9. Ashley
Mit den Mädchen aus meinem Kurs gehe ich über unseren Sportplatz zu der kleinen Gruppe, die sich bereits auf der Laufbahn befindet.
Alma läuft in ihren Alltagsklamotten neben mir her und kickt einzelne Steine vor sich her. Sie hat sich Samstagabend so hart volllaufen lassen, dass sie immer noch einen Kater hat, und deswegen die zwei Sportstunden schwänzt.
Cody habe ich heute noch nicht gesehen und ich habe Angst, dass er schwänzt, um mir aus dem Weg zu gehen, was stark nach ihm schreit.
„Vermutlich lässt er uns jetzt erstmal laufen. Das bei der Hitze.", murmelt ein Mädchen neben mir und ich muss nicken. Da hat sie recht. Mein Sportlehrer denkt, dass wir Supersportler wären, weswegen er uns echt immer bis zum Ende auspowert.
„Na ein Glück, dass ich nicht mitmache.", lacht Alma und ich haue sie mit meiner Flasche. Ganzes Wochenende schön saufen und jetzt große Fresse haben.
„Schön, dass sich der weibliche Teil meines Kurses auch dazu entschieden hat, endlich zu kommen. Die fünf Minuten hängen wir ans Laufen dran!", ruft mein Lehrer sauer über den Platz. Ein kühler Windzug umspielt meine nackten Beine und Arme und erfrischt schön.
„Und jetzt dreißig Minuten, plus die fünf, laufen. Finden Sie ihr Tempo und versuchen Sie, es zu halten! Danach werden wir uns ordentlich dehnen und noch einige Übungen machen. Suchen Sie sich bitte jetzt einen Partner. Sie beiden müssen in einem Tempo laufen." Mal wieder wundere ich mich, wieso er so schreit. Vielleicht war er damals bei der Bundeswehr? „Anpassen ist hier die Aufgabe! Sie müssen sich an ihren Partner anpassen, läuft er schneller, müssen Sie schneller laufen, läuft er langsamer, langsamer. Wie viele sind wir?" Er unterbricht sich selber und zählt schnell durch. „Gut, Junge, Mädchen."
„Ich mache nicht mit.", meldet sich Alma.
„Ich habe Sie auch nicht mitgezählt, Frau Garcia.", antwortet er künstlich nett und lächelt. „Haben Sie eine Entschuldigung?"
Alma schüttelt den Kopf. „Nein, ich habe eben meine Tage bekommen und habe echt schlimme Krämpfe."
Unser Lehrer nickt und ich bemerke, dass einige von den Jungs ihr Gesicht verziehen. „Gut, dann bildet bitte einmal die Paare."
„Mach mit Bennet, das Geld, Ash, das Geld.", erinnert sie mich. „Oder packst du es nicht?"
„Halt die Fresse." Ich drücke ihr meine Wasserflasche in die Hände und gehe auf Bennet zu. Er trägt ein rot-orangenes Basketball Trikot mit der Nummer neun und eine dazu passende, kurze Hose. Seine Locken sind verwuschelt und seine hellen Augen sind auf meinen Oberkörper gerichtet.
Ich kann es ihm nicht einmal verübeln, schließlich ist mein Top echt tief geschnitten und der Sport BH pusht meine Oberweite nochmal etwas mehr.
„Du willst mit mir machen?", fragt er mich verwirrt. „Schaffst du das?"
„Willst du mich komplett verarschen? Nur weil ich ein Mädchen bin, habe ich also keine Ausdauer?", fahre ich ihn an.
„Das habe ich nicht gesagt.", verteidigt er sich und verschränkt seine Arme vor der Brust, wobei sich sein Bizeps anspannt. Für einen kurzen Augenblick muss ich seinen Arm anstarren, fange mich aber schnell wieder.
„Hat sich aber so angehört."
„Gut, fangen Sie an!", brüllt mein Lehrer und drückt seine merkwürdige Handpfeife.
Bennet und ich fangen langsam an zu joggen.
„Du läufst zu schnell.", merkt Bennet an.
„Nein, du läufst einfach nur zu langsam."
„Du wirst das Tempo so nicht halten können." Am liebsten hätte ich ihm eine verpasst, weil er mir mit diesen zwei Sätzen so unglaublich auf die Nerven geht, aber ich beherrsche mich.
„Okay, dann zeig mir doch, wie wir das Tempo halten können.", sage ich genervt und schließe meine Augen kurz.
„Mach langsamer." Ich verlangsame mein Tempo und passe mich ihm an. „Ja, das ist besser so." Einige Schüler überholen uns, aber das stört Bennet nicht, denn er joggt weiter.
„Siehst du, deine Atmung ist nicht so tief und regelmäßig."
„Mhm.", presse ich hervor.
„Also, wieso wolltest du jetzt ausgerechnet mit mir machen?", fragt er mich und schaut auf mich herunter.
„Darf ich nicht?"
Bennet schnaubt und lacht auf. „Ich hatte auf eine andere Art von Antwort gehofft."
„Wir hoffen alle immer zu viel."
***
Nach dem Tennisspiel mit Manuel bin ich offiziell kaputt. Zwei Mal Sport an einem Tag.
„Gut gespielt.", lobt Manuel mich mal wieder.
„Heute haben wir echt früh gespielt."
Manuel dreht seinen Schläger in seinen Händen, bevor er ihn aufhängt. „Dann haben wir danach noch etwas Zeit. Würde noch gerne bisschen schwimmen gehen und da habe ich keine Lust um sechs oder sieben zu gehen."
„Okay. Solange ich nicht wieder in den Pool geworfen werde." Ich schmunzle und Manuel kichert.
„Ich werde es nicht tun und Aurelio ist nicht da, also diese Woche wohl nicht." Wir verlassen den Platz und steuern die Steintreppe an. Meine neuen Tennisschuhe sind noch etwas unbequem, aber wurden von mir über die letzte Woche schon gut eingelaufen.
„Dann gehe ich mich jetzt abduschen.", melde ich mich zu Wort und schaue zu Manuel herüber, der nickt.
„Ich ziehe mich um. Findest mich im Wasser. Falls du Aurelio vor mir triffst, sagst du ihm, dass ich draußen bin?"
„Werde ich machen." Mit diesen Worten trenne ich mich von ihm und gehe in mein Zimmer. Dort angekommen ziehe ich meine Cap vom Kopf und schnappe mir mein Telefon vom Bett.
Es zeigt mir an, dass ich mehrere Nachrichten habe, aber ich wische alles zur Seite, suche über Airdrop meine Lautsprecher im Badezimmer und spiele meine Playlist ab. Gedämpft kommt die Musik aus den Boxen und wird lauter, als ich die Badezimmertür öffne.
Während ich mich aus meinen verschwitzen Klamotten schäle, singe ich leise im Takt mit und hüpfe anschließend in meine große Dusche.
Ich drehe das Wasser auf und lasse die kühle Flüssigkeit über meinen Körper laufen.
Von der Stange ziehe ich das flauschige Handtuch und trockne meinen Körper damit ab, anschließend wickle ich mich darin ein und verlasse die Dusche. Leise summe ich zur Musik und tapse aus meinem Badezimmer.
In meinem Kleiderschrank angekommen suche ich mir eine Leggings und ein enges, weißes Oberteil heraus. Dazu ziehe ich noch meine flauschigen Hausschuhe an und verlasse meinen Kleiderschrank wieder.
Plötzlich klingelt mein Handy und ich zucke stark zusammen, weil es immer noch mit den Lautsprechern verbunden ist.
„Verdammt.", fluche ich und renne zu meinem Bett herüber.
Aurelio, zeigt mir mein Handy an.
„Aurelio.", sage ich und schalte mein Handy auf Lautsprecher.
„Ash, könnt ihr mich abholen? Manuel erreiche ich nicht.", kommt es aus den Lautsprechern. Ich schaue verwirrt in die Luft.
„Wo bist du denn?"
Stille. „Könnt ihr zum Diner kommen? Das bei der Schule. Du weißt, welches."
„Ja, ich weiß welches du meinst. Kommst du dann dahin?" Bevor ich eine Antwort erhalte, legt mein Bruder auf und lässt mich total verwirrt zurück.
Manuel liegt draußen auf einer der Liegen und sonnt sich. „Manuel, hat Aurelio dich angerufen?"
„No sé, porque?"
Ich laufe in meinen Hausschuhen die Steintreppe hinunter. „Der hat mich gerade angerufen. Wir sollen ihn abholen."
„Was treibt der schon wieder?"
„Warst du schon im Wasser? Musst du dich erst trocknen?", frage ich, als ich vor ihm stehe.
Manuel zieht seine Sonnenbrille ab und schaut zu mir hoch. „Ne, wollte erst bisschen in der Sonne liegen. Ja, dann müssen wir uns beeilen, bevor Papa kommt." Er rappelt sich auf und stöhnt genervt. „Dieser Junge..."
„Eigentlich will ich nicht mit, aber was ist, wenn der da gleich mit einem blauen Auge steht. Das will ich dann aber live miterleben."
„Komm jetzt.", er zieht mich am Arm hinter sich her.
Als wir ankommen, steht Aurelio tatsächlich an der Bushaltestelle vorm Diner. In seinen schwarzen Klamotten lehnt er dort lässig und winkt uns zu.
„Was geht ab, hermanos!", ruft er, als wir auf der Busspur halten.
„Rein mit dir, Aurelio.", knurrt Manuel und schaut ihn über den Rand seiner Sonnenbrille sauer an. „Ich könnte jetzt eigentlich im Pool sein, also schwing deinen Arsch endlich rein."
Leider hat Aurelio kein blaues Auge. Er zeigt generell keine Spuren einer Schlägerei auf. Wieso habe ich das nochmal gedacht?
„Ja, ja." Mein Bruder zieht die Autotür auf und lässt sich hinter mir nieder. „Ihr habt nach der Schule nicht auf mich gewartet. Da bin jetzt nicht ich schuld."
„Du hast zu mir heute Morgen gesagt, dass du nach der Schule wegmusst und wir nicht auf dich warten sollen.", lacht Manuel bitter und fährt los.
Aurelio überlegt kurz. „Das stimmt."
„Wo warst du?", frage ich interessiert und drehe mich zu ihm um.
„Mit Nico noch bei Max.", antwortet er mir und ich bemerke, dass Manuel ihm einen Blick zuwirft, den ich nicht deuten kann, da seine Sonnenbrille seine Augen verdeckt. „Wieso trägst du nichts, Manuel?"
„Wie bereits erwähnt... ich sollte gerade eigentlich im Wasser sein und mich entspannen. Außerdem trage ich meine Badehose." Manuel schnaubt und fährt aus der Stadt raus. „Jetzt fahre ich diesen Drecksweg schon zum dritten Mal."
„Tut mir ja leid."
„Tut es nicht.", murmle ich und muss schmunzeln. Aurelio sagt immer, dass es im leidtue und er es bereue, aber im Endeffekt spürt man davon nie etwas. Er macht immer genauso weiter. Ist ja auch nicht das erste Mal, dass wir ihn abholen. Schlimmer ist es, wenn es nachts ist und er angetrunken von seinen Freunden kommt.
Zuhause angekommen, schmeißt Manuel sich direkt in den Pool. Ich überlege für einen kurzen Moment, ob ich mich auch umziehen soll, aber entscheide mich doch dagegen.
Ich bin nicht richtig rasiert und habe auch keine Lust mich für zehn Minuten Badespaß zu rasieren. Außerdem werden meine Haare dann nass und dann müsste ich sie Morgen wieder glätten, blah, blah, blah.
Jetzt liege ich in meinem Bett, scrolle durch meinen social Media Feed und gebe überall ein Herz ab.
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