37. Verkupplungsversuche
Hola!
Ich freue mich wirklich, dass es weitergehen kann :'D. Das nächste Kapitel sollte auch ziemlich schnell kommen.
I'm so at ease and relaxed wie schon lange nicht mehr, so my mojo is flowing. Ich habe endlich mehr Zeit zum Schreiben.
Anyways, genug von mir!
Viel Spaß beim Lesen!
.
»Ich sage euch, Karma hat diesem Auftragskiller in die Augen geschaut«, sagte Fuwa aufgeregt. »Koro-Sensei meinte, dass er endlich gelernt habe seine Gegner nicht zu unterschätzen und seine Mitmenschen als ebenbürtig zu sehen.«
Yada hatte mich in Nakamuras Zimmer geschleppt, die sich mittlerweile wieder erholt hatte. Wie sich herausgestellt hatte, steckte unser ehemaliger Lehrer Takaoka hinter dem Giftangriff, um sich an Nagisa zu rächen. Auch seinen Kampf hatten uns die Mädchen genau geschildert. Es fühlte sich aber nicht danach an, als wäre es wirklich Nagisa, so wie ich ihn kannte, in dieser Geschichte, dennoch überraschte es mich nicht. Nachdem ich ihn hin und wieder beim Training beobachtet hatte, war mir aufgefallen, dass hinter ihm mehr steckte als man denken mochte. Da überraschte es mich eher, dass Karma scheinbar seine freche Überheblichkeit fallen gelassen hatte. Das passte nicht zu ihm, obwohl ich nach den Prüfungen schon einen kleinen Unterschied in seinem Verhalten bemerkt hatte.
Aus irgendeinem Grund hatte er mich nämlich öfter angefahren als erwartet. Hieß es, dass es seine Art war mich als ebenbürtig zu sehen? Irgendwie bezweifelte ich es. Es war fast so, als löste ich immer etwas anderes in Karma aus.
Ich seufzte und legte mich der Länge nach auf dem riesigen Bett des Luxushotels hin. Yada warf mir einen kurzen amüsierten Blick zu.
»Ihr hattet defintiv mehr Spaß als wir«, maulte Nakamura, die sich gerade anzog. Es war der letzte Tag und Koro-Sensei hatte angekündigt, dass er ihn mit uns allen verbringen wollte. Das konnte nur schief gehen. »Ich verstehe echt nicht, wieso du freiwillig zurückgeblieben bist, Naoko.«
»Ich wollte sicherstellen, dass ihr wirklich nicht abkratzt«, sagte ich abwinkend. »Ihr könnt mir später dafür danken.«
»Awww, du sorgst dich um uns! Wie süß!«
»Das war deine Schlussfolgerung«, sagte ich. »Nach deiner Logik, sorgen wir uns dementsprechend alle umeinander. Aber jetzt mal etwas anderes, was ist diese Mutprobe, die Koro-Sensei mit uns machen möchte?«
»Naja... Er will sich mit uns vor einer Höhle treffen«, antwortete Yada nachdenklich.
»Also hat es bestimmt etwas mit Dunkelheit zu tun!«, sagte Fuwa laut.
Ich setzte mich schlagartig auf und sah die drei entsetzt an, was jedoch nur Yada bemerkte. Wieder eine Aktivität, an der ich absolut nicht teilnehmen konnte. Ich brauchte nur eine gute Ausrede. Die Tatsache, dass Karma jede Erklärung sowieso nicht akzeptieren würde, machte das ganze für mich leichter. Was ich auch sagte, er würde sowieso einen seiner provozierenden Sprüche reißen und es so darstellen, als wollte ich mich wieder nur rausreden.
.
»Sie wollten uns Angst einjagen, damit wir uns ineinander verlieben und Pärchen bilden?«, fragte Maehara, nachdem alle wieder aus der Höhle heraus gekommen waren. Koro-Sensei hatte ernsthaft versucht sie zu erschrecken und sich dadurch selbst erschrocken.
Es war schon fast etwas bemitleidenswert gewesen seine Schreie zu hören, die bis nach draußen gehallt waren. Tatsächlich hatte unser Lehrer sich vorher vehemmt geweigert, mich aus der Mutprobe freizustellen, obwohl ich meinen Kreislauf als Grund genannt hatte. Es war Yada gewesen, die ihn darauf hinwies, dass er meine Gesundheit als mein Klassenlehrer nicht vernachlässigen durfte. Tatsächlich hatte es gewirkt und dafür war ich ihr unfassbar dankbar. Diese lief auch jetzt auf mich zu, da ich am Rand saß, wo ich auf sie gewartet hatte, während meine Klassenkameraden unseren Lehrer zur Rede stellten.
»Wie können Sie als Lehrer nur so verdorben sein und in die Privatsphäre anderer Menschen eingreifen?«, wollte Nakamura genervt wissen.
»Wer hätte gedacht, dass es eine Verkupplungsaktion war«, sagte Yada zu mir und ließ sich neben mir nieder. »Er kann es einfach nicht lassen.«
»Die Frage ist nur, wieso er so unbedingt wollte, dass ich mitmache und gerade Terasaka als meinen ursprünglichen Partner ausgesucht hat«, sagte ich mit einem Schweißtropfen auf der Stirn.
Wenn es eine Verkupplungsaktion war, hatte Koro-Sensei defintiv seine eigenen Fantasien miteinfließen lassen. Terasaka und ich passten in keinem einzigen Punkt zusammen. Karma hatte er wiederum mit Okuda gepaart... Was bei mir gerade tatsächlich etwas Eifersucht auslöste. Warum genau sah Koro-Sensei die beiden als mögliches Pärchen? Eigentlich sollte ich mir da nicht viele Gedanken machen, da er bei mir auch absolut falsch gelegen hatte, doch es störte mich irgendwie trotzdem.
»Bei einigen Paaren scheint er sich defintiv Gedanken gemacht zu haben«, sagte Yada auch noch und beunruhigte mich damit unbewusst noch mehr.
Eigentlich hatte ich kein Anrecht auf ihm und wir hatten sowieso keine Zukunft zusammen. Es war also wieder mal mein bescheuertes Wunschdenken, das ich einfach nicht in den Griff bekam. Daran musste ich immer noch arbeiten.
»Nagisa und Kayano verstehe ich ja noch, aber Nakamura und Sugaya oder Karma und Okuda?«, fragte ich, wobei ich absichtlich die anderen Beispiele miteinbaute, damit sie meine eigentlichen Gedanken nicht erriet.
Yada überlegte kurz. »Ich verstehe, was du meinst«, sagte sie. »Wobei Karma und Okuda sich schon zu verstehen scheinen. Sie meinten mal beide, dass sie die Anwesenheit des jeweils anderen angenehm finden. Außerdem ärgert Karma sie nicht, also denke ich, dass er rücksichtsvoll mit ihr umgeht.«
Ja, das machte meine Eifersucht nur schlimmer. Düster betrachtete ich Okuda von meiner Position aus und musste mich wirklich zusammenreißen, um mich nicht gedanklich irgendwie zu bestärken. Aber ernsthaft, ich hatte gar keine Ahnung, inwiefern die beiden zusammenpassten oder was Karma genau an ihr finden würde. Wieso genau war er rücksichtsvoll ihr gegenüber, obwohl er eigentlich so ein großer Vollidiot zu allen war? Mein Leben schien er mir gern zur Hölle zu machen...
Ich wusste um ehrlich zu sein nicht, was ich auf Yadas Aussage erwidern sollte. Daher war ich schon fast froh, als sich eine Gruppe, bestehend aus Karma, Nakamura, und Maehara von der restlichen Klasse löste, die plötzlich unfassbar aufgeregt zu sein schien. Sie liefen auf uns zu und sahen uns fast schon erwartungsvoll an, was ich mit einem fragenden Blick quittierte.
»Ach, komm, Naoko! Rede dich jetzt nicht raus!«, sagte Nakamura, als hätte ich gerade eine unausgesprochene Frage beantwortet.
»Ich habe keine Ahnung, was los ist«, gestand ich, was Yada lachen ließ.
»Wir wollen Bitch-sensei und Karasuma verkuppeln«, sagte Maehara. »Seid ihr dabei?«
So viel zu Koro-Senseis Verdorbenheit... Sie schienen darüber noch begeisterter zu sein als er...
»Ich halte nicht viel von sowas«, sagte ich ehrlich.
»Ach, komm, sei keine Spielverderberin! Du hast doch schon bei der Mutprobe nicht mitgemacht«, maulta Nakamura etwas.
»Zum Glück. Denn es war schließlich nur eine Verkupplungsaktion«, wies ich sie darauf hin. »Außerdem, mit Terasaka in dieser Höhle? Nein, danke. Das hätte mein schwaches Herz nicht ertragen.«
Aus irgendeinem Grund ließ dies Maehara, Yada und Nakamura lachen, obwohl es nicht als Scherz gemeint war. Nur Karma grinste lediglich provokant.
»Ach, komm«, sagte er. »Du kannst doch dem armen Terasaka keinen Korb geben.«
»Naturlich nicht. Aber immerhin gehört er bereits dir. Ich werde ihn dir nicht ausspannen.«
Diese Aussage schien ihn minimal zu ärgern, aber er blieb überraschend entspannt. Maehara wiederum verschränkte lässig die Arme hinter den Kopf.
»Wer wäre eigentlich sonst dein Typ?«, wollte dieser wissen. »Wem in der Klasse würdest du eine Chance geben?«
»Definitiv nicht dir«, säuselte Nakamura amüsiert.
»Das meinte ich damit auch nicht. Es interessiert mich wirklich.«
Karma. Das wäre eigentlich meine Antwort gewesen, aber auch mein Untergang. Von meiner Schwäche für ihn sollte er niemals erfahren. Wer wusste schon, was er dann mit dieser Information machte und vor allem, wie sehr er mich damit verletzen würde, wenn er sie gegen mich verwendete. Das würde er defintiv machen. Also überlegte ich kurz, wem ich sonst noch eine Chance geben würde oder eben, wen ich sonst noch interessant fand. Äußerlich und vom Charakter her fiel mir da nur eine Person ein...
»Yada«, sagte ich und warf dieser einen kurzen Blick zu.
Ihr Mund klappte leicht auf und eine sanfte Röte bildete sich auf ihren Wangen. Die überraschten Gesichter der anderen nahm ich nicht einmal wahr und so fuhr ich einfach fort.
»Du wärst mein Typ, aber keine Sorge, ich bin nicht verknallt. Momentan ist mein Leben auch sowieso zu hektisch für so etwas.«
»MOMENT!«, rief Nakamura viel zu laut. »Heißt das, du stehst auf Mädchen?«
»Auch, ja. Ich setze mich da nicht wirklich fest«, sagte ich etwas überrumpelt von ihrer Reaktion.
»Das wusste ich ja gar nicht«, sagte Maehara ebenfalls verdattert.
Einerseits wollte ich nachfragen, wieso sie so reagierten, andererseits wusste ich nicht, ob die Antwort so positiv sein würde. Ich wollte keine unnötige Diskussion beginnen. Daher war ich etwas froh, als Karma, der nun gelangweilt wirkte, das Wort ergriff.
»Wisst ihr überhaupt etwas über sie?«, fragte er.
Ein Schweißtropfen bildete sich jeweils auf Nakamuras und Maeharas Stirn. Das war tatsächlich ein guter Einwand und so musste ich leicht lächeln, bevor ich mich erhob. Sie wussten kaum etwas über mich.
Und ich wollte auch, dass es so blieb.
»Jedenfalls mische ich mich nicht gern in das Privatleben anderer ein und schon gar nicht in das meiner Lehrer«, sagte ich und streckte mich kurz. »Ich weiß Privatsphäre selbst sehr zu schätzen.«
»Ach komm schon, das wird lustig«, sagte Nakamura, die sich jetzt etwas gefangen hatte.
Ich schüttelte den Kopf. »Was ich selbst nicht gern möchte, würde ich bei anderen auch nicht machen. Aber euch viel Glück bei eurer Mission. Ich gehe zurück ins Hotel und organisiere mir etwas zu essen. Leider habe ich das Frühstück verschlafen.«
»Aber dafür bin ich dabei«, sagte Yada und erhob sich nun ebenfalls. Sie lächelte mich kurz entschuldigend an. »Bitch-sensei steht sowas von auf Karasuma. Das lasse ich mir nicht entgehen.«
»Was ist mit dir Karma?«, fragte Maehara diesen.
»Das Liebesleben unserer Lehrer interessiert mich nicht wirklich«, sagte er. »Also werde ich mich eher Naoko anschließen.«
Die kleinen Naomis in meinen Kopf rasteten praktisch aus und strahlten wie Regenbögen, doch äußerlich blieb ich ruhig. Er verbrachte Zeit mit mir... Irgendwie... Aber immerhin kam er freiwillig mit.
»Spielverderber«, sagte Nakamura kopfschüttelnd.
»War doch bei den beiden irgendwie abzusehen«, meinte Maehara amüsiert. »Lasst uns zu den anderen gehen, sonst verpassen wir noch etwas.«
Nakamura murrte zwar noch, folgte ihm jedoch genauso wie die anderen, bis auf Karma, der mit mir zurück blieb. Ich war nicht nur froh darüber, selbst die Stille, während wir zusammen zurück liefen, machte mir nichts aus. Auch wenn ich fieberhaft nach einem Thema suchte, das ich mit ihm beginnen konnte, einfach, weil ich mich mit ihm wirklich gern unterhalten wollte. Dafür war ich schließlich mit auf diese Reise gekommen.
»Du hast wirklich Schiss vor der Dunkelheit«, sagte er nach einigen stillen Momenten schließlich und ließ mich aufsehen. Es wirkte, als würde er eher mit sich selbst sprechen. Dennoch entschied ich mich, ihm zu antworten.
»Mein Kreislauf bricht zusammen, wenn ich erschreckt werde«, meinte ich.
Karma antwortete nicht sofort. Er schien nachzudenken. »Ich glaube dir kein Wort.«
»Oh, no. Schrecklich. Wie kann ich nur so weiterleben?«, sagte ich sarkastisch und lief stur weiter.
Es war klar gewesen, dass er mir nicht glauben würden. Gleichzeitig hatte er auch recht, doch das brauchte er wirklich nicht zu wissen. Es war der Schreck gepaart mit der Dunkelheit, die mein Kreislauf nicht mitmachte.
»Damit hast du dem armen Terasaka das Herz gebrochen«, sagte er spielerisch.
Ich verdrehte die Augen. »Als ob diese Pärchenbildung irgendwie eine Bedeutung hatte, außer, dass sie Koro-Senseis Fantasie entsprang.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte Karma und klang dabei tatsächlich eine Spur ernster. »Es wirkte auf mich, als hätte er die Paare seinen Beobachtungen entsprechend und bewusst zusammengestellt.«
Welche Beobachtungen könnten das in meinem Falle bitte sein?! Ich schüttelte den Kopf.
»Bezweifle ich. Terasaka kann mich nicht leiden und scheint ständig genervt von mir zu sein...«
»Sind wir das nicht irgendwie alle?«
Ich ignorierte seine Bemerkung, die mich seinem Tonfall nach zu urteilen nur nerven sollte, aber viel mehr anrichtete. Nur das wusste er nicht. »Und ich kann die Pärchen, die er gebildet hat, absolut nicht nachvollziehen. Die meisten jedenfalls.«
Mittlerweile steuerten wir das Hotel an und ich hoffte inständig, dass ich nicht nur Nahrung, sondern auch Nervennahrung in Form von Süßigkeiten auftreiben konnte. Ich brauchte sie gerade, einfach, weil ich sie liebte.
»Und welche kannst du nicht nachvollziehen?«, wollte Karma nicht mal wirklich interessiert wissen.
»Einige. Nakamura und Sugaya beispielsweise oder Okuda und du. Das alles wirkt auf mich zufällig ausgewählt«, sagte ich.
»Koro-Sensei hat wahrscheinlich beobachtet, dass ich mich gern mit Okuda unterhalte und wir uns verstehen. Also ist seine Einschätzung nicht falsch.«
Ich hatte immer gedacht, dass ich absolut nicht eifersüchtig werden würde, sollte ich mich verlieben. In den ganzen Filmen war es immer so überspitzt dargestellt worden, dass ich nur mit dem Kopf geschüttelt hatte und es für Unfug hielt. Jetzt bemerkte ich selbst, wie sehr es mich doch verletzte und eine unfassbare Frustration auslöste, wenn Karma wirklich jemand anderen mögen oder gar lieben könnte. Eigentlich sollte ich damit leben müssen. Schließlich hatten wir zwei sowieso keine Zukunft miteinander, einfach, weil ich generell keine Zukunft hatte, und doch tat es weh. Im ersten Moment musste ich mir sogar auf die Zunge beißen, um mir einen bissigen Kommentar zu verkneifen.
»Klingt ja fast so, als würdest du bereits eure Hochzeit planen«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Dann hatte er wohl bei euch beiden zumindest recht.«
»Eifersüchtig?«, wollte Karma in einem neckenden Ton wissen.
Ich schüttelte den Kopf. »Absolut nicht. Ich freue mich für dich und Okuda. Damit hast du defintiv den Jackpot gezogen.«
»Wieso klingst du dann so sarkastisch und herablassend?« Karma blieb stehen und ich tat es ihm gleich.
Klang es sarkastisch und herablassend? Das hatte ich nicht gewollt, auch wenn ich mich gedanklich gerade mit Okuda verglich. Ich wollte sie nicht runter machen, schließlich hatte sie nichts Falsches gemacht. Nein, das hätte sie wirklich nicht verdient, auch wenn ich sie nicht mochte. Ich konnte sie unter diesen Voraussetzungen einfach nicht mögen, aber ich wollte trotzdem möglichst fair bleiben. Zumindest so gut es ging...
»Okuda ist in vielen Punkten deutlich besser als du«, fuhr Karma fort, bevor ich antworten konnte. »Vor allem wenn es darum geht, mit anderen gut und angenehm umzugehen. Mit ihr kann man sich viel besser unterhalten und sie behandelt alle fair. Noch dazu ist sie nicht so falsch wie du. Also solltest gerade du nicht so herablassend über sie sprechen.«
»Ich war nicht herablassend«, sagte ich schneidend und musste mich nun wirklich zusammenreißen. Er hatte keine Ahnung. Also musste ich ruhig bleiben. Er konnte so schlecht von mir denken, wie er wollte. Es war eigentlich nicht die Wahrheit. So war ich nicht. Jedenfalls sagte ich es mir selbst, denn eigentlich wusste ich nicht einmal wie ich wirklich war. »Ich meinte damit, dass du den Jackpot gezogen hast, während man es von Okuda nicht behaupten kann. Die Arme tut mir wirklich leid, wenn sie sich zukünftig mit einem Idioten wie dir dauernd herumschlagen muss.«
Damit setzte ich mich wieder in Bewegung und wartete seine Antwort nicht einmal ab. Die Unterhaltung war für mich beendet. Ich musste mir seine unwissenden Aussagen nicht länger als notwendig anhören.
Als ich durch die Tür des Hotels in die Lobby trat, bemerkte ich erst, dass Karma mir weiterhin gefolgt war. Klar, weil wir eigentlich beide Hunger hatten, aber tatsächlich spürte ich keinen mehr. Dafür war ich viel zu aufgewühlt und außerdem lief ich Gefahr, dass Karma diese unnötige Unterhaltung wieder beginnen könnte. Also wandte ich mich stattdessen zum Aufzug und drückte auf den Knopf.
»Ich dachte, du wolltest essen?«, meldete sich Karma hinter mir zu Wort.
Ich konnte mir ein Schnauben nicht verkneifen.
»Kein Hunger«, sagte ich und trat in den Aufzug.
Bevor sich die Türen schlossen, sah ich noch den verständnislosen Blick meines Klassenkameraden.
»Du bist so nervig«, sagte er noch. »Ich werde dich wirklich nie verstehen.«
Das war kein Problem. Schließlich verstand ich mich selbst nicht und Karma war der letzte, von dem ich es erwarten würde.
.
Die Vergiftung mehrerer Klassenkameraden, nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf unseren Oktopus-Klassenlehrer, ein rachsüchtiger psychopatischer Lehrer, der von dem kleinsten Jungen in unserer Klasse besiegt worden war, die Tatsache, dass Takebayashi von meiner nicht vorhandenen Gesundheit wusste, einige Verkupplungsaktionen und ein Herz, das sich noch gebrochener anfühlte als vorher; das alles war für unsere Klasse wahrscheinlich ein ganz normaler Ausflug.
Was nicht normal war, war die Tatsache, dass mir tatsächlich danach nach Weinen zumute war. Etwas sehr ungewöhnliches für mich. Ich hatte quasi die restliche Zeit nur auf meinem Zimmer verbracht und darauf gewartet, dass wir wieder nach Hause fuhren - obwohl ich wusste, dass es mir dort nicht mal wirklich besser gehen würde. Das war sogar noch frustrierender.
Koro-Sensei hatte mir tatsächlich einen Besuch abgestattet und mich gefragt, wieso ich nicht Zeit mit den anderen verbrachte, die gerade sehr viel Spaß hätten. Es war Koro-Sensei, dementsprechend wusste ich, dass ich nicht lügen konnte. Er bemerkte sowas. Ihm musste man schlichtweg die Wahrheit sagen, ohne ihm die ganze Wahrheit zu sagen.
»Ich fühle mich nicht wohl«, hatte ich ihm gesagt. »Ich weiß nicht mal wirklich wieso, aber die Ruhe tut mir sehr gut.«
Es war die Wahrheit. Denn ich hatte keine Ahnung, warum mich Karmas Worte dieses Mal so getroffen hatten. In den letzten Wochen hatte ich mich vielleicht insgeheim doch etwas gehen lassen und seine Anwesenheit zu sehr genossen, obwohl ich wusste, dass es keine Zukunft für uns gab. Und daran hatte ich mich jetzt wieder erinnert.
Koro-Sensei hatte sich damit zufrieden gegeben, aber natürlich nicht ohne mir die Weisheit mitzugeben, dass jede Form des Kummers berechtigt sei und man sich deshalb niemals schämen brauche. Als Lehrer und Oktopus hatte er jedoch leicht reden. Ob er überhaupt eine Kindheit oder eine Jugend durchlebt hatte? Fakt ist, dass kaum jemand die Gefühle von Kindern und Jugendlichen wirklich ernst nahm. So kam es mir jedenfalls vor. Man erwartete von uns schlichtweg, dass wir funktionierten. Mein Vater hätte meine Erklärung dementsprechend niemals einfach hingenommen.
Schließlich akzeptierte er ja nicht einmal die Tatsache, dass ich mir aussuchen sollte, auf wen ich mich in romantischer Hinsicht überhaupt einließ. Denn bereits an dem Tag, an dem ich wieder zu Hause angekommen war, hatte ich die Nachricht erhalten, mich nach meinem Termin im Krankenhaus wieder mit Rey treffen zu müssen. Wir waren in ein Café gegangen, wo er mir von seinem Studium erzählt hatte. Dieses Mal hatte ich nicht einmal eine Frage gestellt, sondern es einfach hingenommen. Irgendwann war auch er verstummt und wir hatten einfach nur schweigend dort gesessen. In diesem Moment hatte ich zum ersten Mal bemerkt, dass Rey auch nicht hier sein wollte. Er versuchte es, zwang sich vielleicht sogar dazu, aber es funktionierte nicht.
Uns würde wahrscheinlich nie etwas verbinden.
Als ich am Abend wieder zu Hause war, hatte ich auch das Abendessen über mich ergehen lassen. Trotz Ais lautem Schmatzen und ihre nicht vorhandenen Manieren und der Tatsache, dass meine Tante sie so laut und oft ermahnte, dass sie bereits rote Flecken im Gesicht bekommen hatte, waren Raiko, mein Onkel und ich ebenfalls still geblieben.
Ich war wieder zu Hause, auch wenn es niemals mein zu Hause sein würde. Aber ich steckte wieder in diesem System fest und ich würde vermutlich niemals ausbrechen können.
In diesem Moment dachte ich, dass es nicht schlimmer werden könnte. Oh, wie sehr ich mich doch geirrt hatte.
»Sag du doch auch mal etwas!«, verlangte meine Tante von ihrem Mann, der schweigend gekaut hatte und so aussah, als wäre er lieber woanders und nicht hier.
»Was soll ich denn sagen?«, fragte er lustlos. »Sie ist widerlich und hört auf niemandem.«
Ai hielt inne, die Hand immer noch in ihrem Teller und sah ihren Vater mit offenem Mund an. Erstaunlicherweise fing ihr Gesicht nun an sich rot zu färben. Normalerweise ignorierte sie nämlich die Bemerkungen größtenteils, doch es war das erste Mal, dass auch ihr Vater sich abfällig ihr gegenüber äußerte. Vielleicht ignorierte sie es deshalb nicht. Im nächsten Moment riss sie ihren Mund nämlich weit auf und brüllte:
»ICH BIN NICHT WIDERLICH! IHR SEID WIDERLICH!«
Gefolgt von lautem, inhaltlosen Kreischen, während sie auf dem Stuhl aufstand und wild auf und ab sprang.
Dann vielleicht doch lieber den Ausflug mit meinem psychopatischen, rachsüchtigen Lehrer...
»Warum musstest du alles schlimmer machen?!«, fuhr meine Tante ihren Mann wütend an.
Der jedoch platzierte seine Stäbchen einfach auf den Tisch, stand auf und verließ die Küche. Ich konnte es nachvollziehen, da Ais Kreischen wirklich unfassbar nervig war und seine Frau ernsthaft ihre Wut an ihn ausließ, statt Ai selbst zum Schweigen zu bringen. Das war defintiv keine kooperative Erziehung. Gleichzeitig hielt er sich auch immer aus allem heraus. Dementsprechend fehlte die Erziehung bei beiden vollständig.
Warum genau lebten sie nochmal in einem Haus und hatten eine Familie zusammen gegründet?
Kaum war er jedenfalls aus dem Raum verschwunden, richtete meine Tante ihre doppelte Wut nun auf Ai, die nun lauter kreischte, während sie am Arm raus- und die Treppe hochgezerrt wurde. Mittlerweile könnte man meinen, dass sie wusste, was ihr blühte, wenn sie sich so benahm, aber sie änderte dieses Verhalten scheinbar nicht oder wollte es nicht ändern. Es schien schlimmer zu werden. Alles schien schlimmer zu werden.
»Gott, ich hasse diese Familie«, murmelte Raiko eher zu sich selbst.
Ich konnte ihr weder zustimmen, noch ihr widersprechen.
.
Ich war noch lange wach geblieben und hatte deutliche Schwierigkeiten einzuschlafen. Mir war mehr nach weinen zumute gewesen als zuvor. Es war überraschend, dass ich es doch geschafft hatte mich zusammenzureißen. In dieser Nacht wurde ich aber wieder geweckt. Es war das leise Geräusch der aufgehenden Tür, das mich weckte. Etwas orientierungslos öffnete ich die Augen einen Spalt breit und wollte mich aufsetzen, stoppte jedoch, als ich die leise Stimme meines Onkels hörte.
»Naomi?«
Die Tatsache, dass ich stoppte, obwohl ich nicht einmal verstand, was genau los war, war dem zu verdanken, dass ich trotzdem realisierte, wie komisch diese Situation war. Er kam nie in mein Zimmer. Wir interagierten kaum miteinander. Und gleichzeitig war es defintiv noch dunkel. Also war die Tatsache, dass er mitten in der Nacht hier war, noch komischer. Ich wusste nicht, was genau es war, doch irgendetwas sagte mir, dass ich mich nicht bewegen sollte. Dass es besser war, wenn ich mich nicht bewegte und einfach darauf warten sollte, bis er wieder ging, um eine Konfrontation, eine komische Situation oder Probleme zu vermeiden. Mein Gehirn war auch viel zu müde, um andere Handlungsalternativen zu entwickeln.
Doch spätestens als ich spürte, wie sich die Matratze weiter senkte, als er sich darauf niederließ, wusste ich, dass hier etwas absolut nicht stimmte. Das ließ mich wacher werden, und trotzdem konnte ich mich nicht bewegen. Ich hielt schon fast die Luft an, auch wenn ich versuchte mich so normal wie möglich zu verhalten, als ich seine Hand an meinem Haar spürte. Er strich es mir aus dem Gesicht. Einfach so. Eine kurze Pause trat ein, bevor ich spürte, dass seine Hand weiter wanderte und er mir nun über meinen Arm strich.
Selbst wenn ich mich ab diesem Punkt hätte bewegen wollen, wäre es mir vermutlich nicht möglich gewesen. Sogar als seine Hand weiter zu meiner Brust wanderte, wo er stoppte, konnte ich mich nicht rühren. Er berührte mich nicht, aber ich spürte sie trotzdem. Dann fluchte er. Das Gewicht neben mir verschwand und ich hörte Schritte.
Er war weg.
Doch ich konnte mich immer noch nicht bewegen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top