Kapitel 7

Ich hatte mich gerade halbwegs mit meinem Schicksal abgefunden, als Obanai plötzlich das Zimmer verließ. Endlich... vielleicht hatte ich Sumire lange genug ignoriert, damit sie das Interesse an mir verlor.

Doch kaum zwei Minuten später hörte ich, wie Obanai zurückkam. Und dann—

WHAM!

„AHHHHH!" Ich sprang auf, als ob mich der Blitz getroffen hätte. „OBANAI, BIST DU VÖLLIG BESCHEUERT?!"

Er stand seelenruhig vor mir. In der Hand: ein Baseballschläger.

„Steh endlich auf."

Ich wich zurück und rieb mir den Arm, wo er mich erwischt hatte. „HAST DU MICH GERADE WIRKLICH MIT EINEM BASEBALLSCHLÄGER GEWECKT?!"

Obanai zuckte nur mit den Schultern. „Natürlich. Mein Vater hat mich täglich so geweckt. Besonders nach Partys."

Ich starrte ihn mit offenem Mund an. „WAS IST FALSCH MIT DEINER FAMILIE?!"

„Tja", meinte Obanai mit einem süffisanten Lächeln, „sie war eben sehr effizient. Hat funktioniert, oder?"

„DU HAST MICH FAST GETÖTET, OBANAI!"

Er winkte ab. „Ach was, das war doch nur ein sanfter Schlag."

Sanfter Schlag?! Ich hielt mir meinen Arm. „Ich glaub, ich hab jetzt nen Bluterguss, du kranker Irrer!"

Sumire klatschte begeistert in die Hände. „Nochmal!"

„NEIN, SUMIRE, KEIN NOCHMAL!" schrie ich entsetzt.

Obanai grinste fies. „Tja, ich glaube, meine Tochter ist da anderer Meinung."

Ich warf ihm einen mörderischen Blick zu. „Ich schwöre, wenn ich jemals ein eigenes Kind haben sollte, werde ich es nicht so erziehen wie du!"

Obanai tat, als wäre er tief getroffen. „Ach komm schon, sei nicht so empfindlich. Du bist jetzt wach, also hat es doch geklappt."

„Ja, weil ich ANGST HABE, DASS DU MICH NOCHMAL SCHLÄGST!"

„Dann steh halt sofort auf, wenn ich dich wecke."

Ich starrte ihn an. Dieser Mann war ein Psychopath.

„Ich geh frühstücken", sagte er lässig und ließ den Baseballschläger über seine Schulter kreisen. „Wenn du nicht in fünf Minuten unten bist, gibt's die nächste Runde."

Ich hatte in meinem Leben viele Ängste erlebt. Aber nichts—gar nichts—hatte mich jemals so schnell aus dem Bett getrieben wie dieser verdammte Baseballschläger.

Ich saß noch nicht mal richtig am Frühstückstisch, als Mitsuri mich mit großen, funkelnden Augen ansah.

„Und? Wie war die Party?" fragte sie aufgeregt.

Ich nahm einen tiefen Atemzug. „Tja... sagen wir mal so: Die Polizei kam, ich bin aus einem Fenster gesprungen, ein Typ wollte mich unter Drogen setzen, Senjuro hat mich gerettet, ich hab Cola getrunken und dann konnte ich nicht schlafen."

Mitsuri legte den Kopf schief. „Cola?"

Ich nickte.

Sie verzog das Gesicht, als hätte ich gerade gesagt, dass ich auf einer Party Strickclub gespielt hätte. „Also wirklich, Muichiro! Wenn du schon auf eine Party gehst, dann trink doch gefälligst auch ein bisschen Alkohol!"

Ich starrte sie an. „Mitsuri. Ernsthaft?"

Sie lachte. „Ja, klar! Sonst hast du ja nichts vom Spaß!"

Ich runzelte die Stirn. „Du weißt schon, dass ich minderjährig bin, oder?"

Mitsuri winkte ab. „Ach, Kleinigkeiten! Außerdem..." Sie grinste verschwörerisch. „Ich habe sogar Obanai im Wetttrinken besiegt!"

Ich blinzelte. „Was."

Obanai hob nicht mal den Blick von seiner Zeitung. „Sie lügt nicht."

Mein Gehirn versuchte sich das vorzustellen. „Aber... wie?"

Mitsuri kicherte. „Tja, ich bin eben ein Naturtalent! Ich kann trinken wie ein Loch und wache am nächsten Tag auf, als wäre nichts gewesen!"

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Diese Frau war ein medizinisches Wunder.

Doch dann sagte sie, völlig arglos: „Ich weiß nur nicht, wieso ich nach dem Trinken immer mit Obanai im Bett gelandet bin."

Mein Gehirn. Stopp.

Mein Atem. Stopp.

Mein Wille zu leben. Stopp.

Ich sah zu Obanai, der vollkommen entspannt Kaffee trank. Mitsuri hingegen aß zufrieden ein Croissant, als hätte sie gerade nicht die verstörendste Information meines bisherigen Lebens gedroppt.

Ich öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Öffnete ihn erneut.

Dann sagte ich das Einzige, was mir einfiel: „WAS ZUM TEUFEL?!"

Mitsuri schaute mich unschuldig an. „Was denn?"

Ich zeigte hektisch zwischen ihr und Obanai hin und her. „DU KANNST DOCH NICHT EINFACH SO ETWAS SAGEN! VOR MIR! AM FRÜHSTÜCKSTISCH!"

Obanai nahm einen weiteren Schluck Kaffee. „Warum nicht? Ist doch die Wahrheit."

Ich fasste mir an die Stirn. „Ich brauche eine Gehirn-OP. Sofort. Löscht diese Information aus meinem Kopf."

Mitsuri lachte fröhlich. „Ach, Muichiro, du bist ja süß! Aber wenn du wirklich richtig feiern willst, dann komm nächstes Mal zu einer Party mit mir. Ich zeig dir, wie es geht!"

Mein Überlebensinstinkt meldete sich. Absolut nicht.

Ich spürte es schon kommen. Diese Familie würde mich umbringen.

Obanai legte die Zeitung weg, lehnte sich vor und musterte mich mit ernster Miene. „Also gut, Muichiro. Es ist Zeit, dass du es lernst."

Ich blinzelte. „Lernen? Was?"

Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Das Trinken! Ich bring's dir bei."

Panik stieg in mir auf. „Oh nein, nein, nein, nein. Ich will das nicht."

Ich sprang auf und machte Anstalten, wegzurennen, doch Obanai hatte verdammt schnelle Reflexe. Er packte mich am Shirtkragen, als wäre ich eine unartige Katze, und zog mich zurück auf meinen Stuhl.

„Das wird jetzt durchgezogen," sagte er streng.

Ich sah Mitsuri an, doch die grinste nur. „Keine Sorge, Muichiro! Ist doch nur ein bisschen Spaß!"

Ein bisschen Spaß?! Ich wollte nicht sterben!

Obanai stellte mir einen kleinen Becher mit einer klaren Flüssigkeit hin. „Hier. Sake. Ist für Anfänger gut."

Ich sah ihn an, als hätte er mir ein tödliches Gift hingestellt.

„Ich will hier weg," murmelte ich.

„Trink."

„Nein."

„Trink."

„Ich ruf die Polizei."

„Muichiro."

„Freiheit für Minderjährige!"

„TRINK!"

Ich schloss die Augen, griff zitternd nach dem Becher und kippte den Sake runter.

FEHLER.

Meine Kehle brannte. Mein Kopf explodierte. Mein Magen meldete sich ab. Meine Seele löste sich auf.

Ich wollte noch protestieren. Ich wollte sagen, dass das eine furchtbare Idee gewesen war.

Doch stattdessen fiel ich mit dem Gesicht voran auf den Tisch.

Ich war wieder weg.

Ich wachte mit einem hämmernden Schädel auf. Mein Mund war so trocken wie die Wüste und mein Körper fühlte sich an, als wäre ich von einem Lastwagen überrollt worden.

Sumire saß fröhlich auf meinem Bett und schüttelte ihre Rassel. Schön für dich, Sumire. Ich sterbe gerade.

Bevor ich mich jedoch weiter in meinem Elend suhlen konnte, wurde meine Zimmertür aufgerissen. Ich hatte nicht mal Zeit zu reagieren, denn Obanai stürmte auf mich zu, packte mich am Kragen und zog mich mit einer Kraft zu sich, die mich fast aus dem Bett beförderte.

„Was," begann er in einem dunklen Ton, „hast du dir auf der Party reingezogen?!"

Ich blinzelte verwirrt. Mein Hirn lief noch auf Sparflamme. „Hä? Ich... ich hab nur Cola getrunken."

Falsche Antwort.

Obanai hob die Hand und – PATSCH!

Er verpasste mir eine saftige Watsche. Mein Kopf flog zur Seite, und ich war mir nicht sicher, ob das Dröhnen in meinem Schädel von dem Sake oder von Obanais Schlag kam.

„AUA! WAS SOLL DAS?!" Ich rieb mir die Wange.

„Du hast eine verdammte Droge konsumiert!" knurrte Obanai. „Deswegen hat dich der Sake direkt schlafen gelegt!"

Ich starrte ihn mit offenem Mund an. „WAS?!"

„Ja! Irgendwer hat dir auf der Party was ins Getränk gemischt, du Vollidiot!"

Mein Magen machte einen unangenehmen Salto. Oh. Ohhh.

„Aber... aber ich hab doch nur Cola getrunken..."

Obanai schnaubte. „Ja, und anscheinend war's keine normale Cola, sondern eine mit extra Überraschung! Und weil du dann diesen Sake getrunken hast, hat's dich direkt aus dem Leben katapultiert!"

Ich ließ mich zurück in mein Kissen fallen. „Super. Einfach super. Ich bin ein wandelnder Drogenfall."

Sumire kicherte und klatschte mit ihrer Rassel gegen meinen Kopf.

Ja, danke, Sumire. Dein Support ist wie immer sehr wertvoll.

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