Hedor


Asmea

Viele Sagen woben sich in meinem Reich über die anderen zwei Länder auf dem Kontinent. Asmeanier seien hochnäsige verachtende Leute, welche sich für besser hielten als alle anderen. Ustrarianer hingegen seien kleine wichtelartige schrecklich bleiche Wesen, mit giftigen Augen und eigenhaften Charakter. Trotzdem schienen mir die Fremden, die ich und Glann jetzt vor uns hatten, nicht so ruchlos, wenn man es so sagen mag.

Die Asmeanier waren grösser als wir, doch umso zierlicher, auch wenn der eine Junge trotzdem auch Muskeln hatte. Seine Gefährtin war schlank, mit langem weissem Haar und hellblauen Augen mit weissen Flecken in der Iris. Ein Dolch schien ihre einzige Waffe zu sein, was ich merkwürdig fand, wenn man bedachte, dass der Feind überall lauern könnte

Auch wenn sie nicht sehr eingebildet wirkte, so hatte sie eine starke Ausstrahlung, was mich vermuten liess, dass sie wohl zu der wohlhabenderen Schicht des Landes gehörte.
Mein Vater hatte mir früher viel über das System in Asmea erzählt und die Problematik darin. Ich habe nie erfahren, woher das alles wusste, doch er erzählte mir, dass dort Leute auf ihren Nutzen für die Gesellschaft und auf ihre Herkunft reduziert wurden. So gab es eine wohlhabende, ein Arbeiter- und eine Armenschicht. Die Mitglieder der letzten Schicht wurde auch die Unreinen genannt, weil ihr Blut nicht als edel und rein angesehen wurde. Für mich eine schreckliche Vorstellung, wo doch gerade meine

Schwester und ich von Glanns Familie aufgenommen und

einverleibt wurden, unabhängig von unserer Herkunft oder unserem Nutzen.

Die anderen Länder hatten mich schon immer sehr interessiert, weshalb ich es kaum erwarten konnte sie vielleicht in der Zukunft zu besuchen, vorausgesehen wir schafften unsere Mission, vertrieben das Böse und die Länder vertrugen sich wieder.

Nun ich wollte meine Gedanken nicht auf die schier unmögliche Mission, die vor uns lag, verschwenden und beschloss, mich weiter auf die Fremden zu konzentrieren.

Der Begleiter von der zierlichen Asmeanierin sah schon eher aus wie ein Krieger. Mit einem Breitschwert ausgestattet, auf dessen Schaft er eine seiner Hände griffbereit hatte, sah er immer auf der Hut und sehr aufmerksam aus. Ich vermutete, dass er wohl eine Art Beschützer für seine Gefährtin sein musste. Sein strohblondes Haar war kurzgehalten und ordentlich zur Seite gekämmt, doch seine Augen fand ich am faszinierendsten. Sie waren von einem tiefen dunkelblau und erinnerten mich an das Meer. Ich hatte es bisher nur einmal gesehen, doch als ich seine Augen sah, hatte ich das Gefühl wieder dort zu stehen, den Sand zwischen meinen Zehen zu spüren und das seichte Rauschen der Wellen zu hören. Ich war mit meiner Mutter dort gewesen, nur wir zwei, wenige Monate vor ihrem Tod.

Das Mädchen aus Ustrar war etwas kleiner. Sie hatte stechend hellgrüne Augen und kurzes, in Zöpfen, zurückgebundenes Haar.

Ihre Haut war blass, doch nicht so wie die der Asmeanier. Eher so eine Blässe, die der Nebel hatte, wenn er frisch und dick über der Ebene lag.

Bei ihr trafen die Vorurteile meines Volkes deutlich mehr zu, auch wenn ich beschloss mich von diesen nicht beeinflussen zu lassen. In ihren Augen sah ich nämlich kein Gift, trotzdem durchbohrten sie einen, sobald sie einen ansahen.

Auf ihrem Rücken hatte sie zwei Zwillingsmesser, doch sonst trug sie nur ein enganliegendes Oberteil und eine Hose, mit lockerer Jacke. Alles in einem blassen Grünton.

Wir standen in einer unangenehmen Stille vor einem grossen schwarzen Höhleneingang. Hinter mir lag Feblor, zu meiner rechten Asmea und zu meiner linken Ustrar. Der Ort, an dem wir waren, war dieser an dem schon viele Helden vor uns gewesen waren. In den alten Zeiten, als das Dunkle noch weit weg war, und unser Kontinent andere Probleme hatte. Es fühlte sich fast surreal an, zu wissen, dass ausgerechnet wir fünf dazu ausgewählt wurden, einer der wichtigsten Missionen zu erfüllen, die uns die Mächte dort oben je gegeben hatten. Es ging schliesslich darum den Jahrtausende alten Feind zu besiegen und wieder Einheit und Frieden zurückzubringen. Zu viele hatten schon ihre Leben gelassen im verzweifelten Versuch dem Norden zu trotzen, wo alles Böse herkam.

«Wollen wir uns vielleicht vorstellen?», fragte Glann in die Stille hinein und als die anderen stumm nickten fing er an.

«Ich bin Glanndairos, aber nennt mich bitte Glann, und neben mir ist mein Bruder Hedor, aus Feblor. Wir sind hierhergekommen, um unseren Kontinent endlich von der dunklen Last zu befreien, die ihm schon viel zu lange auferlegt wurde», erklärte er feierlich.

«Ich bin Arka aus Ustrar», sagte das kleine Mädchen knapp, und schaute meinen Bruder lange durchdringend an. Ihr Blick war durchdringend, und zeigte keine Art von Emotion, sodass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief, als sie ihren Blick plötzlich auf mich richtete. Diese stechend grünen Augen, die einen unnatürlichen Kontrast zu ihrer hellen Haut und den roten Lippen bildeten.

Schnell blickte ich zu der Asmeanierin die angefangen hatte zu sprechen.

«Ich bin Lydia, und neben mir ist mein Begleiter Astero. Wir haben die Prophezeiung empfangen und wir wurden ausgewählt, unser Land in dieser Mission zu vertreten», sagte sie etwas uninteressiert wirkend, mit abwesendem Blick. Sie erschien mir nun viel kleiner als vorhin. Trotzdem bemerkte ich ihre gehobene Art zu sprechen, die nur noch mehr meine Theorie eine Person gehobenen Blutes vor mir stehen zu haben, bestätigte.

Glann nickte langsam, bevor er die Schultern zuckte und vorschlug: «lasst uns in die Höhle des Löwen hinein-wagen». Damit meinte er das schwarze Loch, welches in den Fuss des Hügels, der sich vor uns erhob, hineinführte. Zustimmendes Murmeln kam auf, bevor er voran ging und in dem dunklen Schwarz verschwand.

Schnell folgten wir ihm alle, und wurden von der Dunkelheit verschluckt.

Ich fühlte mich unbequem im Dunkeln. Es erinnerte mich an die Nacht von früher, als meine Eltern starben, aus Gründen, die ich mir selber kaum erklären konnte.

Besonders als der Stein anfing auf beiden Seiten immer näher zu kommen, musste ich anfangen heftig zu blinzeln, damit ich präsent blieb und nicht wieder wegging mit meinen Gedanken.

Langsam schlich sich ein komisches dumpfes Gefühl in mir hoch, und ich wusste, dass ich jetzt aus dieser misslichen Lage rauskommen musste, wenn ich nicht stehen bleiben wollte.

Aus Reflex versuchte ich irgendwie den rauen feuchten Stein, von mir weg zu drücken, doch es brachte nichts.

Als ich gerade dachte, mich überhaupt nicht mehr konzentrieren zu können, tummelte ich in eine grosse Höhle, wo Glann schon stumm stand und in die Mitte starrte und das nicht grundlos.

Ich schnappte nach Luft als ich sah, was da zwischen den blau leuchtenden Kerzen und Steinen sass. Ein Geist, blass und durchsichtig, wie man sich ihn vorstellte. Er hatte einen langen Bart, ein Gesicht voller Falten und kleine, runzlige Augen. Er hatte bleiche Haut mit grünen Augen, weswegen er wahrscheinlich eher aus Ustrar stammte. Noch nie hatte ich so ein Wesen gesehen, denn diese gab es bei uns nur in den Erzählungen der alten Weisen.

«Seit gegrüsst Reisende, in meinem schönen Heim. Ich habe schon viele von euerer Art gesehen und auf Reisen geschickt. Viele sind nicht zurückgekehrt». Sprach er zuerst enthusiastisch, aber zum Ende hin ein bisschen trauriger. Wir alle starrten ihn nur an, ausser Arka, welche antwortete, als wäre es das normalste der Welt: «Sei gegrüsst, Geist der Prophezeiung. Wir sind die fünf, welche beauftragt wurden, diesem Kontinent von seinem Leiden zu erlösen. Koste es, was es wolle! Wir kommen hier hin, um Rat zu erhalten, um zu erfahren wohin unser Weg als nächstes führen soll».

Plötzlich runzelte die Gestalt vor uns die Stirn. «Fünf? Die Prophezeiung will mindestens sechs Helden haben, die sich dem Bösen im Norden stellen». Plötzlich war es still. Nur tropfendes Wasser, welches irgendwo in der Grotte regelmässig zu Boden fiel, unterbrach sie.

Nun merkte ich, dass etwas nicht normal war. Zwei von jedem Land. Dass hatte die Stimme damals im Wald gesagt. Nun war Arka jedoch allein erschienen.

«Mein Begleiter kam um, als wir uns auf den Weg hier hin machten», dröhnte die Stimme von eben diesem Mädchen durch den Raum. Ihre Stimme zitterte und in ihren Augen sah ich Schmerz von ihrem Verlust aufblitzen.

Ratlos blickte der Geist sie an, bevor er langsam fortfuhr. «Lange ist es her, dass jemals etwas geschehen ist, dass nicht mit dem überreinstimmt, was die Prophezeiung hervorgesagt hat. Die Götter müssen sich wohl kurzfristig umentschieden haben», meinte er schulterzuckend, bevor er nach einer kurzen Pause fortfuhr:

«Immer wieder muss ich solche jungen Geister losschicken, und nur so wenige kommen zurück. Seid ihr euch sicher, dass ihr das wirklich tun wollt?»

Auch wenn die Worte wohl eigentlich fürsorglich gemeint war, schaute uns der Geist nur gelangweilt an und liess sich zurück in eine Art Sessel, der aus Stein gebaut war und ziemlich unbequem aussah, zurückfallen. Ich konnte mir vorstellen, dass diese Warnung als letzte Chance gemeint war, die er uns geben musste, damit auch alles Offiziell war. Ich musste an die Worte aus der Weissagung denken, Scheiden werden sie erst in der Kälte. Manche in das Land hinter dem Horizont, manche zurück in die Heimat. Manche von uns würden nicht zurückkehren, das war klar. Trotzdem wusste ich schon jetzt, dass keiner an diesem Punkt unserer Reise umkehren würde.

Wir alle hatten verschiedene Gründe sie zu begehen, sei es aus Rache oder aus Angst, denn wir alle hatten unter dem Norden zu leiden. Ich musste an meine Eltern denken, welche bei einem Angriff kaltblütig umgebracht wurden. Ich wollte Rache für das, was mir der Norden angetan hatte

«Mein Volk leidet schon seit Jahrtausenden unter dem Fluch. Gefangen im Nebel, sowohl tot als lebendig. Nicht fähig in das Land hinter dem Horizont zurückzukehren, nachdem wir dieses Leben verlassen haben. Um das zu ändern, schliesse ich mich dieser Mission nur zu gerne an». Die Ustrarianerin Schritt entschlossen vor. In ihren Worten hörte ich die Stimmen von all den armen Seelen ihres Volkes, welche immer noch verloren durch ihr Land streiften. So wie ihr Begleiter.

«Wir haben uns auch schon lange dazu entschieden diese Reise zu beschreiten, und wir werden weder vor Gefahren oder Tod zurückweichen», sprach nun auch Lydia, und Glann nickte nur zustimmend.

«Dann hört ihr mir besser genau zu», meinte der Geist, nun ernster. «In jedem der drei Länder werdet ihr einen steinernen Schlüssel finden, welchen euer Volk zu Beginn des Leidens in ihr Land geholt hatte. Zuerst müsst ihr diese einsammeln, bevor ihr euch in den Norden begebt und diesen stürzt.»

Zufrieden blicke uns der alte Mann an, so als wäre nun alles geklärt sein, doch ich hatte noch sehr viele Fragen. Wie sollten wir bitte diese Schlüssel finden? Wie würden wir in den Norden gelangen und vor allem, wie sollten wir bitte zu fünft eine Macht besiegen, welcher der ganze Kontinent nicht hatte standhalten können?

Ausserdem war ich mir nicht sicher, ob wir dem Geist trauen sollten. Woher sollten wir wissen, dass er die Wahrheit sprach und uns nicht einfach in die Irre führen wollte?

Doch wir hatten keine Wahl, er war unsere einzige Chance. Somit drehten wir uns wortlos um und verliessen die Höhle, mit dem durchdringenden Blick des Geistes im Rücken.

Ich war der Erste, der aus der Höhle herauslief, in der Hoffnung das dumpfe Gefühl, welches mich überkommen hatte, wieder loszuwerden. Ich fühlte mich zwar immer noch ziemlich neben der Spur, doch es war besser als vorhin. Die anderen kamen langsam nacheinander her-aus.

Lydia ergriff sofort das Wort, als wir alle beisammen waren: «Ich weiss, wo wir den Schlüssel in Asmea finden. Mein Vater, der Stadtführer, ist in seinem Besitz, da er als altes Erbstück gilt.»

Ich wusste nicht, was ein Stadtführer genau sein sollte, doch ich konnte mir vorstellen, dass dieser wohl eine ziemlich wichtige Rolle im Land einnehmen musste.

«Wie kommen wir da hin»? Fragte Glann sofort und dann sprach Astero. «Ich schlage vor, dass wir zuerst zu meiner Heimatstadt, und von dort dann hinauf nach Ergoriath, unserer Hauptstadt, wo der Stadtführer lebt, reisen. Das ist der kürzeste Weg».

Mein Vater hatte mir vor langer Zeit eine Karte von ihrem Land gezeigt, und ich konnte mir ungefähr vorstellen welche Route wir nehmen sollten, trotzdem blieb eine Frage offen. «Wie kommen wir hinauf? Die Hauptstadt liegt auf dem höchsten Berg des Kontinents, wenn ich mich richtig erinnere.»

Plötzlich blickten mich beide Asmeanier überrascht an. «Wer hätte das gedacht. Ein Feblorianer der Karten lesen kann», meinte Lydia belustigt, was mich überraschte, wo ich sie doch eher als leise und zurückhaltend eingeschätzt hatte.

Da kam mir jedoch Glann zur Hilfe, welcher sich hinter mir angespannt hatte. «Mindestens interessiert sich unsereins für die anderen Völker und verschanzt sich nicht hinter Bergen, um diese zu ignorieren, falls sie Hilfe brauchen». Damit meinte er die Zeit, nachdem das grosse Übel hier hingekommen war, wo Feblor am Verhungern war und Hilfe von Asmea verlangte. Das Bergvolk, drehte uns jedoch den Rücken zu und liess uns alleine. Unzählige starben und eine Grenze wurde zwischen Asmea und Feblor gezogen, die dafür sorgte, dass die Völker bis heute noch kaum Kontakt hatten.

«Unser Volk reist mit Adlern. Mit denen lassen sich unsere Berge schnell überfliegen», meinte Astero plötzlich in einem freundschaftlicheren Ton, in einem Versuch die Stimmung wieder zu lockern, doch Glann und Lydia sahen sich immer noch feindselig an.

«Wir haben nicht ewig Zeit», sagte Arka genervt und fing an zu laufen. Ratlos blickte ich Astero an, welcher nur hilflos zurückschaute, bevor wir uns nach Osten in Bewegung setzten.

Ich schaute noch einmal kurz zurück auf die Prärie, die sich hinter mir befand. Ich wusste nicht, ob ich die Abendteuer die wir in Asmea erleben würden, überleben würde, weshalb mein Heimweh nur noch stärker wurde.

Ich hatte meine Schwester allein zurückgelassen. Sie war seit dem Tod unserer Eltern noch nie länger als einen Tag ohne mich gewesen, weshalb ich mir umso mehr Sorgen machte. Dazu hatte sie immer noch Albträume von der Nacht als wir alles verloren und von der Zeit danach, obwohl sie da erst vier gewesen war.

Andererseits hatte sie Glanns Familie, die sich seit je her gut um uns gekümmert hatte, so als wären wir schon immer da gewesen. In meinen Gedanken konnte ich mich davon überzeugen, dass meine Sorgen unbegründet waren, und so lief ich meinem Bruder hinterher. Ins Unbekannte, weg von der Heimat. 

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