Kapitel 18

Der Geruch von gebratenem Reis stieg mir in die Nase, als ich den Raum betrat. Obanai, Mitsuri und Sumire saßen bereits am Tisch und aßen, doch ich spürte sofort die Blicke, die auf mir lasteten. Obanai hob seinen Kopf, als ich die Tür hinter mir schloss, und seine Augen verengten sich misstrauisch.

„Wo warst du?", fragte er, seine Stimme ruhig, aber dennoch scharf.

Ich seufzte tief und setzte mich langsam an den Tisch. „Ich musste nachsitzen", sagte ich leise. Es war das einfachste, was ich sagen konnte, ohne weiter auf den Vorfall mit Tomioka-sensei einzugehen.

Doch Obanai war nicht zufrieden mit der Antwort. „Nachsitzen?", wiederholte er, und seine Miene verfinsterte sich. „Du kannst dir deine Ausreden sparen. Komm her."

Er stand auf, kam zu mir und packte mich plötzlich an den Haaren. „Du weißt, wie du dich hier zu benehmen hast. Wenn du Mist baust, dann wirst du dafür bestraft. Los, steh auf!"

Ich stöhnte innerlich auf, doch ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich zu wehren. Als er mich an den Haaren zog, merkte ich, wie ein schmerzhaftes Ziehen meinen Kopf in die Höhe zwang, während ich versuchte, mich so wenig wie möglich zu wehren.

„Obanai, hör auf!", rief Mitsuri sofort aus und sprang auf, um uns zu trennen. „Du wirst noch Sumire aufwecken, wenn du weiter so laut bist! Sie hat endlich geschlafen!" Ihre Stimme klang besorgt, aber auch genervt.

Obanai ließ sofort von mir ab, und ich rieb mir schmerzhaft den Kopf, während ich wieder auf den Stuhl sank. Mitsuri setzte sich wieder und seufzte laut.

„Du musst wirklich etwas vorsichtiger sein", sagte sie mit einem Stirnrunzeln, aber in ihrem Tonfall war kein Vorwurf, nur eine müde Ermahnung. „Du willst doch nicht, dass sie die ganze Nacht weint, oder?"

„Es tut mir leid", murmelte ich, etwas kleinlaut. Es war nie einfach, in diesem Haushalt ruhig zu sein, besonders mit Obanai, der keinerlei Toleranz für solche „Fehler" hatte.

Obanai sagte nichts mehr, setzte sich aber wieder und fing an, weiter zu essen. Die Stille war fast greifbar, bis ich zögernd meine Tasche öffnete und das Flugticket von Genya herausnahm. Ich legte es vorsichtig auf den Tisch.

„Genya hat mir das geschickt", sagte ich leise. „Er hat mir ein Flugticket nach Amerika gegeben. Er möchte, dass ich ihn besuche."

Mitsuris Augen leuchteten auf, und sie griff sofort nach dem Ticket. „Das ist ja fantastisch, Muichiro! Du solltest auf jeden Fall hinfliegen! Du hast es dir verdient!" Sie sah mich mit einem strahlenden Lächeln an.

Doch Obanai war weniger begeistert. Er zog eine Augenbraue hoch und nahm einen weiteren Bissen von seinem Reis, bevor er schließlich in einem schroffen Ton sagte: „Wenn du die Englisch-Prüfung bestehst, dann darfst du hinfliegen. Aber nur dann. Die Prüfung ist morgen, oder?"

Ich fühlte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. „Morgen?", wiederholte ich ungläubig, und meine Stimme zitterte leicht. „Die Englisch-Prüfung ist morgen?!"

Obanai nickte kurz und zog dabei einen weiteren Bissen Reis in den Mund. „Ja. Wenn du die Prüfung bestehst, dann darfst du nach Amerika. Es sollte dir keine Schwierigkeiten bereiten, oder?"

Ich starrte auf mein Essen und konnte kaum noch etwas schlucken. „Ich... ich wusste nicht, dass die Prüfung so bald ist", murmelte ich.

„Das weißt du jetzt", sagte Obanai trocken. „Und du wirst dich anstrengen müssen, wenn du wirklich fliegen willst. Genya hat dir das Ticket geschickt, aber du musst zeigen, dass du es auch verdienst."

Ich nickte nur stumm. Ich konnte es kaum fassen, dass die Prüfung so plötzlich vor der Tür stand. Morgen würde alles auf dem Spiel stehen. Das Ticket war ein Traum, aber ohne die bestandene Prüfung würde es bedeutungslos sein.

Mitsuri warf mir einen ermutigenden Blick zu. „Ich bin sicher, du schaffst das! Du bist immer so klug, Muichiro. Denk einfach daran, was du alles geschafft hast, und konzentrier dich. Wir glauben an dich!"

Ich schenkte ihr ein schwaches Lächeln, aber meine Gedanken waren wirbelnd. Morgen würde über alles entscheiden.

Am nächsten Tag war der ganze Klassenraum in gespannter Stille. Es war Prüfungstag, und jeder von uns hatte sich bis zur letzten Minute auf die Englischprüfung vorbereitet. Selbst die Schüler, die normalerweise wenig Interesse an der Sprache zeigten, versuchten sich durch den Stoff zu quälen. Jeder wusste, wie wichtig dieser Test war. Für mich war es nicht nur eine Prüfung, sondern ein Schritt in eine neue Welt, nach Amerika zu Genya zu fliegen. Ich konnte den Gedanken kaum fassen, und doch war da diese nagende Angst, dass ich es nicht schaffen könnte.

Es war nicht zu leugnen: Ich hatte die ganze Woche durchgearbeitet und in jeder freien Minute, in der ich nicht in der Schule war, in den Büchern geblättert. Und trotzdem fühlte sich alles wie ein einziges Durcheinander an. Meine Hand ballte sich unwillkürlich, als ich auf das Papier starrte, das vor mir lag.

Vor der Prüfung hatte Shinazugawa-sensei uns – als kleine Gunst gegenüber Genya, denke ich – erlaubt, in seiner Mathematikstunde zu lernen. Ich hatte bei ihm angefleht, da meine Mathekenntnisse auch nicht die besten waren, und er hatte mit einem tiefen Seufzen nachgegeben. „Genya hat mir gesagt, dass du ein bisschen Hilfe brauchst", hatte er gesagt. „Aber das ist das letzte Mal, dass ich so etwas tue. Verstehst du?"

Natürlich wusste ich, dass es wegen Genya war, dass er mir den Gefallen tat, aber ich hatte trotzdem kein Problem damit. Er wollte wohl nicht, dass ich mich bei Genya ausheulte, was mir irgendwie ein wenig zu denken gab. Aber das war nicht der Moment, um nachzudenken.

Jetzt, während ich in der Prüfung saß, fühlte ich mich wie ein Stück Papier, das von einem Windstoß hin und her geweht wurde. Ich hatte keine Ahnung, was ich auf vielen Fragen antworten sollte. Die Zeit verging so schnell, und ich hatte gerade mal die erste Seite geschafft. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Die anderen schrieben eifrig weiter, aber ich fühlte mich, als wäre ich der einzige, der in dieser Prüfung versagte. Ich hatte noch immer keine Ahnung, was ich bei einigen Aufgaben tun sollte. Meine Finger ballten sich wieder und wieder, doch als ich auf die Uhr blickte, wurde mir schlecht.

„Nur noch eine Stunde", verkündete Iguro-sensei plötzlich, während er mit einem prüfenden Blick durch den Raum ging.

„Eine Stunde!", wiederholte ich gedankenverloren, mein Herz schlug in meiner Brust wie ein Trommelschlag. Ich hatte noch nicht einmal die Hälfte der Aufgaben geschafft! Wie sollte ich das in einer Stunde noch hinbekommen?

Die Panik stieg in mir auf, als ich die Stoppuhr auf meinem Tisch bemerkte, die ihre Minuten und Sekunden unerbittlich zählte. Ich spürte, wie meine Gedanken zu wirbeln begannen. Die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen. Ich war so blass, dass ich mir sicher war, dass meine Haut fast durchsichtig war. Ich atmete flach, versuchte, mich zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. Meine Hände zitterten, als ich versuchte, die Antwort auf eine Frage zu schreiben, die ich absolut nicht verstand.

„Muichiro, konzentrier dich!", flüsterte Senjuro plötzlich von der Seite, während er einen Blick auf mein Blatt warf. „Du schaffst das."

Seine Stimme brachte mich ein wenig zurück in die Realität, doch ich konnte immer noch nicht richtig atmen. Ich blickte auf die Uhr und starrte dann wieder auf das Blatt vor mir. Ich war mir so unsicher, dass ich fast weinen wollte.

Doch plötzlich hörte ich einen harten Schlag.

Ich zuckte zusammen und sah zu meiner Rechten, wo Iguro-sensei mit seinem langen, schmalen Schlagstock durch den Raum schlich. Er war wie ein Schatten, seine Schritte lautlos, aber der Schlagstock in seiner Hand blitzte gefährlich. Die anderen Schüler zuckten zusammen, als er langsam auf einen der Schüler zuging, der eindeutig versuchte zu schummeln.

„Lass mich das mal sehen", sagte Iguro-sensei mit einem kalt glitzernden Blick. Der Schüler vor ihm schluckte und zeigte zögerlich auf sein Blatt. Doch bevor er etwas sagen konnte, holte Iguro-sensei aus und verpasste ihm mit einem harten Schlagstockhieb einen Schlag auf den Rücken.

Der Schülerin stöhnte und zog sich zurück, die Augen weit aufgerissen vor Schmerz und Angst. Iguro-sensei nickte nur und ging weiter. „Kein Schummeln", sagte er, seine Stimme so kalt wie Eis. „Ich will keine Überraschungen mehr."

Ich versuchte, meine Aufmerksamkeit wieder auf das Blatt vor mir zu richten, doch der Blick des Lehrers verfolgte mich. Ich konnte die Anspannung in der Luft spüren. Jeder wusste, dass Iguro-sensei den Schlagstock bei den kleinsten Fehlern einsetzte, und ich fühlte die drohende Gefahr, dass er mich auch ins Visier nehmen könnte.

„Konzentrier dich, Muichiro", murmelte ich leise zu mir selbst. Ich wusste, dass ich alles tun musste, um zu bestehen. Für Genya. Und für mich selbst.

Als die Stunden vergingen und das Ende der Prüfung näher rückte, klopfte mein Herz immer schneller. Ich hatte zwar ein paar Antworten hinbekommen, aber ich konnte nicht anders, als zu glauben, dass es nicht ausreichen würde. Und doch kämpfte ich weiter, in der Hoffnung, dass ich irgendwie durchkam.

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