Kapitel 1

Der Tag verging wie in einem trüben Nebel. Ich lag im Bett, völlig in meine Gedanken versunken, unfähig, den Schmerz zu vertreiben. Obanai hatte mich schon mehrfach aus dem Bett geschmissen, doch immer wieder fand ich meinen Weg zurück unter die Decke, um mich in ihr zu verkriechen. Der leere Raum um mich herum war kaum auszuhalten. Der Abschied von Genya lastete auf mir wie ein unerträgliches Gewicht.

Es war spät am Nachmittag, als Obanai wieder ins Zimmer kam. „Muichiro, du kannst dich nicht ewig verstecken," sagte er mit einer Mischung aus Besorgnis und Zorn in seiner Stimme. „Du musst aufstehen und etwas tun. Es hilft dir nicht, dich den ganzen Tag in deinem Bett zu verkriechen."

Ich zog die Decke noch fester über meinen Kopf und drehte mich zur Wand. „Lass mich einfach in Ruhe," flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass er es hören konnte. „Ich kann nicht... ich kann nicht ohne ihn sein. Es tut so weh, Obanai."

Obanai seufzte schwer und setzte sich auf die Bettkante. „Ich verstehe, dass es schwer für dich ist," sagte er ruhig, seine Stimme jetzt viel sanfter. „Aber du darfst dich nicht selbst in diese Dunkelheit verlieren. Du weißt, dass er weg ist, aber das bedeutet nicht, dass du ihn nicht mehr spüren kannst. Du musst weiterleben, Muichiro. Für dich, für ihn."

„Aber ich kann nicht..." Meine Stimme brach, als ich mich mit den Händen über das Gesicht fuhr. „Ich vermisse ihn so sehr. Und er ist jetzt so weit weg. Was, wenn er mich vergisst? Was, wenn ich ihn verliere?"

„Du wirst ihn nicht verlieren," sagte Obanai, und ich konnte die Entschlossenheit in seinen Worten hören. „Genya wird immer ein Teil von dir bleiben. Und du ein Teil von ihm. Ihr seid verbunden, Muichiro. Die Entfernung wird nichts an dem ändern, was zwischen euch ist. Du musst lernen, mit der Zeit und der Entfernung umzugehen, auch wenn es weh tut. Du bist stärker, als du glaubst."

„Es tut einfach so weh," wiederholte ich, fast wie ein Mantra, während ich versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Doch sie fanden ihren Weg und liefen unaufhaltsam über mein Gesicht. „Ich wollte ihn nicht gehen lassen, Obanai. Es fühlt sich an, als wäre ein Teil von mir weggegangen, und ich weiß nicht, wie ich ohne ihn weitermachen soll."

„Ich weiß," sagte er leise, „aber du musst. Du bist nicht alleine. Und Genya wird immer zurückkommen. Er hat dir versprochen, dass er wiederkommt. Und du wirst auf ihn warten. Das ist alles, was du tun kannst, Muichiro. Auf ihn warten und für dich selbst stark sein."

Ich blieb still, während seine Worte in meinem Kopf hallten. Es war schwer, die Leere zu füllen, die Genya hinterlassen hatte. Aber ich wusste, dass Obanai recht hatte. Ich konnte nicht ewig in dieser Dunkelheit bleiben.

Schließlich seufzte ich und zog die Decke von meinem Kopf, nur um in Obanai's Gesicht zu sehen, das eine Mischung aus Besorgnis und Mitgefühl zeigte. „Ich werde es versuchen," sagte ich schwach. „Ich werde versuchen, weiterzumachen. Aber es wird nicht leicht."

„Es wird nie leicht sein," erwiderte Obanai mit einem leichten Lächeln, das versuchte, mich zu beruhigen. „Aber du musst es tun. Du bist stark, Muichiro. Du hast das in dir. Du wirst wieder aufstehen. Und Genya wird das wissen."

Ich nickte, auch wenn mein Herz immer noch schwer war. Obanai half mir auf, und als ich mich langsam aufsetzte, bemerkte ich das Armband, das Genya mir gegeben hatte, das immer noch fest in meiner Hand lag. Ich umschloss es mit meinen Fingern und schloss die Augen, um den Moment zu spüren, den wir geteilt hatten. Der Gedanke an ihn brachte immer noch Schmerzen, aber auch Trost. Es war nicht das Ende, wie er gesagt hatte.

„Okay," sagte ich schließlich, die Worte für mich selbst wiederholend. „Ich werde es versuchen."

Obanai nickte, stand auf und ging zur Tür. „Ich weiß, dass du es tun wirst. Du wirst nicht zulassen, dass der Schmerz dich besiegt."

Als er ging, saß ich allein in meinem Zimmer, aber ich fühlte mich ein kleines Stück weniger verloren. Es war ein Anfang. Ein kleiner Schritt, aber ein Schritt nach vorn. Und während ich das Armband weiter in meiner Hand hielt, wusste ich, dass ich Genya in meinem Herzen tragen würde, egal, wie weit er entfernt war.

Er würde immer ein Teil von mir bleiben, und ich würde auf ihn warten.

Obanai kam wieder in das Zimmer, als ich auf dem Bett saß und gedankenverloren das Armband in meinen Händen drehte. Seine Schritte waren leise, aber entschlossen, und als er vor mir stand, nahm er es mir behutsam aus den Fingern.

„Es ist Zeit, es zu tragen," sagte Obanai, und seine Stimme klang fester als gewöhnlich. „Du musst lernen, es zu schätzen, auch wenn es schmerzt. Dieses Armband ist mehr als nur ein Stück Stoff. Es ist ein Versprechen."

Ich nickte ohne ein Wort, und er beugte sich vor, um mir das Armband umzubinden. Seine Bewegungen waren ruhig und präzise, als er es sanft um mein Handgelenk schlang. Ich konnte den leichten Druck des Stoffes spüren, und es fühlte sich fast so an, als würde Genya mir etwas von seiner Nähe zurücklassen.

„Es erinnert dich an ihn," sagte Obanai, als er den Knoten zog und das Band festmachte. „Aber es erinnert dich auch daran, dass du nicht alleine bist. Du hast uns alle. Und vor allem: Du hast dich selbst."

Ich schaute auf das Armband, das nun sicher an meinem Handgelenk lag. Es war einfach, aber in seiner Schlichtheit lag eine tiefe Bedeutung. Es war ein Teil von Genya, ein Teil von ihm, der bei mir blieb. Ein Symbol für all das, was wir geteilt hatten. Für die Erinnerungen, die uns verbanden.

„Es tut immer noch so weh," flüsterte ich, während ich mit meinen Fingern über das Armband fuhr. „Aber vielleicht ist es besser so. Vielleicht hilft mir der Schmerz, ihn nicht zu vergessen. Es fühlt sich an, als würde mein Herz in tausend Stücke brechen, aber irgendwie weiß ich auch, dass ich nicht aufhören kann, an ihm zu denken."

„Der Schmerz wird irgendwann weniger werden," antwortete Obanai, als er sich neben mich setzte und seinen Blick auf das Armband richtete. „Aber er wird nie ganz verschwinden. Das ist okay. Es ist okay, zu trauern, Muichiro. Aber du musst auch weitergehen. Du musst stark sein. Für dich und für Genya. Er würde wollen, dass du nicht in der Vergangenheit lebst. Er würde wollen, dass du vorwärts gehst, auch wenn es schwer ist."

Ich senkte den Kopf und ließ meine Haare mein Gesicht verbergen, als die Tränen erneut aufstiegen. „Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll," murmelte ich, während meine Stimme zitterte. „Es fühlt sich an, als wäre er der einzige gewesen, der mich wirklich verstanden hat. Und jetzt... jetzt ist er so weit weg, und ich kann nichts tun, um ihn zu holen."

Obanai legte eine Hand auf meine Schulter, ein stilles Zeichen seiner Unterstützung. „Du kannst ihm nicht hinterherlaufen. Aber du kannst dein Leben weiterführen, mit allem, was du für ihn gelernt hast. Du kannst deine Erinnerungen an ihn bewahren, ohne dich von der Trauer überwältigen zu lassen. Das ist der Weg, den du jetzt gehen musst."

Ich atmete tief ein und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es war schwer, sich von dem Gedanken zu lösen, dass Genya irgendwo weit weg war, ohne dass ich ihn sehen konnte. Doch Obanai hatte recht. Genya hätte nicht gewollt, dass ich in der Vergangenheit hängen blieb.

„Wie soll ich nur weitermachen?" fragte ich, diesmal mehr zu mir selbst als zu Obanai.

„Einen Schritt nach dem anderen," antwortete er ruhig. „Fang klein an. Du musst nicht sofort alles auf einmal begreifen. Aber du wirst es schaffen, Muichiro. Ich bin hier, und du bist nicht allein. Wir sind alle für dich da."

Ich hob meinen Blick und sah in Obanai's Augen, die von einer ruhigen Entschlossenheit erfüllt waren. Ein Teil von mir wollte immer noch in die Dunkelheit fliehen, wollte einfach alles vergessen und den Schmerz abwehren. Aber ein anderer Teil wusste, dass er recht hatte. Ich musste weitergehen. Für Genya. Für mich.

„Danke, Obanai," sagte ich leise und spürte, wie sich etwas in mir regte – ein schwaches, aber bestimmtes Gefühl. „Ich werde es versuchen. Ich werde es schaffen."

Er nickte und stand langsam auf. „Ich weiß, dass du es tun wirst. Jetzt geh und kümmere dich um dich selbst. Und lass uns wissen, wenn du etwas brauchst. Wir sind alle für dich da, Muichiro."

Ich blieb noch eine Weile sitzen, den Blick auf das Armband gerichtet, das Genya mir gegeben hatte. Es war wie ein Band, das uns auch über die Entfernung hinweg miteinander verband. Und obwohl der Schmerz in meiner Brust immer noch pochend war, wusste ich, dass ich die Kraft hatte, weiterzumachen. Langsam, Schritt für Schritt.

„Ich werde warten, Genya," flüsterte ich schließlich in den Raum, als ob er mich hören könnte. „Ich werde immer auf dich warten."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top