, konnten Alice, Kristin und Mary sie von hinten überwältigen. Sie benutzten die Schlafmittelpatronen. Kurz nachdem davon getroffen wird, schläft man sofort ein.
Wir verwenden nie tödliche Waffen. Unsere Patronen waren meistens entweder mit Schlafmittel oder Starrmittel gefüllt. Wenn man mit einer Starrmittelpatrone getroffen wird, kann man sich sofort nicht mehr bewegen. Der Körper reagiert nicht mehr auf die Befehle des Gehirns. Selbst die Augen bleiben an Ort und Stelle stehen. Es ist, als würde man schockgefroren werden.
Der Vorfall ereignete sich schon vor zwei Tagen, aber in der Zwischenzeit gab es noch mehr dieser Vorfälle. Man wurde zu einem Einsatz gerufen, aber schlussendlich war es nur eine Falle. Soweit ich weiß waren alle Vorfälle glimpflich ausgegangen.
Aus diesem Grund befand ich mich gerade auf den Weg zu einer Krisensitzung. Jede Gruppenkommandantin des jeweiligen Teams wurde dorthin beordert. Vielleicht hatten sie in der Zwischenzeit mehr über diese seltsamen Zufälle in Erfahrung bringen können.
Ich ging den hellen Gang entlang. Der himmelblaue Boden glänzte frisch geputzt. Die Wand war schlicht weiß. Die Farbe der eigenen Wohnungstür konnte man selbst bestimmen. Meine war zum Beispeil traditionell hellbraun, meine Nachbarin gegenüber hatte sich für ein grelles Orange entschieden. Es war immer wieder ein Schock, wenn ich aus der Tür trat.
Auf meinem Weg kam mir niemand entgegen. Die Meisten waren gerade bei der Arbeit oder im Freizeittrakt. Der Wohnungstrakt machte im Grunde nur einen kleinen Teil der ganzen Basis aus. 400 Menschen lebten hier mehr oder weniger dauerhaft. Es war gab aber auch noch 100 Notfallzimmer. Notfall bedeutete, dass entweder Menschen aus einer anderen Basis zu uns kommen müssen oder dass zum Beispiel ihr normales Haus abgebrannt war.
An dieser Stelle wäre es vielleicht gut zu erwähnen, dass wir uns mitten im Herzen des Mont Blanc befanden. Die europäische Basis des Internationalen Geheimdienstes war in den weiten des höchsten Berges Europas stationiert. Vor 172 Jahren hatten sich wohl die Gründer gedacht, dass ein Berg das ideale Versteck für eine Geheimorganisation war. Eine Geheimorganisation, die so geheim war, dass nur führende Politiker darüber Bescheid wussten. Und die Vorsitzenden einiger bedeutenden offiziellen Geheimdienste.
Tja, so konnte man sagen, dass mein Job hier mehr als geheim war.
Im Moment war ich auf dem Weg zum Controlltrakt. Dort befanden sich die Büros und die Einsatzzentrale. Eigentlich könnte ich den direkten Weg dorthin nehmen, aber ich wollte mir bei "Marios" noch eine Pizza für nachher bestellen. Im Grunde könnte ich sie mir auch über meine SmartGlasses bestellen. Mit dem Smartglasses waren wir einfach mit alles uns jeden verknüpft. Wir konnten mit jedem schreiben, die neuesten Nachrichten aufrufen oder sich Filme anschauen. Und man könnte sich eben auch Pizzas bestellen. Aber meiner Meinung war persönlich einfach persönlicher.
Mein Weg führte noch einmal um die Ecke, dann stand ich auch schon vor dem Zugang zu dem Freizeittrakt. Die getönten Glasscheiben, der Schiebetür gingen lautlos auf. Die Sicherheitskontrolle dauert gerade mal ein Blinzeln lang. In der Zeit scannte eine Kamera über der Türe mein Gesicht und die Fußplatten unter mir messten die Schrittlänge und das Gewicht. Wenn das alles zu dem Code passte, der sich in meinem Armband befand, dann gingen die Türen auf.
Den Freizeittrakt zu Betreten, gehörnte auf jeden Fall zu einer meiner Lieblingssachen. Es war einfach verdammt gemütlich und stylisch hier.
Der Trakt ist wie ein Shoppingcenter aufgebaut. Außen rum lagen Geschäfte und Restaurants. In der Mitte befanden sich Roltreppen und Lifte. Der Boden ist hellgrau verfließt. Die Wände waren weiß, aber immer wieder sind sie mit goldenen Strichen verziert, mamoriert nennt man das anscheinend. Es gab immer wieder Sitzgelegenheiten.
Das Ganze umfasste etwa vier Stockwerke. Eines für Wellness mit Schwimmbad, Frisör und Massagen. Eines mit Unterhaltung wie etwa Kino und Liveübertragungen von Sportevents und Konzerte. Der Rest befasste sich hauptsächlich mit Shopping und Essen.
Ziemlich guten Essen musste man dazu sagen. Wenn ich an die Pizza Prosciutto denke lief mir jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.
Ich beschleunigte meine Schritte und eilte zu der Rolltreppe. Beim Runterfahren bemerkte ich, dass in der Shoppingetage schon sichtlich mehr los war.
Für einen Mittwochmorgen war echt viel los. Überall lief jemand mit einer Einkaufstasche auf den Arm herum. Ich runzelte die Stirn. War irgendetwas besonders heute?
Mein Blick fiel auf eine elektrische Anzeigetafel.
Samstag, 3. Septemnber
Entstehungsfeier "172 Jahre IGD"
Große Halle (T2R3)
Beginn: 20 Uhr
Oh, jetzt fiel es mir wieder ein. Jedes Jahr feierten wir die Entstehung des Internationalen Geheimdienstes.
Es war jedes Jahr ein riesiges Ding. Die Meisten fieberten am Tag danach schon wieder der im nächsten Jahr hin.
Ich konnte die Aufregung darum nicht wirklich nachvollziehen. Partys waren nicht zu meinem Ding. Es fing zwar immer in einem Ball an, aber wenn das offizielle vorbei ist, wandelte es sich schnell in eine Party um.
Ich verstand es einfach nicht. Wieso besäuft man sich sinnlos? Als ob, dass so geil ist, dass man am nächsten Tag die Hälfte nicht mehr weiß. Ich fand es einfach sinnlos. Dann auch noch die laute Musik. Unnötiges Bum-Bum.
Okay, ich gab es gern zu: für eine 17-jährige war das echt komisch. Ich war sonst nicht so, ich liebte immer wieder Neues auszuprobieren. Ich war neugierig und selbstbewusst. Nur Partys, damit konnte ich nicht umgehen.
Vielleicht lag es an meinen Selbstvorwürfen und an meinen Schuldgefühlen.
Vielleicht lag es auch daran, dass ich hier nicht wirklich Freunde hatte. Hier in der Basis nicht und auch nicht draußen. Ich hatte natürlich Schulfreunde. Bis jetzt hatte erst eine Freundschaft eine Schule überdauert. Und diese ist mit voller Geschwindigkeit in unzählige Trümmer zerbrochen. Die anderen Freundschaften zerbrachen nach den Schulwechseln. Das sind die Schattenseiten als Athena. Man kämpft gegen das Böse, aber am Ende steht man oft alleine da. In der Basis waren die Meisten auch ganz nett, aber eine Freundschaft hatte ich bis jetzt nicht zusammengebracht. Vielleicht lag mir, dass einfach nicht im Blut. Vielleicht war dies einfach der Preis, den ich hierfür zu zahlen hatte. Draußen war ich eine normale Teenagerin und in der Basis eine Athena.
Mir schlug der himmlische Pizzageruch entgegen, als ich in das "Mario's" eintrat. Mario war eigentlich Franzose und hieß in echt Philippe. Als er hier seine Pizzeria eröffnete, war er der Meinung, dass eine Pizzeria, die "Phillippe's" hieß nicht gut ankommen würde. Deswegen gab er der Pizzeria den Namen "Mario's". Meiner Meinung nach würde die Pizzeria auch mit dem anderen Namen verdammt gut ankommen. Die Pizzen waren hier einfach die Besten. Ich ging zu dem braun getäfelten Tresen. Während ich wartete schaute ich mich in der Pizzeria. Bis auf zwei Tische war alles besetzt. Der Fußboden war dunkelbraun, ebenso wie die Tische und Stühle. An der Wand hingen italienische Landschaftsbilder. Toskana, Kolosseum im Sonnenuntergang, die Dolomiten, Maremma. Mit der leisen Hintergrundmusik fühlte man sich wie an einen anderen Ort versetzt.
"Ciao Ana, mia bella"-Ich drehte mich lächelnd zu Philippe um. "Wie geht es meiner treuesten Kundin?" Auch wenn er Pizzen verkaufte, hieß das noch lange nicht, dass er Italienisch konnte. Seine Aussprache war ein grausames Wirrwarr aus Französisch mit einem schlechtem italienischen Akzent. "Ciao Philippe. Danke der Nachfrage. Hier herinnen kann er mir nie schlecht gehen. Wie geht es dir?" Philippe hatte seine langen Haare zu einem Knoten hochgebunden. Aktuell waren seine Haare hellblond. Letzte Woche waren sie noch dunkelviolett. Philippe grinste, "ach, du weißt doch. Das Übliche. Wenn jeden Tag so hübsche Mädchen ein und ausmaschieren fühlt es sich wie im Paradies an" Ich grinste ebenfalls und hob die Augenbrauen "Lass das bloß nicht Mia hören. Sonst setzt sie dich noch vor die Tür." Mia und Philippe waren schon ewig ein Paar. Manchmal fragte ich mich echt, wie sie seine lauwarmen Anmache an andere einfach so ignorieren konnte.
Ich deutete mit meinem Zeigefinger zu seiner Frisur. "Schicke Farbe. Hast du wieder eine Wette verloren?" Entrüstet fuhr er sich durch seine Haare. "Nein, ich doch nicht. Die habe ich mir ganz aus freiem Willen gefärbt." Ich schnaubte. Philippe liebte es, zu wetten. Er wettet auf das Wetter, auf die Menge der verkauften Pizzen und sogar darauf, welche Farbe die Schuhe unserer Direktorin hatten. Ich schüttelte belustigt den Kopf. "Das kannst du jemand anderem erzählten. Also, was war es diesmal?" Er verzog ertappt das Gesicht "Ob ich zehn Klimmzüge schaffe." Mit entkam ein Lachen. Philippe war zwar ein echt netter Kerl, aber sportlich gesehen war er ein Lauch. "Das war von Anfang an klar, dass das nichts wird. Du schaffst es gerade mal zehn Pizzaschachteln zu transportieren."
"Ey, nicht frech werden. Es kann nicht jeder so sportlich sein wie du. Ich besitze eben eher persönliche Vorzüge." - "Und die da wären?" "Da musst du dich am Besten mit Mia unterhalten. Sie stöhnt im Bett immer nur so vor Begeisterung." Angewidert verzog ich das Gesicht. "Iiuu, Philippe! Das wollte ich nicht wissen."
Philippe zwinkerte mir nur fröhlich zu und meinte: "wenn du willst, zeig ich dir mal meine persönlichen Vorzüge" Okay, dass war der Punkt wo ich endgültig verstört wurde. "Philippe, bitte. Ich will nur eine Pizza bestellen. Geht, dass auch ohne Sex?" Philippe tippte sich nachdenklich ans Kinn. "Hm, mal überlegen. Ich bin mir noch unsicher. Hast du sonst nichts im Angebot?" Ich seufzte. Junge, junge, Philippe konnte manchmal echt unmöglich sein. "Ich kann dir nachher einen Cupcake von Felice mitbringen." Philippe's Augen leuchteten auf. Cupcakes waren seine absolute Schwäche. "Das klingt natürlich auch hervorragend. Aber wann, dann müssen es mindestens zwei sein."
"Okay, dann eben drei Cupcakes. Kann ich endlich meine Pizza bestellen?" Philippe grinste nun wie ein Honigkuchenpferd. "Sicherlich. Du doch immer mia bella" Gott, der Akzent war echt grottenschlecht. "Klasse, ich hätte dann wie immer eine Prosciutto. Ich hole sie mir nach der Sitzung ab. Also in etwa zwei Stunden."
Philippe's Gesicht verfinsterte sich wieder. "Sitzung? Etwa wegen diesen Vorfällen? Was ich so gehört habe, klingt echt alles seltsam. Und dann so viele in so kurzer Zeit. Weißt du schon mehr?" Ich kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. "Nein. Ich weiß auch nicht mehr. Aber das Ganze ist wirklich sehr seltsam. Wahrscheinlich war es nur ein einmaliger Hackangriff und die Sache ist schon wieder geklärt." Philippe nickte langsam und kniff die Augen zusammen. "Ja, wahrscheinlich war es nur eine einmalige Sache."
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Hey, es freut mich, dass ihr noch dabei seid🙈🤗
Ich hätte ein paar kurze Fragen an euch:
Was sagt ihr zu der Umgebung? Ist sie gut genug beschrieben?
Wie gefällt euch Philippe?
Was haltet ihr von Ana?
Habt ihr noch weitere Tipps, Wünsche, Anmerkungen, etc?
Viel Spaß beim Weiterlesen🥰
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