Kapitel 15
Ich schlief tief und fest, der Schmerz in meinem Herzen so groß, dass er in den Schlaf überging, als wollte er mich für einen Moment von der Realität befreien. Doch der Moment der Ruhe war nur ein kurzer. Es war ein Traum, aber einer, der so real war, dass es weh tat.
Ich stand in einer weiten, unendlich scheinenden Ebene. Der Himmel war bewölkt, und die Luft war schwer, doch inmitten all dieser Dunkelheit stand Senjuro vor mir. Sein Lächeln war genauso wie immer - warm, beruhigend, das Lächeln eines Freundes, der wusste, wie er einen aufmuntern konnte. „Muichiro", sagte er mit dieser vertrauten Stimme, die mich immer getröstet hatte.
„Senjuro...", flüsterte ich, und in meinem Inneren fühlte ich, wie die Tränen sich in meinen Augen sammelten. Es war, als wäre ich in einem Traum gefangen, aber der Schmerz in meinem Herzen war zu real, als dass ich ihn einfach abtun könnte.
„Ich bin so froh, dass du mein bester Freund bist", sagte Senjuro, seine Stimme klang so ehrlich, dass es fast zu viel war. „Du warst immer da, selbst wenn ich nicht wusste, wie ich mich ausdrücken sollte. Du hast nie gezögert, zu mir zu kommen."
Ich konnte nicht mehr an mich halten. Die Tränen liefen mir über das Gesicht, tropften auf den Boden, und ich zog Senjuro fest an mich. „Ich bin so sorry", flüsterte ich immer wieder. „Es tut mir so leid, dass ich nicht früher aufgewacht bin. Ich hätte dir noch so viel sagen können... noch ein letztes Mal, Senjuro, bitte..."
Doch Senjuro hielt mich einfach fest, streichelte mir sanft über den Rücken, und sein Lächeln verblasste nicht. „Du hast mir schon alles gesagt, Muichiro. Du hast mir immer gezeigt, wie viel du mir bedeutest. Und ich habe dir gesagt, dass ich auf dich warten würde, nicht wahr?"
Die Worte trafen mich wie ein Schlag. Die Erinnerung an den Verlust kam mit einem so scharfen Schmerz, dass ich fast zusammenbrach. „Warten? Du wirst doch nicht..." Ich konnte es nicht fassen. Die Vorstellung, dass er nicht hier war, dass er nicht mehr bei mir sein würde, schmerzte so sehr, dass es fast unmöglich war, Luft zu holen.
Senjuro legte seine Hand auf meine Schulter, als wollte er mir Trost spenden. „Du musst nicht weinen, Muichiro. Ich werde auf dich warten. Ich weiß, du bist stark. Und irgendwann werden wir uns wiedersehen, okay?"
Die Worte waren so sanft, aber sie trafen mein Herz mit einer Wucht, die mich fast ersticken ließ. „Ich kann nicht ohne dich... Ich kann nicht", sagte ich schluchzend.
„Doch, du kannst", flüsterte Senjuro. „Du bist nicht allein. Du hast die anderen, und du hast dich selbst. Ich werde immer bei dir sein, auch wenn du mich nicht sehen kannst. In deinem Herzen werde ich immer an deiner Seite sein."
Ich schluchzte immer weiter, die Wellen der Trauer überfluteten mich. Doch plötzlich, aus der Dunkelheit, hörte ich eine andere vertraute Stimme.
„Ich werde gut auf ihn aufpassen."
Ich drehte mich erschrocken um, und da stand er - Yuichiro, mein Zwillingsbruder. Er sah genauso aus wie früher, mit diesem unerschütterlichen Blick, der selbst in den dunkelsten Zeiten Stärke ausstrahlte.
„Yuichiro..." Ich konnte kaum sprechen, so überwältigt war ich von den Gefühlen. „Du... du bist es wirklich?"
Er nickte, und ein schwaches Lächeln spielte auf seinen Lippen. „Natürlich bin ich es. Ich bin immer bei dir, Muichiro. Und jetzt werde ich gut auf Senjuro aufpassen. Ich verspreche es dir."
Ich konnte nicht anders, als zu weinen, noch mehr als zuvor. „Ich vermisse euch so sehr... Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für euch da sein konnte. Dass ich es nicht verhindern konnte."
Yuichiro trat zu mir und legte eine Hand auf meine Schulter, so wie er es immer getan hatte. „Du kannst dir keinen Vorwurf machen. Du hast gekämpft. Und das ist alles, was zählt. Du hast das Beste aus dir gemacht, und du wirst noch viele Menschen erreichen, Muichiro. Aber du musst weiterleben. Für uns. Für dich."
„Aber..." Ich konnte den Schmerz nicht mehr zurückhalten. „Ich kann nicht ohne euch..."
„Du musst es, Muichiro", sagte Yuichiro sanft. „Du bist stärker, als du denkst. Du musst dir selbst vertrauen. Und wir werden immer bei dir sein. In deinem Herzen. Für immer."
„Ich werde euch nie vergessen...", flüsterte ich durch meine Tränen, als ich Yuichiro umarmte.
Und in diesem Moment, als meine Augen vor Tränen verschwammen, wusste ich, dass auch wenn ich sie nie wieder sehen konnte, ihre Liebe immer in meinem Herzen weiterleben würde.
Es war der nächste Morgen, als ich langsam die Augen öffnete. Die Sonne schien schwach durch das Fenster und malte goldene Streifen auf den Boden. Mein Kopf fühlte sich schwer an, als ob er von den letzten Tagen erdrückt wurde, und als ich den Raum betrachtete, erinnerte ich mich an den Schmerz, der mich in den letzten Nächten begleitet hatte.
Mein Kopf lag auf Genyas Schoß. Ich konnte den sanften Rhythmus seines Atems spüren und das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das er mir gab. Es war fast so, als würde er mich im Schlaf bewachen, als würde er versuchen, den Schmerz von mir fernzuhalten. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich an ihn klammern musste, weil der Schmerz, der mich durchdrang, zu viel war, um ihn alleine zu ertragen.
Plötzlich spürte ich, wie sich seine Hand auf meinem Kopf legte, sanft, aber fest. „Du hast wieder geweint", sagte er leise, seine Stimme weich und besorgt. Ich konnte den Kummer in seinen Worten hören, die Sorge, die er um mich hatte.
„Es tut mir leid", flüsterte ich und wollte mich von ihm wegbewegen, aber er hielt mich fest. „Es ist okay, Muichiro", sagte er, seine Stimme ruhig und gleichzeitig tröstend. „Du musst dich nicht entschuldigen. Du darfst weinen, wann immer du willst. Ich bin hier, und ich werde immer hier sein."
Er hob mich vorsichtig auf, sodass ich in seinen Armen lag. Ich fühlte mich unglaublich erschöpft, als ob alle Kräfte aus meinem Körper gewichen wären, und konnte nur noch den Schutz suchen, den er mir gab. Seine Arme schlossen sich sanft um mich, und ich fühlte mich sicher, so wie ich es schon lange nicht mehr gefühlt hatte.
„Ich... ich kann es einfach nicht abschütteln, Genya", murmelte ich, die Tränen begannen erneut in meinen Augen zu brennen. „Den Verlust von Senjuro, von Yuichiro... Es tut so weh. Ich wünschte, ich könnte sie wiedersehen."
Genya strich mir vorsichtig über die Stirn, als wolle er den Schmerz ein wenig lindern. „Ich weiß, Muichiro", sagte er leise. „Es ist nicht einfach. Aber du bist nicht allein in diesem Schmerz. Ich werde dir helfen, durch diese Dunkelheit zu gehen. Du musst dich nicht allein fühlen, okay?"
Ich nickte schwach und schloss für einen Moment die Augen. Die Wärme von Genya und seine Nähe waren wie ein sicherer Hafen inmitten eines Sturms. Doch der Kummer in meinem Herzen war nach wie vor da, und er schien sich nicht so leicht vertreiben zu lassen.
„Ich wünschte, ich könnte sie noch einmal sehen... Ein letztes Mal. Um ihnen zu sagen, wie sehr ich sie liebe", flüsterte ich, meine Stimme brüchig. „Warum mussten sie gehen? Warum?"
Genya seufzte tief und hielt mich noch fester. „Ich weiß, es ist hart, Muichiro. Aber der Schmerz wird irgendwann weniger werden. Es wird nie verschwinden, aber du wirst lernen, mit ihm zu leben. Und du wirst stärker dadurch. Und du wirst nicht alleine durch diese Zeit gehen müssen. Ich werde an deiner Seite sein, immer."
Seine Worte trugen ein Stück weit Trost zu mir, aber sie konnten den Schmerz nicht ganz vertreiben. Ich war mir bewusst, dass ich den Verlust nicht einfach vergessen konnte. Die Wunden, die dieser Verlust in meinem Herzen hinterlassen hatte, waren zu tief, um sie zu ignorieren.
„Ich will einfach nicht, dass alles vorbei ist. Ich will, dass alles wieder normal wird", murmelte ich und nestelte nervös an seiner Kleidung.
Genya strich mir über das Haar, seine Berührung war so zärtlich, dass sie fast schmerzte. „Ich weiß, Muichiro. Aber die Welt dreht sich weiter, auch wenn wir es nicht wollen. Aber du musst weiterkämpfen. Für dich selbst. Und für Senjuro. Und Yuichiro. Sie würden nicht wollen, dass du aufgibst."
Ich spürte, wie meine Kehle sich zuschnürte, als der Gedanke an Senjuro und Yuichiro wieder aufstieg. „Ich werde immer an sie denken, Genya. Aber es tut einfach so weh. Es fühlt sich an, als ob ein Teil von mir verloren gegangen ist, ein Teil, der nie wieder zurückkommt."
„Ich verstehe das, Muichiro", sagte Genya, und ich hörte den Schmerz in seiner Stimme. „Aber du musst wissen, dass du nicht alleine bist. Ich bin bei dir. Ich werde immer bei dir sein."
Seine Worte, seine Nähe, seine Wärme... all das gab mir ein wenig Trost. Es war, als ob er mir versicherte, dass ich nicht aufgeben musste. Dass ich einen Grund hatte, weiterzukämpfen.
„Danke, Genya", flüsterte ich, und meine Stimme war schwach, aber die Dankbarkeit, die ich fühlte, war so stark, dass sie alle anderen Gefühle übertönte.
„Ich werde dich nie im Stich lassen, Muichiro. Versprochen", sagte er, und ich spürte die Wahrheit in seinen Worten. Ich wusste, dass er es ernst meinte.
Ich schloss die Augen und lehnte mich in seinen Armen zurück, während die Tränen langsam versiegten. Die Welt war noch immer dunkel und schmerzhaft, aber mit Genya an meiner Seite hatte ich das Gefühl, dass ich irgendwann den Weg aus dieser Dunkelheit finden könnte. Und vielleicht, nur vielleicht, würde es eines Tages nicht mehr so weh tun.
Es war ein schwerer Schritt, aber Genya hatte mich mit sanften Worten überredet, aus meinem Zimmer zu kommen. Ich war so müde, geistig und körperlich, dass ich kaum in der Lage war, mich zu bewegen, aber er hatte mich sanft aufgezogen, als ob er nicht wollte, dass ich mich weiter in meinem Schmerz verlor.
Ich setzte mich an den Tisch, während er mich stützte. In der Küche war es ruhig, abgesehen von Mitsuri, die sich um das Frühstück kümmerte. Ihre fröhliche Art schien fast aus der Zeit gefallen zu sein, als der Raum immer noch von der Schwere der letzten Tage erdrückt wurde. Die Farben, die sie in das Frühstück legte, die Lächeln, die sie versuchte zu teilen – es fühlte sich irgendwie falsch an, dass die Welt weiterging, während ich in meinem Schmerz stecken blieb.
„Muichiro, du musst wirklich etwas essen. Du kannst nicht den ganzen Tag nichts tun", sagte Mitsuri mit einer sanften, aber bestimmten Stimme und stellte einen Teller vor mir ab. Ihre Augen waren von Sorge erfüllt, aber sie versuchte, diese Besorgnis zu verbergen.
Ich starrte auf das Essen, ohne einen Blick zu werfen, als ich die Schalen vor mir sah. Der Geruch des Frühstücks war verführerisch, aber nichts konnte das Gefühl in meiner Brust lindern. Es fühlte sich an, als ob jedes Mal, wenn ich versuchte zu atmen, mein Herz schwerer wurde.
„Danke", flüsterte ich schließlich, aber es klang hohl, und es schien nicht genug zu sein, um das, was ich fühlte, auszudrücken.
Doch bevor ich mich weiter in meinen Gedanken verlieren konnte, hörte ich plötzlich das laute Klirren von Besteck, das auf den Tisch knallte. Obanai war es, der mit einem stechenden Blick in den Raum trat. Ich zuckte zusammen, als er auf mich zuschritt und die Arme verschränkte.
„Hör mir gut zu, Muichiro", sagte er, und seine Stimme klang scharf und fest. „Ich weiß, du hast deinen Schmerz, aber du kannst dich nicht einfach in deinem Zimmer verkriechen und weinen, als ob es niemanden mehr interessiert. Das Leben geht weiter, ob du es willst oder nicht. Und du wirst dir nicht weiter erlauben, dir selbst und uns allen den Boden unter den Füßen zu entziehen."
Ich starrte ihn an, doch es war nicht Wut, die ich in mir spürte – es war Enttäuschung. Der Schmerz in meiner Brust wuchs nur noch weiter, als ich seinen Blick sah.
„Es tut mir leid, Obanai", sagte ich leise, ohne wirklich zu wissen, was ich sagen sollte. „Es tut mir leid, dass ich so bin, wie ich bin... aber ich kann nicht aufhören zu weinen. Ich kann nicht aufhören zu denken, dass alles, was wir durchgemacht haben, umsonst war. Warum konnte ich nicht einfach mit Senjuro und Yuichiro sprechen? Warum mussten sie so gehen?"
Obanai seufzte und setzte sich gegenüber von mir. „Es ist nicht umsonst, Muichiro. Sie sind nicht umsonst gestorben. Sie hätten nicht gewollt, dass du dich so fallen lässt. Du bist stärker als das. Du weißt es."
Seine Worte klangen wahr, aber sie fühlten sich in diesem Moment so leer an. Es war, als ob ich versuchte, einen Berg aus Beton zu bewegen, der viel zu schwer für mich war. Ich wollte glauben, was er sagte, aber der Schmerz, der mich zerriss, machte es fast unmöglich.
„Ich weiß es nicht mehr, Obanai", flüsterte ich. „Ich weiß nicht, was ich ohne sie tun soll. Ich bin kaputt. Ich fühle mich leer und..."
„Du bist nicht leer, Muichiro", unterbrach er mich, seine Stimme wurde weicher. „Aber du musst dir helfen lassen. Du kannst dich nicht weiter in deinem Schmerz verlieren. Und du kannst nicht auf uns verzichten, nur weil du glaubst, niemand würde dich verstehen. Ich verstehe dich, auch wenn es sich so anfühlt, als ob niemand es tut."
Ich spürte die Tränen, die erneut in meinen Augen brannten. Diese Worte, die ich so oft gehört hatte, wirkten nun wie ein ferner Klang, der nicht zu mir durchdringen konnte. Ich fühlte mich mehr verloren als je zuvor.
„Ich weiß nicht, wie ich weiterkämpfen soll", murmelte ich und senkte den Blick.
Genya setzte sich neben mich und legte seine Hand sanft auf meine. „Du musst nicht sofort alles wissen, Muichiro", sagte er ruhig. „Aber wir sind hier. Wir kämpfen nicht nur für uns selbst. Wir kämpfen auch für die, die uns fehlen. Du bist nicht allein."
„Du bist nicht allein", wiederholte Obanai, seine Stimme ruhiger und fester als zuvor.
Ich starrte auf die Hand, die Genya auf meine legte, und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Ich wollte nicht noch mehr Schwäche zeigen. Doch die Wände, die ich um mich gebaut hatte, begannen zu bröckeln.
„Es tut mir leid", flüsterte ich, und die Worte klangen so hohl. „Es tut mir so leid..."
„Es ist okay, Muichiro", sagte Genya, und ich konnte den Trost in seiner Stimme hören. „Es ist okay, sich zu schwach zu fühlen. Aber du bist stärker, als du glaubst. Du wirst wieder aufstehen. Wir alle werden dir helfen, wieder zu dir selbst zu finden."
Doch ich konnte es nicht hören. Ich konnte nicht verstehen, wie man überhaupt wieder aufstehen konnte, wenn alles, was man geliebt hatte, zerstört war. Wie sollte ich weitermachen, wenn ein Teil von mir mit den Menschen, die ich verloren hatte, begraben worden war?
Obanai und Genya saßen still neben mir, während Mitsuri weiterhin das Frühstück vorbereitete, als ob nichts geschehen war. Doch die Stille in mir war ohrenbetäubend. Und obwohl ich wusste, dass sie versuchten, mich zu retten, wusste ich in diesem Moment nicht, ob ich es jemals wieder schaffen konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top