8. Bennet

Montagmorgen. Ich fahre auf meinem Fahrrad die Straße herunter und versuche, die warmen Strahlen der Morgensonne zu ignorieren.
An einer Ampel halte ich an und schaue zu dem Auto neben mir herüber. Das junge Mädchen schaut mich mit großen Augen an und ich muss sofort an meine kleine Schwester denken, weil sie ihr unglaublich ähnlichsieht. Freundlich lächle ich zurück und schwinge mich wieder auf mein Rad, als die Ampel grün wird.
Noch gute zweihundert Meter, dann müsste unsere Schule in meinem Sichtfeld erscheinen.
Wie erwartet erscheint der hohe Zaun. Ich fahre auf die Abbiegerspur und strecke meinen Arm aus, um abzubiegen.

Auf dem Parkplatz angekommen, versuche ich zwischen all den Leuten vorbeizukommen, die ihr Auto nicht richtig parken können. Wo haben die ihren Führerschein gemacht?
Mein Rad und Helm schließe ich an den Fahrradständern ab. Auf in einen weiteren bescheuerten Tag.

„Hey, Bennet!", ruft eine weibliche Stimme hinter mir, die ich als Emily identifiziere.
„Emily, schön dich zu sehen.", grüße ich sie und lächle. Ihre hellen Wangen färben sich leicht rot und sie streicht ihr Haar zurück.
„Wie war dein Wochenende?"
„Ganz gut und deins? Ich war mit meiner Schwester im Freibad und sonst habe ich das gute Wetter genossen." Sie lächelt zur Sonne hinauf und dann anschließend zu mir. „Was ist das da an deiner Wange?

Aus Reflex fasse ich mir an meinen Wangenknochen, bereue es jedoch sofort, weil es bei der schlagartigen Berührung höllisch weh tut. „Ich habe mit meiner kleinen Schwester draußen gespielt. Bin dann hingefallen.", lüge ich und fahre mit meinem Zeigefinger über die lila Stelle. Wenn sie nur wüsste, was tatsächlich passiert ist.
„Oh, das tut mir leid. Kleine Geschwister können leider so schnell übermütig werden...", sie seufzt und kichert dann. „Jetzt haben wir Biologie."
„So sieht's aus. Wie läuft eure Partnerarbeit?", frage ich, lasse meinen Blick über den Parkplatz schweifen und erfasse einen schwarzen Geländewagen, der ganz nah an der Schule parkt.

„Es ist ganz okay, wir haben noch nicht viel gemacht. Und... bei euch? Du musst mit Ashley machen... muss ätzend sein..." Ich meine, etwas Verachtung in ihrer Stimme zu hören.
Aus dem Geländewagen steigt niemand anderes als Ashley.
„Es ist in Ordnung.", antworte ich und schaue zu ihr herunter. Emily sieht etwas verletzt aus.
„Oh... das ist gut.", murmelt sie. Ich möchte jetzt ungern ein Fass aufmachen, weswegen ich lieber meinen Mund halte.

Ashley Muñoz Diaz läuft in ihren hohen Schuhen elegant über den Parkplatz, wirft ihr langes, braunes Haar zurück und richtet ihr schwarzes Kleid.
Sie sieht gut aus, keine Frage, aber ihr Charakter ist in mancher Hinsicht wirklich zum kotzen. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckt.

Emily muss meinem Blick gefolgt sein. „Es war mal wieder klar, dass nur die perfekten Mädchen die guten abbekommen." Merkwürdiger Weise weiß ich direkt, worauf sie hinaus möchte.
Erschrocken starre ich sie an. „Emily, hör mir mal zu." Ich fasse meine beste Freundin am Arm. „Ich denke nicht, dass irgendein Mensch perfekt ist. Jeder hat irgendwo seine Fehler und Macken, aber ein Mensch kann in den Augen eines anderes perfekt erscheinen, weil man das Gefühl hat, diese Person ist die eine, die man all die Zeit über gesucht hat. Auch ein Mädchen wie du ist wundervoll. Du bist meine beste Freundin, Emily, aber du musst aufhören so zu denken. Wir sind alle toll auf unsere Weise, okay?"
Sie schaut mich mit großen Augen und immer noch geröteten Wangen an und nickt.. „Ja, aber du kannst mich trotzdem nicht mit ihr vergleichen."
„Will ich auch nicht. Komm, wir gehen rein."

Als ich den Biologieraum betrete ist es so stickig, dass ich nach Luft rangen muss. Wie können diese ganzen Leute so ruhig hier sitzen, während es in diesem Raum eindeutig an Sauerstoff mangelt.
Emily drängelt sich an mir vorbei und lässt sich auf ihrem Platz nieder. Gerade als ich zum Fenster herübergehen möchte, um es aufzumachen, höre ich eine weibliche Stimme hinter mir.
„Ekelhaft diese Luft. Macht mal jemand das Fenster auf?"
Ich schließe meine Augen, atme ein paar Mal tief durch und drehe mich zu ihr um. „Nicht mal eine Woche ist es her und schon wieder kommandieren wir Leute herum, hm?"
„Wieso stehst du so dumm im Weg?", kontert Ashley und lächelt mich künstlich an.
„Das gleiche könnte ich dich ja auch fragen, schließlich stehst du direkt vor mir. Und das, obwohl du da vorn hättest hergehen können." Ich nicke auf den anderen Gang.
Ashley verdreht ihre Augen, schnaubt und schiebt sich trotzig an mir vorbei. Die Gespräche, die ich mit diesem Mädchen führe werden wirklich immer merkwürdiger.
„Wenigstens hast du deine Haare geschnitten, Perez.", ruft sie und lässt sich auf ihrem Platz nieder. Das ist wohl so. Ich gebe es nur sehr ungern zu, aber sie hatte Recht, denn es sieht wirklich viel besser aus. Das werde ich ihr aber nicht aufs Brot schmieren.

Dadurch, dass meine Seiten jetzt kurz sind, kommen meine Locken besser zur Geltung. Widerwillig muss ich sie angrinsen und lasse mich auf meinen Platz vor ihr nieder. Dieses Mädchen ist wirklich eine eigene Natur, gemein und ganz anders.

***

Ich ziehe mich mit dem Rest meines Kurses in der Sportkabine um. Bei der Hitze drillt unser Sportlehrer uns auch noch nach draußen... und das für ganze zwei volle Stunden. 
„Wie war dein Wochenende, Mann? Sehen uns ja jetzt erst." Nolan zieht sich sein Shirt über den Kopf und mustert mich mit seinen dunklen Augen.
„Ganz gut, deins?" Ich ziehe mir ebenfalls mein Shirt über den Kopf und lege es über die Lehne der Bank.

Nolan und ich stehen in der hintersten Ecke der Umkleide und ziehen uns in aller Ruhe um, während alle anderen Jungs sich abhetzen.
„Geht's mit deiner Wange?", fragt der schwarzhaarige Junge und deutet unauffällig auf mein Gesicht. „War wohl doch nicht so geil, oder? Ist er wiedergekommen?"
Ich nicke und öffne meine Sporttasche. „Kam Freitagabend wieder und hat direkt wieder angefangen."

Nolan kenne ich seit der ersten Klasse und seitdem sind wir auch beste Freunde. Er hat schwarze Haare, graue Augen und an sich ist er eigentlich sehr hübsch, deswegen verstehe ich auch nicht, wieso er nur Körbe kassiert. Er ist gut gebaut, spielt in der Schulmanschaft und würde einem Mädchen extrem viel Liebe schenken, weil er einfach ein lieber Typ ist.
Das ist auch der Hauptgrund, wieso ich mich ihm damals anvertraut habe. Nolan macht sich über Schwäche nicht lustig und hört einem aufmerksam zu.

„Oh Mann, dein Vater hat echt den Schlag weg." Nolan zieht sich sein anderes Shirt über und öffnet seinen Gürtel. Ich hole mein Basketballtrikot aus der grauen Tasche und ziehe es über. Basketball spiele ich mittlerweile seit drei Jahren und ich würde behaupten, dass ich gut bin. Das sagt mein Trainer zu mindestens oft zu mir.
„Was machen wir heute wohl? Könnte mir vorstellen, dass wir gleich erstmal fette dreißig Minuten laufen müsse.", murmelt Nolan neben mir, während er seine Hose auswechselt. „Das lässt der sich bei dem Wetter doch nicht entgehen."
„Wahrscheinlich. Das klingt nach ihm."

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