5. Ashley
„Was geht ab, Cutie?" Lisa strahlt mich über beide Ohren an, während ich über den Parkplatz unserer Schule laufe.
„Hey.", begrüße ich sie und lächle etwas. Irgendwas an ihr gibt mir immer unglaublich gute Laune und ich weiß einfach nicht, was. Entweder ihre Ausstrahlung oder einfach Lisas Art und Weise. So wie sie die Dinge sieht oder handhabt.
„Na? Wie geht's dir, Lockenkopf." Sie lehnt an der Autotür und sieht zu Manuel herüber, der sie verschmilzt anschaut. Ekelhaft. Wie kann mein Bruder nur so verliebt sein?
„Du weißt, dass du mich nicht so nennen sollst." Hektisch schaue ich umher, ob es jemand gehört hat. Ich öffne die hintere Autotür und schwinge mich ins Auto. „Können wir? Muss noch echt viele Hausaufgaben machen. Wo ist Aurelio?"
„Da vorn." Manuel zeigt auf den Schulhof und ich folge seinem Blick. Dafür muss ich mich echt merkwürdig aus dem Auto lehnen, aber ich sehe Aurelio, wie er bei einem Mädchen steht.
„Und was macht er bei ihr?"
„Wenn wir das wüssten, wüssten wir viel.", flüstert Lisa verschwörerisch und streicht eine Strähne ihres sehr kurzen Haares zurück. Es geht ihr nur knapp bis unter die Ohren und hat die Farbe von schwarzer Kohle. Ihr Style ist... anders.
Lisa trägt gerne schwarze, knappe, enge Kleidung, die nahezu nach sexy Gothic schreien, aber es passt einfach zu ihr.
Heute trägt sie eine kurze, schwarze Hose, die am linken Bein ein komisches Ding hat, das nochmal um ihren Oberschenkel geht. Dazu ein bauchfreies, dunkles Oberteil, das einen sehr tiefen Ausschnitt hat und an dessen Stoff eine Sonnenbrille hängt. Sofort erkenne ich die schwarze Brille und muss über die Katzenkopfform der Gläser schmunzeln. Ihr Style ist halt eben außergewöhnlich
Aber wie gesagt, es passt zu ihr und es steht ihr.
Ich grinse sie an und sie grinst mich breit zurück an.
Keine Ahnung, wieso unsere Beziehung so gut ist, aber es tut gut, sich mit ihr zu verstehen. Das macht einiges viel einfacher, zumal sie oft das ganze Wochenende bei uns rumlungert oder manchmal auch in der Woche. Würde ich mich mit der Freundin meines Bruders nicht verstehen, wäre das glaube ein echtes Problem.
„Er kommt. Ärsche rein!", ruft Lisa und schwingt sich auf den Beifahrersitzt. Manuel setzt sich hinters Steuer, ich stelle meine Handtasche neben mich ab und ziehe die Tür zu.
Einige Sekunden später zieht Aurelio die Autotür auf und grinst uns alle an. „Was geeeeht."
„Was wolltest du von ihr?", frage ich sofort und gehe auf seinen Vertuschungsversuch nicht ein.
„Nichts. Darf man nicht mehr mit weiblichen Personen reden, wenn man männlich ist?"
„Nicht, wenn man den Namen Aurelio trägt und so drauf ist wie du, hermano." Manuel schaut ihn durch den Innenspiegel prüfend an, während er vom Parkplatz fährt.
„Nett.", murmelt Aurelio und zieht sein Handy aus seiner Lederjacke.
„Wie geht es dir, Aurelio?", fragt Lisa provokant nett und ich muss lachen.
„Lisa! Mensch, hätte dich ja fast nicht gesehen.", antwortet er genauso provokant.
„Schön, dass du es doch noch geschafft hast."
Aurelio grinst und lehnt sich vor. „Mir geht es hervorragend." Strahlt er und schaut sie an. „Wie geht es denn dir, meine liebste Freundin meines Bruders?" Manuel wirft seinem Zwilling einen tödlichen Blick, der diesen aber einfach ignoriert.
Also, wenn Blicke töten könnten, wäre Aurelio schon lange nicht mehr unter uns.
Lisa kichert bloß. „Sehr gut, der Herr."
Als Manuel dann endlich auf die Landstraße abbiegt, beschleunigt er das Tempo und schaltet das Radio ein.
„Euer Vater ist am Wochenende wiedergekommen, oder?" Lisa dreht sich um und zieht die dunklen Auenbrauen zusammen.
„Jap."
„Nice, hab ihn schon voll vermisst." Sie zieht ihre Sonnenbrille aus dem Ausschnitt und setzt sie auf. „Bin ich fancy oder bin ich fancy?"
„Heiß bist du.", kommt es von Manuel. Aurelio schaut blitzschnell von seinem Handy auf und würgt.
Lisa zieht einen Schmollmund und dreht sich wieder nach vorne. „Wie kannst du nur der Zwilling von dem sein?"
Aurelio macht dazu jetzt auch noch würge Geräusche und verdreht die Augen. „Ihr seid so Gott verdammt ekelhaft und kitschig."
Ich kichere und ramme ihm meine Faust in die Rippen.
„Schreibt ihr irgendwelche Klausuren diese Woche?", erkundige ich mich interessiert.
„Donnerstag schreiben wir Geschichte, stimmt's, Schatz?", fragt die Manuel, der nickt. „Hätte ich die Möglichkeit zurückzureisen, würde ich definitiv Geschichte mündlich wählen und sowas wie Chemie oder Physik schriftlich wählen."
Und da klappt mir die Kinnlade schon ganz von alleine herunter. „Wie bitte?", rufe ich laut. „Hab ich mich verhört, oder was? Chemie schriftlich, Lisa? Bist du komplett verrückt."
„Alles ist besser als Geschichte, Cutie."
„Auf keinen Fall.", verteidige ich das Fach. „Ein Glück, dass ich den Scheiß schon dieses Jahr in den Müll befördert habe."
„Chemie ist toll.", schwärmt Lisa und lacht.
***
Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich wie ein Höhlenmensch aus meinem Zimmer getapst. Diese Mathehausaufgaben waren echt nicht mehr witzig.
Barfuß durchquere ich das Foyer und stütze mich am Glastisch ab, als ich Aurelio auf der Treppe entdecke. „Was hast du da?"
Mein Bruder bleibt ertappt stehen und schaut von der Schüssel zu mir herunter. „Dasch?", fragt er mit vollem Mund und ich nicke.
„Chipsch."
„Gibt es nicht gleich Essen?"
„Eigentlisch schon.", murmelt er und schluckt ziemlich laut. „Manuel ist im Wohnzimmer." Mit diesen Worten geht er weiter, ich drehe mich um und steure das Wohnzimmer an.
Kaum bin ich drin, höre ich bereits die Lache von meinem anderen Bruder und seiner Freundin. Die beiden sitzen in gemütlicher Kleidung auf unserer bequemen L-Couch und schauen auf den großen Flachbildschirm.
Manuel wird als erstes auf mich aufmerksam. „Hallöchen.", flötet er und grinst breit.
„Papa ist immer noch nicht da?"
„Er hat eben angerufen und gesagt, dass er sich etwas verspätet. Müsste also in den nächsten Minuten kommen."
„Ach so, okay." Ich betrachte Lisa, die mittlerweile eine schwarze Leggings und ein Shirt von Manuel trägt. Soweit ich weiß, hat Lisa irgendwann Mal einen Haufen ihrer Klamotten hier hingebracht und sie zu Manuel in den Schrank gelegt. So kann sie jederzeit hier übernachten oder einfach nur herumlungern.
„Setzt dich zu uns.", schlägt Lisa vor und klopft auf den Platz neben sich.
„Nein... passt schon. Wir sehen uns gleich beim Essen."
Zurück in meinem Zimmer werfe ich mich auf mein Wasserbett und suche unter den Kissen mein Handy, das ich vorhin hier irgendwo hingeworfen habe. Wo ist es denn jetzt nur?
Ich werfe meine ganzen Dekokissen auf den Boden und finde es anschließend unter einem blauen Kissen. Wie ist das hier bitte hingekommen?
Gerade als ich es anmache und meine Nachrichten checken möchte, höre ich die Haustür, die geöffnet wird und Maria, die jemanden begrüßt.
Da Maria das Essen wahrscheinlich bereits gekocht hat, haben wir nur auf meinen Vater gewartet, der ja jetzt da ist.
Seufzend lasse ich mein Telefon wieder sinken und springe wieder auf.
Gut, dann wird erst gegessen.
***
Was für eine Überraschung, dass Lisa gestern noch bei uns gepennt hat, und ich wette einen Zwanni, dass es geplant war.
Aber auch egal, ich habe in der ersten Stunde zwei Arbeitsstunden und will mich deswegen über gar nichts beschweren. Das sind die zwei besten Stunden der ganzen Woche.
Alma hat mir eben schon direkt eine Nachricht geschrieben, dass sie mit Court wie immer die ersten zwei Stunden schwänzen würde und ich doch dazu kommen könne. Natürlich mache ich aber einen auf brav und bleibe in der Schule.
Nein, eigentlich will ich nur in die Bibliothek, um etwas zu lesen, also habe ich den beiden gesagt, ich müsse Hausaufgaben machen.
Wenn ich jetzt auch noch Cody loswerde, der wie ein Macho neben wir herläuft und meine Hand hält, ist doch alles perfekt.
„Was willst du im A Gebäude?", fragt er und drückt meine Hand.
„Ich müsste in die Bibliothek... bisschen was machen."
Wie erwartet schaut Cody mich merkwürdig an. „Soll ich dann mit, oder was?"
Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll und richte nervöse den Träger meiner Handtasche.
Cody schaut zu mir herunter. „Ash, soll ich mit?"
Wir bleiben mitten im Gang stehen und starren einander an.
„Du musst nicht-"
„Will ich auch nicht.", unterbricht er mich.
Ungläubig schaue ich zu ihm auf. „Kein Grund so zickig zu werden, Diva."
Sein Kiefer spannt sich unglaublich stark an, weil er sich wahrscheinlich gerade zu beherrschen versucht.
„Wir sind kein Paar.", erinnere ich ihn leise, da ein Lehrer an uns vorbeiläuft.
„Ich habe deine Hand gehalten."
Verzweifelt hole ich Luft. Dieses Gespräch geht in eine Richtung, in die es nie hätte gehen dürfen. „Keine Ahnung wieso."
„Wenn das so ist.", keift er. „Am Freitag ist die Party, falls du das auch schon vergessen hast. Mal sehen, ob du da wirklich nichts von mir willst." Mit diesen Worten stampft er wie ein kleines Kind davon und ich starre ihm hinterher.
Okay, Cody...
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