32. Ergebnisse
Hola,
Nach dieser langen Pause geht es nun weiter. Wer mir auf Instagram folgt (@su.yu.san) weiß, dass ich momentan so so so so so viel zu tun habe, dass ich nicht einmal kurz verschnaupfen kann. Aber ich hoffe, dass es nach den Abgaben, deren Deadline Ende des Monats ist, etwas besser wird. Meine Lebensenergie und meine Motivation sind momentan auf dem Tiefpunkt, doch wir wurden bereits gewarnt, dass diese Phase in unseren Studium die anstrengste sein wird.
Vor allem ist es genau dann passiert, als die wirklich interessanten Sachen los gehen sollten...
It will get better though. I'm sure. Anyways, enjoy this chapter.
Viel Spaß beim Lesen!
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98, 99, 99, 98, 95...
Ich war aus dem Schulgebäude getreten und starrte immer noch auf meine Ergebnisse. Sie waren besser als die vorherigen, doch mussten sie gut genug für meinen Vater sein...
Und leider waren sie eben nicht perfekt...
95 Punkte in Mathe... Ohne Karma hätte ich wahrscheinlich extrem versagt. Er hatte mir besonders bei den Grundlagen noch einmal geholfen und mir jedes Thema zusätzlich erklärt. Manchmal auch mehrmals. Und doch hatte es nicht gereicht... Meine Leistung war trotzdem nicht perfekt.
Hoffentlich war mein Vater viel zu beschäftigt, um sich an die Zwischenprüfungen zu erinnern. Oder zumindest zu beschäftigt, um vorbeizukommen...
Meine Klasse hatte zumindest die 9A besiegt. Wir hatten mehr erste Plätze erreicht als sie und durften deshalb einen Wunsch äußern. Überraschenderweise hatten Terasaka und seine Idioten heimlich sogar gelernt, um alle den ersten Platz in Hauswirtschaft zu erreichen. Somit hatten sie sich unerwartet zusätzliche Tentakeln gesichert.
Seufzend schulterte ich meine Tasche und wollte den Berg hinunterlaufen, als jedoch genau dann Muramatsu, Yoshida, Hazama und Terasaka aus dem Gebäude traten und ebenfalls dieselbe Richtung wie ich einschlugen. Ich lächelte. Während sie neben mir herliefen, schienen sie über ihren Sieg immer noch ganz aus dem Häuschen zu sein und sich selbst zu feiern. Es war auch ein sehr guter Plan gewesen, da sie praktisch ein Schlupfloch gefunden hatten. Niemand hatte Hauswirtschaft als potentielles Tentakelsicherungsfach betrachtet oder überhaupt im Sinn gehabt. Unglaublicherweise hatten sie auch alle die volle Punktzahl erreicht, obwohl sogar ich nur 99 Punkte in diesem eher nebensächlichen Fach errungen hatte. Dementsprechend mussten sie sich sehr angestrengt haben.
»Sein Gesicht werde ich niemals vergessen«, kicherte Muramatsu zufrieden. »Allein dafür hat es sich gelohnt.«
»Damit haben wir uns das Preisgeld so gut wie gesichert« verkündete Terasaka schon fast.
»Absolut. Das war die beste Idee, die wir jemals hatten«, sagte Hazama mit einem etwas unheimlichen Grinsen.
»Da stimme ich euch zu«, mischte ich mich ein und bekam gleich darauf zutiefst verwunderte Blicke. Ein Schweißtropfen bildete sich auf meiner Stirn. »Ich meine, es war eine sehr gute Idee. Gratulation.«
Ich meinte meine Aussage wirklich ernst. Doch aus irgendeinem Grund bekam es Terasaka scheinbar in den falschen Hals.
»Was willst du damit sagen?!«, rief er wütend. »Willst du Probleme?!«
»Ich gratuliere euch nur«, sagte ich seufzend. »Hold your horses.«
»Willst du mich provozieren?!«
»Ich glaube, sie meint es ernst«, sagte Hazama, eher unbeteiligt.
»Das glaube ich auch«, stimmte Yoshida zu. »Sie hat keinen Grund uns zu provozieren.«
Ich fragte mich, woher seine Annahme kam. Ob er es aufgrund meiner Hilfe vor einigen Wochen dachte, oder es aus der Situation jetzt geschlussfolgert hatte? Die Gruppe war mir nämlich seit damals nicht mehr so negativ gegenüber eingestellt. Zwar nicht besonders freundlich, jedoch auch nicht feindselig. Damit hatte ich aber nicht einmal gerechnet, auch wenn ich ihre Hintern gerettet hatte.
»Vor allem, weil wir uns allen damit einen gewaltigen Vorteil gesichert haben«, meinte Muramatsu stolz.
»Da habt ihr«, stimmte ich ihm zu, doch Terasaka schnaubte verächtlich.
»Als ob dich das interessiert«, sagte er patzig. »Du beteiligst dich doch an gar nichts.«
Sagte derjenige, der bis vor kurzem auch nicht aktiv mit den anderen zusammengearbeitet hatte... Isogai hatte mir erzählt, dass Terasaka sogar mit diesem Shiro zusammengearbeitet hatte, bevor er dann praktisch wieder die Seiten gewechselt sowie auf Karma gehört hatte, um seine Klassenkameraden vor Itonas Angriff zu beschützen. Er hatte zwar im Gegensatz zu mir andere Motive und Intentionen, doch er hatte eine Kooperation mit den anderen trotzdem ebenfalls weitgehend verweigert. Daher war es ironisch, dass er mir genau das vorwarf.
»Das stimmt«, sagte ich. »Aber dafür gleicht ihr es wieder aus.«
Ich zeigte ihm einen Daumen nach oben, zugegeben, mit der Intention ihn jetzt etwas zu provozieren. Und es klappte, wobei es vermutlich an meiner Aussage lag, da er sich ziemlich darüber zu ärgern schien.
»Einen Scheiß machen wir!«, regte er sich auf. »Wir sind dir gar nichts schuldig!«
Ich seufzte. »Das habe ich auch nie gesagt... Wieso bist du eigentlich immer bei mir so dauer-offended?«
Terasaka riss seinen Mund auf, um mir zu antworten, doch eine andere, provokante Stimme kam ihm zuvor.
»Wenn ich so recht überlege, würde ich glatt sagen, dass du eine Schwäche für unsere Eiskönigin hast, Terasaka«, sagte Karma und sorgte dafür, dass wir alle stehen blieben.
Mittlerweile waren wir am Fuß des Berges angekommen. Der Rothaarige lief gemächlich an uns vorbei, beschleunigte jedoch seine Schritte, als er bemerkte, dass Terasaka ihn packen wollte. Geschickt wich er aus. Sein Grinsen wurde breiter, während er unseren Klassenrüpel herausfordernd ansah. Dieser ließ sich natürlich sofort darauf ein und bereits im nächsten Moment versuchte er sich erneut auf ihn zu stürzen.
Ich legte den Kopf leicht schief. Irgendwie schien genau das die beiden zu verbinden. Obwohl sie sich oft in die Haare bekamen, wirkten sie trotzdem vertraut miteinander, schon fast wie Freunde.
Mein Handy vibrierte und ließ mich meinen Blick von diesem Hin und Her abwenden. Ich kramte es heraus und entsperrte es, um die Nachricht, die ich bekommen hatte, zu lesen.
[15:51] Unbekannt: Dein Vater hat mir deine Nummer gegeben. Wir sollen ein Treffen ausmachen.
Ich wusste sofort, wer mich da kontaktierte. Meine Stimmung war automatisch im Keller und doch war ich nicht so bekümmert wie vorher. Ich hatte um ehrlich zu sein besonders das Bedürfnis, ihn auf diesen Fehler aufmerksam zu machen. Ich wollte, dass es Rey einsah. Er sollte wissen, warum sein Verhalten nicht in Ordnung war.
Und wäre es Karma gewesen, hätte ich nichts dagegen... doch das war etwas völlig anderes. Ihm hatte ich schon mehrmals die Erlaubnis gegeben. Er war in meinem Alter, ich kannte ihn und wir hatten mehr miteinander zu tun. Bei Rey traf nichts davon zu.
»Du siehst genauso aus wie ich, wenn ich lachende Kinder sehe«, sagte Hazama plötzlich an mich gewandt.
Verdutzt sah ich von meinem Handy auf und begegnete ihren gelangweilten Blick. Hatte man mir meinen Unmut wirklich angemerkt? Langsam musste ich meine Mimik wieder komplett in den Griff bekommen. Ich machte mittlerweile zu viele Fehler.
»Was ist an lachenden Kindern so schlimm?«, überspielte ich die Situation schnell.
Sie drehte ihren Kopf wieder zu Karma und Terasaka, der kurz davor war auf den rothaarigen Klassenteufel loszugehen, antwortete jedoch trotzdem.
»Wenn ich ihr Lachen sehe, erinnere ich mich nur an die Vergänglichkeit, bevor die Realität sie einholt.«
...
Das war viel zutreffender als ich es gern zugeben würde... Muramatsu und Yoshida schienen es jedenfalls nicht zu verstehen, so verwirrt, wie die beiden aussahen.
»Philosophisch«, sagte ich daher nur und rückte meine Tasche zurecht, sodass sie etwas bequemer auf meinen Schultern lag.
Genau in diesem Moment hatte Terasaka es irgendwie geschafft, Karma zu Boden zu ringen, der sich jedoch abfing und sofort wieder aufsprang, um sich auf diesen zu stürzen. Seine Tasche ließ er dabei auf den Boden liegen. Bei seiner Rache wäre sie schließlich nur im Weg. Sie hatte sich dabei jedoch geöffnet, weshalb ich mich hinkniete und den Inhalt wieder einräumen wollte. Dabei erhaschte ich aber unerwarteterweise einen Blick auf seine Prüfungsergebnisse, was absolut nicht meine Intention gewesen war.
96, 96, 85, 97, 95...
Meine Augen weiteten sich leicht verdattert. Moment... Er hatte nur 85 Punkte in Mathe erreicht?!
Bevor ich den zerknitterten Zettel aufheben konnte, wurde er mir praktisch direkt zwischen meinen Fingern entrissen. Karma sah ziemlich genervt aus, genauso wie vorhin. Ohne mich anzuschauen, sammelte er seine Sachen wieder ein und richtete sich auf, meine fragenden Augen komplett ignorierend.
Wie hatte er nur so schlechte Ergebnisse bekommen können? Bei den ersten Zwischenprüfungen hatte er es noch auf Platz 4 der Gesamtplatzierung geschafft. Laut seines Ergebnisses jetzt war er auf Platz 13 gerutscht...
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Mein Termin im Krankenhaus verlief leider nicht so wie erhofft. Es war einer dieser Tage, wo Kenta nur ab und zu vorbeischauen konnte, um zu sehen, ob alles in Ordnung war, bevor er sofort wieder aus dem Zimmer musste. Wie er mir gesagt hatte, waren sie aufgrund von drei Krankmeldungen auf der Station unterbesetzt, weshalb er sich nicht mehr Zeit nehmen konnte. Es war etwas frustrierend, da ich ihm von Rey erzählen und fragen wollte, ob das, was ich da fühlte, normal war oder ob ich übertrieb. Im Grunde sollte es mich nicht stören. Mein Vater hatte diesen Kerl praktisch für mich ausgesucht und es war meine Pflicht eine gewisse Rolle für ihn zu spielen. Doch es störte mich. Sogar gewaltig. Und das war nicht richtig.
Ich hatte schlichtweg nicht das Bedürfnis ihm auf irgendeiner Weise näher zu kommen.
Ob das überhaupt von mir erwartet wurde? Eigentlich sollte dies nicht der Fall sein, da aus gesetzlicher Sicht diese Verbindung nicht erlaubt war...
Niedergeschlagen starrte ich an die Decke. Das wäre meine Chance gewesen, mit jemandem darüber zu sprechen. In solchen Momenten bemerkte ich die Einsamkeit deutlich mehr. Normalerweise würde ich mich jetzt mit Lernen ablenken, einfach um mir nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen. Doch die Prüfungen waren vorbei und nach dieser Woche hatten wir Sommerferien... wo ich auch irgendetwas mit mir anfangen musste...
Das würde schlimm werden... Denn das hieß, dass ich Karma wochenlang nicht sehen würde und in dieser Hölle zu Hause praktisch feststecken würde. Meine Tante war schließlich jetzt arbeitslos und Ai ebenfalls zu Hause...
Ich hatte absolut keine Lust darauf...
Apropos Karma, ich konnte immer noch nicht verstehen, wieso er dieses Mal so schlecht abgeschnitten hatte. Ich hatte schlichtweg nicht damit gerechnet, vor allem, weil er immer so selbstbewusst gemeint hatte, wie leicht dieser Sieg für ihn werden würde. Das musste gerade ziemlich an seinem Ego kratzen. Da ich auch besser in Mathe abgeschnitten hatte als er, würde ich in den Sommerferien nicht einmal um Nachhilfe bitten können...
Er würde sofort bemerken, dass ich nur seine Nähe suchte und das musste ich verhindern.
Irgendwie schade... Ich wollte mein Leben nun mehr leben und doch wüsste ich nicht einmal, wie man lebte...
Vielleicht lernte ich dies ja, wenn wir in unserem Ressort auf der Insel waren. Tatsächlich hatte sich meine Klasse dazu entschieden, den Wunsch zu äußern, die Studienfahrt der 9A zu bekommen. Diese fand in einem Luxushotel auf einer Insel statt und sollte angeblich die Elite auf die Prüfungen vorbereiten. Wie genau sie das machte, wusste ich zwar nicht, doch das war meine Möglichkeit mich meiner Klasse irgendwie anzunähern. Ich durfte es nur nicht vermasseln.
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Im Gegensatz zu Raiko wurde ich nicht nach meinen Noten gefragt. Ihre Ergebnisse schienen nicht ganz so gut ausgefallen zu sein, da gleich darauf ein heftiger, lautstarker Streit ausgebrochen war.
Ich bezweifelte, dass Raiko nur wenige Punkte fehlten. Am liebsten hätte ich sie getröstet, als sie weinend und wutentbrannt aus dem Haus gestürmt war, doch ich wusste, dass ihr Freund dies vermutlich nun übernehmen würde und das deutlich besser als ich.
Heute war die Abschlusszeremonie, wo wir uns unsere geforderte Sache, den Sonderkurs auf der Insel, holten. Die 9A blieb leider nichts anderes übrig als zu gewähren. Überraschend war für mich eher eher, dass auch Karma erschienen war. Normalerweise schwänzte er solche Veranstaltungen immer, meist mit der Begründung, dass er es nicht nötig habe zu erscheinen - ich bemerkte gerade, dass er laut ihm selbst vieles nicht nötig habe. Auch Isogai neben mir schien es aufzufallen, der Karma gleich darauf ansprach.
»Seit wann nimmst du an solchen Versammlungen teil, Karma?«, fragte er erfreut und überrascht zugleich. »Normalerweise kriege ich dich nie dazu überredet.«
Karma zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Wenn ich nicht erschienen wäre, hätte es so ausgesehen, als würde ich wegen meines Ergebnisses kneifen.«
Ein Schweißtropfen bildete sich auf meiner Stirn. Darum ging es ihm also. Mein Blick wanderte über die Schülervertretung und blieb an einem Jungen mit hellrotem Haar hängen. Asano Gakushu. Er war wohl eher der Grund, wieso Karma sich nicht die Blöße geben wollte. Asano war sozusagen der Anführer der A-Klasse, hochintelligent und der Sohn des ebenso sadistischen Schulleiters. Viele Mädchen schwärmten für ihn, was ich nicht ganz nachvollziehen konnte. Auf mich wirkte er beunruhigend. Man wusste nie, welches Ass er im Ärmel hatte oder welchen Plan er schmiedete und Fakt war, dass er auch nicht vor dreckigen Mitteln abschreckte. Es war schlichtweg anders als bei Karma und doch konnte ich es nicht einmal genauer erklären.
Jedenfalls waren Karma und Asano aus irgendeinem Grund sowas wie Rivalen. Ich vermutete, dass es auch daran lag, weil sie einiges gemeinsam hatten.
Sie waren beide talentiert, arrogant, intelligent und unglaublich schlechte Verlierer...
»Geht es dir denn besser?«, fragte ich, sodass Karma und Isogai mich überrascht ansahen. »Du warst doch so... niedergeschlagen wegen deiner Prüfungsergebnisse, deshalb...«
»Spar dir dein Mitleid, Naoko«, schnaubte Karma verächtlich und wandte sich wieder nach vorn. »Sowas hab ich echt nicht nötig.«
Ich war nicht verletzt, aber irgendwie doch etwas enttäuscht... Ich hatte mir nämlich wirklich Sorgen um ihn gemacht... Eine Hand legte sich beschwichtigend auf meine Schulter und ich sah Isogai an, der mich anlächelte.
»Das ist echt nett von dir«, sagte er. »Ich wusste doch, dass du ein weiches Herz hast.«
Ich lächelte ebenfalls, wenn auch etwas zögerlich. »Ich habe auch nie etwas anderes behauptet... So kaltherzig bin ich eigentlich nicht.«
»Ich weiß«, versicherte er mir. »Das habe ich nie angenommen. Mach dir keine Gedanken.«
Nun legten sich zwei weitere Hände auf meine beiden Schultern, sodass Isogai seine zurückziehen musste. Nakamura beugte sich mit einem frechen Grinsen nach vorn.
»Na, na, was sehe ich da? Flirtet ihr zwei etwa gerade schamlos?«, wollte sie wissen.
Ich schüttelte den Kopf, doch es war Isogai, der ihr antwortete.
»Wir unterhalten uns nur«, sagte er.
Karma vor uns schnaubte erneut, ohne sich umzudrehen. »Wer es glaubt.«
Ich verdrehte die Augen und seufzte. Was war nun jetzt genau sein Problem? Wie hatte ich ihn jetzt schon wieder verärgert? Ich hatte mir doch nur Sorgen gemacht, dass er bekümmert sein könnte.
»Hört zu, ihr könnt es mir ruhig sagen, wenn ihr allein gelassen werden wollt«, zwinkerte Nakamura gespielt vielsagend, weshalb ich kurz davor war ihr scherzhaft leicht auf den Kopf zu hauen.
Sie alberte nur herum, doch machte die Situation damit schon etwas unangenehm. Isogai war zum Glück nicht auf den Kopf gefallen und schien genau zu wissen, wie er das Thema in einer nicht unangenehmen Weise beenden konnte. Kurz deutete er nach vorn.
»Es geht gleich los, wir sollten zuhören.«
Und damit ließ auch Nakamura das ganze Thema, worüber ich sehr froh war.
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»Dein Vater kommt heute«, bellte meine Tante schon fast, als ich an unserer Waschküche vorbeilief und ließ mich abrupt innehalten.
Ich wusste, dass ich ihm nicht entkommen oder ihn meiden konnte. Und weiter herauszögern konnte ich es auch nicht, da ich mir von ihm noch eine Erlaubnis für die Fahrt in den Sommerferien, die nun angebrochen waren, einholen musste. Nächste Woche ging es auf die Insel und auch wenn meine Klassenkameraden die Gelegenheit für einen Anschlag nutzen wollten, freute ich mich schon ziemlich drauf. Dass waren zumindest zwei Tage Freiheit, die ich komplett genießen konnte, weit weg von der bitteren Wahrheit, die sich mein Leben schimpfte.
Allein der Tonfall dieser Frau sorgte dafür, dass ich sie mittlerweile herausfordern und aufwecken wollte, doch ich riss mich zusammen. Seit ihrer Arbeitslosigkeit hatte sie sich zumindest verbessert. Ich war mir sicher, dass sie meinen Vater von ihren Qualitäten als Hausfrau überzeugen wollte. Gleichzeitig wusste ich aber auch bereits seine Antwort...
... dass ihre Qualitäten weder im Büro, noch in der Erziehung vorzufinden waren.
Da war ich mir sicher.
Auch jetzt schien sie ihren Aufgaben nicht perfekt nachzugehen. Sie wirkte scheinbar ziemlich genervt, was wohl unter anderem an Ai lag, die mit allem möglichen um sie herum spielte und ihrer Mutter kaum Freiraum zum Arbeiten ließ. Stattdessen nahm sie alles in die Hand und ignorierte die Ermahnungen.
Denen definitiv der Nachdruck und die Konsequenz fehlte. Mich wunderte es nicht, dass Ai sie nicht einmal ernst nahm und stattdessen mach dem Waschmittel gegriffen hatte.
»Okay«, sagte ich. »Deine Tochter versucht gerade Waschmittel zu trinken.«
Natürlich könnte ich einspringen, doch wenn ich mich einmischte, würden sie mich mehr hineinziehen. Also überließ ich es ihr, als sie es rechtzeitig bemerkte und Ai das Waschmittel aus der Hand entriss und lief einfach weiter. Gerade noch rechtzeitig, da das Geschrei direkt los ging.
»DAS IST NICHT ZUM TRINKEN, DU DUMMES FERKEL!«
»ABER ES HAT EINE SCHÖNE FARBE! GIB HER! DAS IST MEINS!«
»WENN DU DAS TRINKST, STIRBST DU! WIE KANN MAN SO GEFRESSIG SEIN!«
Eine sehr intellektuelle Unterhaltung, die in diesem gehobenen Haushalt wohl mittlerweile die Norm war. Hoffentlich tobbten sie sich aus, bevor mein Vater kam. In meinem Zimmer nahm ich meine Prüfungsergebnisse von meinem Schreibtisch. Sie waren nicht perfekt... Das wusste ich. Ich hoffte nur, dass sie zumindest ausreichten, obwohl ich bereits wusste, dass es nicht so sein würde.
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Meine Wange brannte, während ich meinen Kopf gen Boden gerichtet hatte. Einerseits wollte ich seinen anklagenden Augen ausweichen, andererseits wusste ich, dass er bei Blickkontakt deutlich wütender sein würde. Dass er sich wieder auf das Sofa gesetzt hatte und nun tief ein- sowie ausatmete, war zumindest ein gutes Zeichen.
»Ich dachte, dass du dich in den letzten Wochen gebessert hast«, sagte mein Vater langsam und mit gefasster Stimme. »Ich habe mich getäuscht. Du bist immer noch weit von meiner gewünschten Perfektion entfernt.«
Die Enttäuschung, die er wegen mir verspüren musste, versetzte mir einen Stich. Ich schloss die Augen und versuchte meine Atmung in den Griff zu bekommen. Die Ohrfeige hatte ich verdient und doch schien sie nicht ausreichend zu sein.
Ich hatte es wieder nicht geschafft ihn stolz zu machen.
»Ich dachte, dass du nicht wie deine Mutter sein würdest, doch ich habe mich getäuscht...«
In meinen Augen war meine Mutter perfekt gewesen... Ihre Krankheit war jedoch das, was mein Vater als unperfekt ansah.
»Die Tatsache, dass du noch am Leben bist, hast du mir zu verdanken«, sagte er nun nachdrücklich. Und es stimmte. »Alles, was ich von dir verlange, sind perfekte Ergebnisse. Jetzt habe ich jedoch meine Zweifel, ob du nicht genauso wie dieser Abschaum in der Küche bist. Ich gebe dir alles. Wie kannst du da so undankbar sein?«
Ich war dankbar. Sehr sogar. Doch wenn ich das aussprach, würde es ihn nur wütender machen.
»Ich hoffe doch, dass du wenigstens vor den Ichibas deine Pflichten erfüllst«, sagte mein Vater und stand nun schnaubend auf. »Sie sollen nicht wissen, was für eine Versagerin sie sich als Schwiegertochter ausgesucht haben. Zumindest wirst du dann nicht mehr mein Problem sein.«
Meine Augen weiteten sich und ich sah entsetzt auf, während das Blut in meinem Körper gefror. Die Pläne gingen noch weiter als erwartet. Sehr viel weiter. Ich dachte, dass sie sich nur etwas erhofften oder wollten, dass wir uns trafen. Mit diesen konkreten Plänen hatte ich nicht gerechnet. Sie ergaben doch noch nicht einmal Sinn.
Doch die Tatsache, dass ich aufgesehen hatte, war ein Fehler gewesen, den ich gleich darauf besonders physisch zu spüren bekam.
Erstaunlicherweise spürte ich zum Glück nicht viel. Dafür saß der Schreck zu tief in meinen Knochen.
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[21:18] Nakamura: Heyyyaaaa! Wie wäre es, wenn wir für unsere kleine Reise shoppen gehen? Wer wäre dabei?
Ich starrte auf die Nachricht, während der Tumult um mich herum ausgelassener denn je war. Leider hatte ich meinem Vater den Appetit verdorben. Er war direkt nach seiner Lektion einfach gegangen, was vermutlich auch besser war. Ich wiederum hatte es jedoch auch nicht mehr zu Hause ausgehalten. Der siegessichere Blick meiner Tante und ihre spöttischen Sprüche, Ais grundloses Gekreische und die Tatsache, dass auch Raiko und mein Onkel das Haus verließen, waren genug für mich gewesen, um ebenfalls die Flucht zu ergreifen.
Doch ich hatte eben keinen Ort, wohin ich konnte. Weder einen Rückzugsort, noch Freunde. Karma war mir zwar in den Sinn gekommen, aber ich hatte Angst, dass auch er mich verletzte. Momentan fühlte es sich nämlich so an, als würde ich jeden Moment zusammenbrechen.
Also war ich in die Arcade-Halle gegangen.
Ich hatte keine andere Möglichkeit. Sie war immerhin noch spät geöffnet und wenn ich so tat, als würde ich spielen, konnte ich mich entweder ablenken oder in Ruhe meine Gedanken sortieren. Mir war sonst nichts eingefallen und es hatte auf meinem Weg gelegen. Hier konnte ich abtauchen. Jeder war mit sich selbst beschäftigt und vergnügte sich, da fiel ich nicht auf. Außerdem konnte ich sitzen und die Schmerzen in meiner Schulter vergessen, die ich durch meinen Sturz erlitten hatte.
Ich war jedoch einfach nur dankbar, dass mich mein Vater zumindest nicht in den dunklen Raum gesteckt hatte. Das hieß jedoch auch, dass ich ihn so sehr enttäuscht hatte und er meinen Anblick einfach nicht mehr ertragen konnte.
Eine Hand, die sich plötzlich auf meine Schulter legte, riss mich sehr unsanft aus meinen Gedanken und ließ mich alarmiert aufsehen. Dadurch starrte ich in die dunklen Augen von Kurai, der mich vorsichtig und mit gerunzelter Stirn musterte. Er sagte jedoch erst nach einigen Sekunden etwas, während er seine Hand langsam zurückzog und sich leicht hinkniete.
»Du bist sehr blass. Möchtest du etwas trinken?«, fragte er mitfühlend.
Perplex öffnete ich den Mund, bemerkte aber, dass hinter ihm zwei Jugendliche standen, die zu warten schienen. Erst dann ging mir ein Licht auf, dass sie wahrscheinlich das Videospiel spielen wollten, das ich besetzt hatte. Schnell und entschuldigend erhob ich mich, stolperte dabei leicht und lief an Kurai vorbei, um mich an die Wand neben einem Getränkeautomaten zu lehnen. Er folgte mir, warf wortlos eine Münze in den Automaten ein und hielt mir zwei Sekunden später eine Flasche Wasser entgegen.
»Bitte trink etwas. Danach wirst du dich besser fühlen«, versicherte er mir.
Ich nickte leicht, nahm sie entgegen und schraubte sie direkt auf, um meine Antwort etwas hinauszuzögern. Vielleicht war dieser Ort doch keine gute Idee gewesen. Aber ich hatte nicht erwartet, dass der nette Angestellte meine Stimmung bemerken würde, obwohl er hier so viele andere Jugendliche hatte.
»Danke«, sagte ich anschließend und schraubte die Flasche wieder zu.
»Hast du schon wieder Streit mit deinem Freund?«, fragte Kurai vorsichtig und bedeutete mir ihm zu folgen.
Ich machte dies und er führte mich hinter die Theke, wo er auf einen Stuhl deutete. Es tat tatsächlich sehr gut, als ich mich endlich wieder hinsetzen konnte. Bereits in diesen wenigen Sekunden hatte sich meine Welt mehrmals gedreht.
»Nein«, antwortete ich ihm. »Ich... Familienprobleme, nichts weiter.«
Kurai lehnte sich an die Theke mir gegenüber und hatte sich komplett zu mir gewandt, sodass er mich betrachten konnte. Sein Blick war mir etwas unangenehm, einfach, weil er so mitfühlend und wissend wirkte. Er seufzte.
»Familienprobleme können einen auch belasten«, sagte er. »Sogar noch mehr als alle anderen. Einfach, weil die Familie einem so nahe steht.«
»Das stimmt schon... irgendwie...« Ich stand meiner Familie leider nicht nahe. Früher stand ich meinen Eltern nahe, doch das war schon lange nicht mehr so. Eigentlich sollte ich mich doch längst daran gewöhnt haben...
Kurai sah nicht überzeugt aus. »Mein Dad sieht mich persönlich als Schande an. Er hätte es lieber, wenn ich Medizin studieren würde und sieht diesen Job hier als einzige Enttäuschung. Dass es mich glücklich macht, ist ihm da völlig egal. Selbst meine Interessen verurteilt er. Dementsprechend verstehe ich dich wirklich, Naoko. Und ich weiß, wie nah einem solche Probleme gehen können...«
Ich presste meine Lippen zusammen und wählte meine Wort mit viel Bedacht. Er tat mir wirklich leid und tatsächlich kamen mir einige Punkte bekannt vor.
»Es tut mir leid, dass er so zu dir ist«, sagte ich schließlich. »Das ist wirklich nicht fair. Obwohl du so... freundlich und lieb bist...«
Kurais Lippen zuckten leicht nach oben. »Dir geht es so eindeutig nicht gut und doch versuchst du mich gerade aufzumuntern? Du bist wirklich viel zu lieb, Naoko. Es ist okay, wenn du auch mal an dich denkst. Man darf nicht immer so selbstlos sein.«
Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Also schwieg ich stattdessen und senkte meinen Blick gen Boden. Mir fiel es wirklich schwer darüber zu sprechen, doch noch schlimmer war es für mich, dass ich nicht einmal wusste, was er meinte. Inwiefern sollte ich an mich denken? Was genau fand er hier nicht in Ordnung? Ich traute mich jedoch gerade nicht nachzufragen, da ich befürchtete zu sensibel reagieren zu können. Einfach, weil es mir gerade nicht so gut ging.
Kurai seufzte erneut und ich hörte Schritte. Kurz darauf kniete er sich vor mir hin, wobei er einen angenehmen Abstand zwischen uns ließ.
»Es ist okay, verletzt zu sein, auch wenn es deine Familie ist. Das will ich damit sagen«, sagte er sanft. »Wenn sie dich nicht angemessen behandeln, ist es nicht deine Schuld. Wenn es sogar für sie in Ordnung ist, dass du so spät gerade hier bist und sie nicht einmal nach dir suchen, zeigt es ihre Fehler und nicht deine.«
Ich nickte leicht. Ich verstand seinen Punkt, doch er hatte leider keine Ahnung, in welchen Punkten meine Fehler eigentlich lagen. Doch mit einer Sache hatte er recht...
»Ihnen ist es im Grunde egal, dass ich gerade hier bin... aber sie sind keine schlechten Menschen, weißt du?«, murmelte ich.
»Es sollte ihnen nicht egal sein. Das ist ein Fehler von ihnen«, wiederholte Kurai nachdrücklich. »Dir könnte wer weiß was passieren. Gehst du oft nach einem Streit raus?«
»Manchmal...«
»Dann tu mir einen Gefallen, geh dann entweder zu deinem Freund oder noch besser, lass dich von ihm abholen oder komm hier hin. Hier kannst du dich ausruhen und bist wenigstens sicher. Ich weiß, dass du dich selbst verteidigen kannst, aber es kann trotzdem immer etwas passieren.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Er dachte wirklich immer noch, dass Karma mein Freund war... Der Gedanke sollte mich gerade nicht freuen. Gleichzeitig freute es mich sehr, dass er mir einen Rückzugsort anbot.
»Wäre das wirklich in Ordnung für dich?«, fragte ich langsam.
»Absolut. Mir wäre es sogar lieber, da ich dann wenigstens die Gewissheit habe, dass es dir gut geht.«
Ich lächelte. »Jetzt weiß ich, wieso dich die ganzen Gäste hier so mögen... Danke...«
Er verzog das Gesicht und richtete sich auf. »Erst jetzt?«, wollte er scherzhaft wissen, bevor er seinen Blick einmal prüfend durch die Halle wandern ließ.
»Wie geht es eigentlich dir? Konntest du... die Probleme mit deiner Freundin regeln?«
Sein Blick wanderte wieder zu mir. Eigentlich wollte ich ihn damit signalisieren, dass ich auch ein offenes Ohr für ihn hatte, doch seine Mimik sagte mir eindeutig, dass ich einen wunden Punkt bei ihm getroffen hatte. Er lächelte mich jedoch dann traurig an und kramte in einer Schublade herum.
»Ich habe Schluss gemacht«, sagte er dabei. »Sie war mir... doch zu selbstdestruktiv und hat sich selbst immer in Schwierigkeiten gebracht. Sowas... ist auf Dauer nicht gesund für mich. Dauernd habe ich mir Sorgen machen müssen und mir gleich darauf anhören müssen, dass ich sie einenge. Ich schätze, wir hatten einfach beide verschiedene Vorstellungen von einer Beziehung... Aber das ist okay...«
»Das tut mir wirklich... sehr leid...«, sagte ich. »Ich finde Fürsorge in einer Beziehung sogar ziemlich süß und essentiell...«
Ich wünschte, jemand würde sich mal so sehr um mich sorgen...
Doch Kurai winkte ab und hielt mir dann eine Speisekarte entgegen.
»Hier, such dir etwas aus. Ich bestelle uns etwas und dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
Erst wollte ich protestieren, aber als ich seinen leicht strengen Blick bemerkte, überlegte ich es mir anders. Ich hatte heute sowieso noch nichts gegessen und um ehrlich zu sein fühlte ich mich gerade besser... Keine Ahnung, was es genau war, doch ich fühlte mich wirklich gut.
So gut, dass ich mein Handy in die Hand nahm, das schon mehrmals vibriert hatte, während Kurai am Telefon für uns bestellte.
[21:15] Kurahashi: Ich bin dabei! Das wird bestimmt lustig!
[21:22] Fuwa: ich auch! Ich brauche dringend neue Klamotten
[21:35] Maehara: Darüber haben wir auch schon gesprochen, oder Isogai?
[21:38] Isogai: Genau, wir würden uns euch dementsprechend anschließen
[21:45] Yada: Ohh, das passt sehr gut. Ich brauche generell noch Sommersachen
[22:01] Ich: Ich wäre auch dabei
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