7] blue

«Wie das Fallen einer Feder berührten sich unsere Lippen. Und wie durch einen Flügelschlag eines Schmetterlings schlug ein Hurricane der Gefühle im Magen ein.»

* * *

krrzz - nach rund einer halben Stunde meldete sich nun unser Klassenlehrer per Durchsage: "Liebe Schülerinnen und Schüler. Leider scheint das Problem etwas ernster zu sein und wir werden noch mindestens zwei Stunden hier warten müssen. Bis dahin, macht es euch im Bus bequem oder versucht, ein wenig zu schlafen. Wer dabei auf die Toilette muss, darf sich bei mir melden. Die im Fahrzeug funktioniert ohne Motor nicht mehr. Aber ganz in der Nähe befindet sich eine Raststätte." krzzz

"Uh, wow", dachte ich mir. Nochmals länger Zeit in diesem Car verbringen. Wobei, um ehrlich zu sein, so schlimm war es gar nicht. Mit Darya an meiner Seite fühlte ich mich eigentlich ganz wohl. So kann ich die nächsten zwei Stunden gerne verbringen.

Doch aus den zwei Stunden wurden lediglich fünf Minuten. Denn das Mädchen neben mir richtete sich sitzend auf, kramte ihr Handy aus der Tasche und stoppte die Musik. Etwas verwirrt machte ich es Darya gleich und entfernte ich den Earplug. Und da kamen sie schon, die ersten richtigen Worte, die sie zu mir sagt: "Hey.. ähh.. nun, ich sollte auf die Toilette. Magst du auch mit raus an die frische Luft?"

- " Ähmm.. ", zögerte ich, bis ich wieder die Worte fand, "Ja, gerne. Wenn es dir nichts ausmacht?».

Was für ein Vollidiot. Wenn es dir nichts ausmacht?? Sie hat mich doch erst gerade gefragt... Ich sage euch, wenn ich dieses Jahr den "Schulidiot-des-Jahrs-Award" nicht gewinne, dann weiss ich auch nicht mehr, was das noch soll.

Doch Darya schien zu verstehen und lächelte mich nur kurz an. So standen wir beide auf, nahmen unsere Jacken mit und liefen Richtung Ausgang. Interessanterweise sind praktisch alle drinnen geblieben. Nur zwei bekannte Raucher sah (und roch) man bereits hier etwas abseits vom Bus stehen.

Draussen angekommen stand dort bereits unser Lehrer, der uns erwartend anguckte. Bevor ich irgendwas sagen konnte, meldete sich Darya bereits zu Wort. Etwas knapp fragte sie, ob sie zur Toilette dürfe.

Der Pädagoge musterte uns kurz und entgegnete: "Klar, seht ihr, gleich da vorne ist sie. Ihr könnt hier auf der Seite sicher rübergehen. Ach, und Jan. Bitte begleite Darya dorthin, damit niemand alleine ist. Bleibt also immer mindestens zu zweit. Falls etwas passiert, habt ihr ja die Notfallnummer alle dabei. Ihr könnte euch gerne auch die Beine vertreten, dort hinten gibt es etwas Platz."

Ein stummes Nicken später waren wir bereits auf dem Weg in Richtung Raststättenplatz. Während ich auf der Strassenseite lief, guckte ich regelmässig zwischen Strasse und Darya hin und her. Es war eine schöne und ruhige Nacht. Mittlerweile war kaum mehr ein Auto unterwegs und auch sonst gab es rundherum praktisch keine Form von Zivilisation. Als wir bereits rund einen Drittel des Weges hinter uns hatten, spürte ich plötzlich etwas Warmes um meine Finger. Mit überraschtem Blick stellte ich die Wärme von Daryas Hand bei mir und umfasste diese auch schon gleich. Wir blickten uns kurz in die Augen, nur, um Bruchteile später etwas verlegen und dennoch grinsend wieder in die Weite zu schauen.

Nach rund drei Minuten waren wir bereits am Platz angekommen und Darya begab sich zur Toilette. Gleichzeitig beobachtete ich mit zugekniffenen Augen zwei soeben vorbeifahrende Autos. Faszinierend, dieses Glänzten. Es gefällt mir.

Beim Rundherumblicken fiel mir schnell auf, dass rund um uns herum nur ein kleiner Hügel und dahinter bereits eine grosse, kürzlich gemähte Wiese lag. Es wäre echt schön, hier noch ein wenig die Nacht zu geniessen.

Doch in diesem Moment kam das etwas kleinere Mädchen auch schon wieder aus dem kleinen Gebäude heraus. Sie schüttelte sich noch die Hände ab und lief auf mich zu. Gerade, als sie vor mir stand, nahm ich plötzlich all meinen Mut zusammen und liess viel zu schnell meine Frage raus: "Ma- Magst du noch etwas die Nacht geniessen?"

Sie neigte kurz ihren Kopf zur Seite und schaute mich angestrengt an. Während ich schon wieder mich selbst Ohrfeigen lassen wollte, antworte sie nun doch noch mit einem kurzen, aber herzlich klingenden "Klar!".

Diesmal bewusst griff ich nach ihrer Hand und führte sie in Richtung Wiese. Beim Übergang von Stein zu Grass stützte ich sie noch ein bisschen mehr, damit sie nicht umflog oder abrutschte. Auf dem Hügel angekommen zog ich meinen grossen XXL-Pulli über den Kopf, breitete ihn auf der Rückwand des Hügels aus und liess mit einer flüssigen Geste andeuten, dass sie draufsitzen durfte.

Ohne zu zögern nahm sie diese Einladung an und setzte sich. Indes tat ich es ihr bereits gleich und liess mich neben ihr nieder. Mit einer gähnenden Geste streckte ich meine Arme in die Luft, anschliessend etwas nach hinten und landete danach auf dem Rücken von Darya. Sie guckte mir in die Augen und kicherte kurz. Was für ein Mädchen!

Schweigend genossen wir den Abend und blickten in die Ferne, während sich unsere Körper nach und nach näher aneinanderlegten.

Erst nach etwa zehn Minuten regte sich wieder jemand von uns, diesmal aber Darya. Sie löste kurz ihre Hand von mir und drückte uns leicht zur Erde. Nun lagen wir gemeinsam da, nebeneinander mit dem Blick in Richtung Himmel. Erst mit ihrer Bewegung erkannte ich plötzlich die massive Kulisse, die sich über uns bot. Tausende Sterne funkelten gemeinsam um die Wette, schienen durch die Nacht und spendeten das Licht, welches man gerade noch so zum Sehen brauchte.

Irgendwie lustig, diese Sterne. Wie sie auf eine Art so weit weg sind, und doch immer da. Klar, am Tag sehen wir sie vielleicht nicht. Aber sie stehen immer über uns, beobachten uns und senden ihr Licht zu uns runter. Verlassen uns nie, zu keinem Tag in keiner Woche, in keinem Jahr - ein Leben lang.

Der praktisch wolkenlose Himmel erlaubte es uns so, die voll Pracht zu geniessen und beste Sicht auf das Himmelsdach zu haben. Das königliche Blau der Nacht. Plötzlich zeigte sie nach oben: "Hast du das gesehen?"

Ich drehte meinen Kopf nach links und schaute in ihr Gesicht: "Die Sternschnuppe?"

"Ja", entgegnete sie und wendete sich ebenfalls zu mir.

"Und, hast du dir was gewünscht? Aber nicht sagen, sonst geht es nicht in Erfüllung!"

- "Ja, klar. Und du?"

"Ebenfalls"

Wir blickten uns beide tief in die Augen. Ihre Augen funkelten dabei, beleuchtet und gesegnet von den Sternen, in dem schönsten Kastanienbraun, das ich je gesehen habe. Ohne etwas dagegen tun zu können, fing ich an, unglaublich stark zu lächeln, so stark, dass es schon ein unbezwingbares grinsen wurde.

Fast wie abgestimmt begann auch sie, immer stärker zu lächeln. Noch immer schauten wir uns gegenseitig intensiv in die Augen, konnte selbst den Blick nicht abwenden. Und dann geschah es.

Behutsam schlossen wir die Augen, als sich unsere Lippen sanft trafen. Wie eine Explosion, ausgehend von meinem Mund, traf es mich durch den ganzen Körper. Eine unglaubliche Hitze, aber extrem angenehm, durchfuhr meinen ganzen Körper, mein Herz pumpte, alle Gedanken waren verschwunden und --

Wir küssten uns. Ich kann nicht sagen, wie lange es war. Eine gefühlte Unendlichkeit, eine perfekte Unendlichkeit, lange tanzten unsere Lippen gemeinsam, sie tanzten den Tanz der Liebe. In jedem Augenblick die Perfektion, die Gefühle, die Vollendung.

Dann, als wir nach dieser perfekten Ewigkeit unsere Lippen wieder trennten, da spürten wir wärme. Und wir kuschelten zueinander, hielten und warm und blickten hoch in die schöne, ewige Unendlichkeit.


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- Der Anfang einer Geschichte -

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