36. Eine Krankheit und Medikamente
Hey!
So we had an unfortunate, unplanned and unwanted break. I know. Ich hatte auf Instagram erklärt wieso (just a lot of personal problems and bad events), daher gibt es hier nur die momentan relevante Information: Ich habe überraschenderweise eine Krankheit, die dafür sorgt, dass ich erblinde. Heilen kann man sie nicht, behandeln schon, dafür brauche ich vier Operationen and money. So this is my current problem. Ich sehe auf einem Auge deshalb momentan doppelt, was die Arbeit auf digitalen Geräten sehr unschön und schmerzhaft macht. Daher die etwas langsamen Updates. This on top of a mountain of problems is just... not something that I needed (ofcourse). Daher bitte verzeiht, dass die Updates etwas brauchen werden. But they are coming, I promise.
On a happier note, I'm relaxed at the moment. Ich habe zum ersten Mal seit Langem ein paar freie, ruhige Tage :3.
So anyways, viel Spaß beim Lesen!
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»... du musst jemandem Bescheid sagen...«
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Ich hatte mich für die Erkundung der Insel unter Wasser entschieden, da ich schlichtweg sehr, sehr gern schwamm. Dass Karma ebenfalls dieser Einheit zugeteilt werden würde, hatte ich schlichtweg nicht gewusst, da uns Kataoka hauptsächlich koordiniert hatte. Anfangs war ich auch etwas aufgeregt gewesen, denn so konnte ich ein wenig Zeit mit ihm verbringen, doch nachdem ich viermal versehentlich Wasser geschluckt hatte, einfach, weil er scheinbar den ziemlich starken Drang hatte, mich zu ärgern, war meine Begeisterung weg gewesen.
Es schien, als hätte er jedoch endlich begriffen, dass wir eine Aufgabe zu erfüllen hatten, denn als wir wieder unter Wasser waren, sah er sich ausgiebig um.
Perfekt für mich, so hatte ich endlich Ruhe, jedoch vernachlässigte ich meine Deckung in seiner Nähe nicht. Wer wusste schon, was er im Schilde führte. In diesem Punkt konnte man ihm einiges zutrauen und daher vertraute ich ihm nicht.
Ich sah mich ebenfalls um und betrachtete einen Schwarm Fische, der an mir vorbeischamm. Sie sahen wirklich sehr schön und interessant aus, wobei ich mich in erster Linie jedoch fragte, ob sie essbar waren. Ich hatte eine Schwäche für diese Gerichte.
Um ehrlich zu sein wusste ich nicht, was wir genau so ausgiebig erkunden sollten. Der Plan sollte sowieso nicht unter Wasser stattfinden, aber sie wollten trotzdem eine genaue Beschreibung der Welt unter dem Meeresspiegel. Da waren Steine, Felsen, Tiere, mehr Felsen, und ganz viel Wasser.
Als ich mir sicher war, dass ich genug gesehen hatte, tauchte ich wieder auf und atmete erst einmal ausgiebig ein. Gleich darauf tauchten auch Karma und Sugino auf.
»Definitiv kein Fluchtweg für ihn«, sagte ich. »Oder habt ihr etwas entdeckt?«
»Nein, nichts«, sagte Sugino. »Das Problem wären irgendwelche Höhlen gewesen. Bei dem Kerl weiß man ja nie.«
»Und unter der Kapelle kann man sich sehr gut verstecken«, sagte Karma nachdenklich.
Gleich darauf tauchte auch Nakamura neben uns auf und spuckte erst einmal Wasser.
»Bist du dir überhaupt sicher, dass du die Gegend und nicht Naoko erkundet hast?«, fragte sie sarkastisch. »Ihr Körper schien für dich wesentlich interessanter zu sein.«
Ich war froh, dass das kühle Wasser verhinderte, dass ich errötete. Es sollte wahrscheinlich nicht so falsch klingen, wie es das gerade tat. Karma wiederum nahm diese Bemerkung überraschend locker auf. Er spritzte Nakamura etwas Wasser ins Gesicht und schnaubte.
»Sie ist nicht mein Typ, aber ein hübscher Körper ist ein hübscher Körper«, sagte er.
Die Bemerkung nervte mich ziemlich. Darauf reduzierte er mich also. Ohne darüber nachzudenken ergriff ich seine Schultern und drückte ihn unter Wasser, gerade als Nagisa ebenfalls wieder neben uns auftauchte. Karma wehrte sich natürlich, hatte aber im ersten Moment Schwierigkeiten sich zu orientieren, um mich wegzuschubsen, was die anderen zum Lachen brachte. Schließlich ergriff er jedoch meinen Arm und zog mich ebenfalls unter Wasser, bevor ich reagieren konnte, sodass ich gefühlt erst einmal einen halben Liter verschluckte. Hustend tauchten wir beide wieder auf und der Typ hatte ernsthaft erst einmal den Nerv, mich wütend anzuschauen.
Also streckte ich ihm die Zunge raus, als ich mich wieder beruhigt hatte und schwamm einfach Nakamura hinterher, um von ihm wegzukommen.
»Ihr zwei wirkt manchmal wie ein altes Ehepaar«, hörte ich Sugino noch lachen.
Diese Bemerkung brachte mich zum Lächeln. Ja, so gemein Karma auch manchmal zu mir war, ich genoss es doch irgendwie. Immerhin gab er mir somit Aufmerksamkeit...
»Warum lächelst du denn so?«, fragte Nakamura verblüfft, die vor mir stehen geblieben war und sich zu mir umgedreht hatte.
Das hatte ich absolut nicht bemerkt. Eine Ausrede. Ich brauchte eine Ausrede. Etwas, das sie ablenkte.
»Ich habe nur überlegt, ob wir die Fische hier fangen und grillen könnten«, sagte ich.
Ihre Gesichtszüge spiegelten danach eine Mischung aus Unbehagen und Schock wieder.
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»Ich kapier ernsthaft nicht, wieso wir ihn bis jetzt immer noch nicht getötet haben«, seufzte Kataoka über ihr Steak.
Eins muss man diesem Ressort lassen, das Essen war wirklich sehr, sehr gut. Die Qualität war auf dem Level der Restaurants, zu denen mich meine Familie immer mitschleppte. Doch ich war die einzige, die scheinbar ausgiebig und aus Herzenslust aß, denn die anderen machten sich gerade viel zu viele Gedanken über den anstehenden Anschlag. Sie waren sichtbar nervös, aber mir fiel es schwer ihre Gefühle nachzuvollziehen. Waren sie nervös darüber, ihren Plan auszuführen, und damit jemandem das Leben zu nehmen? Oder war es, weil sie Angst hatten, dass eben dieser Plan mit diesem Ziel fehlschlagen könnte?
Ich wusste es nicht. Was ich wusste war, dass ich gleich mit unseren anderen beiden Lehrern gehen würde. Auch wenn ich heute geholfen hatte, wollte ich trotzdem nicht Teil von diesem Plan werden.
»Er hat sich wie ein Idiot gehäutet und sich damit selbst geschwächt«, sagte Yada, die zusammen mit Nakamura ebenfalls an unserem Tisch saß.
»Besser für uns«, kicherte diese. Zumindest aß sie ebenfalls. Ansonsten wäre es wirklich schade um das leckere Essen. »Wenn wir es heute schaffen, könnten wir immer so gut essen!«
»Das würdest du auch mit einem guten Abschluss und einem erfolgreichen Job später können«, sagte ich kurz innehaltend. Dafür brauchte man kein Kopfgeld nachjagen...
»Ahh, du hast ja keine Ahnung. Ich meine, deine Familie ist sowieso beladen. Du wirst dir im Gegensatz zu uns später keine Gedanken machen müssen.«
Ich lächelte. So aufrichtig wie möglich und erwiderte darauf nichts.
Ich musste mir später wirklich keine Gedanken mehr um irgendetwas machen... In einem anderen Sinne...
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Eine Stunde später saßen wir alle auf der Terrasse des Hotels. Meine Mitschüler sahen allesamt niedergeschlagen aus - außer Karma. Er war der einzige, der diese Niederlage doch relativ gut weggesteckt hatte. Denn natürlich hatte Koro-Sensei den wirklich sehr gut durchdachten und geplanten Anschlag verhindert, indem er seine ultimative Abwehrform aktiviert hatte. Diese Abwehrform war neu für uns gewesen und dementsprechend etwas, womit niemand gerechnet hatte. Der Nachteil daran war wohl, dass er jetzt in einem kleinen Ball feststeckte, in dem nur sein Gesicht sichtbar war. Er konnte sich also nicht mehr bewegen, was Karma direkt ausgenutzt hatte. Erst hatte er ihm ein peinliches Video von diesem gezeigt, dann eine Nacktschnecke auf seinem durchsichtigen Ball platziert und als letztes hatte er ihn in die Hose eines schmutzigen, alten Typen stecken wollen, doch das hatte Karasuma verhindert.
Ein Schweißtropfen bildete sich auf meiner Stirn. Karma war durch und durch ein Sadist und wieder fragte ich mich, warum mir gerade das so gefiel.
Auf jeden Fall waren die anderen alle deshalb mehr als enttäuscht und traurig. Sie hatten sich schließlich sehr viel Mühe gegeben und das war ihre beste Chance gewesen. Einerseits wollte ich sie am liebsten trösten, andererseits fand ich es auch unpassend... sie zu trösten, weil ihre Mordpläne nicht funktioniert hatten. Irgendwie schienen das alle immer zu vergessen oder aber in diesem Klassenraum war so ein ernstes Thema einfach normal, da es leider jeden Tag Erwähnung fand.
»Scheinbar sind alle erschöpft«, murmelte ich mit einem Blick durch die Gegend.
Einige hatten ihre Köpfe sogar auf den Tischen platziert. War der heutige Tage wirklich so anstrengend für sie gewesen? Doch als ich ihre leicht geröteten Gesichter sah, bekam ich tatsächlich ein mulmiges Gefühl. Es sah nicht nach normaler Erschöpfung aus.
»Mann, bin ich fertig«, sagte Maehara. »Vielleicht sollten wir auf unsere Zimmer und uns ausruhen.«
»Ich stimme zu«, sagte Mimura, genauso erschöpft.
»Jetzt kriegt euch mal wieder ein«, fuhr Terasaka sie genervt an. »Wir haben alles gegeben, also lasst euch mal nicht so hängen. Wenigstens können wir jetzt die nächsten Tage genießen.«
Zugegeben, seit er von Shiro und Itona ausgenutzt worden war, war er ziemlich gereift. Er war ein echter Teamplayer geworden, was ihm wirklich stand. Es war irgendwie süß.
»Genau«, stimmte ihnen Okajima zu und klang dabei bereits unheilvoll. »Morgen können wir dann die Mädchen in ihren Bikinis beobachten. Darauf warte ich schon seit Tagen.«
Widerlich, dachte ich innerlich den Kopf schüttelnd. Da war ich froh, dass er mich heute in meinem nicht gesehen hatte. Doch zu meiner Überraschung lachte der unschuldige Nagisa darüber, weshalb ich kurz davor war ihn zu fragen, was daran so lustig war, wenn nicht genau in diesem Moment ein erschöpftes Grummeln durch die Klasse gegangen wäre. Okay, nein, ihre Erschöpfung lag defintiv nicht an der Niederlage. Ob sich ein Virus ausgebreitet hatte? Doch dann wäre ich die erste gewesen, die sich sofort angesteckt hätte...
Nakamura, die von ihrem Platz aufstand, um auf ihr Zimmer zu gehen, riss mich aus meinen Gedanken. Als sie jedoch nur zwei Schritte gehen konnte, bevor sie plötzlich zusammenbrach, hatte ich die endgültige Bestätigung. Nagisa stand sofort auf, um ihr zu helfen. Er fühlte kurz ihre Stirn und sah entsetzt auf.
»Du hast wirklich hohes Fieber«, sagte er.
Und damit war sie wohl nicht die einzige. Okajima bekam Nasenbluten, und auch weitere brachen gleich darauf zusammen. Die übrigen, die gesund waren, standen sofort auf, da sie den Kranken helfen wollten. Ich war ebenfalls auf die Beine gesprungen, doch wusste nicht, was ich tun sollte. Ein gewisser rothaariger Kerl trat neben mir und beobachtete unsere Mitschüler mindestens genauso angespannt.
»Das ist... keine natürliche Krankheit«, sagte ich, eher zu mir selbst. Natürlich hörte er es jedoch.
»Ach, wie kommst du denn darauf?«
»Sonst läge ich jetzt ebenfalls auf dem Boden und würde krepieren.«
Karma seufzte. »Lern Sarkasmus.«
War jetzt überhaupt der richtige Zeitpunkt für deinen Sarkasmus?! Eigentlich wollte ich genau das erwidern, doch ich hielt inne, als ich Karasumas laute Stimme hörte.
»Wer ist da?!«, fragte er wütend in sein Handy. »Bist du etwa für den Zustand meiner Schüler verantwortlich?!«
Oh, nein... Es war wahrscheinlich noch mehr Ärger als ich es erwartet hatte...
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Ein Virus also, das künstlich erschaffen worden war und dafür sorgte, dass sich die Zellen der Infizierten innerhalb eines Zeitraums auflösten. Das Gegenmittel würden wir nur bekommen, wenn wir Koro-Sensei, der immer noch in seiner Kugel steckte, in einem Hotel am anderen Ende der Insel auslieferten. Sowas konnte auch wirklich nur passieren, wenn man Schüler dieser eigenartigen Klasse war. Das Hotel war zusätzlich korrupt und gab selbst der Regierung keine Informationen. Ein perfektes Rezept für ein tödliches Abenteuer für uns.
Und auch wenn ich absolut nichts dagegen hatte dieses Abenteuer erfolglos anzutreten, konnte ich meine Augen nicht von meinen leidenden Mitschülern nehmen, die wir in einer Reihe auf dem Boden abgelegt hatten...
Ein künstlich erschaffenes Virus war sehr gefährlich... Es waren bereits die Symptome, die unsere Mitschüler frühzeitig töten würden. Also mussten wir sie behandeln und genau das bestätigte auch Takebayashi, der genauso wie Okuda zurück bleiben wollte, um sich um die Erkrankten zu kümmern. Die restlichen Schüler wollten zum Hotel und dort das Heilmittel besorgen...
»Damit haben wir also einen Plan und jeder weiß, was zu tun ist«, sagte Koro-Sensei vergnügt.
Nicht ganz... Ich hatte mich nicht getraut mich zu melden, aus Angst, dass es einige wieder für eine Ausrede halten könnten. Doch jetzt musste ich es tun...
»Ich werde auch hier bleiben«, sagte ich und hob meine Hand, sodass ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf mich lenkte.
»Aber, Naoko, wir...«, fing Yada an, doch ich unterbrach sie, bevor sie weiter sprechen konnte.
Tatsächlich hatte ich auch Angst davor, dass ihre Worte mich dazu bringen könnten, doch mit zu kommen. Ich könnte ein schlechtes Gewissen bekommen. Aber leider wusste ich, dass ich schlichtweg keine Hilfe sein würde.
»Ich wäre hier bei Takebayashi und Okuda hilfreicher«, erklärte ich. »Außerdem besitze ich einige Medikamente, die uns helfen werden, weil ich das Glück habe so oft krank zu werden. Dadurch besitze ich auch einiges an Wissen, wie man Symptome eindämmen kann. Daher glaube ich, dass ich hier bleiben sollte.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Koro-Sensei glücklicherweise. »Praktisches Wissen ist immer besser als theoretisches.«
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und als ich nach rechts sah, begegnete ich Isogais breites Lächeln.
»Wir verlassen uns auf dich, Naoko«, sagte er.
Ich konnte nicht anders. Ich musste ebenfalls lächeln. »Ich mich auch auf euch, Klassensprecher.«
Als ich in die Runde sah, bemerkte ich, dass niemand sauer über meine Entscheidung zu sein schien. Das war mehr als beruhigend und irgendwie hatte ich damit nicht gerechnet.
»Dann lasst uns aufbrechen«, sagte Karasuma.
Meine Mitschüler nickten und setzten sich nach und nach in Bewegung. Auch ich wollte mich umdrehen und mich meiner eigenen Aufgabe widmen, doch hielt inne, als ich sah, dass Karma neben mir stehen geblieben war. Etwas in seinem Blick war unergründlich. Ich wusste nicht, was genau es war oder wie ich es überhaupt beschreiben sollte. Es war auf jeden Fall keine negative Emotion. Jedenfalls schien es nicht so zu sein.
»Glaubst du wirklich, dass du hier hilfreicher wärst?«, fragte er.
Sein Ton klang nicht vorwurfsvoll. Eher so, als würde er etwas analysieren. Ich nickte kurz.
»Ich denke, ich kann die Symptome eindämmen«, sagte ich. »Bei einem künstlichen Virus können wir sie nicht einfach heilen. Aber wir können das eindämmen, was ihnen schadet und ihnen dadurch auch die Schmerzen nehmen.«
»Wir wissen aber nicht, mit wem wir es zu tun haben«, sagte Karma. »Da wäre jemand mit mehr Kampferfahrung hilfreicher. Glaubst du nicht?«
»Das stimmt schon. Aber wenn euer Plan aufgeht, schleicht ihr euch rein und wieder raus. Ihr wollt eine Konfrontation vermeiden und sollte es doch zu einer kommen, haben sie dich und Karasuma-Sensei. Dementsprechend glaube ich nicht, dass ihr meine Hilfe wirklich benötigt.«
Karma sah mich für einen kurzen Moment stumm an. Dann nickte er verstehend.
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»Hast du die Medikamente?«, fragte Takebayashi, als ich mit meinem kleinen Medizinkoffer auf die Terrasse trat, wo unsere kranken Mitschüler lagen.
Ich nickte eilig und übergab es ihm, bevor ich zu Okuda ging und ein Tuch nahm. Dann tränkte ich es im kaltem Wasser, um es anschließend Nakamura auf die Stirn zu legen. Das Virus verursachte wirklich sehr hohes Fieber, weshalb wir versuchten dieses einzudämmen. Die Tatsache, dass unsere Mitschüler vor Schmerz leise wimmerten, ging mir näher als ich es erwartet hatte. Ich mochte es nicht, sie in diesem Zustand zu sehen. Aber ich musste es...
Ich hasste es nämlich, wenn irgendjemand krank war. Ich ertrug den Gedanken und den Anblick nicht.
Diesem Aspekt musste ich mich langsam stellen.
Nachdem ich fertig war, widmete ich mich Hara und wiederholte meine Handlung.
Wenn ich im Krankenhaus war, bewegte ich mich meist von A nach B. Ich wusste genau, wo ich hin musste und versuchte die anderen Menschen um mich herum auszublenden. Doch gerade hatte ich das Gefühl, dass ich dies nicht machen durfte. Nicht heute. Nicht jetzt, wenn meine Klassenkameraden wirklich Hilfe brauchten.
»Du hast ziemlich starke Fieber- und Schmerzmittel«, sagte Takebayashi, der an einem Tisch stand und sich halb zu mir umdrehte, sodass ich aufsah.
»Das habe ich«, sagte ich. »Ein künstliches Virus werden sie zwar nicht besiegen können, aber die Körper der Kranken entlasten, sodass sich dieser auf die Bekämpfung des Virus konzentrieren kann.«
»Ganz recht«, sagte er. »Gebt jedem jeweils zwei Tabletten. Sie müssen es mindestens mit einem Glas Wasser herunterschlucken.«
»Sie schwitzen viel. Denkst du wirklich, dass ein Glas da reicht?«
»Nein. Sobald die Medikamente wirken, müssen sie mehr trinken. Momentan scheint es ihnen bedingt möglich.«
»Aber danach werden sie sich besser fühlen, ja?«, fragte Okuda und nahm die ersten zwei Tabletten entgegen.
»Das hoffe ich«, sagte Takebayashi. »Natürlich bleibt die Möglichkeit, dass sie auch gegen die Symptome wirkungslos sind.«
»Du machst uns echt Hoffnungen«, sagte Muramatsu mit leiser, zittriger Stimme.
»Es wird wirken«, sagte ich und stand nun auf. »Diese Dinger retten mir quasi jedes Mal den Hintern. Vertraut mir einfach.«
»Sie sind auf jeden Fall effektiv«, sagte Takebayashi und reichte mir ebenfalls ein Glas Wasser sowie die Tabletten. »Sowie deine anderen Medikamente.«
Ich erstarrte, als seine Augen auf meine trafen. Sein Blick in diesem Moment sagte so viel, unangenehm viel. Und erst dann bemerkte ich, dass ich in der Eile komplett vergessen hatte die Medikamente zu entfernen, die er und alle anderen nicht sehen sollten.
Aber er hatte sie gesehen. Sein Blick war eindeutig.
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Ich wusste nicht mehr, wann genau der Moment gewesen war, als ich beschlossen hatte, niemandem mehr an mich heranzulassen. Der Entschluss war natürlich gewesen. Einfach so gekommen. Selbstverständlich. Ich hatte nicht einmal wirklich daran denken müssen. Es war praktisch ein flüssiger Übergang gewesen.
Nachdenklich betrachtete ich meine schlafenden Mitschüler. Die Medikamente hatten gewirkt, jedenfalls gut genug, um ihnen die Flüssigkeitsaufnahme und etwas Schlaf zu ermöglichen, während wir die Stirnkompressen immer wieder austauschten. Es war vielleicht eine Stunde vergangen. Von unserer restlichen Klasse und unseren Lehrern hatten wir bis jetzt immer noch nichts gehört, doch noch machte ich mir keine Sorgen. Ich hatte das Gefühl, dass sie es schaffen würden und wir uns nicht so viele Gedanken darüber machen sollten. Außerdem würde es uns nur von unserer jetzigen Aufgabe ablenken, was ebenfalls sehr problematisch wäre.
Doch die Tatsache, dass Takebayashi meine ganzen Medikamente gesehen hatte, ließ mir trotzdem keine Ruhe. Es lenkte mich nicht absolut ab, ich war eher besorgniserregend ruhig, aber es ging mir auch nicht komplett aus dem Kopf.
»Okuda, wir brauchen mehr Wasserflaschen«, sagte Takebayashi, der gerade noch Nakamuras Temperatur geprüft hatte und sich nun zufrieden erhob.
Das unscheinbare Mädchen mit der Brille stand fast sofort von ihrem Stuhl neben mir auf und nickte heftig, als hätte sie die ganze Zeit auf diesen Moment gewartet.
»Ich hole sofort welche«, sagte sie und verschwand eilig ins Hotel.
Nachdenklich sah ich ihr hinterher, während ich Takebayashis Schritte hörte, als er sich mir näherte.
»Sie wird wahrscheinlich zweimal gehen müssen«, meinte ich. »Vielleicht sollte einer von uns mitgehen.«
»Machst du dir keine Sorgen, dass ich jemandem deinen gesundheitlichen Zustand verrate?«, sagte er, als hätte er meine Aussage nicht einmal gehört. »Angesichts der Tatsache, dass niemand davon weiß und du wohl über deine Termine im Krankenhaus gelogen hast, glaube ich, dass du es bewusst verschweigst.«
Ich sah ihn immer noch nicht an. Gleichzeitig hörte ich, wie er wieder durch meinen Medikamentenkoffer wühlte, was hieß, dass er mich ebenfalls nicht ansah. Meine einzige Hoffnung war, dass er vielleicht nicht wusste, wofür einige dieser Medikamente waren. Eine schwache Hoffnung. Besonders, da seine ganze Familie im medizinischen Bereich tätig war.
»Was sagt dir, dass ich gelogen habe und in Wahrheit niemanden im Krankenhaus besuche?«, fragte ich, um mir mehr Zeit zum Nachdenken zu verschaffen.
»Bei dieser Dosierung liegt die Vermutung nahe, dass du Dialyseverfahren benötigst« sagte er.
»Ich besuche trotzdem jemanden im Krankenhaus.«
»Tust du das?«
»Jep. Meine Ärzte.«
»Ich habe auch die anderen Me...«
»Okay, du hast recht«, sagte ich und wandte mich ihm zu.
Meine plötzliche Handlung sorgte dafür, dass auch er mich nun ansah. Sein Gesichtsausdruck war jedoch so unberührt wie immer. Tatsächlich war dies gerade jedoch förderlich, da es mir so leichter fiel fortzufahren.
»Und ja, niemand weiß davon. Weil ich es nicht will. Niemand soll davon wissen«, sagte ich. »Ich möchte nicht dass irgendjemand irgendetwas erfährt.«
»Die Frage, die ich mir stelle, ist wieso?«
»Meine Mom ist daran gestorben.«
Etwas in seiner Haltung änderte sich. Sie schien steifer zu werden und genau das war das Problem. Das war immer das Problem gewesen...
»Bitte, Takebayashi...«, sagte ich leise.
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»Wartest du auf deine Eltern, Naoko-chan?«, fragte der kleine Karma Akabane neben mir, nachdem sich unsere Lehrerin erhoben hatte, um wahrscheinlich zum fünften Mal meinen Vater anzurufen.
Wir waren von einem Ausflug zurück gekommen und warteten gerade an der Haltestelle darauf abgeholt zu werden. Die ganzen anderen Schüler aus meiner und sogar der Parallelklasse waren bereits weg. Ihre Eltern waren pünktlich gewesen. Doch mein Dad ging nicht einmal an sein Telefon.
Um ehrlich zu sein fühlte ich mich sehr schlecht. Meine Lehrerin musste deshalb seit einer halben Stunde hier warten und schien alles zu versuchen, um eine verständnisvolle Haltung beizubehalten. Mein einziger Trost war, dass ich nicht die einzige war. Karmas Eltern waren auch noch nicht hier. Also war ich zumindest nicht alleine Schuld daran. Um ehrlich zu sein wollte ich aber gerade lieber zu Hause sein. Der Ausflug hatte mir gar keinen Spaß gemacht. Eigentlich hatte ich nicht mitgehen wollen, aber mein Vater war deshalb sehr sauer geworden. Er habe keine Zeit für mich und meine Aufsässigkeit, hatte er geschrien, so laut wie noch nie. Das kannte ich nicht von ihm. Und er hatte mir noch nie vorher weh getan. Deshalb hatte ich auch mitgehen müssen. Ob er noch sauer war? Ich wollte nach ihm schauen, denn ich war mir sicher, dass ich ihn traurig gemacht hatte. Seitdem meine Mutter uns verlassen hatte, war er oft traurig und sprach kaum mehr mit mir oder verbrachte Zeit mit mir. Ich mache ihn traurig, hatte er gesagt. Deshalb versuchte ich ihn nicht traurig zu machen. Aber vielleicht war er auch traurig, weil ich traurig war...
»Hallo, ich rede mit dir!«, sagte Karma und piekste mir mit seinem Finger in die Wange.
Es war unsanft, aber nervte mich in diesem Moment noch mehr als ich dachte. Wütend schlug ich seine Hand weg.
»Nerv mich nicht!«, rief ich und ging einen Schritt von ihm weg.
Ich kannte ihn und wusste, dass er mich weiter ärgern würde. Im Gegensatz zu den anderen, die mich sofort in Ruhe ließen und mittlerweile nicht so gern mehr mit mir sprachen, hatte er noch nicht aufgegeben. Karma ärgerte jeden gern, aber aus irgendeinem Grund schien ich seine Erzfeindin zu sein.
»Du bist ja wieder mal total zickig«, sagte er und verdrehte die Augen.
»Bin ich gar nicht!«
»Doch!«
»Gar nicht!«
»Du bist so blöd geworden«, sagte er und verschränkte die Arme.
Ich atmete wütend aus. »Du sollst mich einfach in Ruhe lassen! Ich will nicht mit dir reden!«
Karma schnaubte und sah beleidigt weg. So ein Blödmann, dachte ich und sah in die andere Richtung. Warum wollte er dauernd mit mir reden, obwohl ich mit niemandem reden möchte?
Genau in diesem Moment, als ich mich von ihm abgewandt hatte, kam die Lehrerin zurück. Sie sah kurz traurig aus, bevor sie mich anlächelte.
»Tut mir leid, Naoko, ich konnte deine Mam... Ich meine, deinen Vater! Ich konnte deinen Vater nicht erreichen!«, sagte sie schnell.
Ich sah gen Boden und antwortete nicht. Meine Mutter würde sie auch nicht mehr erreichen können. Und aus irgendeinem Grund war ich jetzt noch trauriger.
»Karma, deine Eltern sind auch nicht ran gegangen. Ich rufe die Schulleitung an und frage, ob ich euch beide nach Hause bringen kann, ja?«, schlug sie vor und sah uns an.
»Naoko und ich können auch zusammen nach Hause laufen«, sagte Karma und trat nach vorn, sodass er neben mir stand.
»Du wohnst doch ganz woanders«, sagte die Lehrerin überrascht. »Und ich kann euch beide nicht einfach gehen lassen.«
»Ich kann sie trotzdem nach Hause bringen! Ich laufe immer allein«, meinte er.
Ich hatte keine Lust, dass er mit mir nach Hause lief, vor allem, weil ich wusste, dass er mich nur wieder ärgern wollte und ich wollte vor ihm auch nicht weinen. Denn aus irgendeinem Grund war ich gerade kurz davor.
»Vergiss es! Mit dir laufe ich nicht nach Hause!«, rief ich daher und drehte mich wieder weg.
»Wieso bist du schon wieder so bescheuert?«, sagte Karma und lief um mich herum, sodass er vor mir stand. Ich drehte mich jedoch wieder weg.
»Hey, ihr zwei, ganz ruhig. Streitet euch doch jetzt nicht«, sagte meine Lehrerin beschwichtigend und zog Karma etwas von mir weg, der versuchte mich anzuschauen. »Karma, das ist wirklich sehr lieb von dir, aber ich darf euch zwei nicht allein gehen lassen.«
»Wieso ist Naoko plötzlich so bescheuert?«, fragte er sie.
Am liebsten hätte ich ihm deshalb eine Kopfnuss gegeben, aber dann hätte er gesehen, dass ich wieder weinte. Wütend wischte ich mir die Tränen weg.
»Naoko ist momentan etwas traurig. Am besten solltest du deshalb ganz nett zu ihr sein, ja?« Die Lehrerin sprach leise, doch ich konnte sie trotzdem verstehen.
»Aber wieso denn? Was ist passiert?«, wollte Karma wissen.
»Das geht dich gar nichts an!«, schrie ich ohne ihn anzusehen.
Ich wollte nicht, dass jemand es wusste. Mein Vater wollte nämlich nicht, dass jemand darüber sprach und ich auch nicht. Ich wurde immer sehr traurig, wenn jemand darüber sprach. Und niemand sollte wissen, dass ich meinen Vater so verletzt hatte, weil ich es nicht bemerkt hatte. Niemand sollte wissen, dass meine Mama nicht mehr da war. Das durfte niemand.
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»Dein Geheimnis ist bei mir sicher«, sagte Takebayashi mit einem Nicken.
Überrascht weiteten sich meine Augen, jedoch wandte er sich einfach wieder von mir ab. Als ob das Thema damit beendet war, obwohl sich irgendetwas in seinem Verhalten geändert hatte. Ich wusste aber nicht genau was... und gleichzeitig hatte ich damit absolut nicht gerechnet... Ich hätte nicht gedacht, dass er einwilligen würde.
»Danke, Takebayashi...«, sagte ich.
Und das meinte ich auch. Ich war ihm sogar sehr dankbar.
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