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Das flimmernde Licht der Laterne erleuchtete das dicke Buch, welches auf meinen Knien ruhte, sowie die hohen Regale um mich herum.

Ich blinzelte müde, zwang mich allerdings, mich weiter auf die immer wieder verschwindenden Buchstaben zu konzentrieren.

Meine Fingerkuppen strichen die raue Seite entlang, dann blätterte ich um. Es raschelte und ich musste mir ein Gähnen verkneifen, während mein Kopf drohte, gegen die Fensterscheibe zu fallen.

Irgendwie hatte sich diese eine bestimmte Fensterbank so ziemlich in der hintersten Ecke der Bibliothek, in den letzten Tagen zu meinem Stammplatz entwickelt, so auch jetzt.

Ich wollte gar nicht wissen, wie spät es war, aber ganz sicher lange nach Mitternacht.

Ich war wie immer bei Alec gewesen, dem es mittlerweile Gott sei Dank wieder etwas besser ging, so dass er bei einer anstehenden Flucht auch ohne Hilfe laufen könnte.

Die Wölfe bemühten sich kein einziges Mal mehr zu ihm herunter, sie schickten ihm nur jeden Morgen eine Scheibe trockenes Brot und ein Glas Wasser hinunter, dass durch eine Klappe an der Wand hinunter befördert wurde.

Naja, jedenfalls war ich, nachdem ich mich von Alec verabschiedet hatte, wieder zur Bibliothek gelaufen.

Es war beinahe so, als hätten meine Füße sich ihren eigenen Weg gesucht, denn ich hielt es definitiv nicht mehr aus, ohne Antworten herumzulaufen.

Knapp zwei Wochen waren vergangen und wir hatten absolut nichts heraus finden können. Das durfte einfach nicht so weiter gehen! Wir mussten unbedingt nach North Carolina! Am besten schon gestern...

Ich seufzte schwer und blätterte erneut um, während meine Augen wieder drohten, zuzufallen. Ich gähnte und lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe, weil er sich einfach so unendlich schwer anfühlte.

Die meiste Zeit hatte ich mich übrigens in der Bibliothek vor Will versteckt, dessen Blicke ich langsam echt nicht mehr aushielt.

Und da waren dann auch noch Poppys Worte, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollten, so sehr ich es auch versuchte, ich konnte sie einfach nicht verdrängen.

Alec musste mich mittlerweile für akut geisteskrank halten, so komisch ich mich in den letzten Tagen benahm, allerdings konnte ich mir einfach nicht helfen.

Poppy hatte eben alles durcheinander gebracht und auch nach Alecs fünftem »Verdammt Aruna was ist denn mit dir los?!«, hatte ich bloß stumm mit dem Kopf geschüttelt.

Ziemlich erbärmlich, das wusste ich selbst, aber was solls. War ich halt komisch, kannte er ja eigentlich gar nicht anders von mir...

Und hey, die Dumpfbacke benahm sich ja auch manchmal komisch, also!

Seufzend blätterte ich wieder um, während die Lampe zu meinen Füßen immer noch fröhlich vor sich her flackerte.

»Ich guck mir das jetzt ganze zwei Wochen an und langsam wird es echt erbärmlich.«

Erschrocken riss ich meinen Kopf hoch und hätte vor Schreck beinahe die Lampe von der Fensterbank getreten.

Als ich dann seine grellgelben Katzenaugen sah, verengte ich meine eigenen zu schlitzen.

Lio.

»Warum kannst du nicht einfach mal mit einem ganz normalen Hallo auftauchen wie jeder ganz normale Mensch? Wieso müssen unsere Gespräche immer mit Beleidigungen anfangen?«

Lio schnaubte und ließ sich auf die Couch fallen, auf der Poppy immer saß, wenn sie bei mir war, während ich versuchte, das merkwürdige Gefühl in meiner Magengrube zu vertreiben, dass immerzu kam, wenn ich daran dachte, dass ich ja immer noch mehr oder weniger mit einem Vierjährigen sprach.

Wenn auch mit einem Vierjährigen, der permanent behauptete, ein Teil von mir zu sein.

»Mit Nettigkeiten kann man dich ja nicht motivieren«, seufzte er, wobei mich seine glühenden Augen kein einziges Mal losließen.

Naja, nicht, dass er es jemals mit Nettigkeiten versucht hätte...

Und da war er wieder, dieser rote Schimmer in seinen Haaren, der verschwunden war, sobald der eigentliche Lio zum Vorschein gekommen war.

Gott war das alles komisch.

Eigentlicher Lio? Das machte nicht mal Sinn...

»Also?«, seufzte ich und schlug das Buch zu.

»Was willst du hier? Oder bist du nur gekommen, um wirklich nicht hilfreiche, neunmalkluge Kommentare von dir zu geben?«

Lio seufzte und verdrehte die Augen.

»Ein bisschen mehr Dankbarkeit, wenn ich schon hier bin um dir zu helfen.«

Ich seufzte und rieb mir die Schläfe.

»Also wenn du wirklich ein Teil von mir bist, dann definitiv der gemeine«, kommentierte ich bloß, hielt dann allerdings inne.

Obwohl, nope, gemein war ich immer noch, der Teil konnte also nicht verschwunden sein.

Lio schnalzte mit der Zunge und schnippte sich irgendeinen Fusel vom Ärmel. Und dann warf er mir einen dieser Blicke zu, die ich in den letzten Tagen definitiv zu oft bekommen hatte.

»Du warst in letzter Zeit nicht ganz bei Sache...«, wollte er ansetzten, doch noch bevor er auch nur irgendetwas in diese Richtung sagen konnte, hob ich mahnend meine Hand.

»Kein. Wort. Verstanden?! Ich will nichts hören, was mit dem L-Wort zu tun hat!«

Beinahe spöttisch hob Lio eine seiner Augenbrauen, während ich wirklich, wirklich keinen Bock mehr auf den ganzen Scheiß hier hatte.

»Das L-Wort? Ernsthaft? Wie alt bist du Aruna?«

Ungläubig schüttelte ich den Kopf und warf entnervt meine Hände über den Kopf.

»Älter als du?!«, keuchte ich entrüstet und blinzelte ihn vollkommen ernst an.

Ich meine Hallo?! Ich war ja auch immerhin mehr als ein verdammtes Jahrzehnt älter als dieser kleine Hosenscheißer!

Über diese Bemerkung verdrehte Lio einfach nur die Augen und sah sich dann in der gigantischen Bibliothek um.

»Weißt du, manchmal bist du aber auch verdammt zurückgeblieben, oder?«

Okay, das reichte.

Resigniert warf ich meine Arme in die Luft und schnaubte entrüstet auf.

»Ich gebs auf. Nur Aruna Davis ist bescheuert genug mitten in der Nacht in einer verdammten Bibliothek zu sitzen und sich von einem beschissenen Kleinkind beleidigen zu lassen.«

Lio verdrehte die Augen.

»Jetzt sei mal nicht so dramatisch«, schnaubte er, woraufhin ich endgültig aufgab, meinen Kopf gegen die Scheibe fallen ließ und sprachlos gegen die Decke stierte.

Für einen Moment war es still und ich hatte beinahe schon Hoffnung, der kleine Hosenscheißer wäre einfach verschwunden, doch zu früh gefreut.

»Naja, warum ich eigentlich hier bin«, setzte er an, was mich wieder aufschauen ließ.

Gut, ich konnte es ja nicht leugnen, ganz nutzlos war er dann doch nicht.

Sein lodernder Blick traf mich und ich wappnete mich zur Vorsicht bereits gegen jegliche Beleidigungen.

»Du glaubst doch nicht wirklich, solch einen Zauber würde Will einfach aus diesen gewöhnlichen Büchern nehmen. Du glaubst doch nicht wirklich, er würde sein Buch einfach so in eines der Regale stellen, damit jeder Volltrottel«, er warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, »es finden kann.«

Ich seufzte und schüttelte meinen Kopf.

»Und was genau soll ich deiner Meinung nach sonst tun?«

Ich gab ja zu, was er sagte klang irgendwie einleuchtend, immerhin musste es ja schon einen Grund haben, warum Will den Schlüssel so gut versteckte.

Wenn ich jetzt so drüber nachdachte schien es geradezu dumm von mir, einfach so komplett planlos in dieser riesigen Bibliothek herumzurennen und mir nach Lust und Laune irgendwelche Bücher heraus zu ziehen.

Will hatte bestimmt keinen gewöhnlichen Zauber genommen, das hätte mir eigentlich klar sein müssen...

Wenn ich so darüber nachdachte, schien meine bisherige Suche eigentlich vollkommen sinnlos.

Resigniert ließ ich meinen Kopf gegen die Scheibe fallen, doch da stand Lio auf.

»Sie hat gesagt, in dem Fall darf ich dir helfen. Du hättest es gefunden, aber es ist keine Zeit mehr.«

Ich sah nicht einmal auf, während ich mich am Arm kratzte.

»Sie? Die ominöse Rote Göttin also wieder...«

Lio schnaubte und erhob sich dann.

»Jetzt sei Mal nicht so verbittert und komm lieber mit.«

Und ohne ein weiteres Wort zu sagen, stand er auf und steuerte die hinterste Wand der Bibliothek an.

Hastig rutschte ich von der Fensterbank, schnappte mir, geistesgegenwärtig wie ich nun einmal war, die Lampe und folgte Lio schneller als es nötig gewesen wäre, als hätte ich Angst, er könnte jeden Moment verschwinden.

Denn, auch wenn ich es vor dem Rotlöffel nicht zugab, seit der Erwähnung, dass er hier war, um mir zu helfen, hatte mein Herz angefangen, schneller zu schlagen.

Denn ich wusste, das bedeutete, ich würde die Antworten, die ich brauchte, gleich endlich bekommen. Zumindest hoffte ich das.

Die Genugtuung, ihm meine Aufregung zu zeigen, wodurch er vielleicht noch mehr auf mich herab geschaut hätte - obwohl er erst verdammte vier Jahre alt war! - wollte ich ihm definitiv nicht geben.

Nervös blickte ich zwischen die Regalreihen, an denen wir vorbei kamen, als erwartete ich jeden Moment einen dunklen Schatten in ihnen zu sehen, doch als wir an der hintersten Wand der Bibliothek angekommen waren, wo sich ein letztes, gigantisches Regal auftürmte, war absolut nichts geschehen.

Lio drehte sich zu mir um und sah mich auffordernd an, während ich ausdruckslos und irgendwie etwas hilflos gegen das Regal starrte.

»Eh?«, machte ich nach einem Moment sehr intelligent und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich tatsächlich, Lio wollte sich gegen die Stirn schlagen.

Genervt seufzte er und verdrehte die Augen, deutete dann heftig auf eines der Regalbretter

»Gott jetzt sieh doch mal genau hin!«, schnaubte er und als ich mich immer noch nicht bewegte, packte er mich plötzlich an meinem Handgelenk und zog mich nach vorne.

Ich wusste nicht, ob er es durfte. Vermutlich nicht. Denn in diesem Moment durchzuckte ein Bild meinen Kopf, dass mich inne halten ließ, mir einen merkwürdigen Schauer den Rücken laufen ließ.

Beinahe wie die Erinnerungen, die ich manchmal sah, wenn Alec an sie dachte.

Es war, als würde mir jegliche Luft aus den Lungen gepresst, mein Herz setzte aus und dann knickten meine Knie einfach weg.

Meine Augen verdrehten sich nach hinten.

Ich war weg.

Es war, als würde ich mit zusammengekniffenen Augen auf den Grund eines tiefen Sees hinab spähen.

Die zwei Gestalten waren verschwommen, ihre Silhouetten waberten immer wieder hin und her, als würde mir die Erinnerung jeden Moment entgleiten.

Um sie herum war absolut nichts außer Schwärze, nur der Fleck auf dem sie standen, schien beleuchtet.

Es fröstelte mich, ein unheimlicher Schauer überkam mich, als würde ich etwas unendlich Vertrautes sehen.

Ich blinzelte heftig.

Der kleine, blonde Junge kauerte beinahe verängstigt auf dem Boden und umklammerte zitternd seine Knie, während er irgendetwas vor sich her murmelte. Als hätte er... als hätte er Angst.

Angst vor der Frau mit den wilden, roten Locken, die vor ihm kniete.

»Keine Angst mein kleiner, süßer Lio«, hauchte sie und ihre Stimme ließ mich erzittern.

Sie schien so unendlich vertraut und dann doch so fremd, es war, als würde die Schwärze um sie herum ihre Stimme zurück werfen, sie wie ein unheimliches, leises Lied klingen lassen.

Der Klang ihrer Worte hallte in meinen Ohren wieder, raubte mir jeglichen Atem, ließ meinen Körper reagieren, ohne, dass ich wusste, warum.

Ein kalter Schauer legte sich über mich, ich erzitterte.

Lio wog sich vollkommen verängstigt vor und zurück, ich konnte sein Gesicht nicht wirklich erkennen, aber ich hörte die kleinen, unterdrückten Schluchzer.

Die Frau wollte eine Hand nach ihm ausstrecken, doch der Junge wich wimmernd zurück. Sie hielt inne.

»Keine Angst, es wird nicht weh tun, aber du willst mir doch helfen, oder? Wir sind doch Freunde, stimmt's Lio? Du willst deiner Freundin doch helfen, habe ich Recht?«

Sie war gruselig.

Diese Frau, ich fand sie so unendlich gruselig, wirklich.

Ihre Stimme, ihre Worte, ihre wabernde Gestalt, die blasse Haut die in der Schwärze geradezu zu erstrahlen schien.

Der kleine Junge nickte wimmernd.

»J-Ja Sospita, aber...«

Seine Stimme brach ab und auf einmal empfand ich so unendlich viel Mitleid mit dem Kind, dass es beinahe weh tat.

Die Frau nickte langsam und legte dann behutsam ihre Hand auf die Stirn des Jungen.

»Na siehst du«, murmelte sie beruhigend.

Und da, plötzlich, ohne Vorwarnung erstarrte die Gestalt des Kindes.

Er riss die Augen auf, sein Mund wollte sich zu einem entsetzten Schrei öffnen, doch er war vollkommen still.

Ich hielt die Luft an, meine Augen weiteten sich vor Schreck und für einen Moment wollte ich anfangen zu schreien, die Frau ankreischen, was zur Hölle sie mit diesem kleinen Kind tat.

Ein heftiger Ruck fuhr durch ihre beiden Gestalten, mein Herz machte einen entsetzten Sprung und da rutschte ihr plötzlich der dicke Mantel von den Schultern.

Etwas in mir kreischte auf.

Ich klammerte mich an meinen eigenen Körper fest, ein stummer Schrei des Entsetzens verließ meinen Mund.

Das Zeichen der Roten.

Es hob sich so unendlich klar zwischen ihren Schulterblättern hervor, erschien mir so unglaublich bekannt, sollte mich nach allem eigentlich nicht mehr schockieren und traf mich doch bis ins Mark.

Und dann, ohne, dass ich auch nur irgendetwas tun konnte, mich verstecken konnte, schoss ihr Kopf hoch.

Zwei strahlend blaue Augen erfassten mich, ich bekam keine Luft mehr, sie glühten gefährlich, doch ihr gesamtes, restliches Gesicht schien in undurchdringlichen, schwarzen Nebel gehüllt.

Ich konnte es nicht erkennen. Ich sah nicht einmal, wie sie ihren Mund öffnete, hörte nur diese Stimme, diese unheimlich einnehmende Stimme, die alles um mich herum erstarren ließ, die ein Feuer in mir zu entfachen schien.

»Mach es besser als ich, Sospita

Keuchend fuhr ich hoch, schnappte schwer atmend nach Luft, als wäre ich soeben aus dem tiefsten Wasser heraus geschnellt, und sah mich schließlich hektisch um, während mein Herz immer noch zu stolpern schien, als müsse es noch lernen, wie man richtig schlug.

Die Bibliothek lag vollkommen finster und stumm vor mir, bei dem Sturz war die Lampe ausgegangen.

Und ich war alleine. Vollkommen alleine. Kein Lio, niemand.

Ich seufzte resigniert auf und rieb mir die Schläfe, während ich mich langsam wieder etwas von dem Boden aufrichtete.

»Das reicht«, keuchte ich und verzog meine Stirn angesichts meines brummenden Schädels.

»Das reicht«, wiederholte ich und rappelte mich kopfschüttelnd auf.

»Ich lass mich einweisen... wirklich... ich lass mich einweisen...«

Sospita? Halleluja was bedeutete das denn jetzt schon wieder?

Erst hatte ich gedacht, der Name der Frau wäre Sospita, aber warum zur Hölle hatte sie mich dann so bezeichnet? Und warum verdammt hatte sie mich überhaupt gesehen?

Und was zum Teufel hatte sie mit Lio gemacht? Die ominöse Sie... War sie die Sie, von der man hier nicht sprechen durfte?

Ich seufzte auf und schüttelte schnaubend mit dem Kopf.

»Ich hoffe für dich, dass ich meine Antworten nach dem ganzen Scheiß wirklich bekomme, Ally, verstanden?!«

Und nachdem ich dieses äußerst freundliche Gebet gen Himmel geschickt hatte, wandt ich mich vor mich her grummelnd dem Regalbrett zu, auf das mich Lio äußerst geschickt hingewiesen hatte.

Ich meine ein kurzer Abstecher in seine Erinnerungen? Ach, gar kein Problem!

Für einen Moment starrte ich das Regalbrett noch an, beschloss dann allerdings einfach, meinen inneren Alec raushängen zu lassen.

Halleluja, war mir doch jetzt alles scheiß egal, ehrlich!

Mit wütender Entschlossenheit packte ich das Regalbrett, warf einen bösen Blick über meine Schulter und ließ dann wohl meine ganze angestaute Wut, meinen ganzen, angestauten Frust, einfach an dem armen Stück Holz aus.

»Scheiß drauf!«, knurrte ich wütend und im nächsten Moment riss ich einfach an dem bescheuerten Holz.

Vielleicht hatte ich meine Kraft minimal unterschätzt, vielleicht machte mich meine Wut auch viel stärker, als ich sonst eigentlich gewesen wäre, doch das Holz gab mit einem widerlichen Knacken nach, viel leichter, als erwartet, und so kam es, dass das Brett mit voller Wucht in das nächste Regal krachte und ein paar Bücher ummähte, wobei es seine eigenen bei dem Flug verlor.

Und meine nächsten Worte waren wohl Zeugen meines übermüdeten und geisteskranken Selbst.

»Ha! Verdient!«, schmetterte ich dem dummen Teil wild mit den Armen umher wirbelnde hinterher und konnte geradezu sehen, wie sich Alec resigniert gegen die Stirn schlug und Lio sich einfach kopfschüttelnd umdrehte und ging.

Ja, ich war definitiv zu müde...

Ich warf dem Stück Holz noch einen letzten, bitterbösen Blick zu - wusste übrigens jetzt schon, dass ich mich für das hier morgen definitiv, definitiv in Grund und Boden schämen würde - und drehte mich schließlich zu dem neu entstandenen Loch im Regal zu.

Triumphierend schnaubte ich auf.

Na wer sagt's denn?

Ein kleiner, mondförmiger Druckknopf hob sich sacht von der steinernen Wand ab und glänzte mir vielversprechend entgegen.

Vermutlich Obsidian. Ich verdrehte die Augen.

Unter normalen Umständen hätte man vermutlich einfach nur eines der dummen Bücher herausnehmen müssen, um an den Knopf zu kommen, aber ich war eben übermüdet und hatte definitiv keine Geduld mehr.

Fluchend trat ich eines der Bücher, die sich über den Boden verteilt hatten, bei Seite und beugte mich schließlich vor.

Ja, definitiv Obsidian.

Zögerlich blickte ich auf meine Hände hinab und ballte sie ein, zwei Mal zu Fäusten.

»Na gut«, seufzte ich schließlich, hob meine rechte Hand an, streckte meinen Zeigefinger aus und drückte den Knopf schließlich hinab.

Es kribbelte und da ertönte plötzlich ein leises, metallenes Klicken.

Gespannt wartete ich, was passieren würde und als sich der Mond unter meiner Berührung plötzlich zu bewegen begann, zuckte ich erschrocken zurück und zog meine Hand hastig wieder an meinen Körper.

Fasziniert beobachtete ich, wie der Mond sich in zwei Einzelteile zersetzte und wie auch bei dem Eingang zu den Zellen einfach durch den Stein zu schwimmen schien.

Nur, dass die beiden Teil diesmal kleine Furchen hinter sich her zogen, denen ich fasziniert folgte.

Schließlich knackte es - ich schloss meinen Mund hastig wieder, nicht, dass ich noch anfangen würde zu sabbern - die beiden Einzelteile erstarrten und dann weiteten sich die Zwei Furchen plötzlich.

Ich blinzelte und im nächsten Moment tat sich ein kleines Loch in der Wand auf.

Schmal und nicht wirklich hoch, gerade so, dass ich meine Hand hätte hinein zwängen können.

Und im ersten Moment dachte ich tatsächlich, das Fach wäre leer.

Ich kniff meine Augen zusammen und die wütende Frustrierung war schon fast wieder dabei, Besitz von mir zu ergreifen, als ich den dunkelblauen Buchumschlag entdeckte.

Ich blinzelte und streckte meine Hand nach ihm aus.

Verwirrt zog ich die Stirn kraus und fischte ihn aus dem Fach.

Wie einer dieser Umschläge, die man früher immer um die Schulhefte gemacht hatte, wobei man mit steigendem Alter froh war, noch überhaupt irgendein Blatt in dem drei Jahre alten Block zu finden.

Ich verdrehte die Augen. Ja, Schule war definitiv etwas, was ich nicht wirklich vermisste...

Zumindest nicht den lernerischen Aspekt an ihr.

Ich biss mir auf meine Wange und drehte den Umschlag nachdenklich in meinen Händen herum.

Nichts. Kein Titel des Buches, keine aufwändigen Verzierungen, einfach ein stinknormaler, unauffälliger, dunkelblauer Umschlag, der sich anfühlte, als wäre er vollkommen leer.

Ja, das hatte ich mir definitiv spektakulärer vorgestellt...

Stirnrunzelnd schüttelte ich den Kopf und schlug den Umschlag schließlich auf.

Okay, auch das hatte ich mir spektakulärer vorgestellt.

Eine Seite. Eine einzige. Nicht einmal eine ganze, wenn ich genau darüber nachdachte.

Ein vergilbter Fetzen Pergament, der aussah, als wäre er älter als die knorrigen Tannen, die in den Gärten standen.

Verwirrt strich ich über das raue Papier und schüttelte ehrlich verwirrt den Kopf.

Ich hatte mehr erwartet, viel mehr um genau zu sein.

Ein Buch mit Seiten, so viele, dass sie unzählbar schienen, einem Umschlag, so glänzend und wunderschön, dass er unbezahlbar wirkte, einer Schrift, so fein und sauber, dass sie unmenschlich war.

Aber definitiv nicht das. Nicht diese gekritzelte, bescheuerte Notiz, die nicht einmal Sinn machte.

Dnu Erf Nie M Nie Nih Ru N Efie Rg, Nie Nih Fie Rg Os, Neb Eil Hc Id Driw S E Dn U Net Iel Hc Id Driw S E, Nem Räw Hc Id Driw S E, T Hcil Med Ro V T Hcin Hc Id Et Hcrü F Dn U Dnu Erf Nie M Nie Nih Fie Rg, Tl Ew Res Eid Fu A Net Siem Ma Tser Heg Eb Lei Z Neb Ah Rov Nie D Hci L R Haw Ud N New, Nie Nih Ru N Efie Rg, Nie R Dnu Tu G Nhi Kc Ets Rev, Dnu Erf Nie M, Dnu Erf Os, N er H Egeb Eis Sa W Ts I S Nez Reh Sen Ied Les Sül Hc S Red N Ned.

Okay. Wow. Halleluja. Was war das?!

Mein Schädel brummte und ich verstand wirklich absolut gar nichts, während die Buchstaben vor meinem Auge verschwammen und beinahe unleserlich wurden.

Denn nichts anderes waren sie. Bloß eine Aneinanderreihung von Buchstaben.

Halleluja was sollte ich denn bitte damit anfangen?!

Ich kniff meine Augen zusammen, als würden diese Buchstaben so mehr Sinn ergeben, doch so sehr ich auch auf sie hinauf starrte, klarer wurden sie trotzdem nicht.

Ich blinzelte heftig, bis mein Blick plötzlich auf meine Armbanduhr fiel.

Halleluja schon kurz vor fünf! Ich hallelujate definitiv schon wieder zu oft.

Wenn ich nicht morgen im gehen einschlafen wollte, musste das jetzt warten. Ich war sowieso so müde, dass mein Hirn nicht mehr hinbekam, als Hedwig's Theme zu summen, weil mich diese Bibliothek sowieso schon die ganze Zeit an Hogwarts erinnert hatte.

Seufzend schüttelte ich den Kopf, stopfte den Umschlag in die Tasche, in der ich Alecs Essen transportiert hatte und drückte einfach aus Instinkt heraus die zwei Einzelteile des Mondes.

Probieren konnte man es ja, immerhin musste sich das Teil ja irgendwie auch wieder schließen.

Und tatsächlich hatte ich ausnahmsweise einmal eine gute Idee.

Kurz erbebten die Erhebungen unter meiner Berührung und schlossen sich dann langsam wieder.

Erst jetzt ging mir auf, dass es vielleicht nicht die schlauste Idee gewesen war, das Regal einfach so heraus zu reißen, immerhin wäre es vielleicht minimal klüger, den Ort zu verlassen, wie ich ihn vorgefunden hatte, um keinen Verdacht unter den Bibliothekbesuchern aufkeimen zu lassen.

Ja, da wars auch wieder hin mit meinen guten Ideen.

Ich schnaubte auf, verärgert über mich selbst, und begann, die Bücher vom Boden aufzusammeln und neben dem Regal zu stapeln, befreite schließlich das Stück Holz aus einem der anderen Regale.

Grummelnd stellte ich auch die Bücher hier wieder ordentlich hin und es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis ich es irgendwie hinbekommen hatte, das Regalbrett wieder an seinen alten Platz zu klemmen, wenn auch wesentlich unstabiler.

Gott, ich war wirklich so zurückgeblieben, wie Lio behauptet hatte.

Genervt vor mich her fluchend versuchte ich, die Bücher auf das Regal zu stapeln und nach ungefähr einem Dutzend beinahe Zusammenbrüchen, sah es zumindest augenscheinlich so aus, als würde nicht jeden Moment alles wieder einkrachen.

Na hoffentlich hatte niemand in den nächsten Tagen vor, sich diese äußerst tollen Buchstaben anzusehen...

Ein letztes Mal begutachtete ich mein Werk, nickte mehr oder minder zufrieden, warf dem Regalbrett einen finsteren Blick zu und machte mich schließlich daran, schleunigst aus der Bibliothek zuverschwinden.

Ich konnte nur hoffen, dass Alec, im Gegensatz zu mir, überhaupt irgendeine Ahnung hatte, was dieses bescheuerte Gekritzel zu bedeuten hatte...

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