17. Bennet
Ich bin überrascht, wie schnell die Tage vergangen sind. Jetzt sitze ich neben Ashley im Auto.
Ihr Bruder, der mit den vielen Tattoos und dem etwas markanteren Gesicht, beobachtet mich durch den Innenspiegel und beschleunigt das Tempo etwas. Sein Auto, oder wem auch immer es gehört, ist ein schwarzer Hummer Geländewagen und er hat drei Mal gesagt, ich solle bitte aufpassen, dass ich keine Macken irgendwo reinmache.
„Du heißt also Bennet?", fragt sein Zwilling, der vor mir sitzt und sich jetzt zu mir umgedreht hat. Ich weiß nur, dass sie Aurelio und Manuel heißen, aber nicht, wer von den beiden wer ist.
„Ja", antworte ich und schaue zu ihm herüber. Seine dunklen Augen schauen kurz zu Ashley, bevor sie mich wieder fokussieren.
„Manuel", stellt er sich vor.
„Also bist du Aurelio?"
„No es estupido." Die spanischen Worte kommen so schnell und flüssig aus Aurelios Mund, dass ich es erst nicht verstehe.
Ashley neben mir schlägt sich mit der flache Hand vor die Stirn. „Darf ich euch erneut vorstellen?" Sie deutet mit beiden Händen auf mich. „Bennet, Mexikaner."
Schlagartig verändert sich die Miene ihrer Brüder. „Mexicano?, fragt Manuel und seine Augen sind geweitet. „Das hat eine Wendung genommen."
„Absolutamente", murmle ich und lächle gepresst.
„Das kam... unerwartet."
„Bevor hier noch etwas gesagt wird, was geheim bleiben sollte." Ashley wirft ihren Brüdern einen warnenden Blick zu und lächelt mich dann an. „Ich meine ja nur."
Das Haus ist noch größer als ich es mir vorgestellt habe. Aurelio fährt den Wagen auf die Einfahrt und hält vor der Garage, die mehrere Türen hat. Wie viel Autos haben sie wohl? Wahrscheinlich will ich es gar nicht wissen.
Als Ashley die Tür öffnet und heraushüpft, mache ich es ihr nach, weil ich nicht weiß, was ich sonst machen soll. Ich schnappe mir ganz vorsichtig meinen Rucksack, der noch auf der Rückbank liegt, und schultere ihn.
„Hier geht's lang", sagt Ashley, die plötzlich neben mir steht, und deutet auf eine Steintreppe. Sie führt zu der Haustür. „Komm." Sie nickt und lauft vor. Der Kies knirscht unter meinen Turnschuhen, was mir eine Gänsehaut einbringt. Dieses Geräusch ist ekelhaft.
Manuel folgt uns und der andere Bruder fährt das Auto in die Garage.
Ich bin total überwältigt von diesem Grundstück und kann es kaum glauben. Wie können manche Menschen so viel haben und andere nichts?
Ashley holt einen Schlüsselbund aus ihrer schwarzen Handtasche und sucht nach dem richtigen Schlüssel.
„Hab' ihn", flüstert sie und steckt ihn in das Schloss.
„Ist das da für den Finger?" Ich zeige auf das Feld über dem Schlüsselloch.
„Ja, aber ich komme damit nicht klar. Irgendwie ist mein Fingerabdruck darauf falsch, also, ich meine, der erkennt mich nie. Ist mir zu doof."
„Ich finde es eigentlich einfacher", mischt sich Manuel ein.
Ashley zuckt mit den Schultern. Sie trägt heute ein schwarzes Kleid, das lang und luftig ist, und dunkle, hohe Schuhe. Ihre braunen Haare hat sie zurückgesteckt und sie ist dezent geschminkt. Sie sieht gut aus, das kann ich nicht leugnen. Außerdem ist ihr Körper auch eine Klasse für sich. Ich... was soll ich machen? Ich bin schließlich auch nur ein Junge.
Vor mir erscheint ein unglaublich riesiger Raum. Der Boden ist Marmor und an den Wänden sind goldene Muster. In der Mitte des Raumes steht ein runder Glastisch, auf dem eine blaue Blume steht.
„Verdammte Scheiße."
„Was?", fragt Ashley lächelnd, geht zu dem Tisch herüber und lässt ihren Schlüssel darauf gleiten.
„Ich bin oben. Ihr kommt klar?", Manuel schaut zu uns herüber, während er auf die Treppe zugeht.
„Ja." Ashley nickt und schaut irgendwelche Sachen durch, die auf dem Tisch lagen.
Die Treppe ist ebenfalls aus weißen Marmor, breit und hat ein schwarzes Schnörkelgeländer. Ich bin absolut überwältigt und drehe mich im Kreis. Das ist nur der Eingangsbereich und er ist so riesig?!
Ashleys anderer Bruder kommt durch die noch offene Tür und starrt mich verwirrt an. „Hast du'n Geist gesehen?"
„Ne, aber dieser Raum..." Ich mache eine kreisende Bewegung mit meiner Hand und das Bild an der Wand zu meiner Rechten zieht meine Aufmerksamkeit auf mich. Es ist riesig, hat einen massiven Rahmen und zeigt eine junge Ashley, ihre Brüder, einen Mann und eine Frau, die ich als ihre Eltern einordne. Auf dem Bild trägt meine Partnerin ein weißes Kleid, ihre Haare sind offen und wild gelockt. Ich schaue zu ihr herüber und sehe ihre glatten Haare an.
„Wir können in mein Zimmer, ins Wohnzimmer, in die Küche oder in den Garten. Wo passt es dir am besten? In meinem Zimmer habe ich aber nur einen Stuhl." Sie kratzt sich am Arm.
„Können wir nicht einen aus der Küche oder so nehmen?"
„Können wir. Maria?", ruft sie. Ein paar Sekunden später öffnet sich eine Tür geradeaus und eine Frau mittleren Alters erscheint ihm Türrahmen.
„Ja?"
„Können Sie vielleicht einen Stuhl in mein Zimmer bringen? Am besten einen vom Esstisch, die sind sehr bequem."
„Natürlich", antwortet sie und will sich gerade auf den Weg machen.
„Nein, nein", melde ich mich schnell. „Zeigen Sie mir, wo sie stehen. Ich mache das schon."
Ashley zieht die Augenbrauen hoch. „Sicher?"
,,Absolut."
„Wie du willst. Ich bin in meinem Zimmer. Maria, zeigen Sie ihm dann auch mein Zimmer?"
Sie nickt und ich gehe zu ihr herüber.
Die Tür führt zu dem riesigen Wohnzimmer. Irgendwie ist alles in diesem Haus riesig. Eine große L-Couch steht an der Wand und der Flachbildschirmfernsehr hängt etwas weiter weg an der Wand. Der Teppich, auf dem ich gehe, sieht teuer aus und ich will nur ungern darüber gehen.
Die eine Wand besteht aus Fenster, die jedoch mit hellen, weißen Gardinen bedeckt sind.
„Sie können sich einen Stuhl aussuchen." Maria steht mitten im Raum und deutet zu ihrer rechten. In dieser Hälfte des Wohnzimmers steht ein langer Tisch mit vielen Stühlen. Ich bezweifle zwar, dass jemand je so viele Gäste zum Essen haben wird, aber ich sage nichts und schnappe mir einfach einen der Holzstühle.
Er ist überraschend leicht.
„Hier entlang", sagt Maria ruhig und geht voran. Wieder im Eingangsbereich angekommen, biegt sie rechts ab und bleibt dann vor einer zweiflügeligen Tür stehen. „Dies ist ihr Zimmer."
„Vielen Dank", bedanke ich mich noch schnell, bevor sie wieder geht. Die eine Hälfte der Tür ist einen Spalt breit offen und ich höre Schritte im Zimmer. „Soll ich Klopfen?", frage ich lachend.
„Oh", kommt es von drinnen. „Tut mir leid." Die Tür öffnet sich und zwei braune Augen schauen zu mir auf. „Du kannst ihn da an meinen Schreibtisch stellen. Der ist groß genug."
Dieses Haus schockt mich viel zu sehr.
Ashleys Zimmer ist riesig. Ich komme mir total dumm vor, weil mein Zimmer vielleicht ein Viertel von diesem Raum ist. Zu meiner rechten sind unglaublich viele Bücher in Regalen, die bis zur Decke reichen, davon gegenüber sind zwei Sessel, die vor einer Fensterwand stehen.
„Ich hätte mich auf einfach in einen der Sessel setzen können." Ich deute auf die grauen Sessel.
„Ach nein, das bringt gar keine Arbeitsatmosphäre hoch." Ashleys helles Lachen erfüllt den Raum. Ich gehe um ihr Bett herum und stelle den Stuhl an den Schreibtisch.
„Dein Zimmer ist... groß", murmle ich und schaue zu der weißen Tür und zu der Schiebtür. Hat sie einen begehbaren Kleiderschrank?
Als ich den Stuhl abstelle, schaue ich nochmal auf die andere Hälfte ihres Zimmers. Ihr Bett ist gewaltig und nimmt einiges an Platz ein. Über ihrem Bett hängt ein A, das mit Glühlampen beleuchtet ist. Einige Bilder, Poster, Fotos und Zeichnungen hängen an den Wänden und über ihrem Bett.
„Ja, es ist echt groß, aber was soll ich machen?" Sie zuckt mit den Schultern und stellt ihre Handtasche auf den Tisch. „Willst du deine Jacke ausziehen? Dich setzen? Etwas trinken?"
„Nein, danke", antworte ich, aber ziehe meine Jeansjacke aus und stelle meinen Rucksack auf den Stuhl. „Du liest gerne und viel?" Ich deute auf ihre Bücherregale und muss an die Situation damals in der Bibliothek denken.
„Ehhh", macht sie und kichert. „Jaaaa."
„Sieht man", scherze ich.
***
Wir arbeiten eine Stunde ziemlich konzentriert, dann hört bei uns beiden irgendwie die Lust und die Konzentration auf.
„Der Text sieht doch schon gut aus." Ich schiebe meinen Laptop etwas von mir weg und schließe die Tabs.
Ashley lächelt. „Kann man so sagen." Sie legt ihren Stift auf den Tisch und schaut zu mir herüber. Wir halten einige Sekunden Blickkontakt und mir wird jetzt erst bewusst, wie schön ihre Augen sind. Dann wendet sie sich erschrocken ab.
„Wir kennen uns eigentlich gar nicht", sage ich leise und sie schaut wieder zu mir herüber. Ashleys Wangen sind etwas gerötet.
„Willst du jetzt ein Kennlernspiel spielen?", fragt sie provokant und muss dann doch über ihren eigenen Witz kichern.
„Wieso eigentlich nicht?" Ich lehne mich zurück und schaue aus den großen Fenstern, die mir Blick auf den großen Garten gewähren.
Überraschat schaut meine Partnerin mich an. „Gut." Sie schiebt ihren Stuhl etwas beiseite und mustert mich. „Wann hast du Geburtstag?"
„Vierundzwanzigster Dezember."
„Du hast an Weihnachten Geburtstag?"
Ich muss schmunzeln und fahre mir durch die Haare. „Heiligabend", verbessere ich sie. Ashley verdreht die Augen und nimmt ihren Stift wieder in die Hand.
„Und du?", frage ich sie.
„Siebter Juli."
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Das ist ja schon bald. Wirst du siebzehn oder achtzehn?"
„Leider erst siebzehn. Du bist schon siebzehn, nehme ich mal an?"
„Korrekt."
Dann herrscht eine merkwürdige Stille, in der Ashley ganz konzentriert schaut und ich nicht weiß, was ich sagen oder machen soll.
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