13. Süßes Gebäck und Mochis

Hey!

Sooooo, es geht weiter! Ich will es etwas upspeeden, damit ich bald die Erklärungen und psychologischen Theorien auf Instagram (@su.yu.san) veröffentlichen kann :D.

Einige haben im letzten Kapitel einen kleinen Hinweis entdeckt :D. Let's see how much more you can figure out.

Viel Spaß beim Lesen!
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»... aber es ist alles a... anders als du denkst... Karma...«

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Der dritte Kuss war kein normaler Kuss. Er war lang und schön und direkt als er begonnen hatte, hatte ich bemerkt, dass Karma nicht so schnell vorhatte wieder aufzuhören. Seine Lippen waren auf meine gepresst, während wir immer noch nebeneinander saßen und uns mit den Händen nicht einmal berührten. Er bewegte sie gegen meine, hatte genauso wie ich seine Augen geschlossen und doch bemerkte ich, dass er es defintiv genoss. Ich wollte ihn so, so, so gern berühren, ihm irgendwie näher sein, doch ich wusste nicht, nach welchen Regeln unser Deal strukturiert war. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass er deshalb aufhören und mir einen fiesen Spruch hineindrücken würde. Das wollte ich absolut vermeiden. Ich wollte diese Glückshormone noch etwas länger behalten sowie spüren und nicht an die Realität, in der ich eigentlich lebte, erinnert werden.

Nach einer Weile spürte ich jedoch plötzlich seine Hand, die seitlich zu meinem Gesicht fuhr und öffnete leicht die Augen, nur um zu sehen, dass er dasselbe gemacht hatte. Auf seinem Gesicht hatte sich genauso wie auf meinem eine leichte Röte gebildet und es wirkte fast, als würde er still wegen etwas um Erlaubnis bitten. Ich wusste nicht, was er erwartete oder prüfte, doch ich gab nun meinem Bedürfnis, ihn zu berühren, nach, da er dies schließlich auch gemacht hatte und ließ eine Hand zu seinem Hals wandern. Und als wäre dies die Erlaubnis gewesen, auf die er gewartet hatte, zog er mich mit sich gegen die Rückenlehne der Couch hinter uns, sodass wir daran lehnten und es um einiges gemütlicher war, in dieser küssenden Position für einige Minuten zu verweilen.

Ich konnte die Augen schließen und es endlich einfach nur genießen.

Wie sich wohl ein Kuss basierend auf erwiderten Liebesgefühlen anfühlen würde? Ich wusste es nicht, doch ich war mir sicher, dass es noch schöner sein würde... Einfach zu wissen, dass der Partner, mit denen man diese Liebeleien teilte, auch wirklich etwas tieferes für einen empfand, musste schön sein. Wahrscheinlich fühlte sich der Kuss dann noch realer an. Aber es würde vermutlich etwas sein, was ich niemals erleben würde.

Wir lösten uns nach einer Ewigkeit voneinander und ich musste mich erst einmal darauf konzentrieren zu Atem zu kommen. Nicht nur das physische Ausbleiben der Luft hatte ihn mir geraubt, sondern auch der Kuss an sich...

»Wann musst du nach Hause?«, fragte Karma fast ebenso atemlos.

Ich warf einen Blick über die Schulter auf die Uhr und konnte gerade so meine Enttäuschung verbergen. Ich wollte gern länger bleiben...

»Gleich... ich gebe heute wieder Unterricht«, murmelte ich.

»Verstehe.«

Aus diesem einzelnen Wort konnte ich nicht viel entnehmen. Ich konnte nur mit Gewissheit sagen, dass er nachdenklich aussah, als ich aufstand und meine Sachen komplett zusammen räumte.

»Wir sollten morgen weiter machen.«

Verwundert sah ich ihn an, doch er mied meinen Blick und stand auf.

»So dumm wie du bist, wirst du ansonsten das Thema selbst in den nächsten Wochen nicht drauf haben«, fügte er hinzu und streckte sich.

Ich nickte gedankenverloren ohne es zu bemerken. Das hieß, er fand das Treffen nicht so schlimm, ansonsten hätte er mich nach weiteren Nachhilfeunterricht wahrscheinlich betteln lassen, was ich defintiv nicht gemacht hätte. Es sollte nur eine einmalige Sache werden. Ich hatte es mir vorgenommen. Wieso hörte ich also dann meine eigene Stimme sagen, dass es in Ordnung ginge?
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Ich war wahrscheinlich ein absolut abscheulicher Mensch. Ich hatte meine Prinzipien nicht nur verworfen, sondern fühlte mich nicht einmal schlecht dabei, obwohl ich wusste, was für einen Schaden ich damit anrichten könnte. Und die Tatsache, dass ich mich nicht einmal schlecht fühlte, sorgte dafür, dass ich mich deshalb schlecht fühlte.

Nach dem Training hatte ich trotz der Anstrengung nicht einmal Hunger. Ich stocherte lustlos mit meinen Stäbchen in meinem Essen herum und versuchte dieses bescheuerte Gefühl von Karmas Lippen auf meinen zu ignorieren. Wieso fühlte sich so etwas Falsches nur so richtig an? Ich sollte es nicht genießen und doch tat ich es. Sehr sogar.

»Da bist du ja endlich«, sagte meine Tante, als Raiko die Küche betrat und sich auf ihren Stuhl fallen ließ.

Ai neben mir schien bei bester Laune. Glücklich schlug sie im Takt mit ihren Fäusten auf den Tisch und sagte dabei das Wort "Mampfen" immer wieder wie eine Mantra auf, während sie darauf wartete ihre Portion zu bekommen, was mich etwas störte und mein Onkel schien wie immer geistig ganz woanders zu sein.

»Ich hab Hausaufgaben gemacht«, meinte Raiko lustlos.

»Mampfen! Mampfen! Mampfen!«

»So? Kommst du nicht gut mit oder was war das Problem?«, fragte meine Tante.

Ihre Tochter zuckte mit den Schultern. »Es ist einfach sehr viel. Das nervt.«

»Mampfen! Mampfen! Mampfen!«

»Ai, hör mit diesem Lärm auf«, sagte meine Tante, bevor sie vor ihrer ältesten Tochter mehrere Schüsseln abstellte. »Wir können dir einen Nachhilfelehrer besorgen, wenn du möchtest.«

»Wie oft denn noch? Es liegt nicht an den Stoff, sondern an der Menge«, sagte Raiko nun wirklich genervt.

»Mampfen! Mampfen! Mampfen!«

»Nicht in diesem Ton, verstanden? Dir sollte der Stoff leicht fallen. Schließlich willst du es doch in die A-Klasse schaffen.«

Gerade so schaffte ich es, nicht loszuprusten. Raiko hatte eher momentan Schwierigkeiten nicht abzusteigen. Ihre Noten wurden immer schlechter, es lag defintiv nicht nur an der Menge und doch hatte ihre Mutter einen viel zu unrealistischen Traum.

»Wann hab ich das denn gesagt?!«

»Mampfen! Mampfen! Mampfen!«

»Ai, lass das!«, herrschte meine Tante sie nun an. »Das sollte dein Ziel sein, Raiko. Die Leute würden aber gucken, wenn sie erfahren, wie weit du es gebracht hast.«

»Das ist mir egal«, grummelte sie.

»Mampfen! Mampfen! Mampfen! Ma...!«

»AI!«

Erschrocken zuckte die Fünfjährige bei der Lautstärke ihrer Mutter, die in meinen Ohren ein unangenehmes Piepen hinterließ, zusammen und zog ihre Hände zurück, als hätte sie sich an dem Tisch verbrannt.

»WAS HAB ICH DIR GERADE GESAGT?!«

»Aber... Ich will doch nur was zu mampfen...«, sagte sie kleinlaut.

Ihre Mutter atmete tief ein und wieder aus. Ich fragte mich, ob es sie wirklich beruhigte, da sie nun ruhig fortfuhr. »Das kannst du, sobald du dein Essen bekommen hast. Du kannst aber nicht andere bei einer gesitteten Unterhaltung stören, verstanden? Oder ich schick dich ohne Abendessen ins Bett...«

»Aber, ich hab doch... voll Hunger...«, sagte Ai und sah ihre Mutter mit ihrem Engelsgesicht an. Diese seufzte und gab ihr endlich ihre Portionen, worüber sie sich sofort gierig stürzte.

Genervt schloss ich die Augen. Ich brauchte gerade Ruhe und Frieden. Meine eigenen Gedanken quälten mich doch schon genug...

»Du benutzt die Stäbchen«, sagte meine Tante streng, als das kleine Mädchen mit den Händen in die Schüssel griff. »Und wehe ich höre das geringste Geräusch eines Schmatzens.«

Sie nickte sofort, zog ihre Hand zurück und schnappte sich die Stäbchen, mit denen sie leider absolut gar nicht umgehen konnte. Das lag vor allem daran, dass sie sie auch bis jetzt nicht benutzen musste. Entweder sie aß mit einem Löffel oder einer Gabel, oder eben mit den Händen. Umso trauriger war der Anblick, als sie versuchte das Kimchi zu ihrem Mund zu führen, aber es immer wieder herunterfiel.

»Ich erwarte gute Ergebnisse von dir in deiner nächsten Prüfung, verstanden?«, wandte sich meine Tante wieder Raiko zu, bevor sie zu ihrem Ehemann sah. »Hast du gehört, die Tochter der Kiribishis hat die Schule abgebrochen und ist mit einem sehr viel älteren Mann durchgebrannt.«

»Ist das so?«, sagte er teilnahmslos.

»Ja! Unfassbar. Wäre ich ihre Mutter, würde ich mich nicht mal mehr in die Öffentlichkeit trauen. Nachdem schon herausgekommen ist, dass ihr Mann so viel Geld verloren hat und sie praktisch arm sind. Beschämend.«

Sie hatten immer noch mehr Geld als du, dachte ich düster...

»In meiner Klasse gibt es ein Mädchen, das voll arm ist«, erzählte Ai mit funkelnden Augen. »Ihr Rock hatte mal einen Riss! Ich hab sie voll ausgelacht!«

»Widerlich. Ich werde nie verstehen, wie einige Menschen nicht auf ihr Äußeres achten können«, sagte meine Tante stirnrunzelnd und aß weiter.

Gehörte zum Äußeren nicht auch sowas wie Verhalten und Manieren, dachte ich mit einem Blick auf meine kleine Cousine, die es immer noch nicht hinbekommen hatte das Kimchi zu ihrem Mund zu führen und es in einem unbeobachteten Moment mit der Hand packte, um es komplett in ihren Mund zu stopfen.

»Mir tun sie leid«, sagte ich leise. »Sie haben es eben nicht so leicht.«

»Mir doch auch«, beharrte meine Tante. »Aber man sollte trotz allem darauf achten, eine gepflegte Erscheinung zu haben. Man muss ihnen ihre ärmliche Herkunft und die Kreise, in denen sie sich bewegen, doch nicht unbedingt ansehen. Das ist auch rücksichtslos uns gegenüber. Wer nicht auf sich achtet und so eine Erscheinung präsentiert, belästigt seine Mitmenschen. Aber einige sind leider dazu vorbestimmt, arm zu bleiben.«

»Mama, ich will mehr mampfen!«, rief Ai und zeigte ihr ihre leere Schüssel.

Das Problem dabei war, dass man an ihrer schmutzigen Hand ganz klar sah, wie sie das Kimchi gegessen hatte. Ihre Mutter verzog das Gesicht und schüttelte dann entschieden den Kopf.

»Erst einmal sagt man "darf ich bitte einen Nachschlag haben?". Das Wort mampfen gehört sich nicht für eine Lady. Du willst doch ein...«

»Ich will sofort mehr!«, unterbrach Ai sie ungeduldig und wütend.

»Junge Dame, du kannst den Nachschlag vergessen! Iss deinen Reis und trink deine Suppe und dann ab ins Bett.«

»Aber ich will mehr! Ich will sofort mehr!«

»Sag du doch auch mal etwas!« Hilfesuchend sah sie zu ihrem Ehemann, der genervt seufzte.

»Sie hört nicht auf dich, also wird sie auch nicht auf mich hören«, meinte er. »Außerdem ist Erziehung Frauensache.«

»ICH WILL JETZT...!«, kreischte Ai, wurde jedoch unterbrochen.

»ES REICHT!«, schrie ihre Mutter wütend und ließ sie verstummen. »Du bekommst nichts mehr, verstanden? Erst, wenn du lernst dich zu benehmen, darfst du Nachschlag haben. Undankbare Göre.«

Von wem sie das wohl hatte? Im Grunde war keiner von ihnen meinem Vater für seine Hilfe dankbar. Dementsprechend würden sie es ihren Kindern auch nicht vermitteln können.

Traurig schob Ai ihre Unterlippe vor und setzte ihren Hundeblick auf. Doch meine Tante sah dieses Mal genervt weg.

Es würde defintiv gleich wieder eskalieren, da war ich mir sicher. Konnten wir nicht einen einzigen normalen Tag mehr haben? Meine Zeit war so oder so schon begrenzt. Ich wollte diese wenige Ruhe, die ich hatte, nicht durch ihre Fehler verlieren.

»ICH WILL MEHR MAMPFEN!«, schrie Ai beinahe auf Kommando und griff direkt in meine Kimchi-Schüssel, die ich nicht einmal angerührt hatte. Sie wollte mit ihrem eroberten Essen scheinbar abhauen, da sie schnell von ihrem Stuhl sprang, wurde jedoch festgehalten und mit Gewalt zurück gezogen.

Ich rührte mich nicht, als ich hörte, wie ihre Mutter ihr mehrmals auf die Hand schlug, damit sie das Essen losließ. Erst als sie wütend anfing mit ihr zu schimpfen, stand ich auf und verließ die Küche. Ich wollte dies nicht miterleben.

»Du bist wirklich ein ungezogenes, schmutziges Tier!«, hörte ich sie noch zusammen mit Ais Heulen rufen, während ich die Treppe nach oben lief und anschließend in meinem Zimmer verschwand. Wütend schloss ich die Tür.

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und starrte an die Decke. Wäre er nicht gekommen, hätte ich hier noch wenigstens Ruhe gehabt. Ich kam mit seinem Druck und seiner Disziplin klar, wieso also die anderen nicht? Nicht mal diese beiden Erwachsenen. Sie hatten doch alle absolut keine Ahnung wie es war, wirklich durchgehend unter Druck zu stehen und eskalierten jetzt bereits, nur weil sie ihre fünfjährige Tochter erziehen mussten, die sie selbst zu der verwöhnten Göre gemacht hatten, die sie nun mal jetzt war. Nur, weil sie eine Pflicht erfüllen mussten, die eigentlich selbstverständlich war.

Und alles auf Kosten meiner Zeit und meiner Nerven. Ich schnappte mir mein Handy und öffnete ohne nachzudenken den Messengerdienst sowie Karmas Chat.

[20:32] Ich: Lernen wir nach dem Training morgen?

Ich verdiente wenigstens etwas Freude und brauchte eine Ablenkung. Meine Prinzipien musste ich jetzt überarbeiten, da sich auch die Umstände geändert hatten. Mein Leben würde ich nicht mehr wie erwartet wenigstens friedlich verbringen können, in dem ich alle mied, besonders nicht, wenn diese Stressfaktoren sich so hartnäckig hielten.

»Mama, ich will nicht! Ich will bei euch mitessen!«, weinte Ai, als sie scheinbar gerade die Treppe hochgeschliffen wurde. Jedenfalls klang es danach, als würde ein Widerstand über die Stufen geschleppt werden. »Ich hab doch noch Hunger! Ich wollte nur mehr mampfen! Naomi hat es mir doch erlaubt! Es ist Naomis Schuld!«

Genervt schloss ich meine Augen. Wieso versuchte sie sich so heftig gegen die Realität zu wehren und machte es dabei nur noch schlimmer? Wieso...?

»Wenn du dich wie ein Tier verhälst, dann wirst du auch wie eins eingesperrt«, sagte meine Tante und klang dabei so, als wäre sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs.

Tiere sperrte man auch nicht ein...

Gleich darauf hörte ich schon die klopfenden Schläge gegen die Tür, die mir verrieten, dass sie wieder da gelandet war, wo ich immer bei jedem Fehler landete. Mit dem Unterschied, dass sie wenigstens in ihrem nicht dunklen und eigenen Zimmer voller Spielzeuge eingesperrt wurde.

»Lass mich raus! Lass mich raus, Mama! Bitte! Ich bin brav! Ich werde brav sein! MAMA, DU BLÖDIE, LASS MICH RAUS! ES WAR NAOMI!«

Und damit war meine Ruhe auch hier wieder zerstört... Und das für die nächsten zwei Stunden... Sie würde meinen Namen und diese Sätze die ganze Zeit kreischen und erst aufgeben, wenn sie von der Müdigkeit ausgeknockt wurde.

Meine Entscheidung war in dieser Nacht zumindest gefallen. Der Tag mit Karma war schön gewesen, auch wenn es nicht richtig war. Aber ich hatte kaum irgendetwas schönes im Leben, das ich wirklich genießen konnte, also konnte ich wenigstens hier eine Ausnahme machen. Immerhin erfüllte ich dabei gleichzeitig meine Pflichten. Ich lernte.
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Ein dumpfes Geräusch ließ Kimura und mich während unserer Übungen innehalten und aufsehen. Nagisa lag auf den Rücken, Karasuma-Sensei mit einem überrumpelten Gesichtsausdruck neben ihm, während sich der Blauhaarige den Nacken rieb.

»Tut mir leid, das war mein Fehler. Ich war wohl etwas zu grob«, meinte unser Lehrer. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja, keine Sorge«, erwiderte mein Mitschüler leicht lachend.

»Das hast du davon, wenn du nicht aufpasst«, lachte Sugino. »Mann, was für ein Flug.«

Ein Schweißtropfen bildete sich auf Nagisas Stirn. »Ja, ja.«

Ich legte den Kopf verwirrt schief. Karasuma-Sensei war eigentlich ein Profi. Sogar bei mir konnte er meinen Angriffen gerecht werden, und gleichzeitig rücksichtsvoll bleiben. Was war bei Nagisa gerade schief gelaufen?

Ein Pieksen in meine Seite, ließ mich erschrocken zusammenfahren und ich wandte mich düster zu Karma um, der mich fast schon frech angrinste.

»Upps, mein Fehler«, lachte er. »Ich hab wohl nicht hingeschaut, wo ich hinpiekse.«

»Wenn du nicht aufpasst, dann könnte ich nicht hinschauen, wo ich hintrete«, meinte ich und fuhr mir über die Seite.

Kimura bekam mehrere Schweißtropfen im Gesicht, als er entsetzt feststellte, was ich damit meinte. Der Rothaarige ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern.

»Wie wäre es, wenn wir mal Partner sind? Im Gegensatz zu den anderen hier wärst du eine interessante Herausforderung«, sagte er lässig und verschränkte seine Hände hinter seinem Kopf.

»Nein, danke. Kimura ist gerade mein Partner. Wir arbeiten gut zusammen, oder Kimura?«

»Solange du mich nicht trittst...«

»Ihr seid wirklich Spielverderber«, sagte Karma seufzend.

Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als die Schulglocke jedoch ertönte. Unser Training war damit endlich beendet und ich würde nun mit Karma lernen können. Endlich... Darauf hatte ich mich vielleicht etwas zu sehr gefreut.

»Sensei, wollen Sie vielleicht mitkommen und mit uns allen einen Kaffee trinken gehen? Wir wollen in dieses neue Café in der Nähe der Schule«, fragte Kurahashi, als Karasuma-Sensei sich von uns verabschiedet hatte und das Schulgebäude ansteuerte.

»Danke, aber leider hab ich noch viel Arbeit und Papierkram vor mir«, antwortete er und lief einfach weiter.

Der Kerl schien auch keine Lust auf uns zu haben. Aber wen wunderte es? Er stand unter großen Druck, schließlich musste er mal eben einige pubertierende Schüler ausbilden, damit diese eine künstliche Lebensform töteten, um die Welt zu retten. Ja, er hatte es defintiv nicht leicht.

»Mann, er ist wirklich ziemlich privat«, sagte Mimura nackdenklich.

»Mich beschleicht eher das Gefühl, dass er uns bewusst auf Abstand hält«, seufzte Okano.

»Er erinnert mich vom Verhalten her etwas an Naoko«, sagte Karma fast schon beiläufig.

Genervt sah ich ihn an. Er konnte es nicht lassen. Wollte er mich damit gerade absichtlich fronten?

»Im Grunde ist er ein ziemlich guter Lehrer und eigentlich kümmert er sich gut um uns, doch irgendwie scheint er diese Dinge nur als seine Pflicht zu sehen, oder?«, sagte Kurahashi etwas enttäuscht.

Mich überraschte es nicht. Wenn ich mich nicht irrte, stand sie ziemlich auf unseren Lehrer. Ich freute mich ja auch, wenn ich irgendwie Zeit mit Karma verbringen konnte, auch wenn es nur die Tatsache beinhielt, mit ihm in einem Raum zu sein.

»Wer ist das denn?«, riss mich Nakamura aus meinen Gedanken und ich folgte ihrem Blick zum Hauptgebäude, wo ein übergewichtiger Mann mit vielen Tüten stand.

Breit lächelnd lief er die Treppe herunter, direkt auf uns zu. Sein Lächeln... es war defintiv nicht aufrichtig. Ich musste es ja wissen. Ich war die Unaufrichtigkeit in Person.

»Hallo, Schüler! Schön euch endlich kennenzulernen, ich hab schon viel von euch gehört!«, sagte der Kerl enthusiastisch. »Ich bin Akira Takaoka und werde euch ab heute in Sport unterrichten.«

»Was ist das schon wieder für ein Clown?«, meinte Karma neben mir und seufzte. Ich zuckte mit den Schultern. In dieser Klasse sollte uns eigentlich nichts mehr überraschen. Noch sah der Kerl aus wie ein Mensch, aber wer wusste schon, ob er sich nicht als Koro-Senseis dritte Ex-Frau oder sowas entpuppte.

»Ich hab euch als Überraschung einige Kleinigkeiten mitgebracht«, sagte dieser Takaoka und fing an unzählige Sachen aus seinen Tüten zu holen, während sich die anderen Schüler um ihn versammelten.

»Na, los, verschwinden wir«, sagte Karma leise zu mir. »Die sind gerade abgelenkt und der Unterricht ist sowieso schon vorbei.«

»Kla...« Ich stoppte, als ich sah, dass der Kerl uns unzählig viel süßes Gebäck und sogar Eclairs mitgebracht hatte. Süßigkeiten und Naschereien, meine Schwachstelle...

»Beweg dich«, sagte Karma und drückte mich nach vorn, als er mein Zögern bemerkte.

»Aber... aber... Karma, siehst du nicht...«

»Entweder der dicke Papatyp dahinten oder eine gute Note. Such es dir aus. Mir ist es egal.«

Ich seufzte, gab niedergeschlagen nach und folgte Karma zum Schulgebäude der 9E, wo die Umkleideräume waren. Fast schon tadelnd schüttelte er den Kopf, während er amüsiert grinste. Wenn ich keine gute Note in den Prüfungen in Mathe bekam, dann wäre dieses Opfer gerade umsonst gewesen...
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Grummelnd und schmollend lief ich neben Karma her. Wir hatten uns umgezogen und waren abgehauen, während sich die anderen mein süßes, geliebtes Gebäck schmecken ließen. Das war wirklich unfair. Da passierte einmal etwas tolles und ich wurde herausgerissen, nur, weil der Typ keinen guten Eindruck bei den rothaarigen Idioten hinterlassen hatte. Zugegeben, er kam mir auch etwas komisch vor... Dann hatte er jedoch diese Leckereien präsentiert und ich hatte den Gedanken sofort wieder verworfen, verdrängt, eingesperrt und im Meer versenkt. Ich liebte süße Sachen einfach viel zu sehr... und das Leben war immerhin zu kurz, um so etwas nicht vollends und vom Herzen zu genießen...

»Was machst du da?«, fragte ich verwirrt, als Karma stehen blieb. Erst dann bemerkte ich, dass wir vor einem Supermarkt standen.

»Was wohl? Wir gehen einkaufen«, sagte er und trat ein.

Ich folgte ihm. »Und was genau brauchst du?«

»Die Frage ist eher, was brauchst du? Du wirst kochen.«

Meine Mundwinkel zuckten leicht nach oben und ich folgte Karma durch die langen Gänge. Er hatte mein Essen gestern defintiv gemocht, auch wenn er es nicht zugeben wollte und heute deshalb selbst entschieden, dass ich nochmal kochen sollte. Also hatte ich mir Pluspunkte geholt. Ich konnte nicht anders. Ich musste ihn einfach deshalb etwas ärgern.

»Wieso soll ich denn nochmal kochen?«, fragte ich gespielt ahnungslos.

»Wenn ich dir schon Nachhilfe gebe, kannst du dich auch nützlich machen«, sagte er prompt.

Empört riss ich meinen Mund auf und wir blieben vor dem Fleisch stehen. Er wollte penetrant nicht zugeben, dass ich gut kochen konnte und mein Essen ihm geschmeckt hatte! Das war echt unglaublich... und gleichzeitig eigentlich auch typisch Karma.

»Dafür hatten wir schon einen Deal ausgemacht, Paprikarma«, sagte ich leiser, damit es niemand hörte. »Ich mache als Gegenleistung bereits etwas anderes.«

»Na, und? Dann machst du zwei Sachen. Die erste reicht eben nicht.«

Ich presste meine Lippen zusammen, als ich einen kurzen stechenden Schmerz in meiner Brust spürte, weil mein Herz sich zusammenzog. Die Küsse reichten also nicht und waren für ihn sogar noch bedeutungsloser als angenommen... Vielleicht stimmte es ja... vielleicht fand er das Essen lediglich okay und wollte zwei Dinge für sich herausschlagen. Ihn ärgern zu wollen war gerade mächtig nach hinten losgegangen...

Aber das war okay. Ich würde ihm zeigen, welche Qualitäten ich alles hatte.

Ich schnappte mir die Packung mit den Speckröllchen aus seiner Hand und scheuchte ihn mit einer Handbewegung weg. »Geh dich nützlich machen und hol einen Einkaufswagen. Bei der Leere, die bei euch herrscht, brauchst du wesentlich mehr und eindeutig gesündere Sachen.«

»Du könntest ja direkt mein Hausmädchen werden«, witzelte er, befolgte jedoch meine Anweisung.

Streich das Haus und ich sage sofort ja.

Ich schüttelte den Kopf. Was dachte ich da? Es war nicht einmal möglich oder ansatzweise realisierbar. Ich musste mich wenigstens an gewisse Regeln halten. Das hier klappte nur, eben weil Karma mich nicht leiden konnte. Ansonsten dürfte ich nicht mit ihm umgehen.

Kurz darauf kam er mit einem Einkaufswagen wieder und wir fingen an die unterschiedlichsten Sachen reinzulegen. Dabei achtete ich nicht nicht nur darauf, dass es Zutaten waren, mit denen ich etwas anfangen konnte, sondern auch, dass das meiste halbwegs gesund war. Seine eigentliche Ernährung sah man ihn überraschenderweise überhaupt nicht an. Dennoch könnte es seinen Körper innerlich belasten und das wollte ich schlichtweg nicht.

»Such dir etwas aus«, meinte er plötzlich, als wir bei dem Süßwarenregel waren.

Ich sah ihn verwirrt an. »Was?«

»Nachdem du so kindisch geschmollt hast, weil du nichts Süßes bekommen hast, will ich mal nicht so sein. Such dir also etwas aus, Klein-Naoko.«

Ich verdrehte die Augen. Selbst, wenn er etwas scheinbar nettes machte, war es, um mich zu ärgern. Und das er mit mir sprach, als wäre ich ein kleines Kind, passte mir gar nicht. Daher wandte ich mich einfach ab und lief weiter.

»Nein, danke. Von Idioten darf man keine Süßigkeiten annehmen«, sagte ich schlicht. »Beeilen wir uns, ich hab Hunger und daran bist du schuld.«

Er seufzte hinter mir, dann hörte ich ein kurzes Rascheln, bevor er mir folgte. An der Kasse angekommen, platzierte er die Sachen vor dem Verkäufer. Genau da fiel mir eine Packung Mochis mit Erdbeerfüllung ins Auge, was mir einen Schlag in die Magengrube versetzte. Karma musste sie gerade in der Süßwarenabteilung eingepackt haben... Das... In der Grundschule hatte ich fast jeden Tag genau so einen Mochi dabei gehabt, weil meine Mutter mir immer einen eingepackt hatte. Ich hatte sie geliebt. Es war unwahrscheinlich, dass der Rothaarige dies wusste. Seitdem sie uns verlassen hatte, hatte ich keins mehr gegessen. Dementsprechend war der Anblick nicht mehr so... positiv wie es früher der Fall gewesen war.

»Ich warte draußen«, murmelte ich und verließ den Laden, ohne auf Karmas Antwort zu warten.

Seinen wachsamen Blick spürte ich dennoch im Nacken, daher fühlte es sich schon fast gut an, für einen Moment kurz allein zu sein. Wenn es um meine Mutter ging, hatte ich meinen Gefühle etwas weniger unter Kontrolle. Aber eigentlich fing ich mich meist relativ schnell wieder. Heute schien es etwas zu dauern, wahrscheinlich, weil ich in den letzten Jahren so einen Bogen um diese Mochis gemacht hatte, obwohl sie mich fast täglich begleitet hatten. Ich lächelte bei der Erinnerung glücklich. Jeden Morgen, wenn ich mein Bento von meiner Mutter bekommen hatte, hatte ich gewusst, dass es da drin war und mich den ganzen Tag darauf gefreut, es essen zu dürfen.

Die Vorliebe für süße Sachen hatte ich defintiv von ihr... Sie hatte sie auch gern gegessen.

Wo blieb denn Karma über... Den Gedanken konnte ich nicht einmal zu Ende denken, da ich aufsah und ihn mit einer großen Tüte in der Hand direkt vor mir entdeckte. Wie hatte ich ihn nicht bemerkt? Wie lange stand er da schon? Er schien mich einfach nur ausdruckslos anzustarren, sodass ich leicht nach hinten wich und mich halb umdrehte. Was hatte er heute mit seinem ständigen Starren für ein Problem? Als würde er mich innerlich roasten, aber es nicht aussprechen.

»Können wir?«, fragte ich.

Er nickte und lief los. Ohne ein Wort zu sagen. Und genauso folgte ich ihm auch zu ihm nach Hause.

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