15. Manuel

Ich würde sie auf Mitte oder kurz vor Ende dreißig schätzen. Sie hat kurzes blondes Haar, blaue Augen und ist im Moment knallrot.
„Das ist Lorena.", stellt mein Vater, der sein Hemd überzieht, sie vor und Ashley lacht sarkastisch auf.
Unpassend, dass Lisa neben mir steht? Möglich.
Es ist zehn Uhr abends, wir stehen in unserem Wohnzimmer und ich habe meinen Vater gerade beim Rummachen erwischt. Halb nackt. Voller Leidenschaft.

„Hallo.", sagt Lorena und ihre Stimme ist heller als ich gedacht habe.
„Ein One night stand, oder was?" Ashley ist gereizt, das merkt man sofort.
Mein Vater holt tief Luft. „Nein."
Aurelio mustert ihn interessiert. „Deine Freundin?"
„Lorena arbeitet bei mir in der Firma und wir sind von dem Abendessen heute früher zurückgekommen.", erklärt er ruhig. „Wir dachten, dass ihr später zurückkommt."
„Die Sekretärin, was ein Klischee."
„Ashley!"
„Es gab eine Planänderung.", helfe ich ihr aus und richte die Aufmerksamkeit auf mich. „Da ist etwas passiert."
Meine Schwester wirft mir einen warnenden Blick zu, weswegen ich nicht weiterreden.
„Was ist passiert?" Mein Vater schaut zu mir herüber, ich schaue fragend zu Aurelio, der auf Ashley herabsieht, welche aber panisch den Kopf schüttelt.

„Darf ich kurz einschalten? Auch wenn es unpassend ist.", meldet sich meine Freundin zu Wort und zieht somit die Aufmerksamkeit auf sich.
„Natürlich, Lisa."
„Soll ich abhauen? Ich meine, das geht mich alles nichts an." Sie deutet auf unseren kleinen Kreis und schaut zu Ashley.
„Lisa, du gehö-", fängt mein Vater an, wird jedoch unterbrochen.
„Sie ist erst vier Jahre tot!", ruft Ashley plötzlich und wir schaue alle zu ihr herüber. Das kann ja lustig werden.
„Dann bleibe ich wohl.", murmelt Lisa und wendet sich mir zu.
„Ashley! Vier Jahr sind eine verdammt lange Zeit!", ruft mein Vater sauer zurück. „Entschuldigung, Lisa."
„Wo ist das Popcorn?", flüstert Aurelio und kichert. Wie unpassend, Bruderherz.
„Alleees gut, Domingo.", sagt Lisa gedehnt und ich würde mich am liebsten in Luft auflöse, weil es echt unangenehm wird.
Meine Schwester schnieft. „Für mich aber nicht. Wer von uns beiden war dabei? Wer von uns beiden hat sie gesehen? Wer ist schuld?"
„Du bist nicht schuld!", schreit er und seine Stimme zittert. Dann herrscht eine merkwürdige Stille im Raum, bei der man nur das Atmen von uns und Ashleys Schniefen hört.

„Wessen Schuld ist es dann?"
„Die von dem Mann, Liebling. Er hatte das Zeug im Blut. Er hat euch angefahren. Dich trifft keine Schuld.", versucht er sie langsam zu beruhigen.
Bei dem Gedanken an ihre Beerdigung zieht sich meine Brust zusammen.
„Sie hat mich abgeholt."
„Du warst doch zwölf! Was hätten wir machen sollen?"
Lorena schaut von Ashley zu meinem Vater. Sie trägt ein hübsches Kleid das mir jetzt erst auffällt.
Und dann weint Ashley plötzlich komplett, sinkt auf die Couch und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. „Du kannst sie nicht ersetzen."
Mein Vater schaut zu seiner Freundin und dann zu mir. Ich weiß leider nicht an wen es gerichtet war. An ihn? An sie?
Verzweifelt seufze ich. Erst die Kacke mit Cody heute und jetzt das. Wie schlimm muss es sie denn noch treffen?

Mir ist sehr wohl bewusst, wie schlimm die ganze Sache für sie sein muss. Unsere Mutter... ist ein extrem wunder Punkt für sie. Damit kommt sie bis heute nicht wirklich klar. Wahrscheinlich hat sie es bis heute auch noch nicht richtig verarbeitet, denn oft genug werde ich von Schreien wach und muss sie wecken.
Solche Alpträume suchen sie ab und zu immer noch heim.
„Ich kann das hier nicht." Ashley springt auf.
„Wohin willst du?", fragt mein Vater leicht gereizt.
„In mein Zimmer!", bellt sie und verlässt den Raum.
Aurelio und ich schauen uns kurz an. „Ich mache schon." Er lächelt Lorena flüchtig an, bevor er den Raum verlässt. 

Mein Vater sinkt auf die Couch und schaut mich an. „Liegt es an mir?"
„Nein.", antworte ich. „Sie muss es noch verstehen."
Lisa streicht mir über den Rücken, wofür ich ihr merkwürdiger Weise sehr dankbar bin.
Mein Blick trifft auf den von Lorena. „Tut mir leid.", flüstert sie.
„Nein, du brauchst dir auch keine Schuld geben.", sagt mein Vater schnell. „Ich werde mit ihr reden, sobald sie dafür bereit ist."
„Ich bin Manuel.", stelle ich mich dann höflicherweise doch noch vor.
Lorena lächelt mich an. „Der Älteste, richtig?"
„Fünf Minuten älter, ja." Ich lächle stolz.
„Und du bist Lia?"
Lisa kichert und wird etwas rot. „Fast. Mein Name ist Lisa. Ich bin die Freundin von ihm."
„Ah, tut mir leid. Domingo hatte es mir nur so im Schnelldurchlauf erzählt."
„Alles gut.", winkt Lisa ab und lächelt weiter.
„Ihr könnt ruhig ins Bett. Ich werde mit ihr reden, sobald sie will. Hattet ihr denn Spaß?"
Ich atme tief ein und aus. „Was das angeht. Da müssen wir Morgen drüber reden."
„Ist es was ernstes?" Er zieht die Augenbrauen zusammen.
„Schon... war euer Abend denn schön?"
Lorena lächelt. „Das Essen war sehr lecker."
„Wenn du glücklich bist, bin ich es auch." Ich klopfe meinem Vater im Vorbeigehen auf die Schulter.
„Gracias, hijo."

Ich möchte Ash nicht zu sehr auf die Pelle rücke, weswegen ich mich mit Lisa einfach in mein Zimmer verkrümle. Aurelio macht das schon gut, das hat er schon immer.
„Was ein Scheißabend.", stöhne ich genervt auf und ziehe mir mein Shirt über den Kopf.
„Kann man wohl so sagen... Ash tut mir so leid. Das ist zu viel für so ein junges Mädchen."
Ich werfe mein Shirt sauer gegen die Wand. „Mann! Ich bin so sauer deswegen."
„Das verstehe ich. Zum Glück war dieser Junge da."
„Ja... ein Glück." 

Lisa zieht ihre Ringe von den Fingern und legt sie auf meinen Schreibtisch. „Wieso habe ich nach Alkohol immer so Kopfschmerzen. Dabei habe ich nur ein Bier getrunken." Sie schüttelt den Kopf und zieht ihre Ohrringe ab.
Ich mustere sie und mir wird bei ihrem Anblick ganz warm.
„Was?", fragt sie, als sie meinen Blick bemerkt.
„Nichts. Du bist nur so hübsch."
„Sagte der Junge, der ohne Oberteil und mit einem tollen Oberkörper vor mir stand.", kichert sie und mustert meinen Oberkörper. 

Meine Gedanken gehen mit mir durch und ich kann nicht anders. Ich packe sie beider Taille, drehe mich mit ihr im Kreis und werfe sie aufs Bett.
„Lisa, sag mir, wie machst du selbst die schlimmsten Situationen so toll?" Ich lehne über Lisa und schaue ihr tief in die Augen. „Wieso machst du mich nach so vielen Jahren immer noch so glücklich? Und wieso verblasst unsere Liebe nicht?"
„Willst du das etwa?"
„Niemals." 

Lisa kichert und legt ihre zarten Finger in meinen Nacken. „Ich weiß auch nicht, wieso wir uns immer noch so lieben wie in den ersten Tagen." Die Schönheit unter mir macht eine Pause. „Das tue ich."
„Glaubst du etwa, dass ich dich nicht liebe?", frage ich gespielt empört und spiele mit einer ihrer Haarsträhnen.
„Du weißt, wie ich bin."
„Zu gut." Langsam beuge ich mich herunter und küsse ihren Hals. Lisa schlingt ihre Arme um meinen Hals. 

Lisa ist einfach anders als die anderen Mädchen. Einfache Frau, die aber nicht dumm ist. Sie hat zwar ihre Probleme mit dem Vertrauen, aber trotzdem ist sie nicht so ein Mädchen, das immer eifersüchtig ist und Streit sucht. Sie weiß, dass sie die Einzige ist.
Mal ganz davon ab, dass wir dieses Jahr fünf Jahre zusammen sind.
Lisa ist einfach, was Sachen wie Klamotten oder Aussehen angeht. Sie sieht toll aus, aber es interessiert sie auch nicht, wenn sie scheiße aussieht. Sie macht sich nicht viel aus Schminke oder langen Haaren. Dafür sind ihr andere Sachen wie Klamotten wichtig. Sie mag es, Klamotten zu kaufen, sich hübsch zu fühlen. Ich liebe sie einfach, weil sie eine coole Socke und ein toller Partner ist.

„Worüber denkst du nach?", flüstert sie und streicht mir eine Locke aus der Stirn.
„Über deine Brüste.", lüge ich und muss schmunzeln.
Lisa lacht. „Über meine kleinen Brüste?"
„Ja."
„Sie fühlen sich geschmeichelt." Sie fasst sich an ihr A-Körbchen und lacht. Glücklich küsse ich ihre Mundwinkel und merke, dass sich mein Bauch zusammenzieht.
Ich werde niemals genug von diesem Mädchen bekommen.


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