⭐At Night⭐

Erzähler Sicht

Jungkook saß im Schneidersitz auf seinem Bett und starrte aus dem Fenster. Er umarmte ein Kissen und hielt es fest an seinen Bauch gepresst.

Es war ganz still um ihn herum. Doch in seinem Kopf war es laut. Sehr laut. Er dachte über unendlich viele Dinge nach, die aber alle mit derselben Person zutun hatten. Seinem besten Freund.

Oder waren sie jetzt überhaupt noch Freunde? Er würde es gerne wissen, doch seit diesem Ereignis, das zwischen ihnen vorgefallen war, hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen.

Sein Blick wanderte hinunter zu dem kleinen schwarzen Gerät, welches vor ihm auf der Fensterbank lag. Er könnte diese Tatsache hier und jetzt ändern. Endlich Antworten auf all seine Fragen bekommen. Endlich wieder seine Stimme hören. Sich entschuldigen.

Doch wollte er überhaupt mit ihm sprechen? Vielleicht würde er direkt auflegen, wenn Jungkook etwas sagte. Oder schlimmer noch, gar nicht erst rangehen. Jungkook wusste nicht, ob er diese Enttäuschung verkraften könnte.

"Komm schon Jungkook, du schaffst das", murmelte er sich selbst als Ermutigung zu und griff entschlossen nach dem Handy. Seine Hand zitterte, während er das Gerät entsperrte, auf seine Kontakte tippte und nach unten scrollte.

P, Q, R, S, T. Dort stand sein Name. Dahinter war ein rotes Herz. Einige Sekunden schwebte Jungkooks Finger zögernd über dem grünen Telefonzeichen, dann drückte er drauf.

Es tutete. Einmal, zweimal, dreimal.

Jungkook war so nervös, dass er begann, auf seinen Fingernägeln herumzukauen. Sehr, sehr lange stand auf dem Bildschirm nur der Satz "Wird angerufen...", ohne dass sich etwas tat.

Doch als die Anzeige plötzlich auf "Laufendes Telefonat" sprang, richtete Jungkook sich erschrocken auf. Durch den Hörer drang nichts als ein leises Rauschen zu ihm herüber, aber er wusste trotzdem genau, dass sein gewünschter Gesprächspartner da war und darauf wartete, dass er etwas sagte.

Doch Jungkook traute sich nicht. Frustriert ballte er seine Hand zu einer Faust, schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Sein Herz pochte schneller als sonst, das konnte er jetzt spüren.

Als er gerade all seinen Mut zusammensammelte, um etwas zu sagen, kam derjenige auf der anderen Seite des Hörers ihm zuvor. "Warum rufst du mich an?", ertönte die tiefe, vertraute Stimme und Jungkook zuckte zusammen.

"Wo bist du?", brach es viel zu laut aus ihm heraus und er biss sich verärgert auf die Zunge. Eigentlich hatte er etwas anderes sagen wollen, sich die Worte schon zurechtgelegt, doch als er seine Stimme hörte, hielt er es einfach nicht mehr aus.

Er wollte zu ihm, ihn umarmen und nie wieder loslassen.

Am anderen Ende der Leitung war es für einige Zeit still, bis Jungkook diese wunderschöne Stimme wieder hören konnte. "Du weißt es", antwortete sein Gesprächspartner ihm auf seine Frage und das Rauschen aus dem Hintergrund wurde für einen kurzen Moment etwas lauter.

Er hatte recht, Jungkook wusste es. Er kannte dieses Geräusch ganz genau.

"Ich komme" war das letzte, was er sagte, bevor er auflegte, das Kissen beiseite warf, von seinem Bett sprang und die Treppen hinunter rannte. Er schlüpfte in seine Schuhe, schnappte seine Jacke vom Haken, öffnete die Tür und verließ das Haus.

Im Gehen zog er sich die Jacke über und sobald seine Füße die Straße erreichten, begann er zu rennen. In dem kleinen Ort, in dem er wohnte, fuhren so gut wie nie Autos, vor allem nicht um diese Uhrzeit. Somit war es kein Problem, mitten auf der Straße entlang zu rennen.

Jungkooks Haare, sowie seine Jacke wehten im Wind und er fühlte, wie das Adrenalin durch seinen Körper strömte. Er spürte weder Kälte noch Erschöpfung, in seinem Kopf war nur Platz für eine einzige Person.

Schon nach kurzer Zeit erreichte er einen Parkplatz, der sich am Ende der Straße befand. Er überquerte diesen, kletterte über einen Holzzaun, der ihm den Weg versperrte und lief auf einem Trampelpfad dahinter weiter.

Je länger er diesem folgte, desto sandiger wurde der Boden unter seinen Füßen. Das Rauschen, das er auch schon in seinem Telefon gehört hatte, drang an seine Ohren. Nun war es nicht mehr weit und Jungkook beschleunigte nochmal seinen Lauf.

Nach einer kleinen Anhöhe eröffnete sich vor ihm schließlich der beeindruckende Blick auf das Meer, dessen Oberfläche im Sternen- und Mondlicht glitzerte.

Er genehmigte sich eine kurze Verschnaufpause, in der er diesen Anblick genießen konnte. Seiner Meinung nach war das Meer nachts tausendmal schöner als am Tag. Im Dunkeln strahlte es etwas geheimnisvolles, auch leicht bedrohliches aus.

Langsam ging Jungkook die Dünen bis zum Strand hinunter und joggte dann in der Nähe des Wassers weiter. Nun konnte er von weitem schon eine Silhouette erkennen, die im Sand saß und den Blick auf das Meer gerichtet hatte. Das war er!

Jungkook lief schneller. Die Person drehte ihren Kopf in seine Richtung und als sie ihn erkannte, stand sie auf und lief ihm entgegen.

Jungkook kam bei der Person an und fiel ihr ohne zu überlegen in die Arme. "Taehyung", flüsterte er mit erstickter Stimme. Tränen fanden ihren Weg über seine Wangen und er vergrub das Gesicht in der Schulter seines Gegenübers.

"Jungkook", erwiderte die Person genauso leise und an ihrer Stimme konnte man hören, dass sie ebenfalls weinte.

"Es tut mir so leid", fuhr Jungkook fort und ließ seinen Tränen nun freien Lauf. "Ich weiß, mir auch", erwiderte Taehyung und strich dem Schwarzhaarigen beruhigend über den Rücken.

"Können wir das bitte nie wieder machen?", schluchzte Jungkook verzweifelt und krallte sich regelrecht an seinem Freund fest. Er würde es nicht nochmal aushalten, so lange nichts von Taehyung zu hören.

"Versprochen. Nie wieder", sagte der Braunhaarige, löste die Umarmung und lächelte Jungkook an. Sanft begann er, ihm die Tränen wegzuwischen. Auch Jungkook lächelte nun und wischte sich einmal mit dem Jackenärmel über die laufende Nase.

Taehyung nahm seine Hand und führte Jungkook hinüber zu einer kleinen, windgeschützten Höhle unterhalb einer Düne.

Die beiden hatten sie vor langer Zeit mal entdeckt und seitdem war sie ihr Treffpunkt, Versteck und zweites Zuhause. Wenn einer von ihnen sich schlecht fühlte oder in Ruhe nachdenken wollte, kam er hierher.

Taehyung setzte sich auf den staubigen Boden in der Höhle und Jungkook nahm neben ihm Platz. Als der Schwarzhaarige sich umschaute, fielen ihm plötzlich ein Schlafsack, ein Rucksack und eine Lampe auf, die weiter hinten in der Höhle lagen.

"Wolltest du etwa hier schlafen?", wandte er sich überrascht an Taehyung und der Ältere nickte mit gesenktem Kopf. "Sie haben schon wieder gestritten. Es war so laut, ich wollte einfach weg".

Jungkook wusste, dass Taehyung über seine Eltern sprach. Seit Wochen ging das nun schon so und Taehyung hatte deswegen auch schon häufiger bei Jungkook übernachtet. Doch wegen ihrem Streit hatte es diese Option diesmal nicht gegeben. Hatte zumindest.

"Du schläfst nicht hier, das ist viel zu kalt. Du kommst mit zu mir", beschloss Jungkook und sein Ton duldete keinen Wiederspruch.

"Na gut, aber vorher müssen wir noch über etwas reden", erwiderte Taehyung, hob seinen Kopf und sah Jungkook nun direkt in die Augen.

Er würde es niemals zugeben, doch dieser intensive Blick aus Taehyungs dunklen Augen machte Jungkook unheimlich nervös. Sein Puls beschleunigte sich und in seinem Bauch begann es wie verrückt zu kribbeln. "U-und über was?", fragte er unsicher.

"Den Kuss", antwortete Taehyung.

Jungkook presste die Lippen aufeinander und löste verlegen ihren Blickkontakt. Es war klar gewesen, dass er da nicht drumherum kommen würde.

"Es tut mir leid", meinte er kleinlaut, doch Taehyung unterbrach ihn. "Wieso hast du es getan?"

Jungkook stieß ein kurzes ironisches Lachen aus. "War das nicht offensichtlich? Ich habe es ja schließlich wie ein Volltrottel im kompletten Club herumgeschrien", seufzte er.

Plötzlich spürte er eine Hand an seinem Kinn, die seinen Kopf anhob. Fragend schaute er Taehyung an und ehe er sich versah, hatte der Braunhaarige ihn auf die Lippen geküsst.

Ganz kurz nur, wie der sanfte Flügelschlag eines Schmetterlings. Doch trotzdem löste es in Jungkook ein wahres Feuerwerk aus. "Was war das denn?", fragte er überwältigt.

Taehyung lächelte. "Das war ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass ich genauso fühle. Weißt du, als du an diesem Abend das Mädchen von mir weggezogen und mich aus heiterem Himmel geküsst hast, da war für mich der schönste Moment in meinem ganzen Leben.

Und als du dann auch noch jedem, der vorbeikam ins Gesicht gebrüllt hast, dass ich dir gehöre, haben meine Gefühle völlig verrückt gespielt. Du warst so besitzergreifend...".

Taehyung machte eine kurze Pause und Jungkook schluckte hörbar. Träumte er oder passierte das gerade wirklich?

"Allerdings hatte ich Angst davor, dass du das alles vielleicht nur getan haben könntest, weil du so betrunken warst. Deshalb habe ich mich so lange nicht gemeldet. Ich wollte nicht enttäuscht werden".

"Und ich dachte, du wärst sauer auf mich!", rief Jungkook und spürte, wie ihm ein riesiger Stein vom Herzen fiel. Er fühlte sich auf einmal so frei und leicht, als wären ihm Flügel gewachsen.

Ein breites Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und er rückte näher zu Taehyung. "Kannst du mich nochmal küssen?", fragte er und der Ältere grinste.

"So oft du willst", antwortete der Braunhaarige und gab ihm einen sanften Stups auf die Nase. Dann legte er seine Hand in seinen Nacken und verband ihre Lippen miteinander.

Vorsichtig fing Jungkook an, seine Lippen gegen Taehyungs zu bewegen und dieser erwiderte es sofort. Nach kurzer Zeit kamen auch ihre Zungen ins Spiel und Jungkook seufzte leise.

Auch er legte seine Hand nun in Taehyungs Nacken und zog ihn noch näher zu sich. Er konnte die Gefühle, die er in diesem Moment empfand, gar nicht beschreiben, weil es kein Wort gab, das deren Stärke, Schönheit und Intensität passend ausdrückte.

Es war mehr als ein Feuerwerk. Es war eine Explosion.

Es waren mehr als Schmetterlinge. Es waren Adler.

Irgendwann mussten sie sich wegen Luftmangel lösen und legten schweratmend ihre Stirnen aneinander. "Wow", flüsterte Taehyung und Jungkook stimmte ihm im Stillen zu. Er war noch viel zu benommen, um irgendetwas zu sagen.

Lange Zeit saßen sie schweigend da und verloren sich einfach nur in den Augen des jeweils anderen, bis Jungkook plötzlich auffiel, dass Taehyung zitterte.

Dessen Jacke war sogar noch dünner als seine eigene und obwohl der kalte Wind sie in der Höhle nicht erreichte, waren die Temperaturen trotzdem nicht gerade angenehm.

"Dir ist kalt. Komm, wir gehen nach Hause", lächelte der Schwarzhaarige, erhob sich und hielt Taehyung seine Hand hin. Dieser zog sich bereitwillig daran hoch, klopfte sich den Staub von der Hose und ging dann in den hinteren Teil der Höhle, um seine Sachen einzusammeln.

Jungkook half ihm dabei und sie machten sich Hand in Hand auf den Weg zu Jungkooks Haus.

Als sie nebeneinander den Strand entlang liefen, fing der Himmel schon wieder an, sich rosa zu färben.

Und Jungkook dachte mit einem Lächeln daran, dass dies der erste Sonnenaufgang sein würde, den sie als Paar erlebten.

⭐End⭐

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