26. Andere Frühstückspläne
Hey!
I don't have much to say, außer, dass ich das nächste Kapitel möglichst früh posten möchte.
It's getting interesting. ( *_* )/
Viel Spaß beim Lesen!
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»... es... es sieht aus wie... wie ein... H... Hotel...«
~
Ich wachte vor Karma auf, der vermutlich die halbe Nacht irgendwelche Videospiele gespielt hatte. Das hatte ich nämlich bemerkt, als ich nachts kurz aufgewacht war und sein Gesicht in einem bläulichen, von einer kleinen Spielkonsole ausgestrahlten, Licht gesehen hatte. Es hatte mich leicht lächeln lassen, bevor ich wieder friedlich eingeschlafen war. Die Tatsache, dass ich jetzt schon wach war, machte ich mir zu nutze, indem ich erst etwas lernte und mich dann in der Küche ans Werk machte. Einerseits, weil ich Karma beeindrucken wollte, andererseits, weil ich ein gutes Frühstück liebte und besonders, weil ich mir etwas Sorgen um seine Ernährung machte. Er hatte Pizza bestellt und ich wollte nicht wissen, wie oft er Fastfood bestellte.
Erst dann fiel mir auf, dass seine Eltern nicht da waren. Wir waren allein in der Wohnung, woran ich gestern nicht einmal gedacht hatte. Ich bezweifelte, dass er allein wohnte, schließlich war er noch minderjährig und brauchte einen Vormund, aber er hatte seine Eltern auch schon ein paar Mal erwähnt.
Ob sie auf Geschäftsreise waren?
Ich spielte kurz mit dem Gedanken, ihn zu fragen, sorgte mich aber darum, wieder eine genervte Antwort zu bekommen. Ob er keine gute Beziehung zu ihnen hatte? Eltern waren ja bekanntlich... speziell. Das wusste ich selbst.
»Morgen«, hörte ich eine verschlafene Stimme irgendwann hinter mir murmeln.
Ich sah über meine Schulter und erblickte einen gähnenden Karma mit verwuscheltem Haar - was unfassbar süß aussah. Ein leises Kichern entfuhr mir.
»Guten Morgen«, sagte ich und wandte mich wieder nach vorn, um das Essen nicht anbrennen zu lassen. »Dein Sofa ist wirklich überraschend gemütlich«
Ich wäre beinahe zusammen gezuckt, als er sich plötzlich über meine Schulter beugte und ich spürte, dass er direkt hinter mir stand.
»Hmm«, machte er müde und lehnte seinen Kopf kurz leicht gegen meinen, was mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Was zur...? »Wie kannst du so früh am Morgen nur die Motivation dazu haben?«
Dann entfernte er sich wieder und setzte sich an den Tisch. Ich schluckte leicht und riss mich zusammen.
»Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tag. Und du brauchst ein gesundes Frühstück.«
Er antwortete nicht. Das war wahrscheinlich auch besser so, da meine Aussage vermutlich eher nervig für ihn war. Also konzentrierte ich mich auf die Suppe und holte den Reis aus dem Reiskocher.
Wann hatte Karma wohl das letzte Mal ein richtiges tradionell japanisches Frühstück? Er beschwerte sich zumindest nicht. Wenn er es nicht mögen würde, würde er es mir mehr als direkt mitteilen.
»Wenn du genug Motivation hast, kannst du den Tisch decken«, sagte ich und drehte mich zu ihm um, nur um ihn dabei zu erwischen, wie er schnell weg sah. Er könnte mir sagen, was er wollte, ich war mir sicher, dass er mich beobachtet hatte.
Und ich hatte keine Ahnung, wie ich es einordnen sollte.
»Mach es selbst«, sagte er. »Und zieh dir endlich eine Hose an.«
Ich schnaubte.
»Das scheint wirklich ein gewaltiges Problem für dich zu sein«, sagte ich belustigt den Kopf schüttelnd. »Keine Sorge, nach dem Essen geh ich nach Hause.«
»Willst du keine Nachhilfe?«
Seine Frage klang beiläufig, doch ich wusste, dass er Hintergedanken hatte und ich konnte mir denken, welche es waren. Für einen Moment erwischte ich mich dabei, wie ich sein Angebot in Betracht zog. Aber ich schüttelte trotzdem den Kopf.
»Ich sollte nach Hause und lernen.«
»Das machst du hier auch und das deutlich effektiver«, meinte er schulterzuckend.
»Ja, wenn es um Mathe geht«, sagte ich. »Aber es gibt noch andere Fächer, für die ich lernen muss. Mathe ist die letzte Prüfung, also habe ich dafür mehr Zeit.«
»Wenn du meinst. Hast du eigentlich vor den ersten Platz in irgendeinen Fach zu machen?«
Ich schüttelte den Kopf und machte den Herd aus. Im Gegensatz zu den meisten anderen, bereitete ich mich nicht spezifisch darauf vor.
»Nicht mit dem Ziel Koro-Senseis Tentakeln zerstören zu dürfen«, sagte ich, während ich die Sachen auf den Tisch platzierte und Stäbchen holte.
»Natürlich nicht. Schließlich ist er dein geliebter Koro-Sensei«, meinte Karma mit einem amüsierten, breiten Grinsen.
»Sei nicht eifersüchtig, Liebling«, sagte ich und tätschelte ihm kurz den Kopf. »Du bleibst meine Nr. Eins. Mein Lieblingsmonster eben.«
Sein Grinsen wich und er sah mich düster an. Ja, damit hatte ich ihn erfolgreich geärgert. Lächelnd wollte ich mich umdrehen, als er jedoch plötzlich meine Hüfte ergriff und mich zurück zog. Nein, er zog mich nicht nur zurück, sondern auch auf seinen Schoß, genau wie gestern und doch kam es wir vor, als wäre diese Position noch intimer. Vielleicht lag es auch an seinen intensiven Blick, mit dem er mir direkt ins Gesicht sah. Er war mir... irgendwie näher. Ich wusste nicht genau wie ich es beschreiben sollte oder ob es nur meine Gefühle für ihn waren. Aber es wirkte... anders...
»Versprich es mir«, sagte er fast schon flüsternd und doch mit einem Lächeln, das einfach typisch für ihn war.
Ich war verwirrt, überfordert und sprachlos, besonders, weil ich schlichtweg keine Ahnung hatte, was er meinte. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Körper, als ich seine Hände auf einmal auf meine nackten Oberschenkel spürte. Er fuhr in fast schon liebevollen, kreisenden Bewegungen über meine Haut und als er meine Reaktion darauf bemerkte, wurde sein Lächeln breiter.
Ich wusste nicht, was passiert wäre, wenn mein Handy nicht genau dann geklingelt hätte. Vielleicht hätte er mir gesagt, was er meinte, vielleicht hätte er mich auch einfach nur geküsst, denn eben diese Anstalten schien er zu machen. Und ich wusste auch nicht, ob ich froh war, dass das Klingeln uns unterbrochen hatte.
Was ich wusste war, dass mir jegliche Freude und jeglicher Appetit verging, als ich den Namen des Anrufers sah...
.
Mein Dad war selbstverständlich nicht begeistert gewesen, dass ich nicht zu Hause war und so hatte ich mich in Rekordgeschwindigkeit umgezogen und war quasi nach Hause gehetzt. Ich war in solchen Moment sehr froh, dass unsere Killerausbildung und dementsprechend unser Training so hart war. Ansonsten wäre ich nicht halb so schnell gewesen.
Schweratmend kam ich vor unserem Haus an. Natürlich hatte ich meinem Dad schnell gesagt, dass ich bei einer Freundin war, bevor er mich harsch unterbrochen hatte, dass ich auf der Stelle nach Hause müsste. Karma hatte ich es in der Eile und zitternd erklärt, dann war ich auch schon aus seiner Wohnung gestürzt.
Ohne einen Abschied. Und ohne unser gemeinsames Frühstück.
Hoffentlich wusste er es wenigstens zu schätzen...
Ich wollte die Tür aufschließen, bemerkte jedoch, dass ich meine Tasche bei Karma gelassen hatte, in der mein Schlüssel drin war. Auch das noch... Na, supper. Wie hatte ich meine Sachen bitte vergessen können? Also klingelte und betete innerlich, dass ich damit keinen Fehler machte. Die Tür öffnete sich und gab die Sicht auf meinen Onkel frei, der mich kurz musterte, bevor er mich stumm hinein ließ. Schnell zog ich meine Schuhe aus und lief ins Wohnzimmer, da mein Vater dort auf mich warten würde. So wie immer.
Nur dieses Mal war er nicht allein.
Er saß mit einem strengen Blick auf dem weißen Sofa, während meine Tante, Raiko und auch Ai herausgeputzt wie beim letzten Mal, in einer Reihe vor dem Tisch standen. Als hätten sie seinen Besuch erwartet...
Oh, nein...
Ai so vorzubereiten bedarf wirklich einer langen Zeit. Diese stand dort mit einem breiten Engelslächeln, als hätte man ihr etwas besonderes versprochen, wenn sie brav war. Das konnte also kein spontaner Besuch sein.
Aber es war keiner, über den man mich in Kenntnis gesetzt hatte...
Ruhig bleiben. Ein- und ausatmen. Du schaffst das, Naomi.
»Hallo, Vater«, sagte ich höflich und verbeugte mich. »Es ist wirklich eine schöne Überraschung dich hier zu sehen.«
Er hob seinen Blick und für genau eine Sekunde hatten wir Augenkontakt, weshalb ich schnell meinen Kopf senkte. Ich Vollidiotin! Hoffentlich dachte er nur, dass es ein Versehen war und bemerkte, wie leid es mir tat.
»Eine schöne Überraschung«, wiederholte er und ich hörte, wie er aufstand. »Was meinst du, was für eine Überraschung es für mich war, dass ich hier hin komme und sogar die Tiere in diesem Haus scheinbar mehr vorbereitet auf meinen Besuch waren, als meine eigene Tochter?«
Okay. Jetzt war ich mir sicher, dass sie es im Vorfeld gewusst hatten. Denn Ai schrie nicht dazwischen oder protestierte und ein Seitenblick auf meine Tante zeigte mir, dass sich leichte Genugtuung in ihrem Gesicht abbildete.
Es war also geplant gewesen. Doch ich hatte absolut keine Ahnung, was genau sie damit bezwecken wollte. Außer... natürlich. Ich biss mir auf die Zunge. Sie war es gewöhnt, dass ich den Mund hielt und wahrscheinlich dachte sie, dass ich auch dieses Mal seine Wut einfach ertragen würde, statt sie zu verraten. Damit erreichte sie genau zwei Sachen. Erstens, sie erteilte mir eine Lektion und zweitens, sie zeigte meinem Vater, dass seine Tochter auch noch fehlerhaft war und nicht nur ihr unerzogenes, fünfjähriges Balg, das sich nur durch eine gewaltige Bestechung benahm. Sie dachte, dass ich sie nicht verraten würde und stellte mich damit vor einer großen Wahl, ohne es zu wissen. Denn meine Entscheidung war in ihren Augen die, die ich selbstverständlich sonst immer traf. Doch dieses Mal nicht. Dieses Mal, war es nicht selbstverständlich.
Entweder ich ertrug die Schläge und seine geballte Wut und noch schlimmer, seine Enttäuschung, oder ich brachte sie in Schwierigkeiten und bekam dadurch noch mehr Ablehnung von ihr sowie ihrer Familie zu spüren.
Der kalte Angstschweiß lief mir praktisch den Rücken herunter und mein Mund war mit einem Mal staubtrocken.
Ich hatte meinem Vater im Krankenhaus gesagt, dass ich sowas nicht mehr vor ihm verheimlichen würde. Er hatte mir meinen Fehler damals klar vor Augen geführt. Ich hätte nie schweigen dürfen, denn dann wäre ich auch nicht in dieser Lage...
Du wirst wertloses Leben nicht mehr beschützen, verstanden?
Seine Stimme klang klar und deutlich. Wenn ich es nochmal machte und er es erfuhr, war ich sowas von tot. Dann wäre meine Bestrafung noch schlimmer...
Außerdem hatte uns diese Frau selbst in diese Lage gebracht. Wenn sie uns eine Lektion erteilen wollte, dann hatte sie... selbst eine verdient...
Und so...
»Verzeihung, Vater«, sagte ich mit einer tiefen Verbeugung. »Ich bitte wirklich vielmals um Entschuldigung. Ich wurde über deinen anstehenden Besuch nicht in Kenntnis gesetzt.«
Die Gesichtszüge meiner Tante erstarrten. Sie war sich wirklich sicher gewesen, dass ihr Plan funktionieren würde... dass ich schweigen würde... So wie immer...
Mein Vater warf ihr einen kurzen, kalten Blick zu, der sie bereits zusammenzucken ließ. »Du hast ihr also doch nichts gesagt.«
»Das habe ich!«, rief meine Tante, viel zu panisch. »Tanako, ich habe es dir bereits gesagt. Ihr war es wichtiger bei ihrer Freundin zu übernachten. Ich konnte es ihr einfach nicht ausreden.«
...
Ich hätte niemals gedacht, dass sie meine Entscheidung festigen würde. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich schwanken und es mir schwerer fallen würde, doch jetzt...
»Das stimmt nicht, Vater. Sie lügt dich an«, sagte ich nüchtern. »Ich habe gestern versucht sie zu erreichen, sie ist jedoch nicht rangegangen, weshalb ich ihr eine Nachricht geschickt habe und stattdessen mit Ai telefoniert habe. Sie hat mir nie gesagt, dass du heute da sein würdest. Ansonsten wäre ich hier gewesen.«
»Dann hat dieses Vieh also nicht Bescheid gegeben, dass meine Tochter angerufen hat?«, wollte mein Vater wissen.
Jeder absolute Idiot würde bemerken, dass es eine Falle war. In die diese beiden leider mit einem Hechtsprung hineintappten.
»Das hat sie nicht! Ai, hat Naomi gestern angerufen?«, wollte meine Tante wissen.
Du bist so widerlich, dachte ich wütend. Sie würde es eher in Kauf nehmen, dass ihre fünfjährige Tochter die Wut abbekam, die sowieso bereits Schwierigkeiten hatte zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden und dementsprechend sehr viel lieber log, als ehrlich zu sein. Diese erwachsene Frau hatte selbst diesen Plan aus Missgunst eingeleitet und uns alle damit mächtigen Schwierigkeiten ausgesetzt.
Ai blinzelte mit funkelnden Augen mehrmals verwirrt.
»Nein, es hat niemand angerufen«, sagte sie dann mit einem breiten Lächeln und spielte mit ihren Händen. »Das habe ich dir do...«
»Siehst du!«, unterbrach meine Tante sie und zeigte beschuldigend auf mich. »Deine Tochter ist eine Lügnerin.«
Raiko sah so aus, als wäre ihr die Situation sichtlich unangenehm. Sie riss sich jedoch zusammen und hob nicht einmal ihren Blick, den sie starr gen Boden gerichtet hatte und mein Onkel sagte kein Wort. Ich hätte zu gern seine Mimik gesehen, doch er stand hinter mir, weshalb ich es nicht konnte.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Die Person, die emotional wurde, hatte in den Augen meines Vaters etwas zu verbergen. Auf seinem Hals konnte ich allmählich die Wutadern erkennen. Dieses Theater musste ihn absolut nerven.
»Ich habe gestern erst dein Handy angerufen, doch du bist nicht rangegangen und dann habe ich das Haustelefon angerufen. Ai ist rangegangen und hat gesagt, dass sie gerade spiele und du oben seist und sowieso nicht mit mir reden wolltest. Dann meinte sie noch, dass ihr mich alle nicht leiden könnt und mich nicht wollt und aufgelegt...«
»EINE BODENLOSE UNVERSCHÄMTHEIT!«
»DU LÜGST! DU BIST NICHT BRAV! DU BIST NICHT BRAV!«
Noch nie in meinem Leben war ich von zwei Stimmen so genervt gewesen und für einen Moment vergaß ich mein moralisches Dilemma aufgrund von Ais Alter komplett. Besonders, weil mein Vater langsam rot wurde. Seine Augen bohrten sich in meinen Kopf und so entschied ich mich für die letzte Möglichkeit, die ich hatte. Ich holte mein Handy heraus, entsperrte es und öffnete den Chat mit meiner Tante. Mein Bauchgefühl gestern hatte mich nicht im Stich gelassen. Hoffentlich reichte es jedoch, um ihn zu überzeugen.
»Ich habe nicht die Intention dich zu belügen oder etwas zu vertuschen«, sagte ich und hielt ihm mein Handy hin. »Im Anrufprotokoll ist zu sehen, dass ich sie angerufen habe und dann das Haustelefon. Die Dauer der Anrufe ist auch zu sehen. Nachdem Ai mir ihre Mutter nicht gegeben hat, habe ich dieser mit einer Nachricht Bescheid gegeben, dass ich nicht zu Hause sein würde und ihr die Situation geschildert. Sie hat mir weder geantwortet, noch gesagt, dass du hier sein würdest. Der Zeitstempel, wann sie es gesehen hat, steht jedoch unter der Nachricht.«
Mein Vater nahm mein Handy entgegen und scannte scheinbar den Inhalt. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass meine Tante nun kreidebleich war. Sie hatte die Nachricht wahrscheinlich vergessen und sowieso damit gerechnet, dass ich dicht halten oder sofort bestraft werden würde. Damit hatte sie defintiv nicht gerechnet.
»Nakamura.«
Ich blickte verwirrt auf. Mein Vater hielt mir mein Handy hin, worauf eine Nachricht zu sehen war, die ich bekommen hatte.
[11:02] Nakamura: Du hast deine Tasche bei mir vergessen, Naoko
»Dass... ist Rio Nakamura«, sagte ich. »Meine Klassenkameradin.«
Karma, was auch immer das sollte... Ich danke dir...
Denn gleich darauf nickte mein Vater zufrieden. Dann wandte er sich meiner Tante zu, die unter seinem eisigen Blick erstarrte.
»Deine Göre ist unerzogen, weil du scheinbar selbst erzogen werden musst«, sagte er und sah über seine Schulter, als würde er ihre Angst und ihr Zittern, das durch seine Worte ausgelöst worden war, nicht bemerken. Er sah defintiv seinen Bruder an, der zu feige war, um irgendetwas zu sagen. »Und das ihr eurem Vieh erlaubt so mit meiner Tochter zu sprechen, wird ernsthafte Konsequenzen haben. Aber jetzt, zeige ich dir erst einmal, wie du die beiden richtig erziehst. Hol einen Gürtel.«
Eine unglaubliche Kälte legte sich über meinen Körper und jede Faser in meinem Körper schien zu erstarren. Plötzlich schien es sogar im Raum mehrere Temperaturen kälter geworden zu sein. Ich war mir sicher, dass die anderen sich auch nicht mehr regen konnten. Alle, bis auf Ai, die plötzlich total aufgeregt aussah und auf und ab sprang.
»Bekommt Naomi endlich Haue?!«, rief sie begeistert. Viel zu begeistert. Und absolut ahnungslos, was er gerade eigentlich gemeint hatte.
Ihre Bemerkung und die Tatsache, dass sie tanzende Bewegungen ausführte, als würde sie jemanden bekämpfen, sorgten dafür, dass mein Vater seine Augen kurz verengte.
»Sofort«, sagte er nun in einem fordernden, bellenden Befehlston.
Ich hörte Schritte hinter mir. Mein Onkel hatte sich also in Bewegung gesetzt. Immer noch ohne ein Wort zu sagen. Oder seine Familie in Schutz zu nehmen...
Vielleicht wusste er auch, dass sich seine Ehefrau dies selbst eingebrockt hatte. Jeder, der meinen Vater kannte, wusste, dass man mit ihm niemals solche Spielchen oder generell solche Lügen abziehen sollte.
Mein Onkel kam wieder ins Wohnzimmer und endlich in meinem Blickfeld. Es war besorgniserregend, wie ruhig er wirkte. Er war weder blass, noch sonst etwas, sondern wirkte schon fast emotionslos. Stumm hielt er meinem Vater den langen Gürtel entgegen, doch dessen Mundwinkel zuckten leicht nach oben.
»Nein«, sagte er. »Du wirst sie erziehen.«
Es war Folter. Folter für die beiden, auf physischer Ebene und Folter für alle drei auf emotionaler Ebene. Dann sah mein Vater Raiko und mich kurz an, bevor er wenigstens uns harsch befahl zu verschwinden. Und das taten wir auch. Schneller als irgendjemand gucken konnte.
Das letzte, was ich sah, waren Ais protestierende Bewegungen, als sie wissen wollte, warum ich abhauen dürfte und ihre großen, verwirrten Augen, als ihr eigener Vater sich vor ihr aufbaute, während sie aufgefordert wurde, sich umzudrehen. Dann schloss sich die Tür hinter uns.
Für einen Moment konnten wir uns nicht bewegen, bevor wir einen lauten Schrei hörten. Wir wollten es wohl beide nicht hören, wir wollten beide nicht wissen, wie die Bestrafung aussah und fast gleichzeitig liefen wir die Treppe nach oben hoch.
Doch zu meiner Überraschung folgte mir Raiko in mein Zimmer. Sie sah mich zitternd und fast schon hilflos an, während ich die Tür schloss, um die Schreie von unten zu dämpfen. Ich wollte sie nicht hören. Und ich verstand einfach nicht, warum man so etwas verlangen oder gar genießen konnte.
Damit meinte ich tatsächlich nicht meinen Vater, sondern meine Tante und Ai selbst. Natürlich hatte diese schon ein paar Mal mitbekommen, wie mein Vater mich so diszipliniert hatte und scheinbar hatte sie darauf gespannt gewartet, so wie sie sich gerade gefreut hatte. Ich schüttelte fast schon ungläubig den Kopf. Konnte ein Kind in ihrem Alter sowas überhaupt genießen? Verstehen, was genau dies hieß oder anrichtete?
Jetzt spürte sie es zumindest selbst.
Genauso wie ihre Mutter, die mich in genau diesen Schwierigkeiten bringen wollte.
Die beiden waren sich... vielleicht ähnlicher als ich dachte...
»Das ist absolut unmenschlich«, hauchte Raiko abwesend.
Ob sie mir die Schuld dafür gab oder wütend war? Vielleicht... hielt sie ihre Frustration mir gegenüber nur zurück, weil er noch da war... Und obwohl ich wusste, was der eigentliche Plan gewesen war, so... fühlte ich mich schuldig.
»Es tut mir... so leid«, sagte ich leise.
Sie schüttelte fast schon mechanisch den Kopf.
»Es ist absolut unmenschlich«, wiederholte sie. »Sie... sie wollten dich... in Schwierigkeiten bringen. Sie hat es dir absichtlich nicht gesagt, damit er dich... und Ai... sie hat mitgemacht... Denkst du, sie wusste von... denkst du, dass sie... in den Plan eingeweiht war?«
Ich wusste es nicht... und irgendwie wollte ich es auch nicht wissen. Es wäre... unfassbar... Ich wüsste nicht, was ich dann noch denken oder wie ich mit diesem Kind noch umgehen sollte... Ein Schluchzen riss mich aus meinen Gedanken. Meine Augen weiteten sich, als ich sah, dass Tränen über Raikos Gesicht liefen und sie ihre Lippen aufeinander presste, um keine weiteren Laute von sich zu geben.
Ich war das alles gewöhnt. Der Druck, den Schmerz, die physischen und emotionalen Strafen. Doch diese Familie spürte das alles erst jetzt. Sie hatten über Jahre zugeschaut und es scheinbar sogar genossen und jetzt... wieso also... wieso konnte ich mich nicht emotional von ihnen trennen?
Wieso... konnten sie mir nicht egal sein?
Das bemerkte ich nicht nur, weil ich Raiko ohne zu zögern in die Arme schloss. Ich hatte seit Jahren niemanden umarmt und dementsprechend hätte ich niemals gedacht, dass ich es einfach so bei ihr konnte. Oder, dass sie es einfach so zulassen würde.
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»Naomi, komm runter«, hörte ich die Stimme meines Vaters zwanzig Minuten später von unten dröhnen.
Raiko war in meinem Zimmer geblieben, hatte jedoch nichts gesagt, während ich mich schnell umgezogen hatte und zurecht machte, um passabel auszusehen. Ich hatte ihn nicht nerven wollen. So lief ich also fertig angezogen die Treppe herunter und blieb vor ihm stehen. Ich ließ mir nichts anmerken. Weder meiner Unsicherheit oder meine Sorge, noch die Tatsache, dass ich zwei weinende Stimmen, wobei Ai eher brüllend heulte, wahrnahm. Mit einem genervten Blick öffnete mein Vater die Haustür und bedeutete mir ihm zu folgen.
»Dieses Ungeziefer wird nicht mehr lange hier verweilen, wenn dies so weiter geht«, meinte er angewidert die Tür schließend. »Dies sollte sie etwas umerzogen haben. Meine Unterstützung können sie in diesem Monat jedoch vergessen...« Er hielt inne und musterte mich kurz. »Ich bin stolz auf dich, Naomi.«
Es jagte mir praktisch einen Schauer über den Rücken, als ich bemerkte, wie verdammt glücklich mich seine Aussage machte. Obwohl er gerade... das gemacht hatte. Doch... das zeigte mir nur wieder, dass es stimmte. Er war kein schlechter Mensch. Man musste nur seinen Erwartungen entsprechen.
Und ich hatte dies heute geschafft...
»Du hast auf mich gehört und diese Versager nicht in Schutz genommen«, fuhr er fort. »Mach weiter so. Nur so hat man Erfolg. Man darf sich von den Unzulänglichkeiten anderer Menschen keine Steine in den Weg legen lassen.«
»Du hast recht«, sagte ich mit einem zustimmenden Nicken.
»Du hast mir heute auch gezeigt, dass du deutlich reifer bist als dieser Haufen«, sagte er. »Dir sollte bewusst sein, dass du keine Erlaubnis von dieser Witzfigur von Frau brauchst und dir ist es gestattet, ihr Balg zu züchtigen, hörst du? Lass dich niemals vom niederen Volk respektlos behandeln.«
»Ich verstehe.«
Das würde ich jedoch nicht tun...
»Kommen wir zu dem Anlass meines Besuchs«, sagte er, als wäre die vorherige Sache nun abgehakt. »In dieser Woche hast du deine Prüfungen. Danach wird dich der junge Ichiba kontaktieren. Ich erwarte von dir, dass du dich von deiner besten Seite zeigst.«
Ich nickte. Eine andere Wahl hatte ich sowieso nicht. Aber wenigstens konnte ich jetzt andere Dinge selbst entscheiden.
»Das werde ich.«
»Enttäusch mich nicht.«
Das würde ich nicht... hoffentlich. Er sah mich noch einmal eindringlich an, bevor er sich zu dem schwarzen Wagen wandte, der vor unserem Haus stand.
Also war er praktisch gekommen, hatte seine Macht demonstriert, noch mehr Druck ausgeübt, neue Anforderungen gesetzt und ging nun wieder...
Es war nicht überraschend. Und doch hatte es heute ein noch höheres Level erreicht.
»Oh, Naoko-san, guten Tag«, sagte plötzlich eine Stimme hinter mir, die mir allzu bekannt war.
Ich sah über meine Schulter und erblickte Nakamura, die auf uns zugelaufen kam. Dass sie nicht zufällig hier war, war klar, doch sie hatte seltsamerweise meine Tasche dabei. Eigentlich schade, weil ich dachte, dass ich sie gleich abholen und Karma kurz wieder sehen könnte. Das wäre nach dieser Katastrophe wenigstens positiv gewesen.
Mein Vater sah Nakamura kurz an und nickte kaum merklich.
»Was machst du hier?«, fragte ich verwirrt.
»Ich weiß doch, wie wichtig dir lernen ist und dafür brauchst du eben deine Tasche«, sagte sie und hielt sie mir entgegen.
Ich nahm sie dankend an. Unschlüssig betrachtete ich meine Klassenkameradin. Was... sollte ich jetzt tun? Ich wandte mich wieder meinem Vater zu, da dieser gerade gehen wollte. Doch seine eindringlichen Augen ruhten für einen Moment auf mir und Nakamura, weshalb ich beinahe geschluckt hätte. Er durfte sie nicht verletzen... oder sie als Zielscheibe nehmen... oder denken, dass sie einen schlechten Einfluss auf mich hatte...
Doch er nickte schließlich erneut und sah dann nur mich an. »Ich erwarte gute Leistungen von dir. Dementsprechend solltest du woanders lernen. Ich bezweifle, dass dieser Abschaum in den nächsten Stunden Ruhe geben wird.«
»Ich verstehe«, sagte ich schnell, damit er weiterhin zufrieden mit mir blieb.
So wie sich auch das Geschrei und das Heulen angehört hatte, würde es defintiv den ganzen Tag keine Ruhe geben. Selbst wenn ich akustisch nichts mehr hören würde, so war die Situation an sich einfach besorgniserregend und bedrückend. In diesem Haus würde ich mich also vorerst nicht konzentrieren können.
Mein Vater drehte sich danach wortlos um. Kaum hatte er dies getan, eilte einer seiner Assistenten aus dem Auto und hielt ihm die Tür auf. Ohne ein Abschied, stieg er also in den Wagen und sie fuhren davon. Ich sah ihm noch hinterher und überlegte.
Überlegte, wie wohl die ganze Situation ab jetzt werden würde... Die Stimmung in diesem Haus, das sich nicht einmal wie ein zu Hause anfühlte.
»Also, raus mit der Sprache, Naoko.« Nakamura grinste mich sofort breit und wissend an. »Was läuft da zwischen dir und Karma?«
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