3. Ashley
Das weiße Tor öffnet sich, als wir auf unseren Hof fahren und, und das Kies knirscht unter den Reifen.
Manuel schmeißt die Fernbedienung für das Tor in die Mittelkonsole und fährt in die Garage.
„Kannst du damit aufhören?", schnauze ich Aurelio an, der die ganze Fahrt über schon summt.
„Beruhig dich mal. Wir sind doch jetzt da."
Als das Auto endlich steht, springe ich sofort raus und krame in meiner Handtasche nach dem Haustürschlüssel.
Die vielen Anhänge schlagen gegen die Tür, als ich den Schlüssel reinstecke.
„Hast du deine Tage, oder was? Bist ja total gestresst." Aurelio kommt die Steintreppe rauf und mustert mich skeptisch.
„Halts Maul." Ich drücke die schwere Haustür auf. Manuel erreicht uns auch und lässt seinen Rucksack direkt neben der Haustür nieder.
Meine Absätze machen einen unangenehmen Ton auf dem Marmorboden, weswegen ich das Gesicht verziehe.
„Wann kommt Papa nochmal?", rufe ich Manuel hinterher, der bereits die Treppe ansteuert.
Er bleibt stehen und dreht sich um. „Immer noch sieben."
Ich nicke und schaue zu Aurelio.
Mein Bruder verschwindet in der Küche, wo er sich wahrscheinlich wieder was zu essen macht. Ich verstehe bis heute nicht, wie dieser Junge so viel essen kann.
Die blaue Orchidee steht auf dem Glastisch und zieht die komplette Aufmerksamkeit auf sich, weil sie die einzige Farbe im Foyer ist.
Unsere zwei weißen Treppen münden an der zweiten Etage zusammen.
„Du solltest dich umziehen.", ruft Manuel und seine Stimme hallt von den Wänden wieder. Ich schaue zu ihm herauf. Er lehnt an dem schwarzen Geländer, das nur aus Schnörkeln besteht.
„Wieso?", rufe ich zurück und gehe mit eleganten Schritte auf die Treppe zu. Mein Schlüsselbund gleitet von meiner rechten Hand in meine linke.
„Damit Papa dich so nicht sieht."
Ich verdrehe die Augen. „Wow."
„Außerdem spielen wir gleich."
„Nein!", stöhne ich genervt und werfe den Kopf in den Nacken. Ich habe schon wieder vergessen, dass es Montag ist.
„Doch, das Wetter ist echt fantastisch und wenn du nicht regelmäßig trainierst, kommst du zu schnell wieder raus. Das hatten wir schon und ich will es nicht wieder."
Manuel stößt sich vom Geländer ab und verschwindet aus meinem Sichtfeld. Ohne noch einmal nach oben zu schauen drehe ich mich um und steure wieder den runden Tisch, der verdammt viel Platz einnimmt, obwohl da jedes Mal nur irgendwelche Blumen draufstehen. So wie heute zum Beispiel die blauen Orchideen.
Ich lasse meine Schlüssel auf den Tisch gleiten und schaue die Briefe durch, die Maria hierhin gelegt hat.
Wir spielen Tennis seitdem wir laufen können, das liegt bei uns in der Familie. Bis zu meinem zwölften Lebensjahr habe ich auch noch an Turnieren teilgenommen, aber nach dem Unfall habe ich das Ziel aus den Augen verloren und die Lust verloren. Es ist nicht mehr dasselbe ohne sie.
In Spanien war es einfach ein besseres Gefühl. Sie dort sitzen zu sehen, dieser Stolz in ihren Augen...
Nichts, was michanspricht. Ich lasse die Briefe wieder auf den Tisch fallen.
Als ich Schritte höre, schaue ich auf und ein Paar graue Augen blinzelt michan. „War Ihr Schultag schön?", fragt sie freundlich und ihr spanischer Akzentist nicht zu überhören.
Maria ist klein, etwas korpulenter und unser Hausmädchen seitdem wir kleinsind.
Wir sind mit ihr groß geworden und ein Leben ohne sie ist mittlerweileunvorstellbar.
Sie war vor dem Unfall für uns da und danach ist sie auch bei uns geblieben.
Maria nimmt uns einfach so viel ab und ist mehr als nur ein Hausmädchen. Sieist nie von unserer Seite gewichen und hat sich um uns gekümmert, als es unsnicht gut ging.
„Angenehm. Danke der Nachfrage, Maria."
„Ich habe Ihr Bett frisch bezogen und Ihnen neue Blumen hingestellt.",informiert die kleine Frau mich und ich lächle etwas breiter. „Gibt es sonstnoch etwas, was Sie brauchen?"
„Vielen lieben Dank.", bedanke ich mich und lächle sie noch kurz an, bevor ichin mein Zimmer gehe. „Nein, gerade erstmal nicht."
Ich gehe an der Treppe vorbei, stelle meine Handtasche neben das Regal unddrücke die goldene Klinke meiner Tür herunter.
Der Geruch von Himbeere nimmt mich ein und ich muss lächeln.
Ich lasse mich auf die mit Samt überzogene Bank nieder und schnüre meine Schuheauf. Sie fallen zu Boden und ich bewege meine Zehen. Es ist so einwunderschönes Gefühl, wenn die Füße endlich wieder frei sind. Ich seufze undstelle meine Schuhe ordentlich auf den Holzboden.
Langsam stehe ich auf und vergrabe meine nackten Füße in dem flauschigenTeppich.
Mein Zimmer ist riesig. Ein großes Wasserbett, ein begehbarer Kleiderschrank, meineigenes Badezimmer.
Eigentlich viel zu viel Platz für eine noch sechzehnjährige, aber wieso sollteich mich beschweren?
Manuel und Aurelio haben ihre Zimmer in der zweiten Etage und mein Vater hatseins in der ersten.
Somit bin ich hier unten komplett ungestört.
Die eine Wand besteht nur aus Fenster und ich kann in unseren endlos langenGarten, den Pool und auf das Tennisfeld, das hinter ein paar Bäumen und Büschenversteckt ist, schauen.
Ein Glück, dass ich die Fenster habe, die zur Gartenseite zeigt
Unseren langweiligen Hof könnte ich nicht ertragen.
Vor den Fenstern stehen zwei graue Sessel und ein kleiner Tisch.
Die perfekte Leseecke.
Passend dazu stehen vor der gegenüberliegenden Wand mehrere Bücherregale, diebis zur Decke reichen. Sie sind prallgefüllt mich den unterschiedlichstenBüchern und ich bin mehr als stolz auf meine Sammlung.
Mein Wasserbett steht an der anderen Wand und nimmt viel Platz ein. Etwasdaneben ist die Tür zu meinem Badezimmer und da ist dann auch schon dieSchiebetür zu meinem Kleiderschrank.
Ich streife mir das Haargummi von meinem Handgelenk und binde die geglättetenHaare zu einem Zopf zusammen, damit sie mich nicht mehr stören können.
Ich gehe zu meiner kleinen Leseecke herüber, um mir die Blumen anzuschauen, dieMaria mir hierhin gestellt hat.
Rosa Rosen.
„Son estas las flores de nuestro jardín?", rufe ich durchs Haus und wenigeSekunden später erscheint Maria in meiner Tür.
„Sí, ich habe sie heute Morgen geholt." Sie nickt und streift sich die schwarzeSchürze glatt.
„Gracias.", bedanke ich mich und sie lächelt schnell, bevor sie wieder geht unddie Tür schließt.
Langsam fahren meine Finger zu meinem Nacken und öffnen schließlich denReißverschluss des Kleides.
Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und streife das Kleid ab.
Es fällt lautlos auf den weißen Teppich und ich bücke mich sofort, um esaufzuheben. Vorsichtig streiche ich über den teuren Stoff, damit er wiederglatt wird, und lege es auf den grauen Sessel.
Gut, ich muss dann jetzt wohl in meine Tennissachen.
Ich drehe mich um und ziehe die Stangen heraus, auf denen meine Röcke hängen.Rosa oder weiß?
Ich entscheide mich für den weißen Rock, bei dem die Ballhose etwas länger istund man sie sehen kann, schiebe die Stangen zurück und streife das Unterteil über.
Sanft öffne ich die Schublade zu meiner rechten, nehme mir einen hellenSport-BH heraus und tausche ihn gegen den weißen Bügel-BH
Wenn ich jetzt schon einen weißen Rock habe, muss ich auch ein weißes Oberteilanziehen.
Kurzerhand entscheide ich mich für ein weißes Ärmelloses Shirt und ziehe esüber.
Meine Haare binde ich neu zu einem hohen Zopf zusammen und ziehe ein weißesStirnband über, damit mir einzelne Strähnen nicht mehr ins Gesicht fallenkönnen.
Nur noch meine Sneakers...
Ich schaue mich in meinem Schrank um, aber kann sie zwischen meinen anderenSchuhen nicht ausfindig machen. „Fuck.", fluche ich.
Wo sind sie?
„Maria, hast du meine Tennischuhe gesehen?", rufe ich hektisch. „Ich willnicht, dass Manuel warten muss."
„Sí.", ruft sie zurück und einige Sekunden später öffnet sich meine Tür.„Estan.... aquí." Maria zieht aus dem untersten Fach in meinem Schuhschrank einpaar weiße Turnschuhe.
„Ahhh.", mache ich. „Da habe ich sie gar nicht gesehen."
„Ich habe Ihre Schuhe heute etwas sortiert, weil sie so unordentlich waren.Perdon."
„Alles ist gut, danke.", bedanke ich mich lächelnd und nehme ihr die Schuhe ausder Hand. Manuel hasst es einfach abgrundtief, wenn er zu lange warten muss,also beeile ich mich lieber.
Mit Maria zusammen verlasse ich mein Zimmer. Ich bleibe bei den Regal kurzstehen, um mein Handy aus meiner Handtasche zu holen, während Mariaweiterläuft.
Ein kurzer Blick darauf verrät mir, dass ich unzählige Nachrichten von Alma undCourtney habe, aber die sind mir gerade ziemlich egal.
„Spielt ihr jetzt?", flüstert plötzlich jemand hinter mir.
„Verfluchte Scheiße", schreie ich. „Erschreck mich nicht so!"
Aurelios schwarzen Augen liegen auf mir und mustern mich ruhig. „Also? Spieltihr?"
„Sieht so aus, was?"
„Ja, darf ich zuschauen?" Er fährt sich durch das lockige Haar und grinstschief.
Ich zucke mit den Schultern. „Von mir aus."
„Perfecto."
Zusammen gehen wir in unser riesiges Wohnzimmer und direkt sieht man, dass dieweißen Gardinen bereits verschoben sind.
„Manuel ist schon draußen, wie es aussieht.", murmle ich und öffne unsereTerrassentür. „Krass, wie warm es für Juni schon ist, oder?" Aurelio schaut zumir herüber und zusammen betreten wir unsere Terrasse.
„Finde ich auch." Ich gehe über die Steinterrasse, stütze mich auf dem Geländerab und schaue in den Garten.
Der grüne Rasen streckt sich über mehrere tausend Quadratmeter nach hinten.
Man muss nur von unserer Terrasse eine Steintreppe heruntergehen und stehtschon auf den weißen Fliesen, die unseren Pool umrahmen.
Vor dem Typen, der dieses Haus designt hat, muss ich jedes Mal wieder den Hutziehen.
„Ashley! Ich sehe dich doch, komm endlich.", brüllt Manuel, der weiter weg aneinem Baum lehnt.
„Beruhig dich!", rufe ich zurück und laufe mit Aurelio zusammen die Steintreppeherunter. Manuel trägt seine blauen Shorts, ein blaues Shirt und weißeTennisschuhe.
Ich habe das Gefühl, dass er keine anderen Tennisklamotten hat, aber ich kannmich auch irren.
„Heute mal nicht dieses bescheuerte Cap?", scherzt er und grinst genauso schiefwie Aurelio.
„Heute mal nicht diese hässlichen Schuhe?", äffe ich genauso dumm zurück und erverdreht die Augen.
Wir drei gehen über das Tennisfeld und zu der kleinen Hütte, die hinterm Hausversteckt steht. Was heißt Hütte...
Es ist ein kleines Häuschen, in dem wir einen Kühlschrank, einen Herd, eineKaffeemaschine, eine Theke und Barhocker haben, damit wir nach einem Spiel kurzwas trinken oder Essen können. Auf der anderen Seite hängen von uns allen dieSchläger.
Von meinem Vater, Manuel, Aurelio, meiner... und der von meiner Mutter.
Bei dem Anblick von ihm wird meinem Herzen mal wieder ein Stich versetzt undich schlucke. Auf Regalen, die an der Wand befestigt sind, stehen die Trophäenvon Manuel, meinem Vater und mir.
Unser Vater konnte Aurelio nie zum Tennis überreden. Aurelio hat dafür einfachkeine Leidenschaft entwickelt.
Ich mustere die Urkunden, die fett eingerahmt an der Wand hängen.
Manuel nimmt seinen weißen Schläger vom Hacken und grinst schief. „Auf geht's."
Mein rosa Schläger hängt neben dem von meiner Mutter und ich seufze, als ichihn abnehme. Der Griff fühlt sich angenehm vertraut in meiner Hand an und ichschlage etwas in der Luft rum.
„Aurelio, machst du die Bälle?", fragt Manuel ihn, während er vier Bälle auseiner Schublade nimmt.
„Natürlich."
„Machst du? Du weißt, wie scheiße meiner ist.", fragt Manuel mich und drückt mir zwei der Bälle in die Hände.
„Gerne." Ich stecke einen der Bälle in die Tasche an meiner Hose, gehe am Netz vorbei und stelle mich auf die rechte Seite.
Meinen Schläger drehe ich in meiner Hand, bevor ich den Ball werfe und ihn ein paar Mal auf den Boden schlage.
Manuel stellt sich auf seiner Seite ebenfalls auf und geht in die Knie.
Eins, ein Schlag auf den Boden.
Zwei, noch ein Schlag auf den Boden.
Drei, ein weiterer Schlag auf den Boden.
Vier, einer noch.
Fünf, der Ball prallt ein letztes Mal auf dem Boden auf.
Ich schnappe mir den Ball, werfe ihn elegant in die Luft, springe und schlage ihn zu Manuel ins Feld.
Er kommt diagonal auf dem Boden auf und wird von Manuel sofort zurückgespielt.
„Wie geht es eigentlich Lisa, Manuel?", rufe ich, während ich den Ball zu ihm zurückspiele. Manuel schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Willst du mich ablenken?"
„Ich will wissen, wie es Lisa geht."
„Du willst mich ablenken.", beharrt er und schlägt den kleinen Ball mit voller Wucht zurück.
Ich stöhne genervt auf und lasse meinen Schläger sinken. Will der mich verarschen?
„Gut, sie will Morgen vorbei kommen."
Der Ball fliegt knapp übers Netz, kommt aber schließlich noch auf meinem Feld auf. Ich mache einen Satz nach vorne, um ihn noch zu erwischen.
„Sie will vorbeikommen?" Meine Stimme klingt gepresst und ich muss schwer ausatmen.
„Na ja, eher gesagt: ich habe sie zum Abendessen eingeladen."
Ich schmettere den Ball auf Manuels Hälfte des Feldes und werfe ihm einen triumphierenden Blick zu.
„Wollt ihr mit dieser bescheuerten Tafel spielen?", wirft Aurelio ein, während ich schwer Luft hole.
Manuel schaut mich fragend an. „Wir schaffen das ohne, oder?"
Aurelio sammelt den Ball ein, wirft ihn mir zu, während Manuel und ich die Seiten wechseln, und ich stecke ihn zurück in die Tasche.
Ich umfasse den Schläger mit beiden Händen, beuge mich nach vorne und gehe in die Knie.
„Finde ich auch." Er wirft den Ball hoch und schlägt ihn zu mir, aber er berührt das Netz.
„Netz.", weist uns Aurelio drauf hin, sammelt den Ball ein und Manuel holt den zweiten aus seiner Hosentasche.
„Ich bin nicht blind.", murrt Manuel.
„Wenn ihr beiden nicht heiratet, habe ich die Hoffnung an die Liebe verloren.", scherze ich und warte auf Manuels Aufschlag.
„Du bist fast siebzehn und hast keinen Freund. Wie willst du die Liebe aufgeben, wenn du noch nie wirklich geliebt hast?" Aurelio legt den Kopf schief und ich bin so geschockt, dass ich fast den Ball nicht bemerke.
Ich schlage mit der Rückhand zurück und mustere Manuel, der grinst.
„Er hat recht."
„Du bist mit ihr zusammengekommen, als wir hierhin gezogen sind. Da warst du vierzehn. Ich bin sechzehn und habe immer noch niemanden.", schmolle ich.
„Er wird kommen.", versichert Manuel mir und ich schlage den Ball wieder auf seine Seite.
„Dann kommt er wohl auf einer Schildkröte, was meinst du?" Ich schaue zu Aurelio, der mit den Achseln zuckt.
„Beruhig dich, Ashley.", ruft Manuel und ich kann nicht schnell genug reagieren. Der Ball kommt ein zweites Mal auf meiner Seite auf.
Aurelio hebt ihn sofort auf und wirft ihn Manuel zurück.
Ein warmer Sonnenstrahl trifft mein Gesicht und ich blinzle Manuel an.
„Glaubst du, du wirst sie heiraten?", frage ich ihn, während ich den Ball in meinen Händen wiegen.
„Ich bin achtzehn. Woher soll ich das wissen?", antwortet er mir und macht sich bereit zum Schlagen.
Aurelio bekommt von mir einen vielsagenden Blick, bevor ich den Aufschlag mache.
„Ich denke schon." Aurelio nickt stark und lehnt sich an das Gitter.
Manuel verdreht die Augen, schüttelt den Kopf und schlägt den Ball zurück. „Wenn ihr so weiter redet, werfe ich euch gleich in den Pool."
„Is' klar.", kichert Aurelio. „Vielleicht sie, aber du weißt, dass du mich nicht schaffst."
Weil ich so anfangen muss zu lachen, treffe ich den Ball nicht richtig, er fliegt gegen das Netz und rollt zurück in mein Feld.
Manuel wirft uns einen sauren Blick zu, weswegen ich noch mehr lachen muss.
„Ich führe, was ist los, Ash?", ruft mein Bruder und ich ziehe sofort einen Ball aus meiner Tasche. Er fliegt schön zu ihm herüber, aber bevor er Manuel treffen kann, wird er von einem angenehmen Schlag abgewehrt.
„Lass uns nur einen Satz spielen.", schlage ich vor. Mein Burder nickt und ich grinse zufrieden.
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