Kapitel 8
Als der erste Schultag endlich vorbei war, dachte ich, dass ich nun in Ruhe nach Hause gehen könnte. Aber das Schicksal hatte andere Pläne. Ein kleiner Junge aus der Mittelstufe begann, mir hinterherzulaufen.
„Tokito-senpai! Tokito-senpai! Warte auf mich!" rief er mit einer kindlich hohen Stimme.
Ich drehte mich genervt um. „Was willst du?" fragte ich, während ich versuchte, meinen Rucksack zu schultern und schneller zu gehen.
„Ich bin Kotetsu! Und ich bin ein riesiger Fan von dir!" erklärte er stolz und rannte neben mir her, wobei er mich von der Seite bewundernd anstarrte. „Du bist doch der, der letztes Jahr diese unglaubliche Chemiearbeit geschrieben hat, die Iguro-sensei zum Lächeln gebracht hat, oder? Das ist legendär!"
„Äh... ja, klar. Cool, dass du das weißt. Aber... ich muss jetzt wirklich los." Ich wollte einfach nur weg.
Doch Kotetsu ließ sich nicht abschütteln. „Tokito-senpai, kannst du mir Nachhilfe in Chemie geben? Und in Englisch? Und kannst du mir zeigen, wie man so gut in Mathe wird?"
Ich seufzte tief und schaute hilfesuchend zu Senjuro, der mich erwartungsvoll ansah. „Senjuro, hilf mir! Dieser Junge quatscht mich zu Tode!"
Senjuro grinste. „Das ist deine Strafe dafür, dass du immer sagst, ich sei zu nett. Viel Spaß!"
„Das ist nicht lustig!" zischte ich. Doch bevor ich noch weiter fliehen konnte, packte Senjuro mich am Arm wie einen Hund an der Leine.
„Lass mich los, Senjuro! Ich werde noch verrückt!"
„Du kannst ihn doch nicht einfach stehen lassen. Sei doch ein guter Senpai."
„Ein guter Senpai? Ich will nur in Frieden nach Hause!" rief ich verzweifelt, während Kotetsu nun begeistert begann, mir von seinen Lieblingschemikalien und Experimenten zu erzählen.
Gerade als ich dachte, dass es nicht schlimmer werden könnte, hielt Iguro-senseis Auto vor uns an. Die Scheibe des Beifahrerfensters ging langsam runter, und ich sah das finstere Gesicht meines Adoptivvaters. „Muichiro. Einsteigen."
Noch nie war ich so erleichtert, Obanai zu sehen. „Danke, Iguro-sensei! Endlich Rettung!" rief ich und riss mich von Senjuros Griff los.
„Warte, Tokito-senpai!" schrie Kotetsu, während ich mich hastig auf den Beifahrersitz warf.
Obanai schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, während ich verzweifelt die Tür zuschlug. „Wer war das? Und warum sah er aus, als hätte er dir gerade einen Heiratsantrag gemacht?"
„Ein kleiner Stalker. Er heißt Kotetsu und bewundert mich aus irgendeinem Grund. Kannst du nicht einfach schneller fahren?"
Obanai ignorierte meine Bitte. „Weißt du, wer sein Klassenlehrer ist?"
Ich nickte. „Shinazugawa-sensei. Gott sei Dank. Ich hoffe, der Junge überlebt das Jahr."
Obanai grinste finster. „Nun, Shinazugawa wird ihm schnell beibringen, dass das Leben kein Wunschkonzert ist."
Ich lehnte mich erleichtert zurück, während wir fuhren. Doch meine Erleichterung hielt nur kurz an, als ich sah, wie Obanai einen U-Turn machte und Richtung Schule zurückfuhr.
„W-Was machst du? Warum fahren wir zurück?" fragte ich panisch.
„Ich habe etwas vergessen."
Und tatsächlich: Als wir zurückkamen, stand Kotetsu immer noch auf dem Parkplatz und winkte mir begeistert zu.
„Tokito-senpai! Du bist zurückgekommen!"
„Das ist ein Albtraum!" murmelte ich und vergrub mein Gesicht in den Händen.
Obanai hielt an und lehnte sich aus dem Fenster. „Kotetsu, steig ein. Ich bring dich nach Hause."
„Nein!" protestierte ich sofort. „Warum nimmst du ihn mit?"
„Weil ich sehe, dass du offensichtlich einen neuen besten Freund gefunden hast", sagte Obanai trocken.
Kotetsu sprang begeistert ins Auto und setzte sich direkt hinter mich. „Danke, Iguro-sensei! Ich habe so viele Fragen an Tokito-senpai!"
Obanai sah mich mit einem Blick an, der sagte: Das hast du dir selbst eingebrockt.
„Ich hasse mein Leben", murmelte ich, während Kotetsu mich unaufhörlich mit Fragen bombardierte. Und als ob das nicht genug wäre, schaltete Obanai das Radio ein – und natürlich lief mein absolut verhasstes Lied.
Es war der schlimmste Heimweg meines Lebens.
Als wir vor Kotetsus Haus hielten, hatte ich das Gefühl, dass der Albtraum noch nicht zu Ende war. Mein Herz sank, als ich bemerkte, dass dieses Haus nur zwei Häuser von meinem entfernt lag.
„Du machst Witze!" stöhnte ich leise und starrte aus dem Fenster.
Obanai sah mich mit einem schiefen Grinsen an. „Was ist, Muichiro? Bist du etwa nicht glücklich, dass du jetzt einen kleinen Fanclub direkt nebenan hast?"
„Das ist kein Fanclub, das ist eine Lebensbedrohung!" zischte ich zurück.
Kotetsu sprang aus dem Auto und öffnete begeistert meine Tür. „Tokito-senpai, komm! Meine Eltern wollen dich unbedingt kennenlernen!"
„Ich muss nicht—" begann ich, doch bevor ich weitersprechen konnte, hatte Kotetsu mich schon am Arm gepackt und in sein Haus gezogen.
Ich warf Obanai einen verzweifelten Blick zu, doch er blieb seelenruhig im Auto sitzen und hob nur zwei Finger zum Gruß. „Viel Spaß, Muichiro. Ich hole dich in einer Stunde ab."
„Was? Eine Stunde? Obanai, du kannst mich doch nicht—"
Die Autotür knallte zu, und schon fuhr er davon.
Drinnen wurde ich von Kotetsus Eltern mit strahlenden Gesichtern empfangen. „Ah, das ist also Tokito-kun! Kotetsu hat so viel von dir erzählt. Komm doch rein, komm doch rein!"
„Äh... danke", murmelte ich und versuchte, nicht allzu unhöflich zu wirken.
Kotetsus Mutter lächelte mich warm an. „Kotetsu bewundert dich wirklich. Er hat den ganzen Sommer von dir gesprochen!"
„Ja, Tokito-senpai ist der Beste!" rief Kotetsu stolz und umarmte mich plötzlich von der Seite.
„Äh... danke?" Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu winden, doch er hielt mich fest wie eine Klette.
„Tokito-kun, setz dich doch! Möchtest du etwas trinken? Tee? Saft?" fragte sein Vater freundlich.
„Nein, danke. Und, äh, Sie können mich ruhig Muichiro nennen."
Beide Eltern sahen mich überrascht an, doch dann lächelten sie noch breiter. „Oh, das ist nett von dir, Muichiro-kun! Du bist wirklich höflich."
Ich warf Kotetsu einen warnenden Blick zu, als er versuchte, mich wieder mit irgendwelchen Fragen zu bombardieren. „Tokito-senpai, wie bist du so gut in Chemie geworden? Und kannst du mir vielleicht helfen, nächste Woche bei Iguro-senseis Test nicht zu sterben?"
„Vielleicht solltest du erst mal lernen, nicht so viele Fragen auf einmal zu stellen", entgegnete ich trocken.
Kotetsus Mutter lachte. „Ach, er ist einfach so aufgeregt. Es ist schön, dass er so einen tollen Freund wie dich hat."
Ich lächelte gezwungen. Freund? Das war keine Freundschaft, das war ein Überfall!
Nach gefühlten zehn Jahren kam Obanai endlich zurück. Ich sprang sofort auf, als ich sein Auto hörte, und entschuldigte mich hastig bei Kotetsus Eltern. „Es war nett, Sie kennenzulernen, aber ich muss jetzt wirklich los. Danke für alles!"
Kotetsu folgte mir bis zur Haustür. „Tokito-senpai! Kommst du morgen wieder vorbei?"
„Nein!" rief ich, während ich zur Straße rannte und ins Auto sprang.
Obanai schaute mich ausdruckslos an, während ich die Tür zuschlug. „Eine Stunde und du siehst aus, als wärst du durch die Hölle gegangen."
„Das WAR die Hölle!" rief ich und schnallte mich an.
Obanai grinste leicht. „Na, Muichiro. Vielleicht hast du ja doch was dazugelernt."
„Ja, ich hab gelernt, dass du mich nie wieder bei Kotetsu abliefern sollst!"
„Keine Sorge", sagte er mit einem sarkastischen Unterton. „Ich werde nur sicherstellen, dass Kotetsu in deiner Nähe bleibt. Immerhin bist du jetzt sein offizieller Senpai."
Ich stöhnte laut und ließ meinen Kopf gegen das Fenster sinken. Das wird ein verdammt langes Schuljahr.
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