5. Distanz wahren
Hey!
Das ist nun das letzte Kapitel der Premierenwoche :3. Ab jetzt lade ich in zeitlichen Abständen hoch. Es gibt keinen festen Uploadtag. Sobald es mein Zeitplan erlaubt, ein Kapitel fertig ist und es passt, kommt etwas neues.
An dieser Stelle nochmal, thanks for the support in der Premierenwoche! Einige haben wirklich jeden Tag vorbeigeschaut und mir in Kommentaren, Reviews und Privatnachrichten eine Rückmeldung gegeben. Das war sehr beflügelnd, motivierend und ein unglaublich schöner Start in das neue Projekt. Da lohnte sich die tägliche Arbeit sehr. Thank youu! <3
Now, ich habe meinem Freund von dieser Geschichte und dem Plot erzählt, und er sagte mir, dass ich das Genre "psychological" eigentlich ergänzen sollte :'D. So let me do that an dieser Stelle :D.
Genug von mir.
Viel Spaß beim Lesen!
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Ich lag lustlos in meinem Bett und starrte die Wand an, während ich der Tür den Rücken zugekehrt hatte, da ich wusste, dass meine Tante jeden Moment durch diese kommen würde, um mich zu wecken. Das machte sie immer, wenn ich nicht pünktlich unten war. Es war wahrscheinlich eine Angewohnheit, die sie sich durch ihre eigene Tochter, die sehr gern verschlief, angeeignet hatte und in den Fällen, in denen es auf mich zutraf, auf mich übertrug. Diese Fälle waren meist Tage, an denen es mir nicht gut ging und kaum Tage, an denen ich einfach keine Lust hatte zur Schule zu gehen. Eigentlich sollte sie daher mittlerweile wissen, dass ich nie grundlos nicht pünktlich unten war.
Kotzbrocken, huh? So ein Vollidiot. Zwar wollte ich einer sein, doch musste dieser Karmatrottel es dauernd erwähnen? Mir kam es so vor, als wollte er mir mittlerweile so oft wie möglich mitteilen, dass ich nicht gemocht wurde. Okay, das war wahrscheinlich bei diesem Sadisten wirklich so. Doch wenn er darauf wartete seine Befriedigung durch eine mögliche verletzte Reaktion meinerseits zu bekommen, hatte er sich geschnitten. Diese Genugtuung würde ich ihm niemals geben. Auch, wenn er der einzige war, bei denen mich seine Ablehnung schon... sehr kränkte.
Seufzend strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die seitlich herunter geglitten war. Karma war wirklich schon immer so gewesen. Wann sich seine Vorliebe für Sadismus wohl etabliert hatte? Bereits in der Grundschule war er sehr aktiv dabei gewesen, hatte Chaos und Streiche geliebt und war in die ein oder andere Schlägerei geraten. Ich musste dies schließlich ja wissen.
Und er war damals schon leider sehr süß gewesen.
Oh, Mann, ich musste dringend damit aufhören. Besonders, weil er, wie bereits gesagt, nicht in meine perfekte Welt passte, aber auch, weil es sowieso nichts brachte. Es wäre vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte und zusätzlich zeigte er seine Abneigung mir gegenüber sehr gern. Also sollte ich weder wertvolle Zeit, noch weitere Gedanken an ihn verschwenden.
»Naomi! Bist du noch nicht fertig?«, hörte ich meine Tante rufen, gefolgt von einem lauten Klopfen an der Tür.
Ich brummte gedämpft und zog meine Decke weiter nach oben. Sie hatte sich heute ziemlich Zeit gelassen. Das hieß, dass sie gestresst war und das würde das Gespräch deutlich leichter sowie kürzer gestalten.
Gleich darauf öffnete sich die Tür und sie streckte hastig ihren Kopf hinein, was ich in meiner Position jedoch nicht sehen konnte.
»Schläfst du etwa noch?«, fragte sie überrascht.
»Mir geht es heute nicht so gut«, sagte ich leise.
Ich vernahm Schritte und im nächsten Moment legte sie ihre Hand auf meine Stirn. Ein Seufzen folgte, als sie bemerkte, dass ich defintiv kein Fieber hatte.
»Das kann doch nicht sein. Dein Termin war vorgestern. Du hast deine Tabletten nicht genommen, oder?«
»Ich glaube, ich hab es vergessen.«
Ich konnte ihren Blick praktisch spüren, weshalb ich mir auf die Zunge beißen musste, um sie nicht auf ihre falsche Schlussfolgerung aufmerksam zu machen. Ich vergaß sowas so gut wie nie. Zu meinem Glück meldete sich jedoch die kleine Ai, die sich scheinbar hinter ihrer Mutter in mein Zimmer geschlichen hatte, zu Wort, sodass meine Tante abgelenkt wurde.
»Naomi, ich kann dir meinen neuen Tanz zeigen, dann geht es dir bestimmt sofort besser«, sagte sie.
Ich drehte mich nicht um und versuchte dennoch mein trauriges Lächeln zu verstecken. Sie war wahrscheinlich die Definition von aufdringlicher Energie. Die grausame Realität hatte sie noch nicht erreicht.
»Ai, dafür haben wir jetzt keine Zeit. Nach draußen. Abmarsch«, sagte ihre Mutter hastig und schob sie zur Tür. »Außerdem braucht Naomi jetzt Ruhe, damit sie wieder gesund wird und keinen Tanz.«
Ironisch. Ich bezweiflte, dass ich jemals gesund werden würde.
»Wenn du etwas brauchst, dann ruf mich an, okay? Ich fahre die Mädchen zur Schule und gehe dann einkaufen.«
»Okay«, antwortete ich knapp.
Sie warf mir einen letzten prüfenden Blick zu, bevor sie mein Zimmer in Eile verließ. Erleichtert atmete ich aus und drückte mein Gesicht in mein Kissen. Ich hatte verdammt schlecht geschlafen. Aus irgendeinem Grund hatte ich an Karma, Terasaka und seine Idioten denken müssen. Wieso ich an Karma gedacht hatte, konnte man sich denken. Das Verhalten der Idiotentruppe war mir jedoch gänzlich schleierhaft gewesen. Ihre Theorie war so weit hergeholt, aber auch einfach ein passendes Produkt ihrer Intelligenz gewesen. Doch es war Terasakas Aussage, dass ich ja eigentlich nicht so schlimm wäre, die mir am meisten Kopfschmerzen bereitete.
Was zur Hölle hatte ich falsch gemacht, damit er das dachte?
Woher kam diese Meinung? Ich bin ihm auf die Nerven gegangen, hatte ihn auf Abstand gehalten, also warum dachte er das? Meine ganze Arbeit schien umsonst, wenn ein Kerl, der normalerweise genervt von allen war, mich "nicht schlimm" fand. Was war, wenn die anderen seine Meinung teilten? Wenn mein Verhalten noch nicht alle vergrault hatte?
Vielleicht musste ich mich einfach mehr bemühen.
Wie mein Vater immer sagte, man musste stets 100% geben. Und ich gab defintiv noch in keinem Bereich 100%. Das war vermutlich der Grund, wieso er so enttäuscht von mir war. Er bemerkte es.
Müde schloss ich meine Augen.
Ich brauchte einen neuen Schlachtplan. Sonst würde ich meine Freiheit in einem Jahr nicht genießen können.
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Am nächsten Tag stellte ich überrascht fest, dass unsere digitale Mitschülerin deutlich... mehr Lebensfreude hatte und nun ein aufgewecktes Schulmädchen war... das sich scheinbar jetzt mit allen verstand. Ich blinzelte mehrmals, als sie auflachte, während sie Nakamura und Kanzaki etwas erzählte, das auch die beiden lachen ließ, als wäre sie ein echter Mensch. Die Szene noch immer betrachtend, setzte ich mich auf meinen Platz und fing an meine Sachen herauszuholen. Was genau hatte ich gestern alles verpasst? Hatte sich jemand in ihr Programm gehackt? Hatte ein Virus sie erträglicher gemacht? So wie sie jetzt jedenfalls aussah, würde sie Koro-Sensei wahrscheinlich nicht mehr durchgehend angreifen und den Unterricht damit stören.
Das war auf jeden Fall positiv.
Ein Pieksen in meine Seite direkt über meine Hüfte, ließ mich erschrocken zusammenfahren und ein unangenehmer Schauer lief mir über den Rücken. Ich wollte herumwirbeln, doch spürte ein Gesicht direkt neben meinem, als sich der Rotschopf über meine Schulter beugte und mich hämisch angrinste.
»Überraschung. Während du blau gemacht hast, wurdest du wieder die unbeliebteste Schülerin der Klasse«, meinte er mit einer sichtbaren Genugtuung. »Wenn man bedenkt, dass sogar eine Maschine bei ihren Mitschülern besser ankommt als du, ist es schon sehr traurig.«
»Sie wurde so programmiert«, erwiderte ich kühl. »Sie handelt nicht aus freien Willen.«
»Nicht ganz. Sie hat sich ihrem Erschaffer widersetzt und entschieden so zu sein, weil sie die Klasse mag.«
Ich runzelte die Stirn. Eine Maschine mit einem eigenen Willen... Meine Angst, dass Maschinen irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen könnten, war wohl nicht ganz so irrational wie ich dachte. Seufzend wandte ich mich meinem Mathebuch zu und schlug die Seite auf, die wir vorgestern bearbeitet hatten.
»Hey, was genau habt ihr gestern gemacht?«, wollte ich wissen und sah über meine Schulter.
Karma war noch in derselben Position, sodass sein Gesicht meinem nahe war, näher als jemals zuvor. Er zog missbilligend die Augenbrauen zusammen, schnalzte mit der Zunge und lehnte sich wieder zurück. Und weg war diese kurze, angenehme Nähe.
»Frag doch jemand anderen, du Bücherwurm«, meinte er. »Unglaublich. Wenn sogar eine Maschine scheinbar mehr Gefühle zeigt als du...«
Ich zuckte mit den Schultern. Nach meinem gestrigen Beschluss, hatte ich Zeit gehabt mich zu sammeln und entschieden seine Kommentare so gut es ging hinzunehmen.
Distanz war die einzige Lösung. Meinen Wunsch nach seiner Nähe musste ich vergessen.
»Hier, Naoko«, sagte eine freundliche Stimme neben mir und ließ mich aufsehen. Es war Nagisa, der mir mehrere Zettel reichte und mich anlächelte. »Koro-Sensei hat mich darum gebeten deine Unterlagen mitzunehmen und für dich Notizen zu machen.«
Meine Augen weiteten sich und unweigerlich musste ich lächeln. Genau deshalb liebte ich diesen Lehrer. Normalerweise gab er sie mir selbst und bot mir sogar an, dass er mit mir alles nochmal durchging, falls ich etwas nicht verstand. Jetzt hatte er sich auch noch direkt darum gekümmert, sodass ich ihn sofort fragen konnte, wenn etwas unklar sein sollte. Wahrscheinlich hatte er das mitbedacht. Mich würde es nicht wundern. Und dann fragte er auch noch den besten aus der Klasse in diesem Punkt, der sowieso fast immer Notizen machte und unglaublich sauber schrieb. Es war etwas schade. Koro-Sensei bot uns sogar an, uns zu Hause zu besuchen und uns Nachhilfe zu geben. Ich würde ihn am liebsten darum bitten, einfach, um das neue Thema zu verstehen. Aber er durfte mich unter gar keinen Umständen zu Hause besuchen. Eine höhere Lebensform wie er würde sofort bemerken, dass etwas nicht stimmte und mehr erfahren, als er sollte.
»Danke, Nagisa«, sagte ich lächelnd.
Sofort fing ich an mir alles anzuschauen und durchzugehen, wodurch ich nicht bemerkte, wie Nagisa Karma einen fragenden Blick zuwarf, worauf dieser nur ratlos mit den Schultern zuckte.
»Hey, Naoko«, sagte Kataoka plötzlich und lief auf meinen Platz zu. »Da wir jetzt Ritsu haben, haben wir uns gestern dazu entschieden, unsere Nummern auszutauschen und eine Klassengruppe zu erstellen. Gibst du mir deine Nummer, damit ich dich auch hinzufüge?«
Verwirrt sah ich sie an. »Ritsu?«
Sie nickte und deutete auf unsere digitale Klassenkameradin. »Wir haben entschieden sie Ritsu zu nennen. Also, was ist?«
Ich war mir sehr unsicher. Eigentlich sollte ich den Kontakt mit ihnen auf die Schule beschränken. Andererseits hieß es ja nicht, dass ich unbedingt mit ihnen kommunizieren musste. Kataoka vor mir sah mich geduldig an, während ich mit mir selbst debattierte. Karma jedoch lachte spöttisch auf und beugte sich leicht nach vorn.
»Koro-Sensei meinte, dass wir so auch Informationen wegen des Unterrichts austauschen könnten«, sagte er. »Er wünscht sich es.«
Ich nickte verstehend und riss einen Zettel aus meinem Block, auf den ich meine Nummer notierte. Das war ein sehr gutes Argument. Ich musste dem Unterricht so gut es ging folgen. »In Ordnung. Hier.«
Kataoka nahm etwas überrascht den Zettel an.
»Das ging ja schnell«, rutschte es ihr versehentlich heraus.
Nagisa lächelte nervös und stieß sie an, woraufhin sie ihren Fehler bemerkte. Mir war es jedoch egal. Ich konnte verstehen, wieso sie mit mehr Widerstand gerechnet hatten.
»Was glaubt ihr denn?«, warf Karma ein. »Unsere Naoko fährt eben total auf Koro-Sensei ab. Jetzt versteh ich es endlich. Du stehst auf unseren Lehrer.«
Okay, nein, diese Bemerkung reizte mich doch. Ich atmete tief ein, um ruhig zu bleiben und meine Maske aufrecht zu erhalten. Diese Genugtuung durfte ich ihm nicht geben.
»Karma, behalte deine perversen Fantasien bitte für dich. Danke«, erwiderte ich und sah wieder auf das Material, das ich bekommen hatte.
Diese Rechnung hatte ich jedoch defintiv ohne Karma gemacht. Vielleicht hatte ihn meine Bemerkung gereizt, oder aber die Tatsache, dass mich seine Bemerkung eben nicht sichtbar gereizt hatte, ich wusste es nicht genau. Er machte aber etwas, womit ich absolut nicht gerechnet hatte, weil es einfach unglaublich kindisch und vor allem bescheuert war: Er griff nach meinem Haar und zog einmal kräftig daran.
Wütend packte ich sofort sein Handgelenk, bevor Kataoka oder Nagisa ihn auch nur ermahnen konnten und sah ihn düster an. In der ersten Sekunden sah er überrumpelt, in der zweiten jedoch bereits zufrieden aus. Und ich wusste ganz genau wieso; es war etwas, was er damals einmal gemacht hatte, als wie auf dieselbe Grundschule gegangen waren. Wir waren nie Freunde gewesen, besonders nicht nach diesem Tag, als der kleine achtjährige Karma Akabane mich und meine damaligen Freunde ärgerte, bevor er mir an den Haaren gezogen hatte. Es endete damit, dass wir uns geprügelt hatten und unsere Eltern uns jeweils beide abholen mussten.
Er wusste also durchaus, dass ich das nicht mochte und kannte meine Reaktion darauf.
Wieso also zuckten seine Mundwinkel gerade nach oben, als würde er ein Lächeln unterdrücken? Er lächelte einen doch sonst so gern auch provokant an.
Einmal drückte ich sein Handgelenk nochmal fest, bevor ich ihn genervt losließ.
»Werd erwachsen, Akabane«, zischte ich und kehrte ihm nun komplett den Rücken zu, um mich endlich auf den Unterricht vorzubereiten.
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Meinen Fehltag bereute ich doch etwas, als ich bemerkte, dass ich nun noch weniger in Mathe verstand als zuvor. Es war einfach extrem niederschlagend und ließ mich nach der Schule auf den Weg nach Hause tatsächlich leicht zittern. Wenn es so weiter ging, dann würde mein Vater noch wütender werden als gedacht. So würde ich niemals gute Ergebnisse bei den Prüfungen erzielen. Perfekte Ergebnisse. Wenn es nach ihm ginge, müsste ich in allen Fächern die volle Punktzahl habe.
Ich musste mir also dringend etwas einfallen lassen...
Auch, wenn ich am liebsten sofort nach Hause wollte, um zu lernen und irgendwie an meiner jetzigen Situation etwas zu ändern, fiel mir ein, dass ich noch ein Kleid brauchte und so schlug ich den Weg zum Bahnhof ein. Es war bereits Donnerstag, als sollte ich es nicht weiter aufschieben. So nahm ich also den Zug zum nächsten Einkaufszentrum, von dem ich wusste, dass er eine gute Auswahl an Kleidern anbot. Doch bevor ich eins suchte, aß ich zu Mittag und machte in einem Café meine Hausaufgaben, wo ich mir anschließend einen Kuchen bestellte, um mit ruhigen Gewissen shoppen zu können. Mein Kreislauf brach gern mal zusammen, besonders, wenn ich nicht genügend zu mir nahm oder mal eine Mahlzeit ausließ. Das war mir nochmal vor Augen geführt worden, als ich mal ein paar Kilo abnehmen wollte und mein Körper relativ schnell protestiert hatte. Außerdem liebte ich Zucker viel zu sehr, also war der Kuchen ein Muss.
Als ich endlich fertig war, war schon relativ viel Zeit vergangen - meine Hausaufgaben waren eben wichtig und ich hatte mir noch einen Milkshake bestellt. Doch jetzt konnte ich wenigstens beruhigt ein Kleid aussuchen, was ich machte. Ich streifte durch einen Laden, sah mir die Kleider an, und schloss direkt alle hellen Farben aus. Ich fand, dass mir eher dunkle Farben standen, jedenfalls wenn es um Kleider ging. Bei normaler Kleidung war ich da nicht so wählerisch und kaufte von allen Farben etwas, wenn mir das Kleidungsstück gefiel. Doch zu solchen Anlässen mit meinem Vater, musste ich schließlich souverän wirken.
Gerade als ich mir einige ausgesucht hatte und zu den Umkleidekabinen ging, um sie anzuprobieren, hielt ich inne. Zwei Mädchen, die ungefähr in meinem Alter waren, standen dort, kicherten und lachten zusammen, während sie sich ihre Outfits präsentierten. Meine Mundwinkel zuckten leicht nach oben, doch ich riss mich relativ schnell von diesem Szenario los und verschwand hinter dem Vorhang.
Manchmal wünschte ich mir so etwas zu haben. Eine normale Jugend, mit Freunden, vielleicht sogar einer besten Freundin, mit der ich shoppen ging und einfach etwas unternahm, kicherte, über Jungs redete, einfach das Leben genoss.
Aber mein Leben war eben nicht normal.
Und das hatte ich mittlerweile akzeptiert. Da brachte es mir nichts, wenn ich mir sowas auch nur ausmalte.
Meine Wahl fiel relativ schnell auf ein dunkelblaues, knielanges Kleid. Es war schlicht, an meiner Taille etwas enger, betonte dadurch meine Figur und ließ mich etwas erwachsener aussehen. Alles Dinge, die notwendig waren, um Eindruck zu schinden und das würde mein Vater defintiv von mir wollen. Auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, aber es war etwas, das ich von allein wissen musste.
Zufrieden mit meiner Wahl, bezahlte ich und machte mich endlich auf den Heimweg. Im Zug wollte ich eigentlich die Zeit totschlagen, indem ich mich mit meinem Handy beschäftigte, doch dort bemerkte ich, dass ich eine Nachricht hatte, die nicht von meiner Tante war. Der einzige Mensch, der mir schrieb.
+81775362780 hat dich zur Gruppe 9E hinzugefügt
[19:58] +81775362780: Das ist Naoko. Jetzt sind wir also endlich vollzählig. Schreibt eben alle eure Namen, damit die anderen euch einspeichern können.
Da sie bereits erwähnt hatte, dass ich die letzte Nummer war, machte ich es nicht. Doch nach und nach schrieben die anderen ihre Namen. Sollte ich sie einspeichern? Ich debattierte kurz mit mir selbst, entschied mich jedoch letztlich dafür. Das war leichter und übersichtlicher für mich. Also verbrachte ich die restliche Zugfahrt damit, meine Klassenkameraden in meine Kontakte einzuspeichern. Dabei fiel mir auf, dass Karma noch nicht geschrieben hatte... und Nagisa natürlich. Ob der Rotschopf gerade beschäftigt war? Was er wohl trieb...? Irgendwie schien die Aussicht darauf, dass ich seine Nummer haben würde, etwas aufregend, auch wenn sie mir nichts bringen würde.
Ich seufzte. Irgendwie machten diese Gefühle es für mich schwieriger, ihn einfach zu ignorieren. Das war wirklich knifflig.
Am Bahnhof angekommen, bemerkte ich erst einmal, dass es schon stockdunkel war. Ich hatte mir wirklich Zeit gelassen... Aber ich war oft zur später Stunde unterwegs, wenn ich mir allein die Zeit vertrieb, also machte es mir nichts aus. Genauso wie meiner Tante und meinen Onkel.
Sie wussten auch, dass ich mich verteidigen konnte, aber gleichzeitig glaubte ich, dass es ihnen nicht wirklich wichtig war, da ich schließlich nicht ihre Tochter war. Sicher war ich mir jedoch nicht. Bei Raiko waren sie jedenfalls etwas strenger, besonders, weil diese auch oft in Schwierigkeiten geriet. Ihre Mutter meinte mal, dass es an ihren falschen Freunden liegen würde - woraufhin Raiko ein Glas zerschmettert hatte und sich in ihrem Zimmer eingesperrt hatte. Sie hatte also einen wunden Punkt getroffen.
Plötzlich wurde ich seitlich leicht angerempelt, als jemand aus der Seitenstraße kam und um die Ecke abbiegen wollte. Ich stolperte leicht zurück, hob den Blick und stellte äußerst überrascht fest, dass es Karma und Nagisa waren, wobei der Blauhaarige in mir hineingelaufen war.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich sofort, bevor er realisierte, dass ich es war. »Naoko-san! Was machst du denn hier?«
»Das könnte ich euch fragen«, sagte ich. »Es ist spät... Wo wart ihr?«
»Geht dich nichts an«, meinte Karma und lief weiter.
Sie mussten wohl in meine Richtung. Ich setzte mich genauso wie Nagisa, der immerhin neben mir lief, in Bewegung.
»Wir waren mit Koro-Sensei auf Hawaii im Kino und haben Sonic Ninja geschaut«, erklärte mir dieser freundlicherweise.
»Oh, der Superheldenfilm, richtig?«, sagte ich.
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie aufregend ich den Film fand. Leider hatte ich eine Schwäche für Superheldenfilme...
Er nickte. »Und wo warst du?«
»Im Einkaufszentrum. Ich brauchte ein Kleid.«
»Warst du allein?«, fragte Nagisa unsicher. »Ich meine... weil es so spät ist, und du jetzt allein bist.«
»Sie hat keine Freunde. Was erwartest du also?«, warf Karma vor uns ein.
Ich ignorierte ihn. »Ja, allein. Aber ich bin ein großes Mädchen. Ich kann auf mich aufpassen.«
»Besonders, da niemand so ein Mädchen wie dich auch nur mit der Zange anfassen würde.«
Er ging mir wirklich hauptsächlich gerade auf die Nerven. Ich verstand nicht, was genau sein Problem war. Obwohl er eigentlich alle aufzog. Vielleicht nahm ich es bei mir nur so intensiv wahr, weil ich ihn eigentlich ziemlich mochte...
»Ignoriere ihn«, meinte Nagisa mit einem Schweißtropfen auf der Stirn.
»Keine Sorge, das mache ich immer«, sagte ich kopfschüttelnd. »Also dann, ich muss gleich abbiegen. Bis morgen. Schlaf gut, Akabane.«
Bevor ich um die Ecke bog und während Nagisa sich noch schnell von mir verabschiedete, schubste ich Karma kräftig und beeilte mich dann wegzukommen. Kindisch? Ja. Aber es war eine kleine Rache. Zu meinem Pech fiel er jedoch nicht hin, aber wenigstens blieb er stehen und sah mir düster hinterher. Also war meine Aktion irgendwie erfolgreich.
Ich würde ihm die Genugtuung, dass er mich verletzt hatte, wie gesagt, nicht geben. Dafür bekam er lediglich Gleichgültigkeit und wie gerade, kleine sowie nervige Racheaktionen, die defintiv an seinem Ego zerrten.
Ob sich jemals jemand wirklich effektiv und erfolgreich gegen seine sadistischen Züge gewehrt hatte? Zumindest, ohne anschließend verprügelt worden zu sein?
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