45. Dummy

Hey!

Das Leben hatte einiges für mich vorbereitet, but it doesn't really matter now. Das Kapitel ist nämlich endlich fertig. Here it is!

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Viel Spaß beim Lesen!

~~

»Moment, was?«, rutschte es mir verwirrt raus, während ich Reys Rücken betrachtete.

Er drehte sich nicht zu mir um, jedoch zuckte er bei meiner Aussage leicht zusammen und spannte sich merklich an.

»Ich werde dich nicht anrühren«, sagte er klar. »Und jetzt schlaf.«

Ich verstand die Situation immer noch nicht. Hatte ich falsch geschlussfolgert? Oder lag ich doch richtig? Aber wieso würde er dann...? War ich nicht wegen ihm hier?

»Aber wieso nicht?«, fragte ich nun.

Jetzt stieß er hörbar die Luft aus und drehte sich mit einer kräftigen Bewegung zu mir um. »Du willst ernsthaft wissen, warum ich dich nicht gegen deinen Willen anrühren will?!«

Seine Antwort traf mich härter als erwartet und mit einem Mal verstand ich meine Frage selbst nicht. Das einzige, was mir in diesem Moment bewusst wurde, war, dass ich doch recht hatte. Ich war wirklich deshalb hier. Aber scheinbar nicht wegen Rey. Als ich dies realisierte, brauchte ich einige Sekunden, um mich zu fangen.

»Sie haben das vereinbart, oder?«, sagte ich leise. Es war eigentlich nicht mal eine Frage. Ich kannte die Antwort bereits.

Rey presste seine Lippen zusammen und sah an die Decke. »Überrascht es dich?«, wollte er fast ebenso leise wissen. »Naoko, wir sind nur Schachfiguren in ihren Plänen. Du wurdest... praktisch verkauft...«

»Weißt du, was genau der Deal ist?«

»Nein. Ich wüsste es gern. Ich weiß nur, dass mein Dad dich unbedingt als Schwiegertochter will und warum.«

Es missfiel Rey. Das sah ich ihm deutlich an. Ich presste meine Lippen zusammen. Eigentlich sollte das ein Zeichen dafür sein, dass er doch kein so übler Kerl war. Jedoch sollte seine Haltung auch wieder selbstverständlich sein, daher sollte meine Schlussfolgerung eigentlich nicht mal zustande kommen. Nur wusste ich, dass es nicht selbstverständlich war. Nicht in meiner Situation. Ich hatte Glück. Großes Glück. Dennoch blieb ein Problem.

»Wirst du... Ärger bekommen?«, fragte ich zögerlich.

Rey schnaubte, sagte jedoch nichts, sondern betrachtete stumm die Decke. Würden wir beide Ärger bekommen? Vermutlich. Doch irgendetwas sagte mir, dass hinter seinem Verhalten noch mehr steckte. Hinter ihm steckte sehr viel mehr, als ich es erwartet hatte. Es war schon fast ironisch. Ich hatte ihm einen Vortrag darüber gehalten, andere nicht sofort zu verurteilen und musste jetzt feststellen, dass ich nicht einmal darüber nachgedacht hatte, welche Beweggründe er für sein Verhalten hatte. Er steckte im selben Boot wie ich, das hatte ich vorher schon bemerkt, aber die Auswirkungen davon auf ihn hatte ich nicht einmal bedacht. Ich kam mir gerade so selbstsüchtig vor. Als ob Rey nicht auch darunter litt.

»Auch wenn du das nicht für mich tust, ich bin dir trotzdem dankbar«, sagte ich. Er drehte seinen Kopf endlich zu mir und betrachtete mich, daher fuhr ich fort. »Du bringst dich damit selbst in Schwierigkeiten. Die Tatsache, dass du mir das gesagt hast... Mein größter Wunsch ist es, dass mein Vater mich akzeptiert und stolz auf mich ist. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist. Ich weiß nur, dass viele den Wunsch haben. Dementsprechend... respektiere ich es allein, dass du mir deine ehrliche Meinung zu der Sache hier sagst und Konsequenzen für dich riskierst. Ich... bedanke mich nicht dafür, dass du da nicht mitmachst, sondern, dass du ehrlich bist. Weißt du, was ich meine?«

Rey atmete hörbar aus, nickte jedoch leicht. Er schien zu überlegen, bevor er seinen Mund öffnete. »Gib es auf. Dein Vater wird dich niemals akzeptieren. Meiner mich auch nicht. Damit hab ich mich schon lange abgefunden.«

Seine Stimme klang schon fast bitter, weshalb man seine Aussage allein anzweifeln konnte. Selbst wenn er es akzeptierte, war es dennoch belastend für ihn.

»Wenn du es akzeptiert hast, wieso hörst du dann noch auf ihn?«, fragte ich.

Reys Mundwinkel zuckten leicht nach oben, aber er sah dabei keineswegs amüsiert aus. Es wirkte eher traurig. »Die Kunst liegt darin, so zu leben, wie sie es wollen, während man insgeheim so lebt, wie man es will. So ist man zumindest noch einige Stunden glücklich, auch wenn man von niemanden wirklich akzeptiert wird.«

Er hatte sich also auch so etwas wie ein Doppelleben aufgebaut. Etwas, was ich auch gern wollte. Etwas, was mir zumindest die Möglichkeit gab, Zeit mit Karma zu verbringen, solange ich die noch hatte.

»Solltest du mich übrigens verpfeifen, werde ich behaupten, dass du dies erfindest, um unsere Verlobung zu verhindern«, setzte Rey leicht drohend nach.

Ja, das konnte ich ihm tatsächlich nicht einmal verübeln. Ich hatte jedoch nicht vor ihn jemals irgendwie zu verraten.

»Dein Geheimnis ist bei mir sicher. Ich verstehe dich sehr gut, aber auch so würde ich dich niemals verraten.«

»Meine Drohung bleibt.«

»Es ist dein Leben. Es geht also niemandem etwas an. Mach was du willst, ich werde dich niemals aufhalten.«

Ein leises Lachen entkam ihm, das ehrlich und bitter zugleich klang. Erneut verfielen wir in ein Schweigen. Dieses Mal war es jedoch deutlich angenehmer. Von Rey schien vorher bereits keine Gefahr ausgekommen zu sein, doch jetzt war auch die Ungewissheit, wie er handeln könnte, weg. Wir hatten bereits vorher im selben Boot gesessen. Nun fühlte es sich jedoch an, als hätten wir beide jeweils ein Ruder in der Hand. Rey wollte es genauso wie ich nicht einfach akzeptieren.

»Es tut mir leid wegen deiner Mom«, sagte er plötzlich.

Seine Aussage kam so unerwartet, dass ich erst einmal etwas brauchte, um zu antworten. »W... was? Wie kommst du jetzt auf meine Mom?«

Wenn der ganze Deal jetzt etwas mit ihr zu tun hatte, dann würde ich erst recht rebellieren. Ich würde es meinem Vater niemals verzeihen, wenn er in ihrem Namen so etwas machen würde, auch wenn ich wollte, dass er zufrieden mit mir war. Dafür durfte er sie nicht benutzen.

»Weil sie mal genau dasselbe zu mir gesagt hat wie du«, meinte Rey.

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. »Du... kanntest sie?«

»Ich würde nicht sagen, dass ich sie wirklich kannte. Sie hat deinen Vater immer zu den ganzen Veranstaltungen begleitet und so hab ich ein paar Mal mit ihr gesprochen. Ich kannte sie jedoch nur so viel wie alle anderen, schätze ich. Mein Dad war ein riesen Fan von ihr...« Rey hielt kurz inne und atmete hörbar aus. »... Und du bist ihr so verdammt ähnlich...«

Eigentlich liebte ich es, wenn jemand dies sagte. Ich war meiner Mutter gern ähnlich, sie war einfach perfekt und meine Heldin. Umso mehr missfiel es mir, dass dieser eigentlich schöne Fakt in so einer negativen Situation als Verbindung missbraucht wurde. Deshalb war ich wohl hier.

»Das sagen viele«, sagte ich leise.

»Es ist ein Kompliment. Sie war wirklich toll.«

»Ich weiß. So sehe ich es auch. Ich mag es nur nicht, wenn ich bemerke, wie viele komische Typen sie angehimmelt haben.«

»Willst du damit sagen, dass ich komisch bin?«, wollte Rey halb sarkastisch wissen.

»Nein, dein Vater«, sagte ich. »Er schreibt dir dein Leben vor, dabei solltest du die Freiheit haben so zu leben wie du möchtest und die Person zu lieben, die du möchtest. Nicht mich, nur weil... er sich geschäftliche Vorteile daraus erhofft...«

Rey schwieg. Er schien nicht verärgert über meine Worte zu sein, sondern ernsthaft nachzudenken. Das war gut. Zumindest hatte ich also nichts gesagt, was ihn verärgert. Mich verärgerte es aus irgendeinem Grund nämlich trotzdem, wenn jemand negativ über meinen Vater sprach. Ich konnte die positiven Dinge, die er für mich tat, einfach nicht ausblenden.

»Dich... zu küssen... hat sich angefühlt, als würde ich... eine Wand küssen...«, sagte Rey schließlich schon fast atemlos.

Ich hoffte, dass meine Reaktion ihm nicht unangenehm war. Ich versuchte nämlich alles, um nicht ansatzweise negativ zu reagieren, während ich über seine überraschende Enthüllung nachdachte. Es waren nicht seine Worte, die dafür sorgten, dass mich die Erkenntnis traf, basierend auf einen Gedanken, den ich schon einmal verdrängt hatte, da ich so an meiner Vermutung gezweifelt hatte. Es war viel mehr sein Blick. Er wich nämlich meinen aus und schien unfassbar verunsichert.

Wahrscheinlich verunsicherte es ihn, da er nicht wusste, ob er einen Fehler gemacht hatte.

»Du... hast gar also wirklich kein Interesse an Mädchen?«, fragte ich vorsichtig.

Er antwortete nicht, verneinte es aber auch nicht oder sah mich an. Das reichte mir als Antwort. Der Gedanke, der sich mir damals im Café eingeschlichen hatte, stimmte also. Rey schien dem männlichen Geschlecht irgendwie immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Doch daran allein hatte ich es einfach nicht fest machen wollen. Daran konnte man es einfach nicht fest machen.

»Und dein Vater weiß es...«, sagte ich. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

Rey schnaubte bitter. »Deshalb bist du hier. Wenn jemand mich reparieren kann, dann ein so hübsches Mädchen wie du. Dir könnte ich doch nur schwer widerstehen. Und ich hab es versucht, ich wollte sehen, ob ich irgendetwas fühle, aber...«

»Du fühlst etwas. Und du musst dich nicht zwingen etwas anderes zu fühlen, nur weil dein Umfeld so eine verkehrte Wahrnehmung hat«, unterbrach ich ihn und setzte mich leicht auf.

»Du bist eine der wenigen aus unseren Kreisen, die so denkt«, sagte Rey. Er sah mich immer noch skeptisch an, weshalb ich mich nun ganz zu ihm umwandte.

»Ich mag Jungs und ich mag Mädchen«, sagte ich klar. »Für mich gibt es keinen Unterschied. Du solltest nicht in so einer beschissenen Situation stecken.«

»Und was ist mit dir?«, fragte Rey mich skeptisch, jedoch schien er erleichtert zu sein. »Du bist in meinem Namen wütend, aber du steckst doch in derselben Situation. Wieso akzeptierst du es bei dir?«

Weil ich keine Wahl hatte... und doch hatte ich es nicht akzeptieren wollen... Nur wusste ich nicht, wie ich es ihm genau erklären sollte. Es war zu kompliziert.

»Ich habe es nicht ganz akzeptiert«, versuchte ich es irgendwie in Worte zu fassen. »Ich habe im Gegensatz zu dir nur keine Zukunft.«

»Dein Dad sagte, dass deine Werte sehr gut seien und du mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Zeit hast«, meinte Rey. »Du solltest also nicht das Handtuch werfen.«

Glaubte er dies wirklich? Oder hatte er dies nur behauptet, um diesen Deal aushandeln zu können? Moms Zustand hatte sich auch plötzlich verschlechtert. Gerade er sollte wissen, dass die Prognose bereits sehr optimistisch war. Jeden Tag könnte es mir plötzlich so schlecht gehen wie ihr. Deshalb hörte ich mittlerweile auch kaum mehr zu, wenn die Ärzte mir von positiven Ergebnissen berichteten. Sie hatte auch positive Ergebnisse gehabt und es trotzdem nicht geschafft.

»Ich bin mir bereits sicher, dass ich nicht mehr lange habe«, sagte ich und ignorierte Reys genervten Blick. Dachte er wirklich, dass ein paar nette Worte meine Lebensfreude entfachen und mich mit positiver Energie füllen würden? »Es ist also im Grunde egal. Ich habe nicht mehr genug Zeit um mich zu verlieben und eine echte Beziehung darauf aufzubauen. Aber du kannst es. Was du fühlst, solltest du ausleben.«

»Ich darf es nicht«, sagte Rey seufzend. »Dass heißt aber nicht, dass ich es nicht mache.«

»Krieg ich Details?«

»Vergiss es.«

»Es ist trotzdem gut, dass du es tust«, sagte ich und sah ihn direkt an. »Ich kann dir dabei auch helfen. Ich kann einfach deine Dummy-Ehefrau spielen, solange ich noch da bin.«

»Dummy-Ehefrau?«, wiederholte Rey fragend.

Ich zuckte leicht mit den Schultern. »Ich meine, du hast bestimmt einen Grund, warum du nicht einfach abhaust und stattdessen gerade hier bist...«

»Den hab ich.«

»Und es wäre viel leichter, wenn er glaubt, dass du seinen Anweisungen folge leistest.«

»Indem wir auf diese geplante Beziehung eingehen?« Rey klang schon fast ungläubig, aber keineswegs abgeneigt.

»Genau. Ich kann praktisch dein Alibi sein.«

Er schwieg. Die Tatsache, dass er nicht sauer oder genervt wirkte, deutete ich als gutes Zeichen. Ich wusste wie es war, wenn man nicht man Selbst sein konnte und doch stellte ich es mir für ihn viel schlimmer vor. Er konnte sein Leben praktisch nicht leben, obwohl er eins hatte. Ich selbst war jetzt schon für jede Möglichkeit dankbar, in der ich das tun konnte, was ich wollte. Und obwohl ich Rey nicht wirklich nahe stand und nicht wirklich vorher gut auf ihn zu sprechen war, verdiente er es sein Leben so zu leben, wie er es wollte.

»Was springt für dich bei heraus?« Er klang argwöhnisch. Fast so als ob er versteckte Intentionen vermutete.

»Glaub mir, ich habe keine wirklichen Hintergedanken. Ich würde dadurch auch etwas Freiheit bekommen und mein Dad wäre zufrieden«, sagte ich.

»Unsere Väter denken also, dass wir beieinander sind, obwohl wir beide woanders sind...«

»Ganz genau.«

»Das könnte schief gehen.«

»Nicht, wenn wir auch wirklich eine Beziehung vorspielen. Wir tun genau das, was sie wollen. Woher wollen sie wissen, ob es gespielt ist, wenn wir eigentlich nur das machen, was sie wollen?«

Reys Blick wanderte zur Tür und blieb darauf ruhen. Ich wusste sofort, was er dachte. Sie würden uns genau beobachten. Vielleicht machten sie es sogar jetzt schon, was doch ziemlich abartig wäre. Wir mussten also strengere Geschütze ausfahren.

»Wir könnten einen Porno anmachen«, schlug ich fuhr.

In Reys Gesicht bildeten sich mehrere Schweißtropfen. »Vergiss es.«

»Ich könnte stöhnen.« Okay, zugegeben, jetzt wollte ich ihn eher ärgern, da ich bemerkte, dass er gerade alles hinterfragte und ihn damit aus der Reserve locken.

Er sah mich fast schon entsetzt an. »Nein! Was ist los mit dir? Du bist viel zu jung, um überhaupt an solche Dinge zu denken.«

»Ironisch, oder? Ich bin trotzdem in dieser Situation gelandet.«

Er presste die Lippen zusammen und lehnte sich zurück ins Kissen. Erst beobachtete ich ihn, bevor ich es ihm einfach gleich tat. Es war komisch. Ich vertraute ihm. Schließlich hatte er direkt zu Anfang klargestellt, dass er mir nichts tun würde. Es lag nicht einmal daran, dass er kein Interesse an dem weiblichen Geschlecht hatte.

Ob sowas öfter passierte? Ich wusste zwar, dass es arrangierte Ehen gab, doch das... Mit diesem Hintergrund. Es war ein Taboothema. Etwas, was es in unseren Kreisen nicht gab. Es existierte nicht. Mein Interesse an Mädchen hatte ich so in den Kreisen meiner Familie nie ausgedrückt, einfach, weil es ein Teil von mir war und ich gerade dann nicht Ich sein durfte und eine bestimmte Rolle spielen musste. Die Tatsache, dass ich mich in Karma verliebt hatte, machte dies zumindest leichter. Aber was war mit denen, die dieses Glück sozusagen nicht hatten? Daran hatte ich nie gedacht.

»Gibt es sonst noch welche, die sich... nie geoutet haben und in solche Beziehungen gezwungen wurden?«, fragte ich leise.

»Wer weiß«, sagte Rey und atmete hörbar aus. »Die meisten behalten es eher für sich. Kennst du Mina, die Tochter der Kiribishis?«

»Die mit einem sehr viel älteren Mann durchgebrannt ist?« Ich erinnerte mich nur daran, weil meine Tante ja unbedingt diesen Tratsch ebenfalls beim Abendessen an uns hatte weitergeben müssen.

Rey schnaubte. »Sie ist mit ihrer Freundin abgehauen. Aber ihre Eltern mussten die ganze Wahrheit ja irgendwie verstecken.«

»Moment, ernsthaft?«

Ich sah das junge, hübsche Mädchen mit den sehr langen braunen Haaren praktisch vor meinem inneren Auge. Eine Begegnung mit ihr hatte sich praktisch in meinen Erinnerungen eingebrannt und jetzt dämmerte es mir langsam. Mit geweiteten Augen setzte ich mich auf.

»Es war klar, dass ihre Lüge zu bescheuerten Gerüchten eskalieren würde, a... alles okay?«, unterbrach Rey seinen eigenen Satz.

Fast schon mechanisch sah ich in seine Richtung. Er sah nicht besorgt aus, eher so, als würde meine Reaktion ihn ein wenig beunruhigen. »Ich bin mir gerade nicht sicher, ob sie nicht doch damals auf einer Veranstaltung mit mir geflirtet hat.«

Zu meiner Überraschung zuckten seine Lippen leicht nach oben. »Das hat sie.«

»Also habe ich es mir wirklich nicht eingebildet!«

»Sie wollte dich aber mehr oder weniger nur flachlegen.«

Ich ließ mich zurück ins Kissen fallen. Das war ja noch frustrierender. Das hätte meine erste richtige Erfahrung werden können...

»Ich hätte mich von ihr sowas von flachlegen lassen...«, murmelte ich.

Ein Schweißtropfen bildete sich auf Reys Stirn. »Langsam mach ich mir doch Sorgen um dich...«

»Ach, komm. Sag mir jetzt bloß nicht, dass du in meinem Alter nicht sehr neugierig warst.«

Rey antwortete nicht, sondern atmete nur hörbar aus. Wieder legte sich eine Stille über uns, doch dieses Mal war sie sogar sehr angenehm. Wer hätte das gedacht...? Ich hatte mich in Rey wirklich getäuscht. Die Tatsache, dass er dem männlichen Geschlecht mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war mir zwar aufgefallen, doch ich hatte es schließlich auf seine verurteilenden Eigenschaft geschoben. Ich hätte nicht gedacht, dass es eigentlich wirklich diesen Grund hatte und doch war ich sehr froh, es jetzt zu wissen. Ich würde ihm nun definitiv etwas offener begegnen.

»Du meintest das also ernst«, unterbrach Rey die Stille. »Du bist wirklich bi.«

»Jep. Das weibliche Geschlecht kann einfach viel zu attraktiv sein«, antwortete ich leicht scherzend.

»Dem kann ich nicht wirklich zustimmen.«

»Aber wenn du... eigentlich nicht so schlimm, oberflächlich und geprägt von Vorurteilen bist... Warum genau hast du dich immer so... aufgeführt? Ich meine, vielleicht bist du doch materialistisch, aber so schlimm wirkst du eigentlich nicht.«

Rey verzog das Gesicht. »Versuch mal dafür zu sorgen, dass sich das andere Geschlecht in dich verliebt, obwohl du selbst kein Interesse daran hast.«

»Du dachtest, dass ich mich so in dich verlieben würde?«, fragte ich leicht entsetzt.

»Es sind die Werte, die die meisten in unseren Kreisen besonders für ihre Töchter suchen.«

»Ein Arschloch sein?«

»Geld, Erfolg, eine Zukunft«, sagte Rey nun nachdrücklich. »Bei Jungs ist es viel leichter. Ich hatte einfach keine Ahnung, was ich machen sollte oder wie du tickst.«

»Versuch bei mir einfach du selbst zu sein«, sagte ich. Ich wusste, dass es nicht so einfach war, aber ich wollte ihm dies nicht sagen, sondern ihn einfach ermutigen. Diese Version von ihm war einfach deutlich angenehmer als die, mit der ich mich vorher herumschlagen musste. Er hatte sogar Eigenschaften, die ich mochte.

Unglaublich und einfach unerwartet. Vor einer Woche hätte ich mich noch selbst bei dem bloßen Gedanken, dass dies möglich sein könnte, ausgelacht.

»Du auch«, sagte Rey. »Ich... Keine Ahnung. Ich kann dir helfen, falls irgendetwas sein sollte. Irgendwie stecken wir ja im selben Boot...«

Es mochte komisch klingen, aber in dem Moment hatte ich nicht einmal in Betracht gezogen, dass dieses Boot sinken könnte. Ich hatte nicht daran gedacht, auf was wir alles achten mussten und welche Konsequenzen es geben könnte.

Ich war einfach nur froh, dass diese Nacht komplett anders verlaufen war als befürchtet und ich zum ersten Mal einen Partner in dieser beschissenen Situation gefunden hatte.
.

Seufzend ließ ich mich am nächsten Tag auf mein Bett fallen und schloss erschöpft die Augen. Rey hatte mich nach Hause gefahren, nachdem sein Vater am Morgen einige anzügliche Kommentare von sich gegeben hatte. Es war widerlich und löste in mir das Gefühl aus Duschen zu müssen. Aber solange er und mein Vater zufrieden waren, konnten sie denken was sie wollten. Rey sah es jedoch nicht so und hatte auf der Autofahrt sehr düster dreingeblickt.

»Wenn ich nur genug Geld für mein Studium und meine Zukunft hätte...«, hatte er vor sich hin geklagt. »Dann würde ich nicht in dieser beschissenen Situation stecken.«

»Ich bin gern eine beschissene Situation«, war meine Antwort gewesen.

Sie hatte mir einen genervten Blick eingebracht, aber wenn ich ehrlich war, wollte ich ihn eigentlich damit nur erheitern. Selbst in diesem Punkt war er wie ich. Wenn er nicht das machte, was sein Vater wollte, würde dieser ihm die finanziellen Mittel, auf die er so angewiesen war, streichen. Bei mir war es nicht anders. Und doch wollte ich meinen Vater trotzdem irgendwie stolz machen. Vielleicht war das der Unterschied, wieso Rey nicht einfach loslassen konnte.

Auf jeden Fall war ich nun zu Hause und direkt in einen lautstarken Streit geplatzt. Ich hatte nicht richtig hingehört, jedoch schien es um Raikos Freund zu gehen. Vielleicht hatte meine Tante Wind davon bekommen, dass sie immer noch zusammen waren. Egal, was es war, es war mir egal. Ich wollte momentan von niemandem etwas hören. Das war bei der Lautstärke aber leider sehr schwierig... Ai hatte sich nämlich auch mittlerweile eingemischt, wobei sie jedoch nur unverständliches kreischte oder die Wörter ihrer Mutter wiederholte, als würde sie Raiko ebenfalls erziehen müssen.

Mein Handy vibrierte. Dankbar über diese Ablenkung griff ich danach und stellte fest, dass es unsere Klassengruppe vor. Ich ignorierte das enttäuschte Gefühl so gut es ging und verfluchte diesen bescheuerten Sadisten, der mir den Kopf verdreht hatte. Hatte ich ernsthaft jetzt schon die Hoffnung gehabt, dass er mich zu sich zitieren würde?

[12:52] Nakamura: Wie sind eure Sommerferien soweit?

Kurz überlegte ich, ob ich antworten sollte. Doch ich hatte nichts positives zu sagen. Eigentlich konnte ich sogar nichts sagen... Meine Familie war einfach nichts, wovon die Öffentlichkeit jemals erfahren sollte oder durfte. Es war gut, dass Rey nun sozusagen kein Problem mehr sein würde, aber die Thematik, was man von mir erwartete und warum es deutlich komplizierter war, als ich es erklären konnte, sollte ebenfalls niemand jemals erfahren. Einzig Karmas Reaktion darauf würde mich interessieren. Ein Teil von mir hoffte nämlich, dass er eifersüchtig werden würde. Das würde zumindest heißen, dass er mich wenigstens etwas mochte. Mir war jedoch bewusst, dass es nur Wunschdenken war. Er hatte mir geholfen und das wars. Bevor ich gegangen war, war er mehr oder weniger wieder distanzierter gewesen und wir hatten uns wieder in die Haare gekriegt. Nein, es war einfach keine Option alles zu riskieren, nur weil mein verliebtes Gehirn nach Anzeichen suchte, um mein Herz irgendwie zu beruhigen.

Es würde nicht gut ausgehen. Weder für mein Herz, noch für meine restliche Lebenszeit. Ich sollte sie genießen und jetzt konnte ich dies leichter tun.

[12:53] Okano: Mir ist total langweilig. Ist es komisch, dass ich die Schule vermisse?

[12:53] Kataoka: Geht mir genauso.

[12:54] Maehara: Es ist komisch. Also ich genieße die freie Zeit

[12:55] Sugaya: Ich würde sehr gern wissen, wie viele Mädchen du bereits aufgerissen hast

[12:56] Maehara: Ein Mann genießt und schweigt. Und ich genieße es wirklich...

[12:56] Okajima: ACH KOMM SCHON GIB UNS DETAILS!

[12:57] Takebayashi: Uns diese Informationen vorzuenthalten wäre unehrenhaft.

[12:57] Nakamura: Euch Jungs ist nicht mehr zu helfen

[12:58] Kataoka: Beredet solche Dinge in einem anderen Chat.

[12:58] Okano: Du bist so widerlich, Maehara.

[12:59] Maehara: WARUM NUR ICH?! ICH HABE DOCH NICHT EINMAL WIRKLICH ETWAS GESAGT

[13:00] Ich: Um die ganze Situation etwas zu beschwichtigen, lasst uns doch einfach das Thema wieder ändern. Also ich vermisse die Schule auch

[13:01] Karma: Das überrascht wirklich absolut niemand, Eiskönigin.

[13:01] Maehara: Ich muss Karma da leider recht geben

[13:02] Sugino: Jeder weiß, wie sehr du die Schule liebst. Können wir nicht wenigstens in den Ferien über etwas anderes als die Schule sprechen?

[13:03] Ich: Schreiben wir nicht gerade?

[13:03] Karma: Streberin.

[13:04] Yada: Ihr Jungs könnt auch wirklich keine normale Unterhaltung führen

[13:05] Hayami: Aber echt jetzt

[13:05] Nakamura: Warum musst du Naoko eigentlich immer provozieren, Karma?

[13:06] Karma: Langeweile

[13:06] Ich: Ich mache sein erbärmliches Leben einfach interessanter.

[13:06] Karma: Du bist so verdammt nervig.

[13:07] Terasaka: Da hat sie es dir echt gegeben, Volltrottel.

[13:07] Karma: Naokos Fanclub ist soeben eingetroffen.

[13:08] Terasaka: Willst du Probleme?!

[13:09] Karma: Mir ist sowieso langweilig, also wieso nicht

[13:10] Isogai: Beruhigt euch, bitte.

[13:11] Fuwa: Bewahrt eure Mordlust für den Oktopus.

[13:12] Nakamura: ICH WOLLTE NUR WISSEN, WIE EURE FERIEN SIND, VERDAMMT

[13:13] Kayano: Also mir ist eher langweilig. Vielleicht können wir ja alle zusammen etwas unternehmen?

[13:13] Kurahashi: OH, JA!

[13:14] Okano: Das wäre bestimmt lustig, wenn wir etwas unternehmen, dass nichts mit Koro-Sensei oder dem Training zu tun hat

[13:14] Nakamura: Genau das wäre meine nächste Frage gewesen. Was hält ihr von Camping?

Ich setzte mich sofort auf, da ich augenblicklich die Aufregung in meinem Körper spürte. Camping... Das wollte ich schon immer mal machen, jedoch hatte ich verständlicherweise nie Freunde dafür gehabt. Es stand aber auf meiner Liste von Dingen, die ich gern machen würde bevor ich starb, ganz oben.

Und jetzt hatte ich endlich die Möglichkeit dazu...

[13:15] Ich: JA! JA! ABSOLUT. ICH WÄRE DABEI!

[13:15] Maehara: Was ist denn jetzt los...

[13:15] Sugino: Hat jemand Naokos Handy geklaut?

[13:16] Kurahashi: CAMPING! OH JA BITTE! Dann kann ich neue Käfer entdecken!

[13:16] Yada: Das ist wirklich eine tolle Idee. Ich wäre auch dabei. Wir könnten es für die kommende Woche planen.

[13:16] Nakamura: SUPER!

[13:17] Takebayashi: Frauen stehen wohl auf Campen...

[13:17] Okajima: Hättest du das nicht wissen müssen, Maehara? Du bist doch der Frauenexperte

[13:18] Maehara: Das hat bis jetzt noch keine erwähnt!

[13:18] Ich: Weißt du eigentlich überhaupt etwas von den Mädchen, die du aufreißt?

[13:19] Nakamura: Ich bezweifle es so sehr.

[13:19] Okano: Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er sich ihre Namen merkt

[13:20] Maehara: Hey, das stimmt doch gar nicht! Was für eine Unterstellung!

[13:20] Isogai: Um ehrlich zu sein glaube  ich sogar, dass die Mädchen recht haben

[13:21] Maehara: Isogai, du Verräter!

[13:21] Okajima: Wechselst du einfach die Seiten?!

[13:21] Sugaya: Mit diesem Verrat hätte ich nicht gerechnet...

[13:22] Takebayashi: Ich erkenne nun, warum er bei den Mädchen so beliebt ist

[13:22] Yoshida: Indem er seinen eigenen Brüder in den Rücken fällt...

[13:22] Kimura: Sind wir jetzt eine Sekte oder was?!

[13:23] Karma: Vielleicht sollten wir es uns nochmal genau überlegen, ob Isogai wirklich der richtige ist, um uns anzuführen.

[13:23] Okajima: Genau!

[13:23] Maehara: Ich stimme Karma zu!

[13:24] Muramatsu: Nieder mit dem Anführer!

[13:24] Nagisa: Plötzlich bildet sich eine Revolte, die den eigentlich einst beliebten Klassensprecher stürzen will!

[13:24] Isogai: Ich bin doch nur der Klassensprecher, Leute und so war das nicht gemeint! Beruhigt euch!

[13:25] Ich: Hey, lasst Isogai in Ruhe!

[13:25] Kurahashi: Wir lassen nicht zu, dass ihr ihn stürzt!

[13:25] Nakamura: Genau. Das könnt ihr Vollidioten euch abschminken.

[13:25] Kataoka: Eine erneute Wahl könnt ihr sowieso nicht erzwingen.

[13:26] Kayano: Wenn ihr Isogai stürzen wollt, müsst ihr erst an uns vorbei!

[13:26] Nagisa: Der Klassensprecher bekommt überraschend Unterstützung von einem Verteidigungstrupp!

[13:27] Nakamura: Wenn es sein muss, kämpfen wir auch!

[13:27] Okajima: Es ist so unfair. Warum ist er so beliebt und ich nicht?!

[13:28] Hayami: Das fragst du dich doch nicht ernsthaft.

[13:28] Okano: Isogai ist der einzig vernünftige hier. Also könnt ihr eure Pläne vergessen. Wir kämpfen für ihn.

[13:28] Ich: Lang lebe Klassensprecher Isogai!

[13:28] Isogai: LEUTE, BERUHIGT EUCH, WAS IST HIER PLÖTZLICH LOS?!

Es sollte niemanden überraschen, dass wir an diesem Tag keine Campingpläne mehr besprochen hatten. Stattdessen hatten wir Mädchen uns zusammen getan, um Isogais Ehre zu verteidigen und auch Karma, der die Revolte gestartet und dann versucht hatte unbemerkt abzutauchen, kam nicht ungeschoren davon.

Dieses ganze Gespräch und unsere zukünftigen Pläne hatten mich wirklich sehr glücklich gemacht, obwohl ich nicht einmal genau sagen konnte warum. Ich war einfach nur erleichtert. Am Ende fühlte es sich so an, als wäre mir eine Last von den Schultern gefallen.

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