88 : Lügner
Minerva kam nicht noch einmal wieder um mit mir zu sprechen. Sie schrieb mir nicht und sendete keine Boten. Bis zu dem Tag an dem ich nach Hogwarts zurückkehren sollte, um meine Kinder zu entbinden, sah ich sie nicht und hörte nichts von ihr. Severus unterrichte mich, dass Minerva es nicht böse meinte, doch sie so viel zu tun habe, dass sie kaum freie Zeit habe. Natürlich ließ sie mich nicht mit den Regierungsgeschäften helfen, ließ mich nicht an offiziellen Anlässen teil haben, auch wenn das Volk langsam aber sicher verlangte mich zu sehen.
Manch jemand vermutete sogar, dass Minerva mich aus dem Weg geschafft habe, was natürlich nicht wahr war. Eine Königin beseitigte man nicht einfach so ohne Spuren zu hinterlassen.
Mit einem etwas mulmigen Gefühl, lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Es war der Tag der Abreise nach Hogwarts. Bald würde ich meine Söhne im Arm halten und dann konnte ich Minerva endlich von ihrer Vormachtstellung zurück drängen. Sie konnte mich nicht länger unterdrücken, da meine Kinder im Rang über ihr stehen würden und bis zu dem Tage, an welchem sie Müdigkeit erlangen würden, würde ich an ihrer statt regieren.
Meine Gedankengänge gefielen mir. Sie waren genau das, was ich mir seit Monaten erarbeitet hatte. Endlich schien ich belohnt für mein Tun.
Ein Klopfen unterbrach mich. "Es wird Zeit, meine Blume." Schockiert wandte ich mich der Tür zu. In all dem Frieden der letzten Wochen, hatte ich ganz vergessen, dass es Thomas auch noch gab. "Thomas", sprach ich mit einen Funken Abscheu in meiner Stimme, mein Lächeln etwas steif.
Er hatte sich verändert. Nicht, dass es große Veränderungen gewesen wären, doch waren es genug um aufzufallen. Sein Gesicht war eingefallen, die Schatten unter seinen Augen merklich dunkler als noch vor einiger Zeit. Das Dunkel in seinen Augen war jedoch gewachsen, der glühende Hass in ihnen ungebändigt wie eh uns je. Er strahlte eine unfassbar dunkle Energie aus. Kein Lächeln der Welt konnte über den Umstand hinwegtäuschen, wie sehr er mich hasste. Ich hatte ihm alles genommen und Minerva hatte alles noch schlimmer gemacht. In den vergangenen Monaten als Königin hatte sie alles dafür getan, mich und ihn zu isolieren. Mich, indem sie mich einsperrte, ihn, indem sie ihn von mir trennte und all seiner Titel beraubte. Ich war seine einzige Möglichkeit an Macht zu gelangen, was wohl der alleinige Grund dafür war, dass er mich am Leben ließ, trotz unseres Versprechens.
"Wo ist Severus?", fragte ich ihn und verschränkte die Hände ineinander vor meinem Bauch. Er lächelte und trat auf mich zu. "Was willst du denn von diesem Nichtsnutz, Avyanna? Ich bin doch nun wieder bei dir." Er strich mit seiner rauen Hand über meine Wange. Ich schluckte schwer, aber änderte nichts an meiner Haltung oder meinem emotional neutralen Ausdruck. "Du bist schön. So viel schöner als das letzte Mal, dass ich dich gesehen habe. Die Schwangerschaft tut dir gut." In seinen Worten schwang etwas hinterlistiges mit, etwas, dass nur durch sein Lächeln versteckt und nur durch seine Augen verraten werden konnte.
Er lehnte sich vor um mich zu küssen, doch ich wich zurück. Es war ein Reflex vergangener Jahre und er gekoppelt mit der Angst um die Konsequenzen. Ich glaubte, Thomas würde wütend werden, aggressiv, doch nichts geschah. Seine giftigen Augen funkelten mich nur einen Moment an, bevor er sich wieder aufrichtete. Seine Arme waren hinter seinem Rücken verschränkt. "Du scheinst erschöpft", sprach ich, um die unangenehme Stille im Raum zu durchbrechen. Ein amüsierter Laut verließ seine Lippen. Er wandte sich um, trat an das Fenster, sah hinaus. "Verzeih mir, meine Blume, dass ich so in Erscheinung treten muss. Diese Hure an Königin macht es mir nicht leicht. Das sie noch keiner ermordet hat..." Mir jedem gesprochenen Wort wurde sein ton bissiger und hasserfüllter. "Eine widerliche Missgeburt, nichts weiter und so etwas stahl mir meine Krone, weil mein sehr geehrter Herr Vater sie zur Frau nehmen musste." Es schien ihm schwer zu fallen, seine Wut zu unterdrücken. Ich sah es an der Art wie sich seine Hände zu Fäusten ballten, wie er seinen Kiefer anspannte, wie sich seine Brust ruckartig stark hob und wieder senkte. "Und als ich glaubte, schlimmer könnte es nicht werden, erreicht mich die Nachricht vom Tod meiner geliebten Tante", er machte eine Pause, in welcher er sich zu mir umwandte, den Blick fokussierend auf mich gerichtet, "Sie war die einzige, die mich verstand. Die einzige aus meiner Familie, welche mir Liebe entgegenbrachte, meine Wut und meinen Hass verstand. Sie verurteilte mich nie, öffnete stets ihre Arme für mich. Sie war eine Frau größter Schönheit. Ein so dreckiges Ende gebührte ihr nicht." Während er sprach war sein Blick auf mein Dekolletee gewandert und dort verharrte. Ich war mich jedoch nicht sicher, ob sein Blick hier oder in der Vergangenheit ruhte.
Nach einem Moment der Stille, kehrte sein Lächeln zurück, sein Blick wanderte an mir hinauf. Sein Verhalten bereitete mir Angst und mit jeder Sekunde wuchs in mir der Wunsch zu fliehen. Wo war Severus? Warum war er noch nicht hier?
Er kam wieder auf mich zu. "Du hast sie mir genommen", sprach er drohend und blieb direkt vor mir stehen. Meine Atmung hatte sich verschnellert, mein Blick wanderte panisch im Raum umher. "Ich weiß nicht wovon du sprichst. Ich kann diesen Ort ohne Erlaubnis nicht verlassen, hast du das vergessen?" Wieder kicherte er amüsiert und lehnte sich leicht nach vorn, so dass er in mein Ohr flüstern konnte: "Ich weiß von dem Brief. Sie schrieb mir vor dieser Nacht. Du hast sie getötet!" Seine Worte waren scharf wie die Klinge eines Schwertes. Sie bereiteten mir Angst und Furcht breitete sich in mir aus. Ich wollte zurückweichen, doch seine Hand umgriff mein Handgelenk schmerzhaft fest. Ich keuchte auf als er mich wieder an sich heran zog. Der chemische Geruch seines Parfüms erfüllte die Luft um mich herum als er mit beiden Händen mein Gesicht zu umfassen begann und mir tief in die Augen sah. "Du glaubst, du kann mir alles nehmen?", hauchte er mir entgegen, ein tödliches Funkeln in seinen Augen und ein Grinsen auf den Lippen. "Erst mein Ansehen, dann meine Krone, dann mein Einfluss und dann auch noch meine geliebte Tante? Lass mich dir etwas sagen: Ich werde bekommen was ich will. Ich werde es mir nehmen." Seine rechte Hand wanderte von meinem Gesicht zu meinem Hals. Seine dünnen, langen Finger schlossen sich um ihn als er fortsetzte: "Glaube nicht, dass dich dein hübsches Gesicht retten wird und alsbald meine Söhne geboren sind, verlange ich nach dem, was mir von Geburt an zusteht." Der Griff um meinen Hals wurde stärker. "Und dazu gehörst auch du."
Flehend sah ich ihn an. "Bitte, nicht, wenn du mir jetzt etwas tust, dann kann ihnen immer noch etwas passieren. Ich erkläre dir alles, Thomas, aber bitte, lass mich gehen. Ich bin deine einzige Verbindung zu Minerva und dem Thron..." Während ich gesprochen hatte, war sein Griff immer stärker geworden und so kurz vor der Geburt fehlte mir die Kraft gegen ihn anzukommen. Ich sank zu Boden, doch er ließ nicht los, zwang mich durch seinen Griff ihn anzusehen wie er über mir thronte. "Du bist eine widerliche Lügnerin, Avyanna, aber ich werde dich an all deine Versprechen erinnern. An alle." Nach diesen gehauchten, von Hass und Machtgier getränkten Worten, beugte er sich zu mir hinunter und küsste mich.
"Rutherford was tun sie hier?", fragte Snapes dunkle Stimme in der Tür woraufhin Thomas mich los ließ und sich mit einem überlegenen Lächeln zu ihm umdrehte. "Ich rede mit meiner Frau", sprach er selbstsicher. Severus hob eine Augenbraue. "Frau?", wiederholte er. Wieder ein amüsierter Laut. Thomas schlenderte auf ihn zu. "Ja, Professor. Hat ihre Königin es ihnen denn nicht berichtet? Es ist auch möglich zwei Menschen zu verheiraten, ohne dass beide anwesend sind. Durch Vertreter. Das dürfte Ihnen doch geläufig sein, oder etwa nicht?" Sein Lächeln wandte sich in ein diabolisches Grinsen. "Das ist dann möglich, wenn die Parteien entweder als zu jung oder als unzurechnungsfähig gelten und wir wissen beide, als was meine Gattin seit der Krönung gilt." Mein Herz setzte einen Schlag aus. "Wer hat sie vertreten?", fragte Snape an dessen Hals rote Flecken unterdrückter Wut aufgetaucht waren. "Meine liebe Tante, ihre Stiefmutter war so freundlich das vor ihrem Tod zu übernehmen." Damit verschwand er lachend aus dem Raum.
Ich sah mich unfähig aufzustehen oder mich zu bewegen. In meinen Augen glänzten Tränen. Wie hatte sie das zulassen können? Wieso hatte sie nichts unternommen?
Severus schien dasselbe zu denken, denn in seinen schwarzen Augen glänze neben Bedauern auch der unverwechselbare Ausdruck von Unglauben.
"Dieses Arschloch ist alles, aber dumm ist er nicht...", hauchte ich. Severus seufzte tief bevor er mir auf half und mich in eine sanfte Umarmung zog, welche ich dankbar annahm. "Gehen wir nach Hogwarts. Dort kannst du mit Minerva sprechen. Sie wird dir bestimmt helfen können."
Ich wusste, er meine seien Worte nur gut, doch wagte ich zu bezweifeln, dass meine Mutter etwas tun würde.
Mit einem Mal fühlte ich einen scharfen Schmerz in meinem Bauch und Rücken. Ich keuchte erschrocken auf, griff nach dem Stoff von Severus' Robe. Mit Tränen in den Augen sah ich zu ihm auf. Sie waren früh.
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