Kapitel 22

Nachdem Genya die Rechnung beglichen hatte, führte er mich aus dem Kaffeehaus hinaus in die klare Luft des Nachmittags. Der Himmel war in ein sanftes Blau getaucht, und die Sonne schien warm auf unsere Gesichter. Wir schlenderten durch die Straßen, bis wir einen kleinen Park erreichten, der von Bäumen umrahmt war. Es war ruhig hier, und nur das gelegentliche Lachen von Kindern oder das Zwitschern der Vögel störte die Stille.

Genya zog mich zu einer Bank unter einem großen Ahornbaum. Ohne Vorwarnung hob er mich hoch und setzte mich auf seinen Schoß. „Bleib hier, okay?" sagte er leise, während er mir mit seinen starken Armen Halt gab.

„Genya!" rief ich erschrocken und warf ihm einen protestierenden Blick zu. „Das ist doch peinlich! Was, wenn uns jemand sieht?"

„Sollen sie doch," entgegnete er mit einem schelmischen Grinsen. „Ich bin hier, um dich zu verwöhnen, und das lasse ich mir nicht nehmen."

Ich seufzte, konnte aber nicht verhindern, dass ein kleines Lächeln auf meinen Lippen erschien. „Du bist unmöglich," murmelte ich, während ich mich an ihn lehnte.

Genya legte seine Hände sanft auf meine Schultern und begann, mir durch das Haar zu streichen. „Dein Haar ist so weich," sagte er, fast ehrfürchtig. „Ich liebe es, wie es sich anfühlt."

„Jetzt hör auf," sagte ich verlegen, aber ich machte keine Anstalten, mich von ihm wegzubewegen. Es fühlte sich viel zu gut an.

„Weißt du, Muichiro," begann Genya nach einer Weile, seine Stimme wurde ernster. „Ich habe in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn du hier bei mir bleiben könntest. Nicht nur für zwei Wochen, sondern... länger."

Ich blickte überrascht auf. „Länger? Aber... meine Schule, meine Familie..."

„Ich weiß," sagte er und zog mich näher an sich. „Aber ich vermisse dich jedes Mal so sehr, wenn wir uns verabschieden müssen. Es fühlt sich an, als würde ein Teil von mir fehlen."

Seine Worte trafen mich mitten ins Herz, und ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. „Genya," flüsterte ich, während ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Ich vermisse dich auch. Aber ich weiß nicht, wie das funktionieren soll."

„Wir finden einen Weg," sagte er entschlossen und hob mein Kinn, damit ich ihn ansehen musste. „Egal was passiert, ich will, dass du glücklich bist. Und ich will an deiner Seite sein, egal wo."

Ich konnte nichts sagen. Stattdessen schlang ich meine Arme um ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Schulter. Wir blieben so eine Weile sitzen, während die Sonne langsam hinter den Bäumen unterging und den Park in goldenes Licht tauchte.

„Du bist so stur," murmelte ich schließlich und versuchte, ein Lächeln zurückzuhalten.

„Nur, wenn es um dich geht," antwortete er mit einem warmen Lachen. „Nur, wenn es um dich geht."

Die Zeit verging viel zu schnell, und ehe ich mich versah, stand ich wieder am Flughafen, bereit, zurück nach Japan zu fliegen. Mein Herz war schwer, und die Realität, dass ich Genya wieder verlassen musste, fühlte sich wie ein Schlag in die Magengrube an.

„Ich will nicht gehen," murmelte ich, während ich mich an ihn klammerte. Meine Finger krallten sich in sein Shirt, und ich hob den Blick zu ihm. „Kann ich nicht einfach bleiben?"

Genya lächelte traurig und strich mir über die Wange. „Ich wünschte, du könntest, Muichiro," sagte er leise. „Aber du musst zurück. Deine Familie wartet auf dich, und du hast dort deine Verpflichtungen."

„Ich hasse Verpflichtungen," murrte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Genya zog mich enger an sich, seine Stirn berührte meine. „Ich auch. Aber wir schaffen das, okay? Es sind nur ein paar Monate, und dann sehen wir uns wieder. Ich verspreche dir, ich werde so oft wie möglich schreiben und anrufen."

„Das sagst du jetzt," erwiderte ich, meine Augen brannten von den unterdrückten Tränen. „Aber du wirst beschäftigt sein, und ich auch. Was, wenn du mich vergisst?"

Genya lachte leise und küsste mich auf die Stirn. „Vergessen? Dich? Niemals. Du bist in meinem Herzen, Muichiro. Egal, wie weit wir voneinander entfernt sind, du bist immer bei mir."

Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Ich hasse dich," sagte ich, meine Stimme brüchig, während ich ihn erneut umarmte.

„Das sagst du jetzt," antwortete er mit einem Schmunzeln, bevor er mich noch einmal fest an sich drückte.

Die Durchsage für meinen Flug ertönte, und ich wusste, dass ich gehen musste. Ich zog mich widerwillig von ihm zurück, meine Hände zitterten, als ich meinen Rucksack aufnahm. „Ich komme zurück," sagte ich entschlossen, meine Augen suchten seine.

„Das weiß ich," antwortete er und griff nach meiner Hand, um sie kurz zu drücken. „Und ich werde hier sein, wenn du es tust."

Ich nickte und ging langsam in Richtung der Sicherheitskontrolle. Doch bevor ich durchging, drehte ich mich noch einmal um. „Ich liebe dich, Genya!" rief ich, meine Stimme zitterte, aber ich wollte, dass er es hörte.

Sein Gesicht wurde weich, und er hob die Hand zum Abschied. „Ich liebe dich auch, Muichiro. Flieg sicher."

Mit einem schweren Herzen ging ich durch die Sicherheitskontrolle und ließ ihn hinter mir. Der Gedanke, ihn bald wiederzusehen, war der einzige Trost, der mich davon abhielt, umzukehren. Doch während das Flugzeug abhob, schaute ich aus dem Fenster und versprach mir selbst, dass ich alles tun würde, um so schnell wie möglich zu ihm zurückzukehren.

Ich versuchte, mich auf das Englischbuch vor mir zu konzentrieren, aber die Augen des seltsamen Mannes brannten förmlich auf mir. Ich rutschte unruhig auf meinem Sitz hin und her, bevor ich mein Handy zückte und schnell eine Nachricht an Obanai schrieb:

Ich: Kannst du mich bitte direkt vom Flughafen abholen? Da ist ein Typ im Flugzeug, der mich komisch anstarrt.

Es dauerte keine Minute, bis seine Antwort kam:

Obanai: Ist alles okay? Was meinst du mit 'komisch'? Beschreib ihn mir.

Ich warf einen unauffälligen Blick zu dem Mann, der ein paar Reihen vor mir saß. Er war mittelgroß, hatte eine abgenutzte Lederjacke an und seine Haare waren zerzaust. Doch das, was mich am meisten störte, war sein intensiver Blick.

Ich: Er trägt eine braune Lederjacke und hat schwarzes, ungepflegtes Haar. Er schaut die ganze Zeit in meine Richtung. Es macht mir Angst.

Obanai: Bleib ruhig. Wenn er dir zu nahe kommt, such dir eine Flugbegleiterin. Ich bin pünktlich da und pass auf dich auf.

Ich fühlte mich etwas sicherer, nachdem ich mit Obanai gesprochen hatte, aber der seltsame Mann hörte nicht auf, mich anzusehen. Er schien fast so, als würde er versuchen, jede meiner Bewegungen zu analysieren. Ich legte mein Buch weg und versuchte, mich schlafen zu legen, aber es war unmöglich, während ich mich so beobachtet fühlte.

Kurz vor der Landung bemerkte ich, wie der Mann aufstand und etwas in seinem Rucksack suchte. Mein Herz raste. War ich übervorsichtig, oder war da wirklich etwas faul? Ich griff instinktiv nach meiner Wasserflasche, um sie als mögliche Waffe bereitzuhalten, sollte er mir zu nahe kommen.

Als wir schließlich landeten, stand ich schnell auf, um dem Gedränge zu entkommen. Doch kaum hatte ich die Kabine verlassen, bemerkte ich, dass der Mann mir folgte. Ich schluckte hart und beschleunigte meine Schritte.

Draußen im Ankunftsbereich sah ich sofort Obanai, der mit verschränkten Armen und einem ernsten Gesichtsausdruck wartete. Ich lief direkt auf ihn zu.

„Muichiro!" rief er und kam mir entgegen. Er packte mich fest an den Schultern und musterte mich aufmerksam. „Was ist los? Wer ist der Typ?"

Ich deutete unauffällig auf den Mann, der einige Meter hinter mir stand und so tat, als würde er auf jemanden warten. „Er... Er ist mir gefolgt. Schon im Flugzeug hat er mich die ganze Zeit angestarrt."

Obanai kniff die Augen zusammen. „Bleib hier."

Er ging direkt auf den Mann zu, seine Haltung einschüchternd. Ich konnte nicht hören, was er sagte, aber der Typ wurde plötzlich blass und wich zurück, bevor er sich umdrehte und schnell verschwand.

Als Obanai zurückkam, knurrte er leise: „Der Typ ist ein Spinner. Hat versucht, sich rauszureden, aber ich habe ihm klargemacht, dass er dich in Ruhe lassen soll."

Ich atmete erleichtert aus. „Danke, Obanai. Es war wirklich gruselig."

„Das war mehr als gruselig," murmelte er, bevor er mich in eine beschützende Umarmung zog. „Sag mir sofort Bescheid, wenn sowas nochmal passiert. Verstanden?"

„Ja, versprochen," antwortete ich leise, froh, wieder sicher zu sein.

Er griff nach meinem Koffer und führte mich in Richtung seines Autos. „Und jetzt komm. Mitsuri hat Ramen gemacht, und du wirst alles essen. Keine Ausreden."

Ich lächelte schwach, dankbar, dass ich nicht allein war.

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