75: Königsmord
Die Nacht brach herein und der Sturm draußen erreichte eine unmöglich erscheinende Stärke. Der Schnee tobte um das Schloss und der Wind ließ die Gläser in den Fenstern klappern. Mit dem Sturm schienen auch die Schmerzen des Königs zu wachsen. Seine Schreie wurden immer grausamer, als würde man ihn foltern. Es war beinahe unmöglich zu ertragen, weshalb in meinem Kopf eine Idee herranzureifen begann, welche mich meinen Kopf kosten konnte.
Thomas schürte gerade das Feuer im Kamin, als ein weiterer Schrei sich gegen das Geheule des Windes stämmte und das Schloss erfüllte. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum und strich mit einer Hand über meinen Bauch. Er hatte mittlerweile eine minimale Wölbung, was dem Umstand geschuldet war, dass ich Zwillinge austrug, welche schnell wuchsen. Thomas erhob sich vom Feuer, kniete aber kurz darauf wieder vor mir nieder. "Beten wir einfach für den Umstand, dass diese Krankheit nicht vererbbar ist.", sagte ich und sah ihm in die blauen Augen. Er nickte und lehnte sich vor, um einen Kuss auf meinen Bauch zu hauchen. "Und sei es nur für die Macht der Krone."
Als es für eine längere Zeit still im Schloss war, beschloss ich das es Zeit war meinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich erhob mich aus dem Sessel am Feuer und trat auf die Tür zu. "Wohin willst du?", fragte Thomas und kam lächelnd auf mich zu. "Ich wollte mir kurz im Schloss die Beine vertreten. Allein.", ich sah ihn nicht an während ich dies sagte, doch er glaubte mir. Er küsste mich. "Bleib nicht zu lange fort."
Ich verließ den Raum und ging langsamen Schrittes auf die Treppe zu. Stoppte dort und hielt inne. Wie tief war ich doch gesunken... Ich ließ mich auf Thomas ein, meinem einstigen Peiniger, nur weil ich die Macht der Krone wollte. Mir war nicht mehr nur wohl meiner Kinder gelegen, weil ich sie liebte, sondern weil ich sie brauchte um meinen Einfluss zu steigern. Es war erbärmlich und widerwertig. Ich widerte mich selbst an und das was ich nun vor hatte, war noch weitaus niederträchtiger...
Ich schloss meine Augen und trat die Treppen hinunter. Das Licht der Kerzen und Fackeln zusammen mit dem heulenden Wind ließ dieses silberne Schloss wie ein verlassenes Haus wirken, in welchem die Seelen der Toten um Gnade für ihre Sünden flehten. Am Ende diesen Tages würde ich wahrscheinlich auch zu jenen Seelen gehören.
Mein Herz begann schneller und schneller zu schlagen, je näher ich meinem Ziel kam. Ich wollte anhalten, umdrehen, aber ich konnte nicht. Meine Beine trugen mich wie von selbst. Schließlich stand ich vor der Tür des königlichen Schlafgemachs. Ich atmete tief durch und betrat das Zimmer. Es hatte sich nicht verändert. Doch der König sah scheußlich aus. Ich schnappte nach Luft und brach in Tränen aus. Ich sank an der geschlossenen Tür zu Boden und bedeckte meinen Mund mit beiden Händen, um mein Schluchzen zu unterdrücken, was nur mäßig gelang.
Seine Haut war grau, die Adern traten hervor und schimmerten blau bis violett. Die dunklen Flecken hatten nun seine Stirn völlig bedeckt und auch der Hals war vollkommen ummantelt von der verwesten Magie. Blut lief aus seinen Augen und seinem Mund. Er war vollkommen nass von Schweiß und seine Brust hob und senkte sich in einer Stärke und Geschwindigkeit, welche auf keinen Fall gesund sein konnte. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und krallte sich in die Decke, welche schwarze Flecken aufwies. Sein Gesicht war vor Schmerz verzerrt.
Ich brauchte etwas, bis ich mich gefangen hatte und glaubte genug Kraft aufbringen zu können, um mich aufzurichten. Der Schock saß tief in meinen Knochen. Ich lehnte an der Tür und hatte den Blick starr auf den König gerichtet. Jetzt kam mir das was ich vor hatte, wie eine Erlösung vor.
Wankenden Schrittes trat ich an sein Bett und machte von all meiner verbleibenden Kraft gebrauch, um nicht erneut in Tränen auszubrechen. "Oh, mein König...", meine Stimme klang seltsam heiser und fremd. Ich sank an seine Seite und nahm seine Hand in meine. Sie war kalt und lag leblos in meiner Hand. Da waren sie wieder. Die Zweifel. Das konnte ich nicht...
Es ist mir schleierhaft wie lange ich dort gesessen hatte, bis ich mich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Ich erhob mich und griff mit zitternden Händen nach einem der bereits blutigen Kissen. Das Schlucken fiel mir schwer und schien zu schmerzen. Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren, das Heulen des Windes verstummte. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen, krallte meine Hände in den weichen Stoff. Ich öffnete meine Augen, betrachtete ein letztes Mal sein vor Schmerz verzerrtes Gesicht. "Vergebt mir..."
Mit diesen Worten drückte ich das Kissen auf sein Gesicht, versperrte Nase und Mund. Ich schloss zu die Augen. Tränen rannen meine Wangen hinab, als sein Körper zu krampfen begann. Seine Arme und Beine zuckten. Ich begann zu Schluchzen und drückte trotz meiner zitternden Arme mit all meiner Kraft das Kissen auf sein Gesicht. Schließlich und letztendlich, bewegte er sich nicht mehr. Sein Körper entspannte sich.
Ich brach an seinem Bett zusammen, vergrub mein Gesicht an seiner Brust, schrie, schluchzte und weinte. Meine Stimme klang als sei sie weit weg und zerrissen. Röchelnd Rang ich nach Luft und löste mich von ihm, richtete mich auf. Ich zögerte, doch entfernte dann das Kissen aus seinem Gesicht.
Seine Gesichtszüge waren entspannt und friedlich, ruhig. Überraschender Weise zierte ein seichte Lächeln sein Gesicht, als ob er froh war endlich Frieden gefunden zu haben. Noch immer weinend legte ich das Kissen an seinen Platz zurück. Stand still und regungslos an seinem Bett, die Hände zum Gebet gefaltet. "Mögest du in Frieden ruhen.", sprach ich und widerstand dem Drang seine Hände auf seiner Brust zu falten.
Nach einer weiteren unbestimmten Periode verließ ich das Zimmer, die Tränen hinunter schluckend. Ich hatte den König ermordet... Ich hatte Hochverrat begangen... Ich hoffte, dass es ihn zumindest erlöst hatte. Erlöst von all den Qualen, welche er nicht verdient hatte.
Jetzt, da Schock und Adrenalin langsam verflogen und ihre Wirkung nachließen, fühlte ich das Gefühl der Einsamkeit meinen Körper erobern. Der König war der einzige Mensch auf diesem Gott verdammten Planeten, welcher mich wirklich geliebt hatte. Zwar war es die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter, doch war das mehr als ich verdient hatte.
Nun war ich allein. Es gab niemanden der mich wirklich liebte...
Schnellen Schrittes lief, beinahe rannte, ich die Treppen empor. Alles was ich wollte, war Zuneigung, selbst wenn sie nur gespielt war. Mir war egal wer sie mir gab, so lange ich sie erhielt.
Ohne anzuklopfen betrat ich das Schlafgemach von Thomas und mir. Dieser sprang sofort auf als er die Tür hörte und kam auf mich zu. Ich schloss die Tür. "Wo warst du so lange?", fragte er. Ich ignorierte seine Frage und schlang meine Arme um seinen Hals. Er sah mich un gläubig an. "Was...", ich ließ ihn nicht aussprechen, sondern verbannt unsere Lippen. Verwundert blinzelte er, als ich mich von ihm löste.
"Tue mir einen Gefallen und tue zumindest diese Nacht so, als ob du mich wirklich lieben würdest." Ein vielsagendes Grinsen umspielte mit einem Mal seine Lippen. Seine Hände umfassten meine Taille. Er beugte sich zu mir herunter. "Nichts lieber als das, meine Blume."
Thomas mochte vielleicht ein Unsympath sein, doch eines musste man ihm lassen: Er war ein wahnsinnig guter Liebhaber. Das änderte zwar nichts an seinem mangelhaften Charakter, doch half es mir dabei zu vergessen was ich getan hatte. Leider half diese kleine Ablenkung nur eine kurze Weile, denn kaum war ich eingeschlafen plagten mich Albträume meiner Tat. Ich wachte immer wieder mit rasendem Herzen auf und mit der Angst man könnte herausfinden wer es getan hatte. Thomas schien einen ruhigen Schlaf zu haben.
Am kommenden Morgen wurden wir beide von einem Dienstmädchen geweckt, welches mit einer sehr traurigen Mine das Zimmer betrat und sogleich vor dem Bett auf die Knie fiel. Thomas, welcher verschlafen versuchte zu verstehen was passierte, setzte sich auf und rieb sich die Augen. Ich hingegen saß aufrecht im Bett, den Blick starr in Richtung Fenster. Kalter Schweiß lief meine weiße Haut entlang. Angstschweiß. Ein Kloß in meinem Hals schien mir das Atmen zu erschweren und ein Pochen in meinem Kopf kündigte Kopfschmerzen an.
"Lord Thomas, Lady Avyanna...", begann das Mädchen mit tränenerstickter Stimme, "... Der König ist verstorben."
Ich schloss die Augen. Sagte nichts. Thomas rührte sich neben mir und legte einen Arm um mich. "Richtet ihn her... Die Beerdigung wird kommendes Wochenende abgehalten werden. Schickt Boten in alle Teile unseres Reiches. Verkündet diese tragische Nachricht.", sagte Thomas mit gespielter Trauer und das Mädchen verließ den Raum.
Eine Zeit lang war es still. Keiner von uns sagte etwas. "Nett von ihm noch vor unserer Hochzeit zu sterben, dann können wir die Krönung gleich nach seiner Beerdigung in Angriff nehmen.", sagte Thomas seelig und grinste triumphierend. Ich blieb still. Jetzt war es also offiziell? Sie schienen nicht gemerkt zu haben, dass er aufgrund einer Fremdeinwirkung verstorben war.
Obgleich ein gewisser Druck von mir fiel, so spürte ich noch immer wie etwas mein Herz zu zerdrücken drohte und mir den Hals abzuschnüren begann. Langsam rieb ich mit meiner rechten Hand über meinen Hals, während meine Linke die Decke umklammerte, mit welcher ich mich bedeckte.
"Was ist los?", fragte Thomas und strich über meine Schulter, "Du siehst blass aus." Ich ignorierte seine Worte und stand auf. "Ich werde ein Bad nehmen.", erklärte ich und betrat das großflächige Bad. Das Wasser war bereits eingelassen und dampfte ruhig vor sich hin.
In dem angenehm warmen Wasser ruhend, ließ ich meine Gedanken auf mich wirken und versuchte das Vergangene der letzten Tage zu ordnen.
Der König hatte mir drei versteinerte Dracheneier geschenkt und mich in der Schloss des Winters gebeten,wo ich ihn in einem furchtbaren Zustand vorfand.
Ich rief mir das Bild des sterbenden Königs vor Augen. Wie er da gelegen hatte, seine Krankheit, die seinen Körper kontrollierte. Es schmerzte mich noch immer...
Als nächstes dachte ich an den Deal mit Thomas. Ich hatte ihm zugestimmt, weil ich die Krone wollte. Ich hasste ihm und daran würde sich nichts ändern. Sobald ich einen Sohn geboren habe und meine Herrschaft gesichert ist, werde ich mich seiner entledigen. Ich brauchte ihn, um mich zu legalisieren, um auf den Thron zu kommen.
Ebenso dachte ich über den Zauber nach. Die Geschichte, welche ich für logisch hielt, hatte Schwachstellen. Sicherlich, sah man es genau hatte ich zwei Mütter und zwei Väter, doch war die meine leibliche Mutter, welche mich ausgetragen hatte.
Ich ließ meinen Blick zu dem gigantischen Fenster, hinaus auf die Ländereien schweifen, welche nun von Schnee bedeckt, aber ruhig, da lagen. Ich kam nicht umhin mir die Frage zu stellen, was wäre, wenn Minerva meine leibliche Mutter wäre. Es würde bedeuten, dass Thomas mein Stiefbruder war. Es würde bedeuten, ich hätte meinen Vater in der gestrigen Nacht ermordet...
Der Gedanke ließ mich schwindeln und ich musste meine Kopf schütteln, um meine Gedanken wieder klar zu bekommen. Nein, das war unmöglich. Der König hatte im Streit mit Thomas eindeutig gesagt, er habe keine Bastarde. Er würde doch nie lügen, oder?
Ich biss mir nervös auf der unteren Lippe herum. Jemand musste die Nachricht nach Hogwarts bringen. Minerva musste wissen, dass ihr Gemahl verstorben war. Seufzend sah ich an die Decke und betete. Lass Minerva nicht meine Mutter sein, dachte ich, Es würden einen Streit zwischen Mutter und Tochter bedeuten...
Am frühen Nachmittag brachen Thomas und ich nach Hogwarts auf. Wir mussten die Nachricht des toten Königs überbringen, sowie die Nachricht unserer Hochzeit und der baldigen Krönung. Mir war mulmig zu Mute, als Thomas mir seinen Arm reichte, um zurück zu apperieren. Was würde passieren, jetzt wo der Streit um die Krone endgültig ausgebrochen war?
Hogwarts lag still und friedlich da. Nichts an dem Anblick, welcher sich von Hogsmeade aus bot, ließ erahnen das gleich eine schreckliche Nachricht das ganze Schloss in Trauer versetzen würde. Der Wind peitschte um uns herum, als wir den Hügel hinauf liefen. Beim Anblick des gefrorenen Schwarzen Sees musste ich unweigerlich wieder an die zweite Prüfung des Turniers denken, welche im nächsten Monat stattfinden sollte. Ich sollte mich dringend mit dem Rätsel auseinandersetzen.
Thomas hatte Dumbledore einen Brief zukommen lassen, welcher ihn in Kenntnis setzte, dass wir in Begleitung einer wichtigen Nachricht zurück kamen, welche die Anwesenheit aller Schüler und Lehrer in der Großen Halle erforderte. Ich war mir sicher, dass Dumbledore bereits vom Tod des Königs wusste.
"Du bist so still.", sagte Thomas, als wir die verstummte Eingangshalle des Schlosses betraten. "Du trauerst vielleicht nicht um deinen Vater, aber ich tue es durchaus.", antwortete ich in Gedanken versunken. Thomas schnaubte neben mir kurz verachtend, bevor er mich in seine Arme schloss und einen zarten Kuss auf meinen Haaransatz hauchte. "Bald wirst Du Königin sein und da brauchst Du gar nicht an ihn denken.", mit diesen Worten ließ er von mir ab und wir betraten Seite an Seite die Große Halle. Sie war vollkommen still. Die Angespanntheit aller war deutlich zu spüren.
Minerva saß wie immer neben Dumbledore und ihr Blick verriet die Angst vor den Worten, welche wir sogleich sprechen würden. Thomas und ich stiegen auf das Podium und gingen auf die Knie. In Minerva's Augen sammelten sich Tränen.
"Meine Königin, am gestrigen Abend verstarb Eurer Gemahl König Alexander Lucis Caelum Rutherford, Erster seines Namens, König der magischen Bevölkerung der nordischen Inseln. Möge er in Frieden ruhen."...
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Es tut mir leid... Es tut mir so unendlich leid.
Ich habe Monate lang nach einer Lösung gesucht ihn leben zu lassen, aber der Verlauf der Geschichte erfordert es.
Was haltet ihr von Avyanna? Was haltet ihr von dem Königsmord?
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