24. Mögen und nicht mögen
Hey!
Nach einer langen Pause geht es weiter. Es gab einige Komplikationen, die zu einer Pause meinerseits geführt haben, jedoch hoffe ich, dass ich nun wieder regelmäßig updaten kann.
Ich persönlich würde am liebsten sofort Schwung in die Geschichte bringen wollen.
Bitte seht, wie immer, vor Nachfragen, wann es weiter geht ab.
Wer gern darüber informiert sein möchte, sowie zusätzliche Informationen und Bilder zu der Geschichte sehen möchte, kann mir auf Instagram (@su.yu.san) folgen. Die nächsten psychologischen Theorien dort kommen ab ca. Kapitel 27-28.
Anyways, das wars von mir!
Viel Spaß beim Lesen!
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Dinge, die Naoko Naomi mag:
- Lernen
- Lesen
- Kochen
- Superheldenfilme
- Süßes
- Karma
Dinge, die Naoko Naomi nicht mag:
- Druck
- Stress
- ihr Leben
- Geschrei/Streit
- hohe Lautstärke
- Töten
- vorgeschriebene Zukunftspläne
- Einsamkeit
- einsam sterben
- Karmas fiese Sprüche
- Karma
Und so stellte ich fest, dass ich, Naoko Naomi, keine Identität hatte.
Jetzt hatte ich es schwarz auf weiß. Das waren doch nicht einmal normale, vernünftige Punkte! Und ich hatte wirklich unfassbar intensiv nachdenken müssen!
Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück, während sich meine Klassenkameraden um mich herum angeregt unterhielten. Ich hatte wirklich ziemlich lange nachgedacht, aber diese Punkte waren die einzigen, die mir eingefallen waren und sie schienen mir wirklich schrecklich unpersönlich. Ich hatte keine Hobbys, keine Freizeitaktivitäten, kein Lieblingsessen, und hatte im Grunde mein Leben, das ich bis jetzt immer gelebt hatte, ohne mich zu beschweren, in jedem Punkt mit dieser Liste erfasst und als negativ beschrieben. Im Grunde lebte ich nicht das leben, was ich leben wollte, sondern das, was mir diktiert wurde. Eben das Leben, was ich leben sollte, da es meine Pflicht war.
Und das war okay. Dies würde ich auch weiterhin so machen.
Aber ich wollte wenigstens hinter meiner Fassade, wenn meine Familie nicht aufpasste, nun ich selbst sein und dafür musste ich mein Ich erst einmal finden.
Ein Pieksen in meine Seite ließ mich zusammenfahren und jagte mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Doch bevor ich mich umdrehte, versteckte ich schnell meine Liste in meinem Heft. Niemand sollte sie sehen, schon gar nicht der Kerl, der scheinbar gerade wieder Aufmerksamkeit wollte. Fragend sah ich ihn an, während er meinen Blick fast schon gelangweilt erwiderte. Aber er sagte nichts. Ich wartete noch eine ganze Minute, bevor ich es aufgab.
»Ist dir langweilig?«, fragte ich seufzend.
»Ich hätte schwänzen sollen«, meinte Karma.
Und deshalb störst du mich nun? Gerade so schaffte ich es, diese Bemerkung zurück zu halten.
»Vor den Prüfungen?«
»Im Gegensatz zu dir, muss ich nicht in jeder freien Minute lernen, um halbwegs gute Noten zu bekommen. Ich hole sie mir im Vorbeigehen.«
»Verstehe«, murmelte ich und drehte mich wieder um. Dieses Thema hatten wir schon gehabt und ich glaubte ihm das sogar. Er war wirklich unglaublich und sehr schlau. Mir erschien es, als würde er alles einfach auf Anhieb können.
Kaum hatte ich mich jedoch umgedreht, spürte ich ein erneutes Pieksen in meine Seite. Dieses Mal drehte ich mich sofort genervt zu ihm um, da ich wusste, dass er sonst nicht aufhören würde, doch er war noch in derselben Position, als hätte er sich nicht bewegt. Wahrscheinlich, um mich noch mehr zu ärgern und das schaffte er, auch wenn ich mich über diese Interaktion gleichzeitig irgendwie freute.
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
Für einige Sekunden sah er mich einfach nur an. Seine Augen schienen mich praktisch zu fixieren, fast wie ein Raubtier, das seine Beute betrachtete. Ich hätte so verdammt gern gewusst, was er gerade dachte...
»Mir ist langweilig«, sagte er seufzend.
»Und deshalb soll ich dich jetzt unterhalten?«, fragte ich.
»So ziemlich.«
»Dann musst du ja ziemlich verzweifelt sein«, erwiderte ich.
Er ignorierte meine Aussage gekonnt.
»Lust zu schwänzen? Ich hab gar kein Bock auf den Sportunterricht gleich«, meinte er fast schon beiläufig.
Überrascht sah ich ihn an. Er wollte mit mir zusammen schwänzen...? Natürlich, er schwänzte immer, doch jetzt fragte er mich explizit, ob ich mit ihm zusammen schwänzen wollte...
Verdammt, Naomi, kontrolliere wieder dein Wunschdenken. Das hatte nichts zu bedeuten. Er könnte es auch ganz anders gemeint haben und...
»Na, hör mal, versuchst du gerade einen schlechten Einfluss auf unsere Streberin auszuüben?«, hörte ich Nakamuras Stimme hinter mir sagen, die bereits im nächsten Moment amüsiert neben uns stand. »Im Gegensatz zu dir schwänzt sie nicht.«
Für ihn und besonders, um Zeit mit ihm zu verbringen, würde ich sowas von schwänzen...
Karma schnaubte. »Das war nur ein Witz.«
... Oh, Mann...
Ich war froh, dass ich meine Hoffnungen sofort selbst gedämpft hatte. Dennoch wandte ich mich etwas enttäuscht wieder nach vorn und betrachtete nachdenklich die Tafel.
»Ach, komm schon, wir wissen beide, dass du schwänzen willst«, meinte Nakamura. »Aber als ob Naoko sich auf so etwas einlässt.«
»Stimmt. Dafür ist sie zu langweilig«, sagte Karma.
Zu langweilig? Sagte derjenige, der gerade noch wollte, dass ich ihn unterhielt. Ich seufzte leise und sah auf mein Heft, in dem meine Liste steckte. Langweilig... war ich das wirklich? Wenn ich ehrlich war, glaubte ich es sogar, schließlich hatte ich nicht einmal richtige und echte Interessen. Ob er mich jedoch interessanter finden würde, wenn ich sowas hätte?
Ob er die richtige Naomi interessant finden würde?
.
»Hast du wirklich gar nicht vor selbst zu lernen?«, fragte ich einige Stunden später prüfend, einfach um eine Unterhaltung zu beginnen, da ich die Stille zwischen mir und ihm absolut nicht mochte.
Wie abgesprochen waren wir nach der Schule zu Karma gegangen, um zu lernen. Naja, zumindest, damit ich lernte. Als wäre es eine Routine, hatte ich erst für uns gekocht, dann hatten wir gegessen, bevor wir uns nun an die Arbeit machen wollten. In der gesamten Zeit hatte Karma kein Wort mit mir gewechselt und so desinteressiert wie immer gewirkt. Genauso wie jetzt. Von meiner Position auf dem Sofa aus sah ich ihn an. Er hatte sich zurück gelehnt und starrte an die Decke. Bei meiner Frage jedoch regte er sich leicht und seufzte schließlich, als hätte ich gerade eine verdammt dumme Aussage getätigt.
»Wie oft denn noch? Nein«, sagte er genervt.
»Verstehe.«
»Alles, was du verstehen musst, ist Mathe«, sagte er und ließ seine Arme, die er hinter seinem Kopf verschränkt hatte, sinken. »Bringen wir es hinter uns.«
Das klang genauso wie es wahrscheinlich gemeint war; genervt und lustlos, als hätte er eine ganze Menge lästige Arbeit vor sich, die er ungern erledigte. Und ich war mir sicher, dass er mich wirklich lästig sowie nervig fand. Umso mehr bemühte ich mich, wirklich genau zuzuhören und alles zu verstehen. Vielleicht, aber nur vielleicht, fand er mich dann weniger nervig.
Wobei ich, zugegebenermaßen und verständlicherweise, an das Gefühl lästig und unerwünscht zu sein gewöhnt war. Wenigstens bei ihm, wollte ich es jedoch so gut es ging dämpfen. Es war ein kleiner Wunsch von mir, dass er meine Anwesenheit wenigstens tolerieren konnte und nicht so negativ in diesem Punkt eingestellt war.
»Heute bist du ja nicht ganz so dumm«, meinte er nach einer Stunde schließlich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin generell nicht dumm. Das weißt du.«
»Manchmal zweifle ich ziemlich daran.«
»Zweifel sind menschlich.«
»Und du nervig und eintönig.«
»Beleidigungen wiederum verletzend.«
Karma seufzte. »Hast du überhaupt Gefühle?«
Die Frage klang ernst, weshalb ich etwas verwirrt zu ihm sah. Er sah mich abwartend an und dennoch wusste ich nicht, ob es eine Falle war oder nicht und ob er ernsthaft eine Antwort erwartete. Schließlich entschied ich mich dazu, ihm trotzdem zu antworten.
»Die habe ich«, sagte ich. »Die hat jeder Mensch.«
»Bei dir erscheinen sie mir nicht normal menschlich oder vorhanden«, schnaubte er. »Wie hast du überhaupt Lust dich dauernd zu verstellen? Das ist so verdammt nervig.«
Ich musterte ihn. Doch er wich meinem Blick nicht aus. Er hatte es also bemerkt. Ich fragte mich nur, inwiefern er es bemerkt hatte. Die Ausmaße hatte er bestimmt nicht genau erfassen können. Vielleicht waren es nur ein paar Momente, die ihm komisch vorkamen und eben nicht die ganze Situation. Ich wusste es nicht. Aufgrund dessen kam mir nämlich eine andere Frage in den Kopf, die eher meine Aufmerksamkeit beanspruchte...
»Wieso nervt es dich denn?«, wollte ich wissen.
Karma lehnte sich zurück. Entweder er überlegte, was er antworten sollte oder er dachte ehrlich über meine Frage nach. Vielleicht wusste er es ja selbst nicht, wieso ich ihm in diesem Punkt so auf die Nerven ging. Dann blieb jedoch die Frage, ob überhaupt jemand jedes Mal wusste, wieso er in bestimmten Momenten genervt von etwas war. Ich persönlich konnte dies nicht immer aufzeigen.
»Weiß nicht«, sagte Karma schlussendlich überraschend. Er klang dabei tatsächlich nachdenklich. »Es kann daran liegen, dass ich weiß, wie du früher warst. So bist du nicht mehr und das ist irgendwie schräg.«
Menschen ändern sich eben, dachte ich. Aber ich wollte es nicht aussprechen, damit er es nicht falsch verstand. Er sollte nicht denken, dass ich mich über ihn lustig machte, vor allem nicht, weil er sich mir gerade so geöffnet hatte und ehrlich war. Das wollte ich unbedingt aufrecht erhalten.
Stattdessen nickte ich also nur verstehend, wandte meinen Blick jedoch nicht von ihm. Ich ließ meine Augen zu seinen Lippen wandern, die nicht nur einladend wirkten, sondern deren Gefühl ich irgendwie ziemlich vermisste. Es fühlte sich so an als wäre eine Ewigkeit vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal geküsst hatten.
Das war wahrscheinlich auch der Grund, wieso ich in diesem Moment so mutig war. Wir waren mit dem Lernen fertig und jetzt würde die Gegenleistung folgen. Sollte er es nicht wollen, würde ich es einfach auf unsere Abmachung schieben. Und so beugte ich mich zu ihm. Erst, als meine Lippen auf seine lagen, schien er meine Handlung zu bemerken und zu meiner Freude, erwiderte er den Kuss ziemlich schnell. Das Kribbeln schien um ehrlich zu sein jedes Mal stärker zu sein. Mit jedem Kuss erschienen meine Gefühle stärker zu werden.
Damals hätte ich wahrscheinlich an diesem Punkt aufhören und bemerken müssen, dass das ganze, was ich mit ihm eingegangen war, absolut nicht gut enden würde. Zumindest nicht für mich.
Aber ich hatte beschlossen, dass ich einmal selbstsüchtig sein würde und in dem Moment leben wollte. Karma war die einzige Freude, die ich mir erlaubte, weil die Bedingungen stimmten.
Und ich hoffte, dass es ihm auch Freude bereitete.
Obwohl ich mir doch sicher war, dass er es genoss, wenn auch aus anderen Gründen, besonders, da er seine Lippen ziemlich intensiv gegen meine bewegte. Zu erst hatte ich meine Augen geschlossen, um mich wirklich auf dieses schöne Gefühl, das ich bekam, zu konzentrieren, doch ich öffnete sie, als ich spürte, wie er seinen Arm in dieser Position plötzlich um meine Mitte schlang und mich an sich zog. Ich konnte es erst nicht glauben und brauchte ein paar Sekunden, um seine Handlung zu begreifen... Er hat mich an sich gezogen, gegen seine Brust, ohne zu zögern... Eine sehr auffällige Wärme breitete sich in meinen Wangen aus und ich versuchte mir so gut es ging nichts anmerken zu lassen.
Innerlich eskalierte ich jedoch praktisch.
Es fühlte sich zum ersten Mal nicht an wie eine komplett hormongesteuerte Handlung und für einen Moment glaubte ich genau das, weshalb ich meine Lippen nun noch fester gegen seine drückte.
Damit hatte ich den Kuss unbewusst noch mehr vertieft und zu meiner Freude, spürte ich seine Hände an meiner Hüfte. In einer fast schon geübten Bewegung, zog er mich so auf seinen Schoß, bevor er einen Arm wieder um meine Mitte schlang. Ich dachte nicht mehr darüber nach. In diesem Moment dachte ich über nichts mehr nach. Weder über mein Leben, noch über den Druck, den ich immer spürte, noch über die Probleme, die es zu Hause gab und die hier nach auf mich warten würden. Ich genoss es einfach nur.
Ich genoss Karmas Nähe und seine Küsse einfach nur.
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»Danke für die Nachhilfe«, sagte ich etwas atemlos, während ich meine Jacke anzog.
Als wir mit unseren Aktivitäten aufgehört hatten, er meine Lippen endlich wieder freigegeben hatte, hatten wir bemerkt, dass wir sehr lange beschäftigt gewesen waren. Dabei war die vergangene Zeit kaum bemerkbar gewesen. Sie war so schnell verflogen... und allein der Gedanke daran, wie sich seine Küsse und seine Nähe angefühlt hatten, sorgte wieder dafür, dass mein Atem stockte.
Es hatte mich viel zu glücklich gemacht.
Jedenfalls war es schon dunkel und deshalb musste ich dringend nach Hause. Nicht, weil mich jemand vermisste, sondern einfach, weil es spät war und ich keine Lust auf irgendwelche Aktionen hatte, die meine Tante abziehen könnte. Vielleicht petzte sie es auch meinem Vater, einfach, weil sie sich irgendetwas daraus erhoffte. Mittlerweile traute ich ihr einiges zu, weshalb ich ihr keine Angriffsfläche in irgendeinem Punkt bieten wollte.
»Sie scheint uns beiden sehr gefallen zu haben«, meinte Karma sich amüsiert an die Tür lehnend.
Ich sah auf und begegnete seinem Blick, der auf mir lag. Er wirkte... glücklich. So, als hätte er es sehr genossen. Daher nickte ich einfach. Überrascht hoben sich seine Augenbrauen leicht.
»Das hat es«, sagte ich ehrlich. Und schnappte mir meine Tasche.
Er hatte sich ziemlich schnell wieder unter Kontrolle und sah mich mit seinem typischen Karmalächeln an. »Sieh an, ich wusste doch, dass du in Wahrheit per...«
Mitten im Satz stoppte er, da plötzlich das Licht ausging. Nicht nur im Wohnzimmer, auch in der Küche und wie es aussah, überall sonst, denn es wurde stockdunkel. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Rücken und beinahe, aber nur beinahe, hätte ich erschrocken aufgeschrien, als mich die altbekannte Taubheit, die durch meine Angst ausgelöst wurde, überkam. Zu meiner Erleichterung schaltet Karma jedoch die Taschenlampe seines Handys an und sorgte dafür, dass meine panische Reaktion gestoppt wurde. Ich war ihm dafür unendlich dankbar, sprach es aber nicht aus, da ich nicht wollte, dass er meine Angst in Erfahrung brachte. Daher versuchte ich mich auch zusammenzureißen.
»Stromausfall«, sagte er. »Ich wusste, dass du Pech bringst.«
»Passiert das oft?«, brachte ich ruhiger als erwartet hervor.
»Nein. Wie gesagt, es muss an dir liegen. Also verschwinde jetzt.«
Er öffnete die Eingangstür und sah mich abwartend an. Mein Blick glitt jedoch an ihm vorbei in den dunklen Flur. Hier war auch kein Licht. Ich schluckte leicht, während ich nervös meine Lippen aufeinander presste.
»Da ist... aber auch kein Licht«, sagte ich, als würde ihm die Information irgendetwas nutzen.
»Gratulation. Du bist also nicht blind«, meinte er.
»Ich hab kein Licht«, versuchte ich es erneut.
»Benutz dein Handy.«
»Es ist leer.«
»Selbst schuld.«
»Willst du, dass ich mir den Hals breche, während ich die Treppe runter laufe?«
Er zögerte. »Das wäre super.«
»Karma!«, quengelte ich nun.
»Na, gut«, seufzte er. »Ich bring dich nach unten, Nervensäge.«
Innerlich war ich verdammt erleichtert, ließ mir aber auch das nicht anmerken. Ich nickte nur und so begleitete er mich durch das Treppenhaus, womit ich niemals gerechnet hatte. Zugegeben, ich lief ziemlich nah an ihm, da ich mich trotz der Lichtquelle fürchtete. Die Dunkelheit war mein absoluter Feind, daran würde sich nie etwas ändern und dank der Erziehungsmaßnahmen, die mir zuteil wurden, hatte ich das Gefühl, dass diese Angst zunehmend schlimmer wurde. Vorher hatte mich meine Mom immer beruhigt und getröstet, doch seitdem sie... uns verlassen hatte, fühlte es sich umso schlimmer für mich an.
»Kann es sein, dass du Schiss hast?«, fragte Karma, als wir unten in Eingangsbereich angekommen waren.
Ich schnaubte. »Natürlich nicht...«
Mein Blick wanderte nach draußen. Die Straßenlampen schienen auch ausgefallen zu sein... Das konnte doch nicht wahr sein. Hatte das gesamte Viertel einen Stromausfall? Oh, verdammt...
»Na, dann«, sagte Karma und wandte sich mit der einzigen Lichtquelle um.
»W... warte! Du kannst mich doch nicht im Dunkeln allein nach Hause laufen lassen«, sagte ich eilig.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn davon überzeugen sollte, mich wenigstens jetzt nicht allein zu lassen. Er würde mich nicht nach Hause begleiten, das wusste ich. Aber es reichte, wenn er mich bis zur nächsten Lichtquelle brachte. Genervt stöhnte er auf und sah über seine Schulter.
»Ich dachte, daran wärst du gewöhnt. Du bist noch nerviger als sonst. Was ist los mit dir?«
Ich deutete nach draußen. »Sogar die Straßen sind dunkel. Normalerweise sind die Lichter wenigstens an.«
»Ich glaube es nicht«, sagte Karma und wandte sich mir nun mit einem breiten Grinsen ganz zu. »Unsere Eiskönigin hat wirklich Schiss vor der Dunkelheit.«
Niemals würde ich ihm die Genugtuung geben und dies freiwillig zugeben.
»Nein«, sagte ich daher. »Es ist nur unsicherer, da ich so mögliche Angreifer nicht sehe.«
»Wenn du keine Angst hast, dann kannst du ja allein gehen«, meinte er.
Er schritt zur Tür, öffnete sie und sah mich amüsiert sowie erwartungsvoll an. Meine Hand, mit der ich die Schnalle meiner Tasche festhielt, verkrampfte sich etwas. Doch ich ließ mir nichts anmerken und blieb bei meinem Wort. Wenn er so etwas sensibles erfuhr, wusste ich nicht, was er mit dieser Information machen würde. Es war immerhin Karma, von dem wir hier sprachen. Also lief ich einfach an ihm vorbei und trat nach draußen. Zu meinem Glück sah ich, dass die Hauptstraße, die jedoch ein gutes Stück weiter weg war, zumindest beleuchtet war. Ich musste nur durch die... ganzen dunklen Straßen...
Wieso konnte dieser Typ nicht einmal ein Gentleman sein?
Meine Beine fühlten sich jetzt schon wieder weich und taub an und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Es würde mich nicht überraschen, wenn Karma es hören könnte, der mich mit einem neugierigen Glitzern beobachtete.
»Gib einfach zu, dass du Schiss hast«, sagte er.
Ich verdrehte die Augen. »Man sieht sich.«
Damit setzte ich mich in Bewegung und lief die dunkel Straße entlang.
Konzentriere dich einfach auf das Mondlicht, Naomi. So schlimm war es nicht. Du wirst lebend zu Hause ankommen. Es ist hell genug, kein Monster wird dich anfallen.
Doch egal, wie sehr ich mich versuchte zu ermutigen, ich bemerkte selbst, dass ich zunehmend ängstlicher wurde. Die Taubheit in meinen Beinen breitete sich praktisch aus und schien sich nach oben zu arbeiten, während meine Hand immer heftiger zitterte. Dennoch ließ ich meinen Blick starr nach vorn gerichtet. Ich war schon ein ganzes Stück weit gekommen, als ich Karmas Stimme hinter mir rufen hörte.
»Du musst nur zugeben, dass du Schiss hast, Angsthase und dann begleite ich dich meinetwegen den ganzen Weg sogar nach Hause!«
Es amüsierte ihn. Es machte ihm Spaß. Ansonsten würde er wohl kaum an der Tür stehen bleiben und mich weiterhin beobachten. Aber nur über meine Leiche. Ich schnaubte und lief einfach weiter, denn ich würde ihm diese Genugtuung nicht geben. Niemals.
Erst an der Kreuzung, als ich ein plötzliches, entferntes Geräusch hörte, blieb ich stehen. Es klang wie Metal, das gegen irgendetwas geschlagen wurde, was der eigentliche Grund dafür war, wieso es meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Vorsichtig sah ich in die Richtung, schließlich könnte ich durch ruckartige Bewegungen immer noch irgendein Monster anlocken und erstarrte. Ich wusste nicht, was es war. Um ehrlich zu sein erkannte ich lediglich Umrisse und es sah aus wie ein Mann, der in einer Distanz einfach nur auf dem Gehweg stand. Nur war er groß... und hatte sehr lange Arme... als würde er etwas in den Händen halten. Ich erkannte sein Gesicht nicht, doch ich war mir sicher, dass er ganz in schwarz gekleidet war.
Aus irgendeinem Grund jedoch, schien er seinen Kopf hin und her zu wippen. Einfach nur hin und her, als hätte er Gleichgewichtsprobleme. Es sorgte dafür, dass sich meine Nackenhaare aufrichteten und löste ein unglaublich starkes Fluchtbedürfnis in mir aus. Irgendwie erschien er... nicht menschlich... Er wirkte...
Weiter konnte ich nicht einmal denken, da er sich plötzlich ruckartig in Bewegung setzte und schnell auf mich zugelaufen kam.
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