34. Ein Tag im Einkaufszentrum
Hola!
Bear with me, nur noch 6 Wochen, dann ist mein Workload 80% weniger. Die Motivation und der Wunsch zu schreiben sind so stark, umso schlimmer ist es, wenn man dafür schlichtweg keine Zeit (oder Kraft) hat, cause too much work. Aber wie auf Instagram (@su.yu.san) angekündigt, ist hier das nächste Kapitel!
On another note, ich hoffe, dass einige von euch zum Japantag und ihn auch genießen konnten.
Das wars von mir.
Viel Spaß beim Lesen!
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Die anderen Mädchen hatten deutlich mehr Schwierigkeiten passende Kleidung, die sie auch gleichzeitig ansprach, zu finden. So zogen wir von Geschäft zu Geschäft, warteten, gaben jeweils unsere Meinungen ab, um uns gegenseitig zu helfen und zogen weiter. Die Jungs schienen bereits nach dem zweiten Laden keine Lust mehr zu haben, und ab dem vierten setzten sie sich auf irgendwelche freien Bänke, falls welche vorhanden waren, und blieben dort. Karma hatte doch tatsächlich eine Spielkonsole mitgebracht, mit der er sich die Zeit vertrieb, während Maehara und Isogai, scheinbar sehr erfreut über diese Abwechslung, ihm dabei zusahen.
Ich kicherte bei diesem Anblick, während ich neben Fuwa stand, die sich irgendwelche Hüte ansah. Kurahashi versuchte sie davon zu überzeugen einen zu kaufen, da sie mit diesem "wie ein Detektiv" aussehen würde.
Irgendwie waren wir schon ein chaotischer Haufen... Obwohl wir keine feste Gruppe waren...
Als schließlich Nakamura und Fuwa wieder in den Umkleiden verschwanden, setzte ich mich seufzend auf eine Bank direkt davor. Ich hatte zwar absolut nichts dagegen, wenn sie sich mehr Zeit ließen, doch irgendwie hatte ich gehofft, dass wir zwischenzeitlich irgendetwas essen würden... Zumindest irgendetwas Süßes, da mein Körper bei so viel Anstrengung praktisch nach Zucker schrie. Ich hatte noch nicht einmal gefrühstückt, weil ich so schnell aus dem Haus hatte entkommen wollen...
»Alles in Ordnung, Naoko? Du wirst doch hoffentlich nicht krank, oder?«, fragte Kurahashi, die meine Handlung bemerkte und sich leicht zu mir herunterbeugte.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, keine Sorge. Ich bin nur etwas erschöpft.«
»Bist du sicher?«
»Absolut.«
Kurahashi lächelte, nickte verstehend und richtete sich wieder auf. Etwas schien ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und im nächsten Moment quietschte sie auf. Dann flitzte sie auch schon zu einer Taschenkollektion mit verschiedenen, süßen Tieren. Amüsiert sah ich ihr hinterher, bevor ich Yadas nachdenklichen Blick bemerkte, der mir galt. Diese seufzte schließlich und setzte sich neben mir auf die Bank. Doch sie sagte nichts. Jedenfalls nicht sofort. Stattdessen schien sie ihre Worte mit bedacht zu wählen.
»Sag Mal, Naoko...«, fing sie an. »Wieso bist du eigentlich in der E-Klasse?«
Ich blinzelte. Aufgrund ihres Verhaltens vorher, war ich nicht wirklich überrumpelt. Sie schien sich aufrichtig Gedanken über etwas gemacht zu haben. Dennoch hatte ich mit gerade dieser Frage nicht gerechnet.
Und genau die war gefährlich.
Ich musste sie so natürlich wie möglich beantworten, ohne zu viele Informationen herauszugeben. Leider konnte ich ihr nicht die Wahrheit sagen. Zumindest nicht die ganze... Doch ich konnte ihr einen Teil erzählen.
Genau dies wollte ich machen, aber zu meiner Überraschung ergriff sie wieder das Wort, ohne mich anzuschauen.
»Ich bin in der E-Klasse, weil ich einige unentschuldigte Fehltage habe«, erklärte sie mir. Nun sah ich sie wirklich an, auch wenn sie meinen Blick nicht erwiderte. »Weißt du, mein Bruder ist sehr krank und ich blieb zu Hause, weil ich mich um ihn kümmern wollte. Darunter litten dann meine Noten... Ich habe gehört, dass du auch aufgrund deiner gesundheitlichen Probleme in der E-Klasse bist, obwohl deine Noten wirklich sehr, sehr gut sind...«
Sie schien mir mehrere Anker zum Reden anbieten zu wollen. Scheinbar wollte sie, dass ich Vertrauen zu ihr fasste... Ich lächelte.
Leider konnte ich das nicht. Aber ich wusste es trotzdem zu schätzen.
»Es stimmt. Ich bin wegen meiner Fehlzeiten in der E-Klasse«, sagte ich endlich und erlöste sie aus ihrer Anspannung. Jetzt sah sie mich leicht verwundert an. »Ich werde sehr schnell krank. Das war schon immer so, und wenn ich sehr gestresst bin oder unter massiven Druck stehe, passiert es sogar noch schneller. Als Kind war ich bereits oft krank gewesen und jetzt habe ich manchmal gute und manchmal schlechte Phasen. Es ist einfach so. Damit muss ich leben.«
»Also stimmt es wirklich, dass es weder an deinen Leistungen, noch an deinem Verhalten lag...«, sagte Yada verblüfft. »Das ist wirklich...«
»Unfair. Ich weiß. Aber das ganze System dieser Schule ist schlichtweg unfair. Du bist auch nur aufgrund von unvermeidbaren Bedingungen herabgestuft worden. An unserer Schule interessiert sich niemand wirklich für Fairness, oder dass es einige eben nicht leicht haben. Isogai ist doch in der E-Klasse, weil er einen Job hatte, damit seine Familie über die Runden kommt, du hast deinen kleinen Bruder pflegen müssen und sogar Karma ist nicht wegen seiner Noten hier... Fairness und Umstände sind hier so ziemlich egal. Aber das ist okay. Man darf sich darüber nicht ärgern...«
... mein Vater ärgerte sich genug darüber...
»... Ich finde es trotz allem wirklich toll von dir, dass du dich um deinen Bruder gekümmert hast«, fügte ich zum Schluss hinzu. »Sowas würden nicht viele machen. Selbst, wenn sie keine Nachteile dadurch erfahren würden.«
Yada lächelte zaghaft. »Für mich ist es selbstverständlich. Mann, jetzt fühle ich mich noch schlechter, dass da so viele Gerüchte über dich und dein angebliches Schwänzen kursieren und wir dich dafür... du weißt schon...«
Ich lachte leicht, mied jedoch ihren Blick. Dass ich nicht die ganze Wahrheit erzählte sorgte dafür, dass ich mich schuldig fühlte. Sehr sogar. Aber ich konnte nicht anders. Ich hatte keine andere Wahl.
»Die Gerüchte machen mir nichts aus«, beteuerte ich. »Und eure Bedenken waren ja auch berechtigt. Hey, ich geh mir kurz etwas kaufen. Ich brauche dringend irgendetwas Essbares. Soll ich dir was mitbringen?«
Yada war von meinem plötzlichen Themenwechsel etwas überrumpelt, das sah man ihr klar an. Dennoch lächelte sie schließlich und schüttelte den Kopf.
»Nein, danke. Wir warten dann hier auf dich.«
Und sogar das freute mich. Ich bedankte mich ebenfalls lächelnd, schnappte mir meine Tüten und stand auf. Es war nicht nur ein Vorwand gewesen, um dem Thema zu entkommen, ich brauchte wirklich etwas. Irgendetwas, das meinen Magen zumindest halbwegs füllte und meinen Zuckerspiegel normalisierte. Außerdem tat es gut, dass ich mich endlich etwas mehr bewegen konnte. Diese geringfügigen Bewegungen und das lange Warten während eines Shopping Trips war ich nicht gewöhnt, da ich ja schließlich sowieso immer allein unterwegs war. Da konnte ich mein ganzes Handeln völlig nach meinen Bedürfnissen und Möglichkeiten richten.
»Wohin gehst du, Naoko?«, fragte Isogai, der seine Aufmerksamkeit von Karmas Spiel genommen hatte und aufsah.
»Ich hol mir nur etwas zu essen. Oder etwas Süßes... Je nachdem, was ich finde«, erklärte ich vor ihnen stehen bleibend.
Maeharas Blick erhellte sich augenblicklich und er stand begeistert auf. »Sehr gute Idee. Das könnte ich auch jetzt vertragen.«
Karma sah von seinem Spiel auf und steckte es gleich darauf weg. Auch er erhob sich und reckte sich ausgiebig. Fragend sah ich ihn an, als er seine Hände in seine Hosentaschen vergrub. Doch bevor er etwas sagen konnte, hatte sich Isogai ebenfalls erhoben und das Wort ergriffen.
»Etwas Bewegung würde uns wohl allen gut tun«, sagte dieser.
Das hieß dann wohl, dass alle drei mitkommen würden. Ich nickte leicht, im Grunde war es mir egal, solange ich möglichst schnell etwas zum Verzehren bekam. Die Jungs waren wahrscheinlich einfach nur froh sich bewegen zu können und nicht mehr nur warten zu müssen. So machten wir uns zu viert auf die Suche. Zum Glück mussten wir nicht lange laufen. Ich fand ziemlich schnell einen Crêpestand, den ich sofort begeistert ansteuerte.
Genau das, was ich brauchte. Es war zwar kein Mahlzeitersatz, würde mir jedoch genug Energie und Motivation für den restlichen Ausflug geben.
Und es war etwas Süßes.
Und enthielt Erdbeeren.
Ich blieb vor dem Stand stehen und studierte erst einmal die Karte. Ziemlich schnell fiel meine Wahl auf ein Erdbeer-Creme-Crêpe mit Käsekuchenfüllung. Alle enthaltenen Zutaten waren nämlich perfekt und gehörten zu meinen Favoriten. Da war es ziemlich leicht eine Entscheidung zu treffen.
»Wollt ihr nichts?«, fragte Maehara an die anderen zwei gewandt, die einige Schritte hinter uns stehen geblieben waren.
»Nicht wirklich«, antwortete Karma.
Wieso bist du dann mitgekommen? Fragend sah ich Isogai an, auf dessen Stirn sich jedoch ein Schweißtropfen bildete.
»Nein, schon gut. Ich muss momentan sehr auf meine Ausgaben achten«, antwortete er.
Ich presste meine Lippen zusammen und drehte mich wieder zum Stand um, wo Maehara gerade sein Crêpe bestellte. Irgendwie hatte ich nicht bedacht, dass Isogai vielleicht nicht genug Geld dabei haben könnte, obwohl jeder die Schwierigkeiten unseres armen Klassensprechers kannte. Irgendwie kam ich mir deshalb gerade sehr unsensibel vor.
Die Frau am Stand wandte sich nun mir zu und betrachtete mich mit einem Lächeln, das schon fast mütterliche Fürsorge ausstrahlte. Ich erwiderte es, als ich meinen Entschluss fasste und nun ebenfalls bestellte.
»Ich nehme sieben Mal die Nummer Vier, bitte«, sagte ich und holte mein Geldbeutel heraus.
Maehara, der immer noch direkt neben mir stand, hielt inne, obwohl er gerade einen Bissen genommen hatte. Dies sah recht unappetitlich aus, da er seinen Mund trotzdem nicht schloss. Ich zahlte jedoch wortlos meine Bestellung und sog dann erst einmal zufrieden den süßen Duft der Crêpes ein, der mir in die Nase stieg.
»Hast du für alle bestellt?«, fragte mich Maehara schließlich ungläubig.
»Jep. Es wäre unhöflich, wenn nur wir vor ihnen essen«, erwiderte ich.
Er zog seine Augenbrauen zusammen und betrachtete ungläubig sein Crêpe. Ein Seufzen entkam ihm. »Wieso habe ich dich nicht zuerst bestellen lassen? Jetzt habe ich selbst bezahlt.«
Ich kicherte, unsicher, ob er es ernst meinte. »Ach, komm. Du bist doch ein Gentleman. Sowas würdest du nicht wirklich zulassen, oder?«, sagte ich spielerisch.
»Naja...«
»Und als Player würdest du damit deine Männlichkeit aufs Spiel setzen.«
»Schon gut, schon gut«, gab er sich nun mit einem leichten Lächeln geschlagen. »Du hast gewonnen. Es wäre auch nicht wirklich fair.«
Das hatte ich besser gelöst als erwartet... Zufrieden nahm ich den ersten fertigen Crêpe und fing an ihn zu essen. Gerade so konnte ich mich davon abhalten, ihn nicht sofort zu verschlingen, obwohl diese süße Verführung viel zu stark war und einfach viel zu gut auf meiner Zunge tat.
Als ich fertig war, nun endlich mit einem bestärkten Gefühl, ergriff ich vier der Crêpes, während Maehara netterweise die anderen beiden nahm. Wir bedankten uns bei der Verkäuferin und liefen zurück zu Karma und Isogai, die uns etwas verwundert entgegen schauten, besonders als Maehara ihnen die zwei Desserts anbot.
»Die hat Naoko euch spendiert«, sagte er. »Also wäre es unhöflich Nein zu sagen.«
Isogai blinzelte verdattert. »Aber... das wäre doch wirklich nicht...«
»Ich bedanke mich damit herzlich für deine Dienste als Klassensprecher...«, fing ich an, wurde aber von Karma unterbrochen.
»Wer es glaubt. Als ob du dich überhaupt als Teil der Klasse einbringst«, sagte er spöttisch.
Ich fuhr fort: »... und dafür, dass du solche Kotzbrocken wie Karma und Terasaka aushälst, ohne den Verstand zu verlieren.«
Der Rothaarige zuckte zusammen und Isogai hob bereits beschwichtigend die Arme, bereit einzuspringen, um uns zu beruhigen.
»Stell mich mit diesem Typen nicht auf eine Stufe«, sagte Karma leicht angesäuert.
Ich nickte einmal. »Stimmt. Das wäre eine Beleidigung ihm gegenüber.«
»Wie wäre es, wenn du...«
»Beruhigt euch ihr zwei«, sprang Isogai nun ein und bewahrte mich damit von der Gemeinheit, die Karma defintiv bereits auf der Zunge gelegen hatte. »Lasst uns den Tag weiterhin entspannt angehen.«
Mein Mitschüler schnaubte, nahm jedoch endlich das Dessert entgegen, sodass ich zufrieden lächelte. Ganz so gut würde ich wahrscheinlich nicht davon kommen, so düster wie er aussah, aber wenigstens hatte er mir diesen Tag - noch - nicht verdorben. Also entschied ich mich dafür, ihn etwas mehr zu ärgern, stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm, wohlgemerkt zu seinem Entsetzen, einen Kuss auf die Wange.
»Gut gemacht, meine liebe Paprikarma«, sagte ich, während ich bereits die Flucht ergriff und zurück zum Laden lief, wo unsere Mitschülerinnen warten würden. Ich wollte bloß auf Nummer sicher gehen.
Dadurch bekam ich die Reaktionen der drei zwar nicht mehr mit, doch das war wahrscheinlich auch besser so. Was ich aber mitbekam, war zu meinem Unmut, jedoch die Reaktionen der vier Mädchen, die plötzlich vor mir standen und mich mit leicht geöffneten Mündern ansahen.
Sie waren wohl doch nicht mehr im Laden... und sie hatten meine Interaktion mit Karma gerade defintiv mitbekommen.
Die Situation überspielend tat ich so, als wäre nichts gewesen und hielt ihnen schnell die Crêpes entgegen.
»Da seid ihr ja schon. Hier, für euch. Ich hoffe ihr mögt Erdbeeren«, sagte ich vielleicht etwas zu schnell und lächelte.
Hoffentlich nicht zu gezwungen...
Die einzige, die nicht erstarrt zu sein schien, war Kurahashi. Sie löste sich sofort, strahlte mich an und nahm sich eines der Crêpes.
»Oh, wie lecker, vielen Dank, Naoko!«, rief sie und biss sofort hinein.
Okay, das war ein voller...
»Lass dich nicht bestechen, Kurahashi! Sie versucht uns abzulenken!«, sagte Fuwa und schüttelte sie leicht.
Verdammt... unsere Hobbydetektivin und auch die anderen beiden aufmerksamen Mädchen ließen sich nicht so leicht täuschen. Sie hatten meinen kleinen Racheakt defintiv gesehen und hatten nicht einmal vor es zu überspielen... Deshalb entschied ich mich für Plan B...
»Von was versuche ich euch denn abzulenken?«, fragte ich gespielt ahnungslos und sah einmal in die Runde, um meine Bereitschaft zu signalisieren über diese angebliche Ablenkung zu sprechen.
»Naja, du hast... Karma gerade einen Kuss gegeben«, sagte Nakamura langsam.
Ich nickte zustimmend. »Das habe ich.«
Die drei sahen mich so an, als wäre diese Offenbarung noch einmal komplett neu für sie... Kurahashi wiederum aß einfach weiter, worüber ich froh war. Ich musste also nur noch drei überzeugen, dass diese Handlung keinen besonderen Hintergrund hatte.
Das würde mir auch noch fehlen... Wenn sie sich in mein Liebesleben einzumischen versuchten oder ihre Nasen da hineinsteckten...
»Also doch! Läuft da was zwischen euch?«, fragte Yada aufgeregt.
»Ja«, sagte ich. »Ein Krieg.«
Sie verband wohl diese Beobachtung gerade mit der vorherigen... Mir blieb daher nichts anderes übrig als die halbe Wahrheit zu wählen und sie nochmal zu verzerren.
Bei dem Ja waren sie erst hellhörig geworden, bevor ihre Schultern dann wieder enttäuscht nach unten gesunken waren.
»Aber... aber...«, stammelte Nakamura.
»Der Kuss diente dazu ihn zu nerven«, sagte ich und sah über meine Schulter. Die Jungs schienen Karma auch gerade wegen irgendetwas auszufragen, der absolut gelangweilt aussah. Passenderweise bemerkte er meinen Blick und sah mich düster sowie genervt zugleich an. Ich kicherte und sah wieder zu den Mädchen. »Und wie ihr seht, hat es funktioniert. Der Kerl hat mich provoziert und da ich die Hände voll hatte, konnte ich ihm leider keine Kopfnuss geben. Aber das scheint sehr viel effektiver gewesen zu sein, oder?«
»Ja, schon«, sagte Yada nachdenklich.
Nakamura auf der anderen Seite schien wirklich sehr und ehrlich enttäuscht zu sein. Frustriert schnappte sie sich einen der Crêpes und biss sofort hinein. Mit einem Schweißtropfen auf der Stirn betrachtete ich sie, während auch die anderen beiden nun ihre entgegennahmen. Ich schien sie überzeugt zu haben, doch ich musste defintiv das ganze nochmal zusätzlich festigen.
»Wo... Wovon wollte ich denn jetzt genau ablenken?«, fragte ich unsicher und sah die vier an.
Genau wie erwartet schien es ihnen nun eher peinlich zu sein. Yada winkte schnell ab.
»Ach, gar nichts. Vergiss es. Danke für den Crêpe, das ist wirklich sehr aufmerksam von dir, Naoko.«
.
Einige Stunden später saßen wir alle in der Bahn auf dem Weg nach Hause. Wir hatten uns Onigiri gekauft, die wir nun verzehrten, während es draußen dämmerte und langsam dunkel wurde. Es war ein gelungener Tag, jedenfalls in meinen Augen. Ich hatte mich in keinem Punkt falsch benommen und es war soweit zu keiner äußerst unangenehmen Situation gekommen, während ich gleichzeitig keine Person komplett nah an mich herangelassen hatte.
Es war eine vorsichtige Annäherung gewesen. Eine Unternehmung mit einer guten, emotionalen Distanz.
Und sogar mit Karma hatte es keine Probleme geben. Dieser saß sogar gerade neben mir und döste tatsächlich vor sich hin, was wirklich süß aussah. So süß, dass ich mich zusammenreißen musste, ihn nicht entzückt zu beobachten.
Die Tatsache jedoch, dass uns unsere Mitschüler hin und wieder verstohlen beobachteten, half mir meine Gefühle zu kontrollieren. Ich saß nicht zufällig neben ihm. Das hatte ich sofort bemerkt. Aber ich würde meine Deckung in der Hinsicht nicht fallen lassen. Ich würde ihnen keine Informationen geben.
Nach einiger Zeit schienen sie es endlich aufgegeben zu haben und so unterhielten sie sich über die anstehende Reise, die Vorbereitungen und ihre Pläne. Ab dem Punkt klinkte ich mich aus. Dieses Tötungsthema bereitete mir immer noch ein unschönes Gefühl. Ich würde wohl nie verstehen, wie sie so normal darüber sprechen konnten.
»Macht euch mal locker«, sagte Maehara lässig, der im anderen Vierersitz parallel zu uns Platz genommen hatte. »Mit diesem Plan erledigen wir ihn bestimmt. Damit ist uns das Kopfgeld sicher.«
»Wir dürfen uns nicht überschätzen«, sagte Fuwa.
»Haben wir eigentlich morgen wieder Training?«, wollte Nakamura wissen.
»Ja. Karasuma meinte auch, dass uns ein Profi morgen ein paar Tipps geben würde«, sagte Isogai.
Gähnend zerknüllte ich mein Papier und steckte es in meine Tasche, um es später zu entsorgen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Daher hatte ich wenig Lust auf mein heutiges Training. Seit mein Vater jedoch so streng mit der Familie meines Onkels war, hatte dieser mich nicht mehr zum Trainieren aufgefordert. Ich hatte mich meist allein dort einbefunden - auch weil es eines der wenigen Aktivitäten war, wo ich zwischenmenschlichen Kontakt genoss. Wir waren dort alle keine Freunde und gingen trotzdem respektvoll miteinander um. Außerdem konnte ich trainieren, ohne mich zurückzuhalten und genau das gefiel mir.
»Naoko, kommst du morgen eigentlich auch?«, fragte mich Yada, die gegenüber von mir saß, freundlich und lächelte mich an.
Irgendwie wirkte ihr Lächeln ermutigend, weshalb ich es nicht übers Herz brachte, sofort zu verneinen. Ich zögerte. Doch bevor ich meinen Mund öffnen konnte, um zu antworten, rutschte plötzlich ein Kopf auf meine Schulter und blieb dort liegen.
Verdattert sah ich zu Karma. Er schlief. Er schlief so tief, dass er es defintiv nicht bemerkte, denn ansonsten würde er sich sofort von mir abwenden. Und obwohl ich ein schönes, warmes Gefühl in meiner Magengrube spürte, obwohl die Schmetterlinge verrückt spielten, blieb ich locker und kontrollierte meine Mimik.
Denn wir hatten Zuschauer, die sich viel zu sehr für diesen Anblick interessierten. Verständlicherweise. Deshalb musste ich es für sie uninteressant machen. Das würde ich nicht hinbekommen, wenn ich selbst heftig darauf reagierte.
Nakamura hielt sofort einen Finger vor ihren Lippen, damit die anderen keinen Ton von sich gaben. Wieso bemerkte ich sofort, als sie ihr Handy auf uns richtete. Ich wollte sie noch aufhalten, doch befürchtete ich, dass Karma wach werden könnte, wenn ich mich bewegte.
So entspannt wie er aussah, fand er meine Schulter wohl sehr gemütlich. Irgendwie brachte ich es deshalb nicht übers Herz.
»Lasst das«, zischte ich den anderen zu, da auch Maehara, sein Lachen unterdrückend, scheinbar ein Foto zu schießen schien. »Er wird sauer sein, wenn er davon erfährt.«
»Ich bleib dabei«, kicherte Nakamura schadenfroh. »Auch wenn scheinbar nichts zwischen euch läuft, ihr wärt ein süßes Paar.«
»Leute, ärgert sie nicht«, sagte Isogai, wobei er trotzdem ebenfalls etwas amüsiert wirkte.
»Vielleicht steht ja Karma auf Naoko, aber sie nicht auf ihn«, witzelte Maehara.
Wenn es doch bloß so wäre...
»Die Indizien sprechen dafür«, sagte Fuwa.
»Welche Indizien?«, zischte ich leise. Ich wollte ihn wirklich nicht wecken. Zusätzlich war ich nämlich dann geliefert. Er würde sehr sauer sein. »Leute, er wird uns alle umbringen, also zeigt ihm die Fotos bloß nicht...«
»Vergiss es, dass ist Blackmail-Material«, sagte Nakamura zufrieden.
Er würde es sowas von erfahren... Vielleicht sollte ich ihn dann jetzt einfach wecken? Vielleicht verschonte er mich ja dann...? Im Grunde konnte ich ja eigentlich nichts dafür...
Nur wusste ich, dass es ihn nicht interessieren würde.
»Ich hätte niemals gedacht, dass du dich ausgerechnet von Karma aufreißen lässt«, sagte Maehara und bekam schon fast zustimmendes Prusten.
Das wiederum etwas zu laut war. Zumindest so laut, dass Karma sich zu meinem Horror regte und die Augen langsam öffnete. Er erstarrte genau für eine Sekunde, in der auch die anderen schlagartig verstummten, bevor er seine Augen aufriss und sich aufsetzte. Seine Haltung wandelte sofort von entspannt zu wachsam und er sah mich aus verengten Augen an.
»Was soll das?«, zischte er.
Er dachte doch nicht ernsthaft, dass ich ihn dazu gebracht hatte, seinen Kopf auf meine Schulter abzulegen, oder?
»Du bist eingepennt«, erinnerte ich ihn. »Nicht ich.«
Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Habe ich dir nicht gesagt, dass ich deine Hilfe nicht nötig habe?«
Tatsächlich wusste ich nicht sofort, was er meinte. Ich brauchte etwas, bis mir unsere sehr kurze Unterhaltung bei der Schulversammlung einfiel. Es ergab trotzdem keinen Sinn für mich. Und genauso wie an eben diesem Tag, sprang Isogai nun erneut ein, um mir zur Hilfe zu kommen.
»Es war nicht Naokos Schuld«, sagte er beschwichtigend. »Dein Kopf ist im Schlaf einfach auf ihre Schulter gerutscht.«
»Genau. Sie war wenigstens so nett und hat dich nicht von sich gestoßen«, sagte Yara.
Karma gab sich damit defintiv nicht zufrieden. Er schnaubte verächtlich und benutzte die Lehne auf der anderen Seite als Stütze, als würde er möglichst viel Distanz zwischen uns bringen wollen. Wahrscheinlich wollte er genau das. Damit hatte ich zwar gerechnet, doch irgendwie versetzte es mir trotzdem einen unschönen Stich. Um mir jedoch nichts anmerken zu lassen, presste ich meine Lippen zusammen und holte mein Handy heraus. Ich wollte die Situation irgendwie überspielen, wusste jedoch nicht genau, was ich machen sollte, besonders weil die anderen Karma und mich immer noch musterten. Dieser hatte wieder seine Augen geschlossen, sah nun aber viel angespannter und sogar genervt aus. Wenn ihn meine Nähe so sehr nervte, wieso genau wollte er dann überhaupt unseren Deal? Warum war meine Nähe dann in Ordnung, aber nicht in dieser Situation? Ich würde ihn niemals verstehen. Aber gerade sein widersprüchliches Verhalten setzte mir zu. Daran musste ich noch arbeiten.
Sein Verhalten jetzt könnte an den Zuschauern liegen, gleichzeitig wusste ich jedoch auch, dass Karma und ich eine eigenartige Verbindung hatten. Er mochte mich nicht, das wusste ich. Und ich wusste auch, dass ich selbst schuld war...
»Hey, habt ihr eigentlich schon eine Idee, wie wir Koro-Sensei psychisch vorher belasten können?«, fragte Isogai nun, defintiv um das Thema zu wechseln und die Situation zu entspannen.
Es wirkte zumindest, da die anderen endlich ihre Aufmerksamkeit von uns nahmen. Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment vibrierte mein Handy. Ich widmete mich diesem schon fast dankbar.
[18:52] Unbekannt: Wir werden beide Probleme bekommen, wenn du dich weigerst.
Er hatte recht. Das wusste ich. Dementsprechend hatte ich auch keine andere Wahl.
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»Du bist zu spät«, merkte Rey an, als ich beim Café ankam, zu dem ich ihn bestellt hatte.
In zwei Tagen war unsere Reise und ich war ziemlich aufgeregt sowie vorfreudig. Doch bevor es los ging, musste ich mich wenigstens einmal mit Rey treffen, ob ich es wollte oder nicht. Mein Dad wäre sehr sauer, wenn er mitbekommen würde, dass ich diejenige war, die seinen Plänen im Weg stand. Also musste ich damit irgendwie umgehen lernen, damit dies nicht passiert und das möglichst vorher. Bevor es eskalierte.
Das Café erschien mir perfekt für mein Vorhaben. Es war öffentlich, weshalb Rey sich... benehmen musste und ich konnte problemlos, mithilfe meines Handys, nach Hause finden und war nicht auf ihn als Fahrer angewiesen.
Irgendwie überraschte es mich trotzdem, dass er sofort meinen Konditionen zugestimmt hatte. Zusätzlich war er auch noch überaus pünktlich, genauso wie ich, sah jedoch unglaublich gelangweilt aus. Das war wohl der eigentliche Grund seiner Beschwerde.
Seufzend stellte ich meine Tasche auf die Bank und setzte mich dann ebenfalls hin.
Schon komisch... Rey sah man sofort an, dass er nicht zu der gesellschaftlichen Schicht gehörte, die normalerweise in diesem Café verkehrte. Nicht nur aufgrund seiner sehr hochwertig aussehenden Kleidung, sondern auch aufgrund seiner Haltung, die praktisch dies herausschrie.
Ob ich genauso wäre, wenn meine Beziehung zu meinem Vater anders wäre?
»Ich bin pünktlich«, sagte ich schlicht und nahm die Karte in die Hand.
Wenn ich schon zu diesem Treffen gezwungen war, konnte ich mir Nervennahrung erlauben...
»Hättest du dir nicht wenigstens ein Kleid anziehen können?«, seufzte Rey, ohne mich anzusehen. Er ließ seinen Blick durch das Café gleiten und schüttelte fast schon verständnislos den Kopf. »Wobei diese Typen hier auch nicht besser gekleidet sind... Was genau haben sie da an?«
Es fiel mir überraschend leicht ruhig zu bleiben. Irgendwie traurig, ich war ein solches Verhalten wohl mittlerweile gewöhnt.
»Wir wollen eben nicht alle so aussehen, als wären wir auf dem Weg zu einem geschäftlichen Meeting«, erwiderte ich und sah kurz von der Karte auf. »Und du weißt, unter welcher Bedingung ich dich hier treffe.«
Er verdrehte die Augen. »Ich darf dich nicht berühren und soll kein Arschloch sein.«
»Genau.«
»Ich verstehe immer noch nicht genau, wieso du mich für ein Arschloch hältst.«
»Die Missachtung von Boundaries. Das Lästern, Verurteilen, dein dauernder Tunnelblick...«
»Wenn die anderen es verdient haben. Ich meine, man kann sich doch wenigstens etwas ins Zeug legen, um nicht so aussehen... wie der Kerl da zum Beispiel! Sein Kragen ist absolut nicht gerichtet. Es reicht, wenn er vorher einmal in den Spiegel schaut.«
»Und genau deshalb bist du ein Arschloch«, sagte ich und schloss die Karte.
Ich würde mehr als einen Milchshake brauchen, um dies zu überleben... Aber es war meine Pflicht.
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