Kapitel 21

Über Nacht hatte es geschneit, und zwar so viel Schnee, dass die Kinder bereits nach zwei Stunden auf der Weide der Alpakas einen  riesigen Schneemann gebaut hatten, der größer war als Mina selbst. Gut, die Ein-Meter-Siebzig-Marke zu knacken war nicht das Problem, aber sowohl Mina als auch ihre Kollegen waren erstaunt über den Einfallsreichtum der Kinder. Podeste aus Schnee hatten sie sich gebaut, um den Schneemann nach oben weiter bauen zu können, und erstaunlicherweise hatte das ziemlich gut funktioniert.
Normalerweise liebte die junge Frau dieses Wetter, baute selbst mit und war froh, wenn sie draußen sein konnte, doch mit ihrem Gips ging das nicht. Ihre Hand und ihr Arm waren nach 20 Minuten fast abgefroren, und so hatte sie sich mit drei älteren Kindern in den Kuhstall zurückgezogen. So beobachtete sie nun Anne, Tom und Moritz dabei, wie sie das Heu aus den Ballen in den vorderen Bereich hinter der Metallabsperrung beförderten, und half hier und dort, wenn es den Dreien schwer fiel. Aber auch Till, einer der Mitarbeiter ihres Vaters, der momentan sein Berufspraktikum auf dem Hof absolvierte, packte ab und zu mit an, wofür sie ihm sehr dankbar war.
Nach und nach taute ihre Hand, die aus dem Gips ragte, wieder auf, und langsam und fast schmerzhaft begann sie, das Blut wieder zu spüren, dass durch ihre Adern floss.
Sie vermied es tunlichst, ihre Gedanken schweifen zu lassen, denn dann schlich sich das Bild von Lasse in ihren Kopf, und das wurde sie kaum mehr los.
Immer und immer wieder war Mina die Situation am gestrigen Abend durchgegangen, und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Sofort begann ihr Magen zu rebellieren und das Blut schoss mit solch einer Geschwindigkeit in ihren Kopf, die jeden Formel 1 Fahrer vor neue Neid grün werden ließ.
An den Kuss wollte sie erst Recht nicht denken, denn wenn es danach ging, würde sie sofort zu Lasse fahren und das wiederholen. Alles in ihr verzehrte sich nach diesem rothaarigen Mann, seinen Lippen, seinem Lachen und seiner Stimme. Und trotzdem hatte sie Panik. Panik und Angst, und sie wusste nicht, wie sie das abschalten sollte. Oder ob sie diese überhaupt abschalten wollte.
Nach dem Lasse mit seinem Hund ihre Wohnung verlassen hatte, war sie drauf und dran gewesen, Cal anzurufen. Aber allein der Gedanke daran hatte ihr beinahe ein Loch ins Herz gebrannt.
Der Amerikaner hatte ihr noch einige Nachrichten geschickt, doch die hatte die Erzieherin bis jetzt geflissentlich ignoriert.
Normalerweise hasste sie das wie die Pest, aber sie fühlte sich einfach nicht im Stande, ihm etwas zu schreiben, ohne ihm und Lasse gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben.

"Mina, können wir noch zu den Kälbern?" Annes Stimme beförderte sie ins Hier und Jetzt zurück, und lächelnd nickte sie dem kleinen Mädchen zu.
Eifrig bewappneten sich die drei Knirpse mit den Mistschiebern, und warteten freudig am noch verriegelten Durchgang.
Mina konnte nicht anders, und lächelte über die Freude der drei Kinder. Es beeindruckte sie immer wieder aufs Neue, mit welcher Begeisterung die Kinder diese Arbeit verrichteten, auch wenn sie nur die Miste wegschieben sollten.
So drängten sich die vier zwischen den Kühen durch, um zu den separierten Kälbern zu gelangen.
Mittlerweile hatten sich die kleinen Vierbeiner an die Kinder gewöhnt, und kamen gleich freudig auf sie zugelaufen.
Nach einer ausgiebigen Begrüßung, die für die Kinder mit abgeschlabberten Gesichtern ausging, hielt Mina die drei Kälber zurück, und ließ die Kinder ihrer Arbeit nachgehen.

~~~

"Ich würde jetzt trotzdem gerne wissen, was Lasse um diese Uhrzeit bei dir wollte. Und wehe du erzählst mir nicht die ganze Geschichte."
Lotte stand mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihrer älteren Schwester, und bedachte sie mit einem ernsten Blick aus zusammengekniffenen Augen.
Wie so oft verbrachte die Erzieherin ihre Mittagspause bei den Alpakas im Stall, und Lotte hatte sie zufällig abgefangen, als sie gerade ins Haus verschwinden wollte. Aber sie hatte ihr unbedingt von dem Kuss erzählen müssen.
Eigentlich wusste Mina nicht, weshalb sie ihrer Schwester erzählt hatte, dass Lasse ihr einen nächtlichen Besuch abgestattet hatte, aber mit irgendjemandem musste sie darüber reden, sonst würde sie explodieren.
Jetzt allerdings liebäugelte Mina mit der Explosion, und sträubte sich vor dem Gespräch mit ihrer Schwester.
Jedoch kannte Mina ihre Schwester, sie war wie ein Chihuahua, der sich an einem Bein festgebissen hatte, und nicht davon abließ. Also gab die junge Erzieherin nach, ließ sich rückwärts in das frische Stroh plumpsen, und musste automatisch an ihren Traum denken. Dieser verfluchte, wahrgewordene Traum.
"Okay. Viel zu erzählen gibt es nicht. Wir saßen auf dem Sofa, haben Tee getrunken, und dann haben wir uns gegenseitig angeschrien. Er meinte, er hätte mir etwas wichtiges zu sagen, dann hat er gesagt, er möchte nicht mit mir befreundet sein. Nachdem er dann noch seinen Hund geholt hat, hat er mich auf einmal geküsst. Ich… ich hab ihn dann aber gestoppt, wegen Cal. Und dann ist er abgedampft."
Die Verzweiflung übermannte sie. Ihre Extremitäten von sich gestreckt lag der Rotschopf im Stroh, den Kopf auf ihrem Oberarm abgelegt. Wie Lotte nun reagieren würde, konnte sie nicht sagen. Sie hoffte eigentlich, dass sie gar nichts sagen würde. Den Gefallen tat sie ihr aber nicht.
"Manchmal frag ich mich, ob dir jemand das Hirn durch die Nase gezogen hat."
Entsetzt über Lottes unverblümten Kommentar, starrte die ältere der beiden hinauf in das Gesicht von Lotte.
Nicht fähig überhaupt etwas darauf zu erwidern, blieb ihr Blick an ihrer Schwester hängen, aus deren Augen Blitze schossen.
"Okay, also nur um das jetzt für dich noch einmal verständlich zusammenzufassen: Lasse ist zu dir gekommen. Er hat dich geküsst. Du hast ihn wegen Cal weggeschickt."
Mina hatte keinen Plan davon, was Lotte mit ihren Worten bewirken wollte, und so seufzte sie übertrieben, drehte sich nach rechts, und legte ihren eingegipsten Arm über ihre Augen, um dem tödlichen Blickduell mit ihrer Schwester zu entgehen.
Die blonde Frau lief Worte gackernd vor ihr hin und her, doch Mina ignorierte jedes einzelne. Sie musste sich selbst darüber klar werden, was sie wollte.
"Ich lass dich jetzt einfach einmal den Weihnachtsmarkt überstehen, glaub mir, das wird dir hoffentlich dein verquirltes Gehirn wieder in Ordnung bringen", beendete Lotte schließlich ihre Predigt, und stürmte aus dem Stall der Alpakas.
Na super, jetzt war sie wieder allein mit ihren Gedanken.

~~~

Nach einem Arztbesuch am späten Nachmittag, zu dem Mina von ihrer Mutter gefahren wurde, hatte sie nicht mehr wirklich viel Lust beim Aufbau des Weihnachtsmarktstandes zu helfen. Naja, wirklich helfen konnte sie eh nicht, und wäre somit nur dumm in der Gegend herumgestanden. Also hatte ihre Mutter sie davon überzeugt, sich einfach einen freien Abend zu gönnen.
Der Arzt hatte ihren Arm bei den Untersuchung ziemlich geplagt. Vor allem beim Röntgen hatte sie ziemlich starke Schmerzen erdulden müssen, die selbst jetzt nach einer starken Schmerztablette noch nicht wirklich abebbten. Das Ausstrecken und Beugen ging einfach nicht, und die Stellung ihres Armes auf dem Röntgentisch hatte, nach Minas fachlicher Beurteilung, jetzt vermutlich noch mehr kaputt gemacht. Tatsächlich war bei diesem Termin deutlich zu sehen gewesen, dass zu ihrem bereits bestehenden Bruch bei der Untersuchung im Krankenhaus ein weiterer Bruch in ihrem Speichengelenk übersehen wurde.
Dementsprechend mies gelaunt war sie.
"Weißt du, so schlimm ist das alles gar nicht Schätzchen."
Der beruhigende Ton ihrer Mutter, der ab und zu durch das Rauschen der vorbeifahrenden Autos übertönt wurde, ließ sie wieder wie ein Kleinkind fühlen, aber das war ihr egal. Die ganze Situation überforderte sie, und ließ ihr bereits merklich Tränen in die Augen aufsteigen.
"Und ich meine jetzt nicht deinen Arm."
Die Augen weit aufgerissen zuckte ihr Blick zu Frederike.
"Ähm, okay… was…", stotterte sie, wurde jedoch durch das sanftmütige Lachen ihrer Mutter unterbrochen.
"Oh Mäuschen, das Haus ist hellhörig, und wenn nachts ein Auto auf den Schotterhof fährt, dann hört man das."
Innerlich verdrehte Mina ihre Augen.
Wie hatte sie auch denken können, dass sie auch nur ein Fünkchen Privatsphäre hatte.
"Außerdem ist deine Schwester ein ganz schönes Plappermaul. Wenn du meinen Rat nicht hören willst, dann sag es mir bitte, aber ich finde, du solltest es dir wenigstens anhören."
Eigentlich hing sie noch ein wenig an der Tatsache, dass Lotte Mal wieder ihre Klappe aufgerissen hatte, aber das verdrängte sie nun erst einmal.
"Ach Mama, seit wann bist du so zurückhaltend, wenn es um deine Ratschläge geht?"
Das Lächeln auf ihren Lippen war ehrlich, und steckte auch ihre Mutter an.
"Du bist keine 15 mehr, bist erwachsen, ich glaube, so langsam sollte ich mich einfach dezent im Hintergrund halten.
Da du jetzt aber nicht nein gesagt hast, rede ich einfach darauf los. Du bist ein sehr verkopfter Mensch, und musstest schon einiges durchstehen. Etwas dem Zufall zu überlassen fällt dir mittlerweile schwer, aber…", begann sie zu erzählen, und schenkte ihrer Tochter dann ein kurzes, aufmunterndes Lächeln, bevor sie ihren Blick wieder auf die Straße richtete. "... du solltest keine Angst vor dem haben, was vielleicht schief gehen könnte, und dich mehr auf das freuen, was gut gehen kann. Und ich bin mir sicher, dass du das im Gespür hast."
Einige Minuten ließ sie sich die Worte ihrer Mutter durch ihren Kopf gehen, und verfolgte derweil aufmerksam die Schneeflocken an den Fensterscheiben, die innerhalb von wenigen Sekunden zu Wassertropfen wurden, und dann in zufälligen Mustern die Scheibe hinunter wanderten. Schon als Kind hatte sie das getan, und hatte geraten, wo welcher Tropfen als nächstes entlang fließen würde. Nur selten hatte sie dabei richtig gelegen.
"Weißt du, Mama, es ist nervig,dass du auch immer Recht behalten musst."
Frederike reagierte mit einem Schmunzeln auf die Aussage ihrer Tochter, und ließ sie ihren Gedanken nachhängen. Irgendwann würde Mina schon noch sehen, was gut für sie war.

~~~

Der Samstag begann für Mina recht früh, musste sie doch beim Dekorieren des Weihnachtsmarktstandes helfen. Das hatte sie den Eltern und ihren Kollegen, die am Abend zuvor noch den Stand aufgebaut hatten, untersagt. Wollte sie die Arbeit doch nicht auf alle anderen abwälzen. Wie der Stand letztlich aussah, wusste sie nicht. Einige Eltern hatten wohl auf die Kürze noch einen auftreiben können, worüber Mina mehr als nur froh war. Gesehen hatte sie ihn bis jetzt aber nicht.
Da der Markt schon morgens um acht Uhr eröffnet wurde, hatte sie sich noch im dunklen aus dem Bett quälen müssen. Nichts, was Mina nicht kennen würde, doch wollten ihr an diesem Samstag morgen um halb sieben die Augen einfach nicht offen bleiben. Wieder war sie mit ihrer Mutter unterwegs in das Innere der Stadt, dieses Mal begleitete sie kein Schneefall, dafür konnte Mina entspannt die weiße Winterlandschaft während der Fahrt bewundern. Der Schnee hatte die Dächer der Stadt in weiße Zuckergussplatten verwandelt, hatte sich majestätisch auf die Straßenlaternen gelegt, und die Lichter dieser ließen die Eiskristalle mit einem zauberhaften Funkeln erstrahlen.
Schweigen hatte während der kurzen Fahrt geherrscht, waren weder Mutter noch Tochter an diesem Morgen besonders gesprächig. Jedoch konnte Mina spüren, wie mit jedem Meter, den sie dem Markt näher kamen, allmählich Freude und Leben in ihren Körper strömte. Es ging einfach nichts über das Gefühl, das einen bei dem Gedanken an das bevorstehende Weihnachtsfest durchflutete.
Nachdem Frederike und Mina die in Kartons verstaute Weihnachtsdeko auf die ebenfalls mitgebrachten Bollerwagen gestapelt hatten, konnten sie die letzten Meter zu ihrem üblichen Standort schlendern. Zu dieser Uhrzeit in der Altstadt unterwegs zu sein war beinahe so, als wäre man in der Zeit zurückgereist. Die Fassaden der alten Fachwerkhäuser waren zwar geschmückt mit modernen Lichterketten, dafür verliehen die Holzbuden der Altstadt den Charme eines mittelalterlichen Marktplatzes. Noch immer hing die Dunkelheit über ihnen, aber das ließ die Kulisse in einem nur noch magischeren Glanz erstrahlen.
Als Mina und ihre Mutter schließlich auf den von ihnen gemieteten Platz zu liefen, schaute sich die junge Frau verwirrt um. Dort, wo sie einen schäbigen Pavillon erwartet hatte, stand ein wunderschönes, rot und weiß gestrichenes Holzhäuschen. Der Wiesenzwerge-Schriftzug über dem noch geschlossenen Durchgabefenster verriet, dass es eindeutig ihr Stand sein musste. Aber, wie?!
Der Unterkiefer dem gepflasterten Boden nahe, drehte Mina ihren Kopf zu ihrer Mutter hinüber, die ein so breites Grinsen auf dem Gesicht hatte, welches ihr sagte, dass Frederike von diesem neuen Stand gewusst haben musste.
"Woher?" Zu mehr war die Erzieherin nicht fähig.
"Ach, Mina. Der junge Mann hat ne Schreinerei und seine Nichte klebt dir ständig am Bein."
Das war Lasses Werk?
Ein seltsames Gefühl durchflutete Mina, als sie daran dachte, dass er das für sie gebaut hatte.
Nein, nicht für dich. Für den Kindergarten, vor allem für seine Nichte.
"Oh", brachte sie kaum hörbar über ihre Lippen, und ließ den Blick weiter über dieses wunderschöne Bauwerk gleiten.
"Das ist wirklich lieb von ihm. Immerhin hat sich Luna schon unglaublich auf heute gefreut, ohne richtigen Stand wäre das nur halb so schön geworden." Ihre Stimme wurde mit jedem Wort, das die Rothaarige sagte, brüchiger. Dass Frederike ihre Augen verdrehte, bekam sie vor lauter Staunen jedoch nicht mit.
"Na dann komm, wir müssen noch ein paar Girlanden und Lichterketten aufhängen." Mit einem Nicken trat Mina näher an das Haus heran, und ließ anmutig ihre gesunde Hand über das gestrichenen Holz wandern. Rot umrandet war das Durchgabefenster, während der Rest größtenteils weiß gestrichen, und an der Front mit roten, skandinavisch anmutenden Mustern verziert worden war.
Bei der Betrachtung der Bude wurde ihr unglaublich warm ums Herz, und sie fragte sich automatisch, ob Lasse am Vorabend ebenfalls beim Aufbau geholfen hatte. Aber das würde sie später in Erfahrung bringen, nun galt es erst einmal alles schön herzurichten, um später die abgepackten Plätzchen, sowie die Waffeln, die sie frisch zubereiteten und den Glühwein verkaufen zu können.

~~~

Bereits zur offiziellen Öffnung des Marktes am Morgen strömten die Besucher in Scharen auf das Gelände. Zwei Eltern sowie Vivi und Caro waren nur wenig später nach Mina und ihrer Mutter am Stand eingetroffen, und hatten fleißig beim Dekorieren und Herrichten geholfen. Überall hingen nun Tannenzweige, Misteln, rote Kugeln und teilweise auch selbstgebastelte Kunstwerke der Kinder. Alles in allem musste Mina sagen, dass sie den schönsten Stand von allen hatten. Die selbstgebackenen Plätzchen der Eltern gingen ziemlich schnell weg, und auch wenn am Morgen noch kein Glühwein verkauft wurde, hatten sie nach nur zwei Stunden bereits einiges mit ihren lecker duftenden Waffeln und dem Weihnachtsgebäck eingenommen. Das Geld spendete der Kindergarten wie jedes Jahr an einen Gnadenhof, um den Tieren dort das Leben so schön wie möglich gestalten zu können.
Die Arbeit auf dem Weihnachtsmarkt lenkte Mina bestens von ihren Gedanken ab, die sie am Abend zuvor noch wahnsinnig gemacht hatten. Aber spätestens als sie zwei Rotschöpfe erblickte, die auf den Stand des Kindergartens zusteuerten, hatte sie automatisch auch wieder Lasse im Kopf.
Luna, die von ihrem Vater auf dem Arm durch die Menschentraube getragen wurde, winkte der Erzieherin wie eine verrückte zu. Auch Ida schenkte der jungen Frau ein fröhliches Lächeln, was wahrlich ansteckend wirkte.
"Mina!!!" Lunas hohe Stimme zerschnitt das rauschende Gemurmel der Marktbesucher, und vergessen waren ihre negativen Gedanken, die sie wegen des Onkels des ihr so liebgewordenen Mädchens hatte. Das kleine Energiebündel war so voller Freude, dass es sich mühevoll aus den Armen ihres Vaters strampelte, um endlich auf den Boden gelassen zu werden. Tatsächlich schaffte sie das, und rannte die letzten Meter zu Mina an den Stand, um dann ganz aufgeregt von unten nach oben zum Durchgabefenster zu schauen. Ihre kleinen Finger konnten gerade so das Holz der Durchreiche berühren, und so sah Mina den rosafarbenen Plüschbommel einer Mütze und die Fingerspitzen des kleinen Mädchens.
"Mina!" Wieder erklang die süße Stimme von Luna, sie klang fast schon gequält, da sie anscheinend nicht wusste, wie sie zu der Erzieherin durchkommen sollte.
Also Schritt Mina schnell auf die Tür im hinteren Bereich des Hüttchens zu, um zu ihrem kleinen Wirbelwind zu kommen.
Sofort stürzte sich das kleine Mädchen auf Mina, die sich auf Augenhöhe mit Luna begeben hatte.
Immerhin musste das, was ihr der Zwerg zu sagen hatte, ziemlich wichtig sein.
"Mina, wie findest du das Haus?"
Ein Strahlen setzte sich in ihrem Gesucht fest, das Mina zum Lachen brachte.
"Ich finde es ganz wundervoll. Das ist sogar noch besser als das, das ich gemacht habe."
Nun wurde das Lächeln noch breiter, und Mina hatte doch etwas Sorge, dass Luna vor lauter Freude noch explodieren würde.
Mit ihrem kleinen Zeigefinger befehligte Luna der rothaarigen Frau näher zu kommen, was sie natürlich ohne Umschweife tat.
"Das war meine Idee. Und Lasse hat mir geholfen."
Fast nicht hörbar hatte ihr das kleine Mädchen diese Worte ins Ohr geflüstert, und Mina konnte allein aus der Betonung heraus hören, wie aufgeregt Luna bezüglich dieser nicht ganz so kleinen Überraschung war.
"Das war deine Idee?" Neugierig blickte sie Luna an, die mit großen Augen nickte.
"Ich hab meinen Lasse angerufen, und gefragt, ob er das kann. Und er hat das gemacht!"
Ganz offensichtlich war Luna stolz auf sich, und Mina war es ehrlich gesagt auch.
Sie selbst hatte mit einem weniger stabilen Plastikpavillon gerechnet, doch dieser Stand übertraf das bei weitem.
"Luna, du bist ein wirklicher Schatz, weißt du das?"
Eifrig nickte das kleine Mädchen, und ließ dabei ihren Bommel auf der Mütze hin und her wackeln.
Auch ihre Eltern waren mittlerweile bei ihnen angelangt, und Ida strahlte mittlerweile genau so sehr wie ihre noch jüngste Tochter.
"Na, ist Luna die Überraschung gelungen?"
Überschwänglich zog Mina die junge Mutter in eine Umarmung zur Begrüßung, quietschte dabei fast schon vor Freude.
"Ihr hättet mein Gesicht vor ein paar Stunden sehen müssen, ich dachte ich träume."
Das verträumte Lächeln auf ihren Lippen nahm die Erzieherin gar nicht wahr, viel zu sehr genoss sie es in diesem Moment, ihre Freude so herausposaunen zu können.
Einige Minuten redeten die zwei Frauen noch, während Danni mit seiner Tochter schon weitergezogen war.
So erfuhr Mina, auch wenn sie Ida nicht danach gefragt hatte, dass Lasse mit seiner Nichte Lily heute den Tag verbrachte, und später mit ihr gemeinsam zu einem Auswärtsspiel des EC fahren würde. Sie hatte das Gefühl, dass Ida sie dabei sehr genau beäugte und auf eine Reaktion von Minas Seite wartete, doch ging sie gar nicht genauer auf diese Information ein, und versuchte so gleichgültig wie mir irgend möglich zu erscheinen. Auch wenn sie innerlich schier ausflippte. Das ging Ida nichts an, immerhin wusste Mina auch gar nicht, was genau sie nichts anging. Was sie wusste, war, dass sie gleichzeitig erleichtert und auch traurig über die Tatsache war, dass sie den Hockeyspieler heute nicht sehen würde. Mina hätte nicht sagen können, wie sie nun mit ihm hätte umgehen sollen, da sie nicht wusste, in welchem Verhältnis sie nun zueinander standen.
Ida verabschiedete sich nach ein paar Minuten wieder von Mina, um den Weihnachtsmarkt die nächsten Stunden noch zu genießen, bevor sie später selbst noch verkaufen durfte.

So vergingen weitere Stunden, in denen Mina eifrig Gebäck und Waffeln verkaufte, hier und da mit ein paar Bekannten redete, und schließlich auch Feierabend machen konnte. Sie hatte eine Extraschicht eingelegt, als Ausgleich für den Aufbau, und war nun froh, sich endlich einmal setzen zu können. Auch wenn es nicht nach viel Arbeit aussah, so war das ständige stehen irgendwann ziemlich unangenehm, und ihren Gipsarm hatte sie bereits nach den ersten Stunden mit einem Tuch um ihren Hals festbinden müssen, um ihn zu entlasten.
"Mina, könntest du noch ein paar Packungen Plätzchen rausstellen", rief ihre Kollegin Susann ihr über die Schulter zu, die vor lauter Kundschaft nicht vom Fenster weg konnte.
Schnell ging sie in die hintere Ecke der Hütte, wo in Kisten die verpackten Plätzchen gelagert wurden, und zog die Kisten etwas noch vorne, da sie ziemlich ungünstig unter einem  Ablageboard, auf dem mittlerweile dutzende Getränkeflaschen und auch ein paar Handys lagen, standen.
Gerade als sie die Kisten wieder zurück rücken wollte, fiel ihr ein Zettel, der unter dem Board angeklebt worden war, auf.
Etwas verwirrt betrachtete sie das Stück Papier, bevor sie es vorsichtig von den zwei Streifen Malerkrepp befreite, um sich anzuschauen, was das war.
Nun trieb sie die Neugier an, da sie nicht wusste, um was es sich dabei handeln könnte. Niemand außer den Erzieherinnen und ein paar Eltern hatten Zutritt zu diesem Hüttchen, also hatte hier vielleicht nur jemand etwas wichtiges aufschreiben wollen. Doch schien ihr das ziemlich unwahrscheinlich.
Aufgefaltet hielt sie das beschriebene Schriftstück in ihrer Hand, und in tausendfacher Geschwindigkeit begann ihr Herz ihr Blut durch ihren Körper zu pumpen. Denn schon nach den ersten zwei Worten wusste Mina, von wem und für wen dieser Brief war.

Hej Solskin,
ich wusste, du würdest das hier finden. Um so mehr hoffe ich, dass du an diesem Samstag um 22 Uhr mit einer Thermoskanne voll Glühwein und ein paar frischen Waffeln am alten Rathaus auf mich wartest.
Vi ses, L.

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Naaaaaaa, hallo!
Ich halte mich kurz.
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Lasst mir gerne eure Kritik und Anregungen da.
Was vermutet ihr, hat Lasse mit Mina vor?

Bis zum nächsten Kapitel,
Eure Red❤️🌱

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