✔Kapitel 29

Kapitel 29


*1 Woche später*

"Harry, vergiss deine Zahnbürste nicht", rief Anne von unten nach oben. Das war das erste Mal, dass er seinen Koffer selbst packte. Normalerweise sorgte Anne immer dafür, dass es Harry an nichts fehlte. Aus diesem Grund stand Harry etwas verzweifelt vor seinem Koffer, da dieser sich nicht schließen ließ. "Muuuum", rief er nach seiner Mutter. Kurz darauf hörte er Schritte, die die Treppe nach oben liefen. " Alles okay, Schatz?“, fragte Anne, als sie Harry dort stehen sah. "Nein, der Koffer geht nicht zu. Ich brauche einen größeren." Anne musste schmunzeln, als sie Harrys 'Kunstwerk' sah. Der Koffer lag geöffnet auf Harrys Bett und ein Berg von Kleidung und anderen Dingen befanden sich darin. "Lass mich mal schauen, ich bin sicher, wir bekommen das hin, ohne einen größeren Koffer zu benutzen." Anne lief auf das Bett zu, setzte sich darauf und schenkte dem Chaos ihre Aufmerksamkeit. "Harry, wenn du nicht planst auszuziehen, denke ich, dass du so viel Kleidung nicht benötigst." Harry sah sie mit gerunzelter Stirn an. Anne kicherte. "Du bist nur drei Tage unterwegs, und das ...", sie deutete auf dem Klamottenberg, "ist eindeutig zu viel." Anne nahm den Inhalt des Koffers und legte ihn neben sich auf das Bett. "Harry, ich glaube nicht, dass du zehn Paar Boxershorts, sechs Paar Socken, vier Hosen, drei Flaschen Duschgel und – Oh Gott – sind das zwölf Shirts? Schatz, das ist eindeutig zu viel." Anne begann einige Kleidungsstücke auszusortieren. Harry funkelte seine Mutter böse an. Er lief zu den Sachen, packte sie und warf sie wieder auf den Kleiderhaufen. "Ich brauche das. Alles", machte Harry seinen Standpunkt klar, weswegen Anne seufzte. Bei jedem anderen hätte Anne sich jetzt dagegen gesträubt, dass diese Person zu viel mitnehmen wollte. Aber nicht bei Harry. Er würde so lange darauf beharren und seinen Willen durchsetzen, bis er bekam, was er verlangte. So war es immer. "Okay, aber dann brauchen wir wirklich einen größeren oder einen zweiten Koffer", gab Anne nach und stand auf. Nachdem sie einen zweiten Koffer aus ihrem Schlafzimmer geholt hatte, alle Kleidungsstücke und andere Utensilien ordentlich eingepackt waren, trug Harry die Koffer nach unten.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet Harry, dass Louis bald zu ihm kommen würde, und Anne sollte die beiden dann zur Schule fahren.

Alle Schüler, die aus Harrys Klassenstufe mitfahren wollten, mussten um sieben Uhr an der Schule stehen, wo ein großer geliehener Bus sie nach London fahren würde. Harry war etwas aufgeregt. Er wusste nicht genau, was auf ihn zukam. Zwar wusste er, dass sie am ersten Tag Sehenswürdigkeiten ansehen wollten, am zweiten Tag war ein Ausflug in ein Erlebnisbad und am Abend noch ein Lagerfeuer geplant, und am dritten Tag, der auch der Tag der Abreise war, durften sie am Vormittag allein durch London, um gegebenenfalls Souvenirs zu kaufen, bevor sie nach dem Mittag die Heimreise antreten würden. Für jeden anderen wäre das Information genug, aber nicht für Harry. Er wollte am liebsten jedes Detail des Tages planen, um sich wenn nötig darauf vorzubereiten. Er wusste, dass Zayn und dessen Freunde ebenfalls mitfuhren, was ihn ziemlich beunruhigte. Doch auch Louis, Liam und Niall, der sich in der vergangenen Woche immer mehr mit Harry anfreundete, waren dabei, was Harry etwas beruhigte. Louis versprach ihm, immer auf ihn aufzupassen, als er von Zweifeln geplagt wurde. Und Harry glaubte ihm, er vertraute Louis.

Das Klingeln an der Haustür ließ Harry kurz aufschrecken, bevor er freudig lächelte. Schnell lief er zur Tür, riss sie auf und strahlte einem verschlafenen Louis entgegen. "Da bist du ja endlich", begrüßte er diesen, der gerade noch einmal ausgiebig gähnte. "Endlich? Ich bin sogar zu früh", verteidigte sich Louis und zog Harry in eine kurze Umarmung.

Man konnte es kaum glauben, aber Harry genoss diese Umarmung. Am Anfang fand er es komisch, dass Louis ihn zu jeder Begrüßung, Verabschiedung oder auch einfach zwischendurch umarmte. Doch er hatte sich daran gewöhnt, und wäre sogar beleidigt, sollte Louis sie vergessen.

Anne stand neben den beiden und lächelte glücklich. Sie war erstaunt, wie Louis ihren Sohn in so kurzer Zeit positiv beeinflusste. Harry war aufgeschlossener und als sie sah, wie Harry die Umarmung genoss, musste sie eine Träne unterdrücken. Andere würde ihr sagen, dass sie überreagierte, doch Anne wusste, dass es für Harry ein großer Schritt war. Sie wusste nicht, warum Harry so positiv auf den Jungen vor ihm wirkte, doch sie sah, wie Louis mit Harry umging. Er behandelte ihn nicht anders als er es bei anderen tat. Vielleicht lag es daran, dass Louis kaum etwas über Harrys Erkrankung wusste oder es für ihn einfach selbstverständlich war, mit Harry normal umzugehen. Egal was es war, Anne war froh darüber, dass Louis nun ein Teil von Harrys Leben war.

"Wollen wir losfahren, Jungs?“, fragte Anne die beiden, als Louis auch sie begrüßt hatte. "Ja. Wir treffen Liam und Niall an der Schule", antwortete Harry und wendete sich bei seinem letzten Satz an Louis. "Ja, ich habe Niall bereits angerufen. Er müsste schon auf dem Weg sein." Harry nickte als Antwort und schnappte sich dann seine zwei Koffer. "Wow, Harry, hast du geplant, um die Welt zu reisen?“, fragte Louis und zeigte lachend auf die beiden Koffer in Harrys Händen. "Nein?" antwortete Harry monoton und lief zum Auto. Er verstand die ganze Aufregung nicht. Was war falsch an zwei Koffern? Anne wendete sich an Louis und flüsterte ihm zu, damit Harry es nicht verstand. "Ich konnte ihn nicht davon abbringen." Louis lächelte verständlich. "Alles gut, Anne. Machen Sie sich keine Sorgen, okay?", beruhigte er sie. "Ich werde mir trotzdem die ganze Zeit Sorgen machen. Ich meine, er ist doch mein Baby und er war noch nie allein von zu Hause weg", seufzte sie und beobachtete Harry dabei, wie er mühselig die beiden Koffer in den Kofferraum des Wagens packte. Louis legte beruhigend die Hand auf Annes Schulter, weswegen sie ihren Blick wieder auf ihn richtete. "Ich werde auf ihn aufpassen, ich verspreche es." Anne lächelte und umarmte Louis. "Danke. Du bist ein guter Junge, Louis. Ich vertraue dir, und Liam natürlich auch. Wenn irgendetwas ist, ruft ihr mich an, verstanden?" Louis kicherte. "Natürlich."

Harry, der bereits im Auto saß, wartete ungeduldig auf die beiden. "Kommt ihr endlich? Wir kommen zu spät", rief er durch das geöffnete Fenster. Anne und Louis lachten, bevor sich ebenfalls zum Auto begaben. Louis entschied kurzerhand seinen Koffer einfach mit auf die Rückbank zu nehmen, da Harry mit seinem Gepäck bereits alles besetzte.

"Von Gemma hast du dich verabschiedet?“, fragte Anne an Harry gewandt, als sie sich ins Auto setzte. Harry nickte. "Ja, gestern schon. Ich finde es nicht schön, dass sie jetzt nicht da ist. Sie sollte hier sein", beklagte Harry sich. "Ich weiß, Schatz. Ich weiß." Gemma musste sehr früh am Morgen, noch bevor Harry aufstand, bereits auf ihrer Arbeit erscheinen, da eine Inventur anstand. Dass Gemma schon in ein paar Wochen nur noch über das Wochenende zu Hause sein würde, da sie endlich anfangen würde zu studieren, hatten die beiden Harry noch nicht gesagt. Er wusste zwar, dass es bald so weit sein würde, doch dass es so schnell ging, wusste er noch nicht. Und im Moment war es besser so, da sie wussten, dass Harry die Nachricht weniger gut aufnehmen würde.

"Die Fahrt über waren alle drei ruhig. Anne, weil sie sämtliche Szenarien in ihrem Kopf durchging, was Harry passieren könnte, Harry, weil er einfach zu nervös war, um etwas zu sagen, und Louis? Ja, Louis war einfach wieder eingeschlafen.

Als sie an der Schule ankamen, konnte Harry bereits den großen Bus sehen und vor ihm viele Schüler mit ihren Eltern. Anne parkte den Wagen auf dem Schulparkplatz, bevor sie sich abschnallte und zu Louis sah. Sie kicherte, als sie erkannte, dass er eingeschlafen war. Harry folgte Annes Blick, bevor er Louis unsanft weckte. "Louis, aufwachen!", schrie er schon fast, weswegen Louis erschrak und mit dem Kopf gegen die Autotür schlug. "Verdammt, Harry, geht das auch einfühlsamer?", fluchte er und rieb sich die schmerzende Stelle. "Nein", antwortete Harry und stieg aus dem Wagen. "Anne sah Louis entschuldigend an. "Einfühlungsvermögen ist nicht gerade das, was du von ihm verlangen solltest." Louis lachte. "Das habe ich gemerkt." Nun lachte auch Anne und beide stiegen aus dem Auto.

Gemeinsam mit ihrem Gepäck liefen sie auf den großen Bus zu und sahen Liam und Niall bereits dort stehen. Als die beiden Harry und Louis erkannten, winkten sie ihnen freudig zu. "Morgen", begrüßten Harry und Louis die anderen synchron und stellten sich dann zu ihnen. "Bereit für drei unvergessliche Tage?“, fragte Niall und sprang enthusiastisch auf und ab. Liam rollte nur mit den Augen und schüttelte lachend den Kopf. "Übertreibe nicht, Niall", versuchte er den Iren auf dem Boden zu halten, bevor er sich an Louis und Harry wandte. "Er ist schon so, seitdem er hier ankam." Louis lachte. So kannte er seinen Niall. Auch wenn er bis vor einer Woche noch den Schlägertyp spielte, wusste er, dass Niall in Wirklichkeit noch immer wie ein kleines Kind war. Die Seite kam jedoch nur zum Vorschein, wenn Louis und Niall allein waren. Louis freute sich für Niall, dass er seine wahre Persönlichkeit nicht mehr verstecken musste.

"Schüler, verabschiedet euch bitte von euren Familien, bringt eure Koffer zum Bus und dann steigt ihr bitte ein", rief Mrs. Blanket, die mit drei weiteren Lehrern die Schüler betreuen würde. Harry drehte sich zu seiner Mutter und umarmte sie. "Bye Mum." Anne gab ihm noch einen kurzen Kuss auf die Wange und lächelte ihn dann an. "Pass auf dich auf. Ich werde dich vermissen." Harry nickte. "Ich passe auf." Damit drehte er sich um und lief mit den anderen, die sich ebenfalls verabschiedet hatten, zum Bus. Alle gaben ihr Gepäck ab und stiegen dann in den Bus ein. Harry schaute sich etwas um und und blieb abrupt stehen, als er Zayn und drei weitere Jungs in der letzten Reihe des Busses erkannte.

Louis drängelte sich an Niall und Liam vorbei, als er sah, weswegen Harry stehen blieb. "Harry, hab keine Angst. Ich passe auf dich auf, erinnerst du dich?" Harry atmete tief ein und schaute noch einmal zu Zayn, der ihn mit einem gehässigen Grinsen und hochgezogenen Augenbrauen ansah. "Ja, ich erinnere mich", antwortete er und nahm seinen Blick von den Jungs. Hinter Harry stauten sich die Schüler und fingen langsam an zu fluchen. "Lass uns hinsetzen", forderte Louis Harry nun auf und drückte ihn auf einen der Sitze. Louis setzte sich neben ihn und konnte hören, wie die vorbeigehenden Schüler Harry Beleidigungen zuwarfen. Louis schaute jeden mit einem vernichtenden Blick an, weswegen die meisten sofort ruhig waren. Louis‘ Ruf war zwar etwas gesunken in der vergangenen Woche, doch einige Schüler hatten noch immer Angst vor ihm. Harry interessierten die ganzen Beschimpfungen nicht, er kannte es ja nicht anders.

Als alle Schüler auf ihren Plätzen saßen und die Lehrer kurz bekanntgaben, wann sie welche Pause machen würden und wie sie sich zu verhalten hatten, fuhr der Bus endlich los. Alle Schüler jubelten, als sie den Parkplatz verließen. Louis schaute zu Harry, der den Kopf gegen die Fensterscheibe lehnte und bereits eingeschlafen war. Er lächelte, als er Harry so sah. Er zog sich seine Jacke aus, legte sie über Harrys Körper und lehnte sich dann selbst zurück, um die Augen zu schließen.

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