18. Outfits und Einkaufen

Hey!

Es geht weiter, obwohl Wattpad momentan ziemliche Probleme macht :D. Ich hoffe, dass morgen wieder alles funktioniert. Sollte ich einige Nachrichten/Kommentare nicht beantwortet haben, I'm sorry. Die andauernde Fehlermeldung löscht meine Kommentare, sodass ich sie immer wieder schreiben musste - dementsprechend konnte ich einigen zwei oder sogar dreifach geantwortet haben. Wattpad zeigt mir kaum etwas an.

Anyways, it's getting serious.

Viel Spaß beim Lesen!
.

Was zog man zu einem Anschlag an?

Diese Frage stellte ich mir am nächsten Tag, als ich vor meinem Schrank stand. Ich brauchte defintiv mehr Kleidung und einen größeren Schrank, damit noch mehr hineinpasste. Seufzend durchwühlte ich alles. Wieso machte ich mir eigentlich deshalb so einen Stress? Es war egal, dass Karma dort sein würde. Absolut egal. Wieso konnte ich dann nicht einfach irgendetwas tragen?

Als ich mich endlich entschieden hatte, zog ich mich um und schnappte mir mein Handy. Ohne dieses würde ich oft nicht den Weg zurück nach Hause finden... Dabei stellte ich fest, dass meine Klasse momentan in der Gruppe miteinander Nachrichten austauschte.

[13:21] Kurahashi: Hey! Wie spät treffen wir uns?

[14:04] Nakamura: Um 15 Uhr?

[14:29] Fuwa: Ich komme etwas später... Ich muss etwas auf dem Weg besorgen...

[14:34] Okajima: Zufällig einen neuen Manga?

[14:39] Fuwa: Das bleibt ein Geheimnis

Ich sollte allmählich los, um pünktlich dort zu sein. Bis jetzt hatte ich noch bei keinem Anschlag mitgeholfen und ich hatte es nur Karma zu verdanken, dass ich jetzt in dieser Situation war. Am liebsten würde ich eher lernen, oder mich vielleicht etwas entspannen. Ich war mir nämlich sicher, dass der Plan nicht funktionieren würde. Und wenn er funktionierte, hatten wir keinen guten Lehrer, der uns auf die nächsten Prüfungen vorbereitete! Also hoffte ich, dass es wirklich fehlschlug.

Das Preisgeld war das, was alle antrieb. Aber mit dem Geld würde ich persönlich nichts anfangen können... Ansonsten wäre es vielleicht ein kleiner Anreiz für mich...

Komplett fertig lief ich die Treppe herunter und zog mir meine Schuhe an. Was auch immer sie geplant hatten, es reichte Karma vermutlich, dass ich anwesend war, damit er diese blöden Sprüche unterließ. Das hoffte ich zumindest. Kenta hatte mir geraten, mich nicht von ihm provozieren zu lassen, da Jungs Mädchen absichtlich weiter nerven würden, wenn sie bemerkten, dass sie eine Reaktion damit erzielen konnten. Aber ich wollte mir von diesem rothaarigen Trottel, auch keinen Stempel vor allen aufsetzen lassen. Also wollte ich mich heute zumindest beweisen. Und beweisen, dass er mit seiner Bemerkung gestern Unrecht gehabt hatte.

»Wohin willst du?«, fragte meine Tante hinter mir plötzlich.

Ich sah kurz über die Schulter. Sie war scheinbar aus der Küche gekommen, da sie noch eine Schürze trug.

»Raus«, sagte ich knapp.

Es war ungewöhnlich. Eigentlich fragte sie das nie. Es ging sie im Grunde auch nichts an, da sie es mir nicht verbieten konnte. Sie musste nur sicherstellen, dass ich meinen Pflichten nachging, ansonsten war ihr egal, was ich trieb.

»Mit wem? Ach, weißt du was, vergiss es. Bevor du gehst musst du etwas für mich erledigen«, sagte sie und fischte einen Zettel aus ihrer vorderen Tasche.

Ich warf einen Blick darauf. Es waren Lebensmittel... Eine wirklich lange Einkaufsliste also.

»Geht nicht«, sagte ich und hielt sie ihr wieder hin. »Ich bin verabredet, sonst komm ich zu spät.«

»Das ist mir egal. Du wirst mir vorher diese Dinge besorgen. Ansonsten wird dein Vater davon erfahren.«

Ich runzelte die Stirn und sah sie skeptisch an. »Und was willst du ihm sagen? Außerdem, warum gehst du nicht selbst oder sagst Raiko, dass sie gehen soll?«

»Weil ich das Abendessen für seinen Besuch heute fertig machen muss. Diese Lebensmittel sind dafür gedacht.« Sie lächelte mich siegessicher und doch überaus genervt an. »Dann wird er eben erfahren, dass seiner Tochter sein Besuch und sein Wohlergehen egal war.«

Bereits als sie das gemeinsame Abendessen erwähnt hatte, wusste ich, dass ich keine Chance hatte. Es nervte mich im ersten Moment, bis mir siedendheiß auffiel, was es genau hieß. Ich würde defintiv nicht zum Anschlag können. Dementsprechend würde ich nicht nur gezwungen sein, einen absolut nicht entspannten Abend mit dieser Familie zu verbringen, sondern auch eine Niederlage gegen Karma einstecken müssen. Oh, Mann, ich sah sein teufliches, zufriedenes Grinsen jetzt schon. Aber ich hatte nun mal keine Wahl. Zumindest war es das geringere Übel.

»Mama, ich will mit! Ich will mit Naomi mit gehen!«, rief Ai, die auf der Treppe erschienen war und uns defintiv belauscht hatte, aufgeregt. »Darf ich mit gehen?«

»Aber natürlich«, sagte ihre Mutter.

Das kleine Mädchen strahlte über das ganze Gesicht, während ich mir sicher war, dass die Erwachsene sich genauso freute wenigstens ein paar Momente Ruhe zu haben, wenn ihr Energiebündel weg war.

»Ich muss mich noch anziehen!«, rief Ai laut. »Und meine Tasche und mein Bärchen holen!«

Damit wusselte sie nach oben und verschwand. Mein Blick fiel auf meine Tante, die mich mit einer Genugtuung herausfordernd ansah. Ich würde mich aber defintiv nicht auf dieses Spielchen einlassen. Man musste Strukturen einfach direkt akzeptieren, das verkürzte einen die Kopfschmerzen. Wenn ich mich wehrte, wurde es nur schlimmer. Also konnte ich versuchen, wenigstens alles perfekt zu machen, um das beste für mich daraus zu ziehen. Ich hielt den Einkaufszettel leicht hoch.

»Wenn du Curry machen willst, was laut den Lebensmitteln der Fall ist, solltest du wissen, dass er Curry nicht leiden kann«, sagte ich. »Eigentlich hätte es dir bekannt sein sollen.«

Ihr Mund öffnete sich leicht und sie entriss mir die Einkaufsliste schon fast, um mit ihr wieder in der Küche zu verschwinden. Ich nahm an, dass sie sich jetzt schnell eine Alternative überlegte. Diese plötzliche Information schien sie zumindest aus der Bahn zu werfen, da ich auch das Krachen von Töpfen vernahm.

Ihren Sieg hatte sie damit wieder verloren.

Wann würde sie lernen, dass man ein Spiel, das man nicht gewinnen konnte, auch nicht spielen sollte?

Seufzend holte ich mein Handy heraus. Was sollte ich ihnen schreiben?

Ich bezweiflte, dass sie es verstanden, wenn ich ihnen sagte, dass ich einkaufen musste und absolut keine Wahl hatte. Aber, wenn ich log, wäre es noch schlimmer. Sie könnten es herausfinden und es für eine erneute Aktion zur Distanzwahrung halten. Dementsprechend musste ich wenigstens in diesem Punkt ehrlich sein. Nur, wie formulierte ich es? Egal, was ich schreiben würde, Karma würde defintiv einen Spruch reißen. Ob ich nun einen triftigen Grund hätte, es herunterspielte oder mich entschuldigte. Er würde darauf herumhacken. Es musste also eine Erklärung sein, die zumindest die anderen akzeptierten...

Ein so großer Verlust würde ich jedenfalls nicht sein. Meine geplante Anwesenheit heute, wäre nur Show gewesen, um mich zu beweisen. Weil dieser Idiot mich eben in diese Lage gebracht hatte.

Ich tippte mehrmals eine Nachricht ein, löschte sie jedoch wieder, als ich sie für nicht passend befand und versuchte es erneut. Doch keine Formulierung schien mir irgendwie ansatzweise passend zu sein... Ich hielt inne, als mein Handy in meiner Hand vibrierte. Karma hatte in die Gruppe geschrieben.

[14:49] Karma: Verlernt zu tippen, Naoko?

Er hatte mich tippen sehen und nutzte bereits das als Angriffsfläche. Der Kerl war wirklich unverbesserlich. Was sollte ich dazu noch erwidern?

»Hier!« Etwas zu schwungvoll hielt meine Tante mir die neue Einkaufsliste hin und ließ mich von meinem Handy aufsehen.

Ich nahm sie entgegen, überflog sie und nickte. »Ramen also.«

»Hast du auch daran etwas auszusetzen?«, fragte sie energisch.

»Ich mag Curry, also hatte ich nie etwas daran auszusetzen. Ich hab dir lediglich einen Vortrag und die Peinlichkeit erspart. Wenn du möchtest, sag ich dir nicht mehr Bescheid. Dann kann mein Vater es übernehmen.«

Sie schnaubte, während ich mich zusammenreißen musste, um nicht meine Augen missbilligend zu verengen. Würde sie mich nicht als Feind sehen, hätte sie es nicht so hingedreht, als wäre ich das eigentliche Problem. Ich wünschte, ihre Show wäre wenigstens halb so gut wie meine.

Gerade als ich wieder auf mein Handy schauen wollte, erschien Ai aufgeregt auf der Treppe und beinahe sofort hob sich meine Laune bei ihren amüsanten Anblick. Sie hatte eines ihrer roten Sommerkleider angezogen, das halb in einer kurzen, gepunkteten, grünen Stoffhose steckte, sowie lange, bunte Socken, die nach oben gezogen waren und dazu zwei verschiedene Paar Schuhe. Einen Turnschuh und eine pinke Sandale. Auf ihren Rücken trug sie ihren kleinen Rucksack und in den Händen hielt sie ihren Teddybären. Insgesamt sah sie aus, als hätte sie sich einfach irgendetwas gegriffen.

»Tadaaaaa!«, rief sie glücklich und wollte die Treppe herunter rennen, wurde aber von ihrer sehr, sehr wütenden Mutter aufgehalten.

Was hatte sie bitte erwartet, wenn sie ihr fünfjähriges Kleinkind sich allein ihre Kleidung aussuchen ließ?

»Wie siehst du denn aus?«, herrschte sie Ai an, die sie angrinste.

»Hübsch, oder?«

»Du siehst aus wie ein armseliger Clown«, sagte meine Tante und schleifte ihre verdutzte Tochter wieder die halbe Treppe hoch. »Schämst du dich nicht, so nach draußen zu wollen? Was sollen die Leute von uns denken?! Du kannst aber auch wirklich gar nichts richtig machen.«

»Ich sehe doch hübsch aus, Mama!«, rief Ai trotzig. »Lass mich los, du tust mir weh! Ich will jetzt einkaufen gehen!«

»Du siehst hässlich aus.«

»ICH BIN NICHT HÄSSLICH!«

Selbst, als sie in Ais Zimmer verschwunden waren, konnte ich ihre lauten Stimmen noch vernehmen, wobei sich die Kleine sehr verletzt anhörte. Ich seufzte erneut. Wieso konnte ihre Mutter ihr nicht einfach erklären, was genau falsch an dem Outfit war?

Ich sah wieder auf mein Handy. Das könnte funktionieren...

[14:55] Ich: Es tut mir wirklich leid, Leute... Meine Tante ist gerade in gar keiner guten Laune und zwingt mich ausgerechnet jetzt für sie in den Supermarkt zu gehen...

Es war ehrlich. Nicht zu dick aufgetragen. Und vermutlich würde es nur Karma nicht akzeptieren.

Jedenfalls hoffte ich es...
.

Zwanzig Minuten später befand ich mich mit Ai an der Hand sowie der Einkaufsliste auf dem Weg zum Supermarkt. Sie trug jetzt eines ihrer schlichten, süßen Kleidchen und dazu passende rote Schuhe, worüber sie scheinbar selbst nicht froh war, so niedergeschlagen wie sie wirkte. Es könnte aber auch schlichtweg daran liegen, dass ihre Mutter ihr noch klipp und klar gesagt hatte, sie dürfte sich absolut nichts kaufen. Das war normalerweise der eigentliche Grund, warum sie gern mitging. Früher hatte sie sich mehrere Sachen immer aussuchen dürfen, die sie fast an einem Tag komplett weggenascht hatte. Außerdem hatte ihre Mutter betont, dass sollte jemand sie auf ihr "Aua im Gesicht" ansprechen, sie sagen sollte, dass sie beim Baden ausgerutscht wäre, ansonsten würde sie ihr iPad und ihr Bärchen ins Feuer werfen.

Die ganze Sache versuchte ich nicht so sehr an mich heranzulassen. Ich konnte mir einreden, dass man Ai mittlerweile nicht anders mehr als mit materiellen Gütern erziehen konnte, aber gleichzeitig wusste ich, dass es falsch war. Doch redete ich mir ein, dass es mir egal sein könnte. Es war nicht mein Problem.

In der Klassengruppe hatte nur Isogai geantwortet, dass ich mir keine Gedanken machen bräuchte. Natürlich, er verstand meine Lage in der Hinsicht am besten und gleichzeitig war er einfach ein liebevoller, cooler, verantwortungsvoller Typ. Eigentlich sollte ich mich genauso wie viele andere Mädchen in ihn verlieben. Warum zur Hölle schlug dann mein Herz für den Sohn des Teufels und damit seinem absoluten Gegenteil? Oh, Mann, verstehe jemand die Liebe...

»Naomiiiiii«, sagte Ai plötzlich und zog dabei meinen Namen besonders lang. Ich sah nach unten und begegnete ihrem absolut süßen Engelsgesicht, während sie übertrieben mit den Wimpern klimperte. »Kaufst du mir bitte Kekse? Ich hab dich doch lieb!«

Ob sie bewusst versuchte, mich um den Finger zu wickeln?

»Nein, du hast deine Mutter gehört, Ai«, erwiderte ich und sah wieder nach vorn.

»Mama hat bestimmt nichts dagegen! Also, bitte, Naomi!«

Ich konnte ihr Schmollen fast schon heraushören, sah jedoch nicht einmal herunter, sondern blieb stattdessen stehen, als wir an einer Ampel ankamen.

»Nein.«

Bitte mach es nicht anstrengender für mich als es so schon war, dachte ich.

»Aber Mama hat gesagt, dass du mir Kekse kaufen sollst!« Wütend stampfte sie auf, und verlor fast das Gleichgewicht, als die Ampel grün wurde und wir weiter liefen, hätte ich ihre Hand nicht stärker festgehalten.

»Ai, sie hat gesagt, dass du keine Kekse kaufen darfst.«

»HAT SIE NICHT! DU LÜGST! SIE HAT GESAGT, DASS DU MIR KEKSE KAUFEN SOLLST! DU BIST NICHT BRAV!«

Genervt schloss ich kurz die Augen, zog sie dann auf der anderen Straßenseite zur Seite, da uns einige anstarrten und hockte mich hin, sodass ich mit ihr auf Augenhöhe war. Sie sah mich mit einem strengen und gleichzeitig säuerlichen Gesichtsausdruck an.

»Hör genau zu, Ai«, sagte ich ruhig. »Deine Mama hat vor mir gesagt, dass du keine Kekse haben darfst. Du lügst mich gerade an. Möchtest du, dass ich sie anrufe und frage, ob das, was du sagst, stimmt?«

Sie sah mich geschockt an und schüttelte schnell den Kopf. Ich nickte einmal.

»Sehr gut«, sagte ich. »Und jetzt, sei ein braves Mädchen. Ich möchte keine Lügen mehr hören.«

Schmollend sah sie gen Boden. Ich richtete mich wieder auf und lief mit ihr weiter. Mit Ruhe konnte man sie defintiv auch dazu bringen, sich zu benehmen. Man brauchte dafür jedoch viel Zeit, Nerven und Geduld. Die letzten beiden Punkte fehlten ihre Mutter vollständig.

Endlich kamen wir beim Supermarkt an und fast sofort riss sich Ai von mir los, um einen kleinen Einkaufswagen für sich zu holen. Wenigstens hatte sie dann ihre Energie im Griff und rannte nicht kreuz und quer durch die Gegend. Ich holte mir ebenfalls einen Einkaufswagen, kramte die Liste heraus und überflog sie nochmal. Im ersten Gang benötigte ich gleich mehrere Sachen und so fing ich an erst einmal diese einzupacken.

»Ich will auch!«, rief Ai neben mir. »Was soll ich holen?«

Eine weitere Sache, die ich gelernt hatte, war, dass man ihr Aufgaben geben sollte. Es schien sie glücklich zu machen und dann verhielt sie sich auch sehr viel ruhiger.

»Du kannst Toast holen«, sagte ich.

Sie nickte sofort und rollte mit ihren kleinen Einkaufswagen davon. Währenddessen holte ich die letzten Sachen aus dem ersten Gang und begab mich in den zweiten. Wieder schaute ich auf die Liste. Wenn ich etwas vergaß, würde sie mich direkt nochmal losschicken. Das wollte ich absolut vermeiden. Mit etwas Glück, könnte ich es vielleicht doch noch zum Treffen schaffen, je nachdem, wie lange die Vorbereitungen dauerten. Aber irgendwie bezweifelte ich es, dass sie einen aufwändigen Plan hatten. Meist waren ihre Pläne sehr simpel.

»Ich habe es gefunden«, trällerte Ai zwei Minuten später. »Und was jetzt?«

Ich wandte mich von den ganzen Nudeln weg und sah zu ihr. Sofort, als mir ihr Engelslächeln entgegen strahlte, wusste ich, dass es nichts Gutes war und als mein Blick dann zu ihrem Einkaufswagen glitt, stellte ich fest, dass ich absolut recht hatte. Er war fast vollstandig mit Süßwaren gefüllt, die ihren Teddybären begruben.

»Jetzt bringst du erst einmal die Sachen wieder zurück«, sagte ich und griff nach einer Packung Nudeln.

»Aber, Naomi, die stehen doch alle auf der Liste!« Sie grinste mich wieder an und klimperte mit den Wimpern.

»Deine Mama wird sehr sauer sein, Ai. Außerdem werde ich sie nicht bezahlen. Also bring sie wieder zurück«, sagte ich entschieden und lief an ihr vorbei.

Sie stampfte abermals auf, ihr braves Gesicht war direkt im Bruchteil einer Sekunde verschwunden, als sie bemerkte, dass sie ihren Willen nicht bekommen würde. Dann trottete sie niedergeschlagen davon und ließ mich beim Reis stehen. Die Sorte, die meine Tante wollte, war ausverkauft, also schaute ich mir die anderen alle an, um eine gute Alternative zu finden.

»Na, sieh mal einer an, du hast also doch nicht gelogen.«

Beinahe hätte ich den Reis fallen lassen, für den ich mich letztlich entschieden hatte, als die weibliche Stimme hinter mir ertönte. Ich drehte mich langsam um und blickte geradewegs in Nakamuras grinsendes Gesicht, die neben Karma stand.

»Was macht ihr denn hier?«, fragte ich verwirrt.

»Wir wollten sehen, ob du gelogen hast«, meinte sie, sah den Rothaarigen an und seufzte ergeben. »Du hast die Wette also gewonnen.«

Sie waren mir hierhin gefolgt, um meine Aussage zu überprüfen... Gleichzeitig hatten sie eine Wette darüber abgeschlossen. Wieso überraschte es mich nicht? Was mich wirklich überraschte, war die Tatsache, dass Karma scheinbar gewettet hatte, dass ich die Wahrheit sagte. Irgendwie dachte ich, es wäre andersherum. Dieser zuckte gleichgültig mit den Schultern.

»Würde sie eine Ausrede suchen, wäre es viel logischer gewesen, wenn sie behauptet hätte, dass sie wieder mal krank ist«, meinte er schlicht. »Ihre Ausrede war aber so absurd, dass es die Wahrheit sein musste.«

»Musstet ihr dafür wirklich extra hier hin kommen?«, fragte ich und legte den Reis in den Einkaufswagen.

»Aber klar doch«, sagte die Blonde und lief gut gelaunt neben mir entlang, während uns Karma eher gelangweilt folgte. »Wie hätten wir sonst erfahren sollen, wer recht hat?«

»Indem ihr mir einfach direkt glaubt.«

Prüfend sah ich auf die Liste. Alle Sachen von Gang zwei hatte ich ebenfalls, also bog ich in Gang drei ab. Die beiden folgten mir, was mich etwas verwirrte.

»Willst du nicht wissen, wie unser Anschlag verlaufen ist?«, fragte Nakamura mich.

»Ich nehme an, er ist fehlgeschlagen. Ansonsten würdet ihr mich wohl kaum direkt danach stalken«, erwiderte ich.

»Träum weiter«, schnaubte Karma.

Ich holte einige Sachen, darunter Ais Lieblingsmüsli, Gewürze und Wasabi aus den Regalen. Meine Klassenkameradin beäugte die Einkäufe neugierig und dann kritisch.

»Sag mal, hast du vor das alles allein zu tragen?«, fragte sie.

Ich nickte. »Es ist nicht viel und ich bin es gewöhnt. Woher wusstet ihr eigentlich, dass ich in diesem Supermarkt sein musste?«

»Es war am nächsten zu deinem Haus«, meinte Karma. »Ist doch logisch.«

So logisch war es nicht, einige bevorzugten schließlich manchmal eine Ladenkette oder den Supermarkt ihres Vertrauens. Doch ich ließ es unkommentiert, vor allem, weil Ai in diesem Moment lächelnd auf uns zu gerollt kam. Ich war erleichtert, als ich sah, dass sie die Sachen wirklich zurückgelegt hatte.

»Toast gefunden!«, rief sie. »Und jeeeeeetzt?«

»Nanu, die ist ja süß«, hörte ich Nakamura amüsiert sagen.

Wenn du wüsstest...

»Jetzt gehen wir bezahlen«, sagte ich und bedeutete ihr vor zu gehen.

Sie nickte und lief los.

»Ist das deine kleine Schwester?«, fragte mich meine blonde Mitschülerin.

Ich schüttelte den Kopf, während wir hinter Ai herliefen. »Meine kleine Cousine. Ich bin Einzelkind.«

»Im Gegensatz zu dir, ist sie ja niedlich«, meinte Karma provokant.

Wenn du wüsstest, dachte ich erneut. Doch ich ignorierte seine Aussage und fing stattdessen an, die Einkäufe auf das Kassenband zu platzieren. Haruto, der Verkäufer und Besitzer des Laden, wandte sich uns sofort lächelnd zu. Er war ziemlich nett, Vater eines neugeborenen Babys und plauderte oft mit seinen Kunden, so auch mit meiner Tante, die durch seine Frau, die gelegentlich hier aushalf, oft versuchte, den neusten Tratsch herauszufinden. Gerade als Supermarkt in unserer Nachbarschaft, bekam man eben sehr viel mit. Das gute war jedoch, dass sie längst nicht so viel tratschten wie sie.

»Dich hab ich ja lange nicht mehr gesehen, Naoko. Du lernst bestimmt momentan wieder fleißig, oder?«, sagte Haruto, während er anfing die Sachen zu scannen. Sein Blick fiel dabei auf Karma und Nakamura. »Oh, sind das Freunde von dir?«

»Ganz bestimmt ni...«

Nakamura stieß Karma unsanft an.

»Wir sind ihre Klassenkameraden«, sagte sie mit einem höflichen Lächeln.

Gerade noch gerettet. Ich nickte unnötigerweise bestätigend.

»Wie geht es deiner Kleinen?«, fragte ich und legte die letzten Sachen ab.

»Sehr gut. Mann, ich sag es dir, gerade am Anfang wachsen Babys viel zu schnell«, sagte er lachend.

Ich konnte mich daran erinnern. Ai war als Baby auch gefühlt jeden Tag gewachsen. Diese legte den Toast grinsend aufs Band, wobei sie sich strecken musste, da sie nicht groß genug war und stellte sich dann summend am Eingang.

»Das glaube ich dir«, sagte ich. »Sag mal, habt ihr wirklich keinen Instex-Reis mehr? Du weißt, Shiori wird sauer sein, wenn ich ihr eine andere Sorte bringe.«

Er verzog mitfühlend das Gesicht. »Leider nicht. Unser Vorrat wurde von irgendeinem komischen Typen aufgekauft. Als ich ihn fragte, wieso er so viel bräuchte, meinte er, dass er es für den Weltuntergang bräuchte.«

Ein Schweißtropfen bildete sich auf meiner Stirn. Vielen Dank auch, du Freak.

»Komische Menschen gibt es«, sagte Nakamura nachdenklich.

»Du sagst es... So, das macht dann 5800 Yen«, sagte er.

Ich reichte ihm das Geld und machte mich dann da dran alles in mehrere Tüten zu packen. Es war wichtig, es auszublancieren. Ansonsten riss die Tüte. Das war mir einmal leider passiert. Nachdem Haruto abkassiert hatte, half er mir auch die letzten Sachen einzupacken. Dankend lächelte ich ihn kurz an und verabschiedete mich. Innerlich fragte ich mich, warum Karma und Nakamura immer noch da waren und mich schon fast beobachteten, als würden sie ein Rätsel lösen wollen. Den Gedanken verwerfend steuerte ich mit Ai die Ladentür an, doch gerade, als wir raus wollten, ging plötzlich der Alarm los. Verwirrt blieb ich stehen und sah auf die vier Tüten. Hatte er etwas versehentlich nicht eingescannt?

»Nanu«, sagte Haruto ebenso verwirrt und kam auf uns zu. »Spinnt die Technik etwa?«

Mein Blick fiel kurz auf Karma, dem die Szene mehr als nur zu amüsieren schien. Nakamura schien genauso verdutzt zu sein wie ich und Ai...

... für einen Moment hatte sie sich ängstlich umgeschaut, bevor sie bemerkte, dass ich sie ansah und mich breit, aber sehr gezwungen anlächelte. Sie hielt ihren Teddybären in der Hand, den sie fester an sich presste, Hosentaschen hatte sie nicht, doch dann bemerkte ich, dass ihr Rucksack praller aussah und erstarrte.

Sie war ziemlich lange unbeobachtet weg gewesen..., aber sie würde doch nicht...

»Naomi, ich will endlich nach Hause und spielen«, maulte sie sofort und versuchte mich schnell weiter Richtung Ausgang zu ziehen. Doch ich rührte mich nicht.

»Ich hab alles eingescannt, da bin ich mir sicher«, sagte Haruto, sich an der Schläfe kratzend.

»Sie sollten diese beiden Langfinger durchsuchen«, meinte Karma belustigt.

»Der Alarm bei uns im Supermarkt spinnt auch oft«, sagte Nakamura, die sich die Scanner besah.

»Ai, hast du versehentlich vielleicht etwas mitgenommen?«, fragte ich und stellte die Tüten ab.

Ich wollte ihr wenigstens die Chance geben, es richtig zu machen, sollte meine Vermutung stimmen. Doch sie schüttelte schnell den Kopf und versuchte mich wieder mit sich zu ziehen. Es war wahrscheinlich mein Blick, der dafür sorgte, dass sie innehielt, mich los ließ... und dann plötzlich versuchte nach draußen abzuhauen. Ich hatte damit gerechnet, auch wenn ich gehofft hatte, dass es nicht stimmte, weshalb ich sie schnell eisern festhielt und ihr Quengeln ignorierte.

»Lass mich los! Ich will nach Hause!«, jammerte sie laut und versuchte mit ihrer freien Hand nach mir zu schlagen, die ich jedoch ebenfalls ergriff und sie so vorsichtig wie möglich umdrehte.

Geschickt nahm ich ihr den Rucksack ab, was sie aufkreischen ließ. Dann stand ich auf, sodass sie nicht mehr an ihn heran kam, egal, wie sehr sie sich streckte und auf die Zehenspitzen stellte. Ich öffnete ihn und schloss bei meiner Entdeckung gleich darauf gequält die Augen. Ich hätte es mir denken können und doch hatte ich es nicht erwartet. Sie hatte zwei Packungen Kekse hineingestopft, vermutlich nur so viel, weil auch nicht mehr in ihren kleinen Rucksack hineinpasste. Wieso musste sie es ausgerechnet heute machen, wenn meine zwei Klassenkameraden dabei waren? Ich traute mich nicht einmal zu ihnen zu sehen...

»Gib sie wieder her! Das sind meine!«, rief sie, den Tränen nahe.

Ich sah zu Haruto, der genauso überfordert aussah wie ich. Was machte man, wenn eine Fünfjährige versuchte zu stehlen? Ich hätte es nicht ignorieren und überspielen dürfen, egal was.

»Ai, entschuldige dich. Die Sachen gehören dir nicht und du kannst sie nicht einfach ohne zu bezahlen mitnehmen«, sagte ich streng, bevor ich mich an den Besitzer wandte und ihm die beiden Packungen reichte, nur um mich gleich darauf zu verbeugen. »Es tut mir so leid, Haruto-san. Ich bitte um Verzeihung, ich weiß nicht, was in ihr gefahren ist.«

»GIB SIE WIEDER HER, DAS SIND MEINE! DIE HAT MAMA MIR GEGEBEN!«, kreischte sie nun und versuchte immer noch an sie dranzukommen. Ihr Gesicht schien sich langsam rot zu färben, aber ich vermutete, dass es nicht vor Scham, sondern vor Wut war.

»Ai, entschuldige dich.«

»ABER ES SIND MEINE! MEINE! MEINE! MEINE!«

Wütend hockte ich mich hin, ergriff ihre wedelnden Arme und sah ihr genau in die Augen.

»Es sind nicht deine. Verstanden?«, sagte ich nun absolut nicht mehr ruhig. »Du hast sie einfach in deine Tasche gesteckt. Deine Mama hat sie dir nicht gegeben. Entschuldige dich also sofort bei Haruto. Man nimmt anderen nicht einfach die Sachen weg, verstanden?«

Sie schluchzte auf, als sich die ersten Tränen aus ihren Augen lösten. Aber es schien zu helfen. Man musste ihr die Wahrheit direkt ins Gesicht sagen. Dann drehte sie sich endlich zu dem Ladenbesitzer um und verbeugte sich leicht. Erleichtert atmete ich aus.

»E... es tut mir l... leid...«, sagte sie.

»Es ist in Ordnung«, sagte er schnell. »Wichtig ist, dass du es nicht wieder machst. Es ist nämlich nicht richtig.«

»A... aber Naomi hat sie gemopst und in meinem... Rucksack versteckt«, sagte sie und schluchzte nun heftig auf.

Ich sah sie entsetzt an. Das konnte sie nicht wirklich ernst meinen. Spätestens jetzt schien auch Karma nicht mehr ganz so amüsiert zu sein und in Nakamuras Gesicht hatten sich mehrere Schweißtropfen gebildet. Ich drehte Ai, die sich kreischend weigerte, wieder zu mir um und sah sie streng.

»Hier gibt es Kameras, die dich gefilmt haben, Ai. Das solltest du wissen. Es bringt nichts zu lügen«, sagte ich.

Sie erstarrte und bekam große Augen. Dann versuchte sie wieder abzuhauen, doch dieses Mal ergriff ich ihr Handgelenk und ignorierte sie, während sie sich mit Händen und Füßen lautstark wehrte.

»Schon gut«, beschwichtigte Haruto mich und sah mich mitleidig an. »Ich rufe deine Tante an und erzähle ihr von diesem Vorfall. Ansonsten gibt es keine Konsequenzen.«

Ich lächelte dankbar, doch für Ai war das wahrscheinlich eine noch viel schlimmere Strafe. Sie hielt kurz inne, bevor sie sich kreischend, da sie noch an meiner Hand hing, auf die Knie warf und nun vollständig einem weinenden Wutanfall ausgeliefert war.

»NICHT, MAMA! ERZÄHL ES NICHT MAMA! NAOMI HAT DIE KEKSE GEMOPST! DAS WAR ICH NICHT! ICH BIN BRAV! ERZÄHL ES ALSO NICHT MAMA!«

Besorgt wanderten meine Augen zu meinen Tüten. Wie sollte ich dieses heulende, schreiende Kind nun nach Hause schaffen, das sich so sehr wehrte und gleichzeitig noch die Einkäufe tragen? Heute hatte ich sowas von Pech und noch mehr Unglück als sonst.

»Mann, du kannst einem wirklich leid tun«, raunte Nakamura, hockte sich hin und ergriff zwei Tüten.

Sie sah Karma auffordernd an, der schließlich seufzte und die anderen beiden ergriff. Ich schüttelte schnell den Kopf und zog Ai zurück, die sich mit allen Kräften in die andere Richtung stemmte und immer noch zu flüchten versuchte.

Als würde sie so vor ihrer Tat und den Konsequenzen flüchten können...

»Ihr müsst es nicht machen, wirklich!«, sagte ich. »Ich krieg es hin. Wir wohnen ja nicht weit weg.«

»Deine Einkäufe werden so schneller auf der Straße landen, als du denkst«, meinte er und wandte sich zur Tür.

»Genau. Außerdem können wir dir helfen. Was ist schon dabei?«, sagte meine Klassenkameradin.

Ich nickte dankbar. Sie hatten recht. So heftig, wie sich Ai wehrte, würde ich die Einkäufe fallen lassen, besonders, weil ich sie nicht mit einer Hand tragen konnte. Kurz sah ich nochmal zu Haruto.

»Danke«, sagte ich. »Und es tut mir wirklich leid.«

Beschwichtigend hob er seine Hand. »Schon gut. Bring sie jetzt erst einmal nach Hause, damit sie sich beruhigen kann.«

»Mach ich«, sagte ich und biss die Zähne zusammen, als sie begann mich zu treten.

Etwas ungeduldiger als sonst, zog ich sie aus dem Laden, wobei ich sie halb mit mir schleifte. Meine Klassenkameraden folgten mir, mit einem dezenten Sicherheitsabstand. Draußen drehten sich sofort einige Köpfe zu uns und ich blieb stehen, als Ai ihren Teddybären absichtlich auf den Gehweg schmiss. Kurz kam mir der Gedanke, ihn liegen zu lassen, doch ich hob ihn schließlich doch auf, um einen weiteren Wutanfall zu vermeiden. Sie hätte damit nur ein weiteres Problem für sich verursacht.

»Ai, benimm dich«, sagte ich. »Oder deine Mama wird von allem erfahren.«

Ich wollte ihr nicht drohen, aber ich sah keinen anderen Ausweg gerade. Mit verheulten Gesicht und bebender Unterlippe sah sie mich.

»I... ich... mö... möchte k... keinen Ärger b... b... bekommen«, schluchzte sie.

»Dann entschuldige dich und sag, dass es nie wieder vorkommen wird«, sagte ich, auch, wenn ich selbst wusste, dass es nichts bringen würde.

»U... und... m... meine Kekse? Ich ha... hab jetzt gar keine m... mehr. Du... h... hast sie... m... m... mir w... weggenommen!«

Ich musste mich mächtig zusammenreißen, nicht meine komplette Geduld zu verlieren. Deshalb weinte sie also. Es ging ihr nicht nur darum, dass sie Ärger bekommen würde, weil ihr bewusst war, dass sie etwas falsches gemacht hatte. Es ging ihr darum, dass sie keinen Ärger bekommen wollte und ihre geklaute Ware verloren hatte. Sie war sich keiner Schuld bewusst. Ich wusste nicht, ob es normal für ihr Alter war, aber es besorgte mich.

»Es waren nicht deine Kekse, Ai«, sagte ich endgültig.

Sofort fing sie wieder an zu weinen, doch zumindest hörte sie jetzt endlich auf sich zu wehren, als wir weiter liefen. Nervös sah ich zu den beiden, die uns begleiteten. Was sie wohl jetzt dachten? Ich war froh, dass Haruto bemerkt hatte, dass Ai log - was ziemlich eindeutig war, erst wollte sie schnell verschwinden, dann durfte ich nicht in ihren Rucksack schauen, anschließend wollte sie die geklauten Kekse nicht zurückgeben, weil sie "ihre" waren, die sie angeblich von ihrer Mutter bekommen hatte, und schließlich hatte sie einfach mir die Schuld gegeben - aber mir war es trotzdem sehr, sehr unangenehm. Vor allem, weil es die beiden mitbekommen hatten. Es hätte deutlich schlimmer enden können.

»Keine Sorge«, sagte Nakamura. »Wir wissen alle, wie Kinder sind...«

Sie wollte mich wahrscheinlich beruhigen, denn sie schien selbst nicht ganz überzeugt davon zu sein. Karma gab sich nicht einmal die Mühe, seine eigentliche Meinung zu verstecken.

»Ihr Verhalten ist ziemlich ungesund«, meinte er. »Wie ein Kind, das kein Gewissen hat und keine Konsequenzen kennt.«

Bis vor kurzem kannte sie ja wirklich keine... Ich presste meine Lippen zusammen.

»Nicht so laut, sie könnte dich hören«, zischte Nakamura ihm zu.

Ich sah nach unten. Irgendwie bezweiflte ich es. Ai war viel zu sehr damit beschäftigte, sich weinend selbst zu bemitleiden. Ich bemerkte sogar, wie sie einige Passanten schmollend ansah, scheinbar auf der stillen Suche nach Hilfe.

»Soll sie doch«, sagte Karma. »Ich verschwende wegen ihr meinen freien Tag.«

Da bemitleideten sich wohl gerade zwei Kinder selbst. Ich verdrehte meine Augen. Eigentlich würde ich gern mehr Zeit mit ihm verbringen, doch defintiv unter anderen Umständen.

»Ihr hättet mich nicht verfolgen müssen«, sagte ich.

»Immerhin können wir dir jetzt helfen«, meinte Nakamura.

»Darauf hätte ich verzichten können«,  sagte Karma.

»Hab dich nicht so! Ihr seid immerhin Klassenkameraden.«

»Na... Naomi«, sagte Ai und zog an meinem Ärmel. Ich sah wieder nach unten und begegnete ihrem schmollenden Blick. »L... lass uns nicht nach Hause gehen, o... okay? Mama w... wird dich... s... sonst verhauen! L... lass uns einfach... uns verstecken!«

Ein Schweißtropfen bildete sich auf meiner Stirn. Da wollte eine Fünfjährige wegen geklauten Keksen untertauchen und ein neues Leben beginnen, indem sie versuchte mich zu überzeugen, dass ich eigentlich ihre Komplizin war.

»Sie wird mich nicht hauen«, sagte ich lediglich.

Niedergeschlagen sah sie zu Boden und wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht. Sie hatte wohl endlich aufgegeben. Ihre ganze Abwehr stoppte nämlich mit einem Mal.

Das war beruhigend. Wenigstens konnte ich mich jetzt auch etwas entspannen.

»Wie alt ist sie eigentlich?«, fragte Nakamura mich, als wir gerade an der roten Ampel hielten.

»Fünf«, antwortete ich. »Sie ist etwas... schwierig. Könnte an dem Alter liegen...«

»Gibt es nicht sowas, das man Trotzphase nennt?«, überlegte sie.

»Das ist defintiv keine Trotzphase«, schnaubte Karma.

Ich öffnete meinen Mund, um ihm zu antworten. Einerseits stimmte ich ihm still zu, andererseits konnte ich es nicht aussprechen. Ansonsten bekämen sie noch mehr Informationen zu mir, meinem Leben und meiner "Familie". Das wollte ich vermeiden. Sie hatten heute bereits genug von diesem Terror mitbekommen.

Doch genau in diesem unaufmerksamen Moment, riss sich Ai plötzlich mit aller Kraft von meiner Hand los. Erschrocken sah ich zu ihr, aber sie war bereits los gerannt und versuchte über die belebte Straße zu entkommen.

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