Kapitel 5

Ich war gerade dabei, Sumire aus einem meiner alten Märchenbuch-Sammlung vorzulesen – und es war nicht einmal ein besonders gutes Märchen. Es war das über den Prinzen, der sich für einen Drachen hielt, aber niemand konnte den Unterschied erkennen, weil er halt auch so viel gefressen hatte. Ein wahrhaft spannendes Werk. Sumire schien es jedoch zu genießen, da sie mit ihren kleinen Händchen in die Luft griff, als würde sie sich jeden Satz einverleiben.

„Und dann kam der Prinz, der... sich zu einem Drachen verwandelte und... ach, was auch immer," murmelte ich, als plötzlich ein lautes Klopfen an meiner Tür ertönte.

Ich erstarrte. „Oh nein."

Das Klopfen wiederholte sich, dieses Mal lauter, fast schon drohend.

„Muichiro, hör auf, so zu tun, als hättest du nichts gehört. Öffne die Tür!"

Ich konnte den Ärger in Obanais Stimme förmlich spüren. Ich war mir sicher, er hatte von Mitsuri gehört, was ich ihm vorgeschlagen hatte, und jetzt war er nicht nur sauer, sondern auch richtig sauer.

Ich seufzte und blickte auf die kleine Sumire, die mich anstarrte, als würde sie jeden Moment ein episches Drama erwarten. Ich stand auf, setzte sie vorsichtig auf das Bett, um nicht wie ein Tollpatsch zu stolpern, und ging zur Tür.

„Muichiro, hör auf, dich zu verstecken! Du kannst nicht einfach durch das Fenster fliehen, wir sind im Erdgeschoss!" Obanai schrie von draußen, als hätte er meine Gedanken gelesen.

„Okay, vielleicht kann ich doch einfach... nein, das ist keine gute Idee. Ich würde mir vermutlich das Genick brechen."

Ich öffnete langsam die Tür. Obanai stand dort, mit einem ernsten Blick und verschränkten Armen, als wäre er der Wächter der letzten Instanz. Er hatte sein schärfstes Gesicht aufgesetzt, das Gesicht eines Vaters, der es nie zugeben würde, aber sehr wohl wusste, dass er nach dem ganzen Chaos mich eigentlich mit in den Arm nehmen wollte.

„Ich sollte dich jetzt tadeln, Muichiro", sagte er, während er mich ansah, als wäre ich der schlimmste Schüler, den er jemals in einem Klassenraum gesehen hatte. „Aber anstatt dich jetzt schon zu schimpfen, erkläre mir erstmal, was du dir dabei gedacht hast."

„W-Was... was denn?" Ich versuchte, die Unschuld in meiner Stimme so überzeugend wie möglich klingen zu lassen. Ich wusste, dass ich mich nicht rausreden konnte, aber hey, es war einen Versuch wert.

„Du weißt genau, was ich meine. Was hast du Mitsuri geraten? Und was hast du ihr gesagt?" Er verschränkte die Arme noch fester, und ich konnte sehen, wie seine Augen funkelten. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich entweder eine Ausrede brauchte, die wirklich fantastisch war, oder einfach die Wahrheit sagen sollte, weil er sowieso alles wusste.

„Nun, also... ich dachte nur, vielleicht sollte er einfach mal drinnen bleiben und... äh... nachdenken, du weißt schon?" Ich versuchte, cool zu wirken, während ich an der Wand lehnte und fast so tat, als ob ich diese Situation im Griff hätte.

Obanai starrte mich an, als würde er überlegen, ob er mich einfach so stehen lassen und weglaufen sollte, oder ob er jetzt wirklich einen „Ernst" aus mir machen sollte. „Wirklich? Du hast ihr also empfohlen, mich einzusperren? Ich dachte, wir hätten das mit dem 'verantwortungsvoll sein' schon besprochen."

„Ach komm schon, es ist doch nicht so schlimm. Du hast es wenigstens versucht mit der Haarnadel. Und hey, wenigstens hat's funktioniert!" Ich grinste und versuchte, ihn mit meinem besten unschuldigen Lächeln zu überlisten. Das war natürlich total unangebracht und wahrscheinlich eine der schlechtesten Ideen, die ich je hatte.

Obanai sah mich nur an, als wollte er mich in einen ganz anderen Raum schicken, in dem keine Rückkehr möglich war. „Weißt du was, Muichiro?"

„Hm?"

„Du bist ein verdammt frecher Kerl." Er seufzte laut, bevor er sich plötzlich zu mir herunterbeugte und mir eine Kopfnuss verpasste, die mich fast aus den Socken haute. „Aber... ich schätze, du hast wenigstens nicht den ganzen Tag nur Mist gebaut. Ich kann dich nicht allzu lange tadeln, weil ich weiß, dass du das trotzdem irgendwie auf die Reihe bekommst."

Ich rieb mir meinen Kopf und versuchte, nicht zu grinsen. „Danke?"

„Du wirst also nie aufhören, mich in den Wahnsinn zu treiben, was?" Obanai seufzte und trat einen Schritt zurück.

„Niemals", antwortete ich grinsend. „Es gehört schließlich zu meiner charmanten Persönlichkeit, dir auf die Nerven zu gehen."

„Was für ein Unglück", murmelte er, als er sich von mir abwandte, aber ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. „Pass das nächste Mal auf. Sonst sperre ich dich mal in den Schrank und lass dich über deine Lösungen nachdenken."

Ich nickte. „Verstanden. Ich verspreche, das nächste Mal nicht zu behaupten, du solltest eingesperrt werden."

„Gut", sagte er, und ich konnte sehen, dass er sich bei dem Gedanken, dass ich wirklich nicht aufhörte, lachen wollte. „Aber sei vorsichtig. Sonst muss ich wirklich mal handeln. Und du willst nicht wirklich erleben, wie ich handle."

Ich sah ihm nach, wie er aus dem Zimmer ging, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Sumire, die die ganze Zeit ruhig auf dem Bett gelegen hatte, griff plötzlich nach meinen Haaren. „Na toll", murmelte ich, „jetzt sind wir wieder hier."

Am nächsten Tag war ich endlich wieder auf den Beinen und bereit, mich mit meinem besten Freund Senjuro Rengoku zu treffen. Es war unser Ritual, uns regelmäßig zum Zocken zu verabreden, besonders wenn wir beide einen freien Nachmittag hatten. Wir waren mittlerweile ziemlich gut in den ganzen Action-Spielen, aber es war immer noch ein bisschen die Herausforderung, wer der bessere Spieler war. Und naja, Senjuro hatte oft die Nase vorn, aber das änderte sich bestimmt noch. Irgendwann.

Ich stand vor seinem Haus, klopfte an die Tür und hörte sofort die bekannte, fröhliche Stimme von Senjuro.

„Kommt rein! Die Spielkonsolen sind schon heiß!" rief er, als er die Tür aufmachte.

„Oh, das klingt nach einem tollen Plan", sagte ich grinsend und trat ein. „Ich hoffe, du hast diesmal nicht wieder das ganze Essen aufgegessen, bevor ich ankomme."

Senjuro lachte und zeigte auf den Tisch, der voll von Snacks und Getränken war. „Diesmal habe ich vorgesorgt. Kein Keks wurde verschlungen, bevor du hier warst. Also, was wollen wir spielen?"

Ich setzte mich auf das Sofa und schaltete die Konsole an. „Lass uns mal was Neues ausprobieren. Irgendwas, das uns beide herausfordert. Ich bin bereit, meinen Titel als 'der beste Spieler' zu verteidigen."

„Oh, du willst also wieder herausgefordert werden, was? Na gut, ich habe das perfekte Spiel für uns. Aber sei gewarnt, ich bin unschlagbar." Senjuro grinste selbstbewusst und holte ein neues Kampfspiel aus einem Regal.

„Warte mal, das ist doch dieses Spiel, bei dem die Charaktere so übertrieben starke Angriffe haben, dass die ganze Umgebung zerbricht, oder?" Ich musste laut lachen, als ich das Cover des Spiels betrachtete. „Das ist total verrückt!"

„Ja, genau! Und du wirst es bereuen, dir das Spiel ausgesucht zu haben", sagte Senjuro und setzte sich neben mich, um den Controller zu nehmen. „Bist du bereit, zu verlieren?"

„Ich verliere nie", erwiderte ich, während ich mich bequem zurücklehnte und den Controller in die Hand nahm. „Vorbereitet sein ist alles."

Die ersten paar Runden verliefen so, wie man es von uns erwartete: eine Mischung aus Wahnsinn und absoluter Zerstörung. Senjuro hatte einen so schnellen Reflex, dass ich manchmal nicht einmal verstand, wie er mich in einem einzigen Angriff besiegen konnte.

„Du bist echt gut, Senjuro! Aber noch habe ich nicht aufgegeben", sagte ich, als er mich mit einem brutalen Kombinationsangriff zu Boden schickte.

„Natürlich! Ich bin der Sohn des Feuergottes Rengoku!", sagte er lachend und stellte sich aufrecht hin, als hätte er gerade einen epischen Sieg errungen.

„Hör mal, du bist echt nicht schlecht für jemanden, der gerade mal einen halben Kopf größer ist als ich", neckte ich ihn und versuchte, ihm ein paar der Tricks abzujagen.

„Halb größer? Ich werde bald einen ganzen Kopf größer sein, warte ab! Aber gut, ich gebe dir noch eine Chance. Ich schätze, du hast Glück, dass ich nicht gleich aufhöre." Senjuro grinste, als er mich herausforderte.

Wir verbrachten Stunden damit, das Spiel zu zocken, uns gegenseitig zu überlisten und zu ärgern, bis wir beide völlig erschöpft waren. Zwischen den Pausen gönnten wir uns ein paar Snacks und redeten über alles mögliche – von der Schule bis hin zu unseren verrücktesten Erlebnissen.

„Ich kann es kaum erwarten, im zweiten Jahrgang der Oberschule zu sein", sagte Senjuro, während er ein Stück Pizza in den Mund schob. „Es wird so viel mehr Spaß machen, da haben wir dann richtig was zu tun."

„Ja, das stimmt. Ich meine, es gibt so viel zu lernen und... ich hoffe, wir bekommen nicht noch mehr Hausaufgaben wie im ersten Jahr", antwortete ich und kippte eine Cola in mein Glas.

„Ach was, Hausaufgaben sind doch nebensächlich! Hauptsache, wir können weiter zocken!", sagte Senjuro und spielte weiter an der Konsole. „Du solltest wirklich mehr üben, wenn du mich irgendwann schlagen willst. Sonst bleibst du immer der ewige Verlierer."

„Du wirst sehen! Ich gebe nicht auf!", erwiderte ich kämpferisch. „Ich werde mich steigern, bis ich dich irgendwann richtig fertig mache!"

„Ja, ja, das hast du schon letztes Mal gesagt", grinste Senjuro. „Ich freu mich schon darauf, wenn du es ernst meinst. Aber bis dahin bleibt das hier meine Arena!"

Und so vergingen die Stunden, mit viel Gelächter, Rivalität und dieser besonderen Freundschaft, die nur wahre Spielgefährten hatten. Am Ende des Tages war ich zwar immer noch der ewige Verlierer, aber das war okay. Denn wir waren gemeinsam am Zocken, und das war mehr wert als jeder einzelne Sieg.

Gerade als ich dabei war, Senjuro bei einem der epischsten Kämpfe in der Geschichte der Zockerei zu besiegen – ich hatte schon die letzte Lebensanzeige seines Charakters auf null – drehte sich die Tür auf und Senjuros Mutter, Ruka Rengoku, trat ein. Sie hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, aber ihre Augen verrieten eine gewisse Entschlossenheit, die uns beiden sofort klar machte, dass unser Spiel jetzt ein Ende hatte.

„Jungs, ich hab' euch doch gesagt, dass das Essen fertig ist", sagte sie und ging mit einem amüsierten Blick auf uns zu, als sie das Spiel aus Senjuros Konsole zog und den Strom ausschaltete. „Essen ist fertig. Keine Ausreden."

„Komm schon, Mom! Ich war fast am gewinnen!" Senjuro stöhnte, aber ich konnte das Grinsen auf seinem Gesicht sehen, das er nicht ganz verbergen konnte. „Wirst du uns nicht noch fünf Minuten lassen? Ich habe das Match fast gewonnen, ehrlich!"

Ruka verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. „Fünf Minuten? Ihr seid schon den ganzen Nachmittag damit beschäftigt! Ich glaube nicht, dass du Muichiro hier als Gegner in den Boden stampfen kannst, wenn du jetzt nicht eine Pause machst."

Ich starrte sie an, völlig verwirrt. „Moment mal, hast du gesehen, wie nah ich dran war, ihm zu gewinnen? Nur weil du das Spiel jetzt abgedreht hast, bedeutet das nicht, dass er gewonnen hat!"

Senjuro lachte leise. „Ja, hat sie uns erwischt. Aber... du weißt doch, wie sie ist. Immer mit Timing."

„Echt nicht fair!", sagte ich und setzte ein kindisches Gesicht auf, während ich den Controller wieder in meine Hand nahm und zu Senjuro sah. „Nächstes Mal, Senjuro, nächstes Mal!"

„Tja, du musst dich mit der Realität abfinden, Muichiro. Meine Mom hat das letzte Wort", sagte Senjuro und grinste verschmitzt.

„Das klingt fast so, als würde sie das sagen, was wir alle wissen: Du bist noch lange nicht so gut wie sie!", meinte ich lachend und stand auf.

„Genau", sagte Ruka mit einem zwinkernden Lächeln. „Aber bevor du dich über das Spiel aufregst, erinnere dich daran, dass du mir noch geholfen hast, das Essen zu decken!"

Ich verdrehte die Augen. „Klar, ich helfe immer bei allem, was mit Essen zu tun hat." Dabei grinste ich und folgte ihr in die Küche.

Als wir am Esstisch saßen, fiel mir auf, dass Ruka, Senjuros Mutter, wirklich schwanger war. Sie hatte einen kleinen Babybauch, der immer noch sichtbar war, aber ich wusste, dass sie noch einige Monate bis zur Geburt hatte. Senjuro hatte mir davon erzählt, und obwohl wir beide immer in die Schule und bei unseren eigenen Sachen vertieft waren, freuten wir uns beide, dass es bald ein neues Mitglied in ihrer Familie geben würde.

„Ich hoffe, du hilfst uns, wenn das Baby da ist, Muichiro", sagte Ruka, als sie den Reis auf den Tisch stellte. „Senjuro ist zwar sehr hilfsbereit, aber ab und zu braucht man eine andere Person zum Reden."

„Natürlich, Ruka-san! Ich kann definitiv helfen", antwortete ich schnell und machte einen übertriebenen Bücker, um zu zeigen, wie bereit ich war, zu helfen. „Ich bin ein Profi, wenn es um Babys geht. Ich meine, ich bin schon bei Sumire super gewesen!"

Senjuro verdrehte die Augen. „Oh nein, Muichiro, nicht schon wieder das mit Sumire... Du hast mehr Haare verloren, als du für sie gewonnen hast!"

„Das war einmal, und ich habe es überlebt", sagte ich mit einem versuchten Lächeln. „Ich bin jetzt viel besser mit Kindern. Glaub mir, es wird ein Kinderspiel!"

„Gut, dass du das sagst", meinte Senjuro, während er in seinen Reis starrte. „Denn Kyojuro würde uns wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben, wenn er hier wäre."

Ich lachte. „Apropos Kyojuro! Wie ist es eigentlich mit deinem großen Bruder, dem großen Geschichtslehrer?"

„Tja, Kyojuro ist wie immer – zu beschäftigt mit seinen Schülern und seiner Lehrerrolle", sagte Senjuro mit einem Stirnrunzeln. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass er mehr Zeit mit seinen Schülern verbringt als mit uns!"

„Kyojuro ist ein guter Lehrer, das kann man nicht leugnen", sagte Ruka mit einem Lächeln. „Er hat so viel Leidenschaft für die Geschichte, dass er es kaum erwarten kann, seinen Schülern alles zu erzählen. Aber ja, er ist auch ein bisschen... naja, überarbeitet."

„Aber trotzdem ein super Bruder, oder?", fragte ich und grinste Senjuro an. „Ich meine, wenn er nicht gerade das Klassenzimmer einnimmt, ist er ein echt netter Kerl."

„Ja, das stimmt", sagte Senjuro und warf mir einen erleichterten Blick zu. „Und ein super Bruder, der uns immer in den Wahnsinn treiben kann."

„Nun, es geht ja nicht immer darum, wie ruhig es ist", sagte Ruka und sah uns alle an. „Aber wir bekommen schon alles hin. Und das Wichtigste ist, dass wir uns immer unterstützen, auch wenn es schwierig wird."

„Genau", sagte ich mit einem Nicken und schaufelte mir noch mehr Reis auf den Teller. „Wir sind doch alle eine große Familie."

Wir verbrachten noch eine Weile miteinander am Tisch, redeten und lachten, und ich fühlte mich irgendwie wohler als je zuvor. Es war nicht nur das Essen oder das Spiel, es war die Tatsache, dass wir uns gegenseitig unterstützten, egal was kam. Und das wusste ich – egal was die Zukunft brachte, ich würde diese Familie nie im Stich lassen.

Der Abend war gekommen, und Obanai holte mich wie immer ab. Aber heute schien er besonders in Eile zu sein. Als ich das Auto sah, wusste ich sofort, dass ich heute wahrscheinlich den größten Adrenalinkick meines Lebens bekommen würde – und zwar nicht aus den besten Gründen.

„Hopp, hopp, Muichiro, steig ein!", rief Obanai schon aus dem Fenster. „Wir müssen zurück, bevor die Nacht uns überholt."

„Du hast wohl wieder zu viel Kaffee getrunken, oder?" rief ich zurück, als ich mich ins Auto schwang. „Ich meine, du fährst ja wie ein Formel-1-Fahrer!"

„Halt die Klappe und schnall dich an, oder du landest gleich wieder auf dem Vordersitz!", grinste er nur und trat auf das Gas.

Wir fuhren mit einer Geschwindigkeit, bei der ich mir sicher war, dass er irgendeinen unsichtbaren Turbo in seinem Auto versteckt hatte. Die Straßen flogen nur so an uns vorbei, und ich konnte nicht anders, als mich an den Sitz zu klammern, als ob mein Leben davon abhinge – was es irgendwie auch tat.

„Obanai! Kannst du nicht langsamer fahren?" rief ich aus, während ich versuchte, nicht gegen die Tür zu prallen, als er wieder in eine Kurve zog.

„Komm schon, Muichiro, du bist doch ein Kerl, das bisschen Schütteln hält dich doch nicht auf, oder?" Obanai grinste weiter, während er mit einer Mischung aus Geschwindigkeit und Selbstüberschätzung durch die Straßen raste. „Du bist doch schon fast ein Profi im Überleben. Glaub mir, es wird gleich richtig spaßig."

„Ich hoffe, das ist ein Scherz, sonst lande ich noch im Krankenhaus!"

Plötzlich, ohne Vorwarnung, trat Obanai auf die Bremse. Es war, als ob der Boden unter uns plötzlich explodierte. Das Auto blieb ruckartig stehen, und der Gurt schnallte mich mit voller Wucht gegen den Vordersitz.

„AUA!", schrie ich und hielt mir die Nase. Der Schmerz war höllisch. „Verdammt, Obanai! Was hast du denn jetzt gemacht?"

„Was? Du bist doch noch am Leben, oder? Was regst du dich so auf?" Obanai schüttelte nur den Kopf, als ob nichts passiert wäre, und blickte mich dann besorgt an. „Du hast wirklich Nasenbluten. Warte, ich helf dir."

„Kein Bedarf!", fauchte ich, während ich hektisch ein Taschentuch aus meiner Tasche zog und es an meine blutende Nase hielt. „Du und deine Fahrweise! Das war wie ein Achterbahnride, nur ohne die Sicherheitsvorkehrungen!"

„Naja, du bist doch immerhin wach geblieben", sagte Obanai mit einem schiefen Lächeln und stieg aus dem Auto. „Komm, wir sind fast zu Hause. Du wirst schon überleben."

Ich starrte ihn an und schüttelte den Kopf. „Du hast ein seltsames Verständnis von Leben und Tod, weißt du das?"

„Oh, das kommt von all den Jahren, in denen ich als Söldner gearbeitet habe. Keine Sorge, du bist noch jung, du überstehst das."

Wir stiegen aus dem Auto, und ich versuchte, mich wieder zu sammeln. Auch wenn Obanai und seine Fahrweise mich jedes Mal an den Rand des Wahnsinns trieben, wusste ich, dass ich ihm irgendwie vertrauen konnte. Schließlich war er ja nicht ganz unzuverlässig – nur extrem chaotisch.

„Und wo zum Teufel hast du eigentlich deinen Führerschein gemacht?", fragte ich noch, während wir Richtung Haus gingen. „Bei einem Rennfahrer oder einem Psychopathen?"

„Ich hab' ihn aus dem Kiosk neben dem Supermarkt geholt. Der Typ hatte einen echten tollen Deal", antwortete Obanai, während er uns vor das Haus führte. „Es ist nicht so, dass er uns wirklich in Gefahr gebracht hat. Du hast das nur ein bisschen übertrieben."

„Ach, klar, ein bisschen übertrieben", murmelte ich und hielt mir weiter die Nase, während ich versuchte, den Schmerz zu ignorieren. „Ich wette, ich werde nie wieder eine normale Fahrt erleben, wenn du dabei bist."

Obanai lachte und öffnete die Tür. „Willkommen zu Hause, Muichiro. Freu dich schon mal auf die nächste Fahrt. Es könnte eine 'sichere' Fahrt werden. Vielleicht."

„Ich bin raus, wenn du je wieder so fährst", sagte ich, als ich die Tür hinter mir ins Schloss fiel. „Und das nächste Mal bringe ich ein Helm mit."

„Das ist die richtige Einstellung", rief er noch hinter mir. „Wirst sehen, du gewöhnt dich dran. Und übrigens: Mitsuri will, dass du morgen früh mit uns zum Frühstück kommst. Also ausruhen und dann gib' Gas!"

Ich stöhnte und ging die Treppe hoch. Das war Obanai – immer mit einem Fuß auf dem Gaspedal, sowohl im Auto als auch im Leben. Aber irgendwie wusste ich, dass er es gut mit mir meinte, auch wenn er ab und zu wie ein Wirbelwind durch mein Leben fegte.

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