Kapitel 14

Genya zog mich fest an sich, während meine Schultern bebten und die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen liefen. Ich fühlte mich so schwach, so verloren. Senjuro war tot. Kanae-sensei war tot. Rengoku-sensei war tot. Mehr als die Hälfte meiner Klasse war nicht mehr da. Und ich... ich war hier, unfähig, mit diesem Schmerz umzugehen.

Genya schien meine Verzweiflung zu spüren. Ohne ein Wort zog er mich näher, hob mich vorsichtig auf seinen Schoß und hielt mich fest, als wolle er mich davor bewahren, in diesem Abgrund zu versinken. Sein Griff war warm, beruhigend, und doch konnte nichts die Leere in mir füllen. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter, meine Tränen durchnässten sein Shirt.

„Muichiro...", murmelte er leise, seine Stimme zitterte leicht.

Ich spürte, wie er mit seiner Hand sanft durch mein Haar strich, beruhigend, fast liebevoll. Dann hob er mein Kinn mit zwei Fingern an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Seine dunklen Augen waren voller Wärme, aber auch voller Schmerz.

„Du bist nicht alleine", sagte er eindringlich. „Ich bin hier. Und ich gehe nicht weg. Egal, was passiert."

Dann beugte er sich zu mir herunter und presste seine Lippen auf meine. Der Kuss war warm, tief, fast verzweifelt. Es war kein sanfter, vorsichtiger Kuss – es war ein Kuss, der nach mehr schmeckte. Nach Halt, nach Verlangen, nach dem Wunsch, diesen Schmerz gemeinsam zu überstehen.

Seine Zunge glitt fordernd zwischen meine Lippen, und obwohl ich zuerst erschrak, ließ ich es zu. Ich ließ ihn gewähren, weil ich in diesem Moment nichts anderes wollte, als in seinen Armen Zuflucht zu finden. Mein Herz raste, meine Finger krallten sich in sein Shirt, als ich mich ihm hingab.

Für einen Moment war alles andere vergessen. Kein Schmerz, keine Angst, kein Verlust. Nur wir beide. Nur Genya, der mich so festhielt, als wollte er mich vor der ganzen Welt beschützen.

Als wir uns schließlich trennten, lehnte er seine Stirn gegen meine. Sein Atem ging schwer, doch in seinen Augen lag ein Funken von Entschlossenheit.

„Ich werde dich nicht verlieren", flüsterte er. „Nie wieder."

Ich wollte ihm glauben. Ich wollte glauben, dass er mich wirklich retten konnte. Doch die Wahrheit war – nichts konnte mir Senjuro zurückbringen. Nichts konnte diese Leere füllen. Aber vielleicht, nur vielleicht, konnte Genya mich davor bewahren, daran zu zerbrechen.

Obanai stand wie angewurzelt in der Tür. Sein Blick wanderte von mir, der sich an Genyas Brust schmiegte, zu Genya selbst, der mich beschützend hielt. Seine Augen verengten sich misstrauisch.

„Was zur Hölle machst du hier, Shinazugawa?!", zischte er schließlich.

Genya seufzte genervt und zog mich noch enger an sich, als würde er mich verteidigen müssen. „Ich bin aus Amerika zurückgekommen. Weil Muichiro mich braucht." Seine Stimme war fest, beinahe herausfordernd.

Obanai schnaubte. „Und dafür brichst du dein Studium ab? Was für ein Schwachsinn!"

„Scheiß auf das Studium!", fauchte Genya und funkelte ihn an. „Muichiro ist wichtiger! Oder willst du mir erzählen, dass du ihn die letzten Tage nicht so gesehen hast?"

Obanai schwieg einen Moment. Er sah mich an, wie ich mich hilfesuchend an Genya klammerte, meine Finger in sein Shirt gekrallt, meine Augen geschwollen vom Weinen. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, und er seufzte schwer.

„Ich weiß, dass es ihm schlecht geht", murmelte er schließlich. „Aber ich will nicht, dass du ihm noch mehr Probleme machst."

„Ich bin kein Problem", knurrte Genya. „Ich liebe ihn, verdammt!"

Obanai zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Und deswegen knutschst du ihn durch die Gegend, während er weint? Echt einfühlsam."

Genya verzog das Gesicht. „Das war... nicht geplant."

Ich bekam die Diskussion nur noch halb mit. Mein Kopf fühlte sich schwer an, meine Augen fielen immer wieder zu. Ich war müde, so unglaublich müde. Der Kummer, die Angst, die Erschöpfung der letzten Tage – all das zog mich hinunter. Ich spürte Genyas gleichmäßigen Atem an meiner Stirn, seine Arme, die mich hielten. Es fühlte sich warm an, sicher.

„Muichiro?", hörte ich Obanai besorgt sagen.

Ich murmelte etwas Unverständliches, dann ließ ich mich endgültig in den Schlaf sinken.

Als ich wieder aufwachte, war es dunkel. Die Lichter in meinem Zimmer waren aus, nur eine kleine Lampe brannte gedämpft. Ich lag immer noch in Genyas Armen, mein Kopf auf seiner Brust. Sein Atem war ruhig, er schien auch eingeschlafen zu sein.

Obanai saß auf meinem Schreibtischstuhl und beobachtete uns schweigend. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten – eine Mischung aus Sorge, Müdigkeit und einem Hauch von... Erleichterung?

„Du bist wach", stellte er leise fest.

Ich blinzelte träge. „Mhm."

Er beugte sich leicht vor. „Geht es dir besser?"

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich fühlte mich immer noch leer, aber vielleicht... ein kleines bisschen weniger verloren.

„Ein bisschen", murmelte ich schließlich.

Obanai nickte. Dann warf er einen Blick auf Genya, der im Schlaf eine Hand auf meinen Rücken gelegt hatte.

„Er hat dich wirklich gern", sagte er nachdenklich.

Ich schluckte. „Ja."

Obanai seufzte. „Dann pass auf, dass du ihn nicht verlierst. So, wie du dich an ihn klammerst, sieht es aus, als wäre er das Letzte, was dich noch zusammenhält."

Ich sagte nichts. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht war Genya mein letzter Halt in dieser Welt, die so brutal aus den Fugen geraten war.

Aber eines wusste ich sicher: Ich wollte ihn nicht gehen lassen. Nie wieder.

Genya schlief noch tief und fest, sein Atem gleichmäßig. Ich grinste leicht und konnte nicht widerstehen – vorsichtig beugte ich mich vor und knabberte spielerisch an seiner Wange.

Er zuckte leicht zusammen, grummelte leise im Schlaf und rührte sich dann. „Muichiro... hör auf damit..." murmelte er verschlafen, drehte den Kopf weg und vergrub ihn tiefer ins Kissen.

„Oh? Kitzlig?", flüsterte ich schelmisch und biss sanft in seine Wange.

Plötzlich öffnete Genya ein Auge und fixierte mich mit einem halb mürrischen, halb belustigten Blick. „Willst du Stress, Kleiner?" Seine Stimme war noch rau vom Schlaf.

Ich grinste unschuldig. „Wer, ich? Niemals."

„Aha."

Mit einer schnellen Bewegung packte er mich an der Hüfte, drehte mich auf den Rücken und hielt mich mit seinem Gewicht unten. Seine Hände stützten sich links und rechts neben meinem Kopf ab, seine Augen funkelten herausfordernd.

„Also, so spielt man das jetzt, hm?", murmelte er mit einem Schmunzeln.

Ich wollte gerade etwas sagen, doch dann senkte er seinen Kopf und begann, meinen Hals zu küssen. Erst sanft, dann intensiver, seine Lippen hinterließen heiße Spuren auf meiner Haut. Mein Atem stockte, und ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden.

„Genya...", hauchte ich leise.

Er grinste gegen meine Haut. „Hast du gedacht, du kommst damit davon, huh?"

Ich wollte protestieren, aber meine Worte wurden von einem leisen, unkontrollierten Laut erstickt, als seine Lippen sich an einer besonders empfindlichen Stelle an meinem Hals festsetzten.

Dann hörte ich es.

Ein deutliches, rhythmisches Geräusch aus dem Schlafzimmer. Gedämpfte Stimmen, gefolgt von einem leisen, aber dennoch eindeutigen Stöhnen.

Mein Gesicht lief augenblicklich knallrot an.

„Sag bitte, das ist nicht...", flüsterte ich und sah Genya mit weit aufgerissenen Augen an.

Er stoppte für einen Moment, lauschte – und verzog dann das Gesicht. „Oh verdammt. Sind das etwa—?"

Ein weiteres, deutliches Geräusch ließ keinen Zweifel mehr daran.

Ich schlug mir die Hände vors Gesicht. „Oh Gott... Iguro-sensei und Mitsuri..."

Genya fing an zu lachen, leise, aber unüberhörbar amüsiert. „Alter, die sind echt nicht gerade leise, oder?"

Ich warf ihm einen empörten Blick zu. „Hör auf zu lachen! Das ist verstörend!"

Er zuckte grinsend mit den Schultern. „Tja, wenn du mich nicht vorher herausgefordert hättest, hätten wir das vielleicht gar nicht mitbekommen."

Ich knurrte leise und schlug ihm spielerisch gegen die Brust. „Blödmann."

„Ach komm schon", sagte er mit einem Grinsen und küsste mich sanft auf die Stirn. „Jetzt hast du wenigstens etwas anderes, worüber du dich aufregen kannst."

Ich seufzte dramatisch. „Als ob ich das jemals aus meinem Kopf bekommen werde..."

Genya grinste nur und ließ sich neben mich fallen. „Dann muss ich dich wohl ablenken."

Ich warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „Was hast du vor?"

Er schlang einen Arm um mich und zog mich eng an sich. „Nichts, was du nicht willst."

Ich errötete erneut und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. „Idiot..."

Er lachte leise. „Aber dein Idiot."

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