Kapitel 6

Am Montag war es endlich so weit. Der erste Schultag im zweiten Jahr der Oberschule. Ich konnte es kaum erwarten, wieder in die Schule zu gehen, vor allem, weil Senjuro und ich nun im 2. Jahr waren. Es war zwar früh am Morgen, aber die Aufregung hielt mich wach – und die Tatsache, dass ich wieder auf Obanai treffen würde, alias Iguro-sensei, unserem Klassenlehrer. Ein Tag in der Schule mit ihm bedeutete immer ein bisschen Chaos, und ich war mir sicher, dass der heutige Tag nicht anders verlaufen würde.

„Hey, Muichiro, wie geht's? Bereit, die Schule zu überleben?" Senjuro fragte, während wir gemeinsam den Schulhof entlanggingen.

„Überleben? Es geht nicht um Überleben, Senjuro. Es geht um das, was nach dem Überleben kommt – die Chancen, dem Chaos zu entkommen. Und das ist gar nicht mal so einfach", antwortete ich mit einem breiten Grinsen. Senjuro lachte nur und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.

„Wirst du heute endlich die 'Opferreihe' überstehen? Oder verpasst du die Gelegenheit, dich zu verstecken?" Senjuro witzelte, und ich musste lachen.

Die „Opferreihe" war der legendäre Name für die erste Reihe im Klassenzimmer, wo all die armen Seelen saßen, die Obanai irgendwie auf dem Kicker hatte. Und da Obanai Iguro-sensei auch unser Chemie- und Englischlehrer war, war das für viele Schüler ein bisschen wie der Ausgangspunkt für alle ihre Katastrophen im Unterricht.

Als wir ins Klassenzimmer gingen, merkte ich sofort, dass die Opferreihe bereits voll war – Glück gehabt. Senjuro, der in den letzten Jahren eine besondere Aufmerksamkeit von Iguro-sensei auf sich gezogen hatte, fand jedoch seinen Platz dort. „Oh nein, du hast es erwischt", sagte ich mit einem breiten Grinsen, als ich ihn in die erste Reihe gehen sah.

„Ich weiß, das wird die schlimmsten Stunden meines Lebens", murmelte Senjuro, während er sich setzte. Ich konnte nicht anders, als ihm zuzustimmen. Da saßen alle, die Iguro-sensei aus irgendeinem Grund nicht leiden konnte – und das waren fast die halbe Klasse. Ich hatte ja Glück, dass ich bei der Platzwahl nicht mehr in diese Reihe passte, weil sie schon voll war. Trotzdem war ich nicht wirklich beruhigt, als ich meinen Platz in der zweiten Reihe einnahm und Iguro-sensei mit einer ernsten Miene ins Klassenzimmer kam.

„Guten Morgen, alle zusammen", sagte Iguro-sensei und ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen. „Ich hoffe, ihr habt alle gut geschlafen und seid bereit, euch wieder den Herausforderungen des Wissens zu stellen. Heute beginnen wir mit Englisch, also macht euch bereit."

Ich rollte mit den Augen. Englisch – ein weiteres Fach, das Iguro-sensei zu seiner persönlichen „Herausforderung" machte. Die Hälfte der Klasse hatte das Gefühl, dass Iguro-sensei in Englisch genauso hart wie in Chemie war. Und ich war sicher, dass es wieder eine „spaßige" Stunde werden würde.

„Nezuko, mach mal Platz", hörte ich plötzlich von Senjuro, als er versuchte, seine Tasche zurechtzulegen. Es war wirklich süß, wie sie zusammen aussahen. Nezuko, eine meiner Klassenkameradinnen, war die kleine Schwester von Tanjiro, der gemeinsam mit Genya das letzte Schuljahr abgeschlossen hatte. Sie saß direkt neben Senjuro und die beiden sahen wirklich wie ein total süßes Paar aus, auch wenn sie definitiv nicht zusammen waren. Ich musste zugeben, ich bewunderte die Art und Weise, wie sie miteinander umgingen.

„Wie geht's dir, Senjuro?" Nezuko fragte freundlich, während sie ihm ein Lächeln schenkte. „Bereit, Iguro-sensei zu überstehen?"

„Ich weiß nicht, ob man so einen Tag je 'überstehen' kann, aber ich bin bereit. Ich habe immerhin schon genug Schuljahre überlebt, um jetzt ein echter Profi zu sein", antwortete Senjuro mit einem schelmischen Grinsen.

Iguro-sensei hatte inzwischen die Tafel betreten und begann sofort, ein paar Sätze auf Englisch zu schreiben. „Ernsthaft? Schon wieder die schwierigen Texte?" murmelte ich und schielte zu Senjuro, der sichtlich wenig begeistert war.

„Musstest du auch direkt in der Opferreihe landen? Du bist ein echtes Ziel, mein Freund", flüsterte ich ihm zu, als er sich dem Lehrbuch entgegenstemmte.

„Ich hatte keine Wahl, du weißt, wie Iguro-sensei ist. Wenn du in der Nähe von ihm sitzt, lässt er dich nie in Ruhe. Ich glaube, er will mich zum Englischgenie machen, nur um seinen Unterricht interessanter zu gestalten", stöhnte Senjuro, während er in seinem Buch blätterte.

Die Stunde begann also – und wie erwartet, wurde es nicht einfach. Iguro-sensei erklärte in seinem typischen, eher schroffen Stil, was wir heute lernen sollten. „Achtet darauf, was ich sage", erklärte er. „Die Grammatik von heute ist eine der schwierigsten, die ihr je lernen werdet. Wenn ihr euch da verirrt, werdet ihr nie wieder den richtigen Weg finden."

Nezuko schlich ein Blick auf Senjuro und flüsterte: „Du wirst das überstehen, oder?"

„Natürlich, ich bin ein Überlebenskünstler", murmelte Senjuro zurück, aber man konnte die Anspannung in seiner Stimme hören.

Während Iguro-sensei in seiner unnachgiebigen Weise weiterging, konnte ich mir nicht helfen, aber schmunzeln. Es war zwar immer anstrengend, mit ihm in einem Klassenzimmer zu sitzen, aber irgendwie wusste ich, dass Senjuro und Nezuko, selbst wenn sie die „Opferreihe" durchstehen mussten, es auf ihre eigene Weise überstehen würden. Sie waren ein gutes Team – und wenn man ehrlich war, wusste man nie, was als Nächstes passieren würde.

Der erste Schultag im zweiten Jahr war wie der Eintritt in einen Zirkus voller absoluter Chaosmeister – auch bekannt als unsere Lehrer. Jeder von ihnen war einzigartig, auf seine ganz eigene furchteinflößende Weise, und ich wusste, dass es eine lange Woche werden würde.

Iguro-sensei – Der Strenge

Mein Adoptivvater. Er war unser Chemie-, Englisch- und Klassenlehrer und die lebende Definition von „Angst und Schrecken". Er hatte letztes Jahr jeden, der auch nur ein einziges Mal „Hä?" gesagt hatte, irgendwo festgebunden und geknebelt – mich eingeschlossen. Es war sein Erziehungsstil: „Disziplin durch Panik." Trotzdem ließ er mich im Privaten „Obanai" nennen, was meine Situation nur noch absurder machte. Er war der Typ, der einen mit einem Blick dazu brachte, freiwillig Vokabeln aufzusagen. Und die berühmte „Opferreihe" war sein persönliches Projekt. Aber naja, wer saß schon gerne da? Nicht ich – Gott sei Dank.

„Muichiro, wenn du heute auch nur EIN Wort falsch aussprichst, dann erkläre ich dich offiziell zum Schuldirektor-Fehler des Jahres", knurrte er im Chemieunterricht.
„Ja, Iguro-sensei... ich meine, Sir, ich meine... Hilfe?" stammelte ich.

Shinazugawa-sensei – Der Schläger

Dann war da noch unser Japanisch- und Mathelehrer, Shinazugawa-sensei. Er war der Typ Lehrer, der Zahlen wie Waffen behandelte – und manchmal auch seine Fäuste. Jeder wusste, dass er seinen kleinen Bruder Genya beschützte wie ein Wolf, aber wehe, du warst schlecht in Mathe. Eine falsche Antwort bedeutete mindestens einen Kopfnuss-Donner. Seine Augen sagten immer: „Versuch's doch, ich traue dir sowieso nichts zu."

„Tokito!" brüllte er eines Morgens, als ich beim Rechnen stolperte. „Was ist 14 plus 27?!"
„Äh, 39?"
„RICHTIG. Aber du hast gezögert. Ich seh dich nach dem Unterricht!"
Ich schwitzte. Senjuro flüsterte: „Hättest du lieber falsch geantwortet?"
„Vielleicht", murmelte ich.

Kocho-sensei – Die Insektenlady

Unsere Biologielehrerin Kocho-sensei war so klein und elegant, dass man fast dachte, sie wäre harmlos. Aber oh, wie falsch man liegen konnte! Ihr Unterricht drehte sich ausschließlich um Insekten. Und nicht irgendwelche Insekten, sondern die ekligsten, die man sich vorstellen konnte. Es war, als hätte sie einen persönlichen Vertrag mit jeder Kakerlake der Welt. Sie brachte lebende Käfer mit, und man wusste nie, ob sie nicht plötzlich sagte: „Fangen Sie den bitte mal, er ist mir entwischt."

„Heute lernen wir etwas über die Gottesanbeterin", begann sie mit einem sanften Lächeln.
„Oh Gott, warum?" flüsterte ich.
„Weil sie ihren Partner frisst, Tokito. Überleg dir das gut, bevor du jemandem vertraust."
Ich schluckte hart. Lektion gelernt.

Tomioka-sensei – Der Hasser

Tomioka-sensei war unser Ethik- und Sportlehrer, und er hatte einen persönlichen Hass auf mich entwickelt. Warum? Weil ich klein war, lange Haare hatte und – laut ihm – wie ein Mädchen aussah. Ach, und ich hasste ihn auch, was die Sache nicht besser machte. Sein Unterricht bestand darin, mir Aufgaben zu geben, die mich zum Verzweifeln brachten.

„Tokito, du bist dran. 20 Liegestütze – und wehe, du zitterst dabei!"
„Ich zitter schon beim Gedanken, Sensei", murrte ich.
„Dann mach 30", sagte er mit einem Grinsen.
Ich starrte Senjuro an. „Das ist Mord, ich schwör's dir."

Kanae-sensei – Die Erträgliche

Dann gab es noch Kanae-sensei, unsere Latein- und Informatiklehrerin. Sie war Kocho-senseis ältere Schwester, aber definitiv weniger gruselig. Ihr Unterricht war ruhig, und sie hatte die Angewohnheit, uns so nett zu erklären, warum wir schlecht waren, dass wir uns trotzdem schlecht fühlten.

„Muichiro, ich sehe, du hast deinen Informatikcode heute wieder falsch geschrieben", sagte sie sanft.
„Äh, ja, Sensei..."
„Das ist nicht schlimm. Aber weißt du, was schlimm ist? Dass du jetzt den ganzen Code nochmal schreiben musst."
Das Lächeln war so freundlich, dass ich mich fast entschuldigte.

Uzui-sensei – Der Pyromane

Uzui-sensei war unser Physik- und Kunstlehrer. Und wenn man eines über ihn sagen konnte, dann dass er alles explodieren ließ. Es war unmöglich, in seinem Unterricht keine Angst um seine Augenbrauen zu haben.

„Kinder, heute lernen wir, wie man eine Rakete baut!" rief er begeistert.
„Oh nein, nein, nein", flüsterte Senjuro. „Ich will meine Hände behalten."
„Keine Sorge", sagte Uzui-sensei. „Ich habe nur zweimal etwas in die Luft gejagt!"
„Heute schon?" fragte ich skeptisch. Er lachte nur.

Himejima-sensei – Der Weise

Himejima-sensei war unser blinder Religionslehrer. Er war ruhig, freundlich und... hatte die Angewohnheit, im Unterricht plötzlich tiefgründige Fragen zu stellen, die niemand beantworten konnte.

„Was ist der Sinn des Lebens?" fragte er mitten in der Stunde.
„Äh... Essen?" murmelte ich unsicher.
„Interessant", sagte er und nickte. „Aber falsch."
„Oh, danke für nichts", murmelte ich leise.

Rengoku-sensei – Der Feurige

Und dann war da noch Rengoku-sensei, unser Geschichtelehrer. Senjuros großer Bruder war immer fröhlich, laut und... brachte Essen mit. Immer.

„GUTEN MORGEN!" rief er mit einem riesigen Grinsen. „Heute lernen wir über die Edo-Zeit! UND DANN ESSEN WIR SUSHI!"
„Ich liebe ihn", flüsterte ich zu Senjuro.
„Das ist mein Bruder", sagte Senjuro stolz.

So war also mein Alltag an dieser Schule. Ein bunter Haufen Lehrer, von denen jeder auf seine Weise ein bisschen verrückt war. Aber hey – das machte es spannend. Und irgendwie überlebte ich jeden Tag, auch wenn es manchmal nur knapp war.

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